Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (4. Kammer) - 4 Sa 460/15

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Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.8.2015 - 12 Ca 332/15 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 301,28 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2014 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat 72 % und die Beklagte 28 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Sonderzuwendung.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 17.04.2002, zuletzt als Objektleiterin, beschäftigt. Der zwischen den Parteien geschlossene schriftliche Arbeitsvertrag enthält keine Regelungen über Gratifikationen oder sonstige Sonderleistungen.

3

Seit dem Jahr 2007 erhielt die Klägerin jeweils mit den Gehaltsabrechnungen für Juni und November eines jeden Jahres ein zusätzliches halbes Monatsgehalt ausgezahlt. Der betreffende Betrag wurde in den jeweiligen Gehaltsabrechnungen durchgehend als "Urlaubsgeld" bezeichnet. Zuletzt erhielt die Klägerin diese Zahlungen mit den Gehaltsabrechnungen November 2013 und Juni 2014 in Höhe von jeweils 1.076,00 € brutto. Mitte des Jahres 2014 erkrankte die Klägerin und bezog nach Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums ab dem 22.08.2014 bis zum Jahresende Krankengeld.

4

Eine Zahlung von weiteren 1.076,00 € mit der Gehaltsabrechnung November 2014 erfolgte seitens der Beklagten nicht.

5

Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, ihr stehe auch für November 2014 ein halbes Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.076,00 € zu. Bei den in den Gehaltsabrechnungen für Juni und November als "Urlaubsgeld" bezeichneten Beträgen habe es sich jeweils um ein anteiliges Weihnachtsgeld in Höhe des hälftigen Bruttomonatsgehalts gehandelt. Erstmals im Dezember 2007 habe sie festgestellt, dass sie mit ihrem Novembergehalt die betreffende Sonderzahlung erhalten habe. Da es darüber keinerlei schriftliche oder mündliche Vereinbarung gebe, habe sie sich bei dem für sie zuständigen Personalchef nach dem Grund für die Zahlung erkundigt. Dieser habe ihr mitgeteilt, es wäre üblich, dass die Beklagte jeweils zum Junigehalt und zum Novembergehalt ein hälftiges Monatsentgelt zur Auszahlung bringe, welches zwar als Urlaubsgeld bezeichnet, tatsächlich jedoch anteiliges Weihnachtsgeld sei. Dieses sei ihr daher auch unabhängig von erbrachter Arbeitsleistung, also auch bei Arbeitsunfähigkeit und während des Bezugs von Krankengeld, zu zahlen.

6

Die Klägerin hat beantragt,

7

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.076 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2014 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, aufgrund des Bezugs von Krankengeld bzw. nicht erbrachter Arbeitsleistung habe die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung der Sonderzuwendung für November 2014. Bei den in der Vergangenheit erfolgten Zahlungen habe es sich weder um Weihnachts- noch um Urlaubsgeld gehandelt, sondern ausschließlich um eine weitere Vergütung für die Objektleiterinnen, da diese jederzeit erreichbar sein und ggf. auch persönlich kurzfristige Vertretungen übernehmen müssten. Die Bezeichnung als "Urlaubsgeld" in den jeweiligen Gehaltsabrechnungen beruhe darauf, dass die betreffende "Lohnart" die einzige Möglichkeit im Abrechnungssystem dargestellt habe, Einmalzahlungen zu kennzeichnen.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 25.08.2015, auf dessen Tatbestand (Bl. 51 f d. A.) zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes ergänzend Bezug genommen wird, stattgegeben. Wegen der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 - 8 dieses Urteils (= Bl. 52 - 56 d. A.) verwiesen.

12

Gegen das ihr am 04.09.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 05.10.2015, Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 04.11.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 04.12.2015 begründet.

13

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die betreffenden Zahlungen seien nur deshalb als "Urlaubsgeld" in den Gehaltsabrechnungen bezeichnet worden, weil das von ihr - der Beklagten - genutzte Programm zur Abrechnung der Arbeitsentgelte den Begriff "Sondervergütung" nicht enthalte. Unabhängig von der Bezeichnung sei die Sondervergütung gewährt worden als Gegenleistung dafür, dass Arbeitnehmer, die wie die Klägerin als Objektleiterinnen eingesetzt seien, besondere Leistungen zu erbringen hätten. Hierbei handele es sich um die Bereitschaft, kurzfristig, insbesondere auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten zur Verfügung zu stehen und ggf. im Rahmen von Springertätigkeiten auch Arbeiten außerhalb des Berufsbildes einer Objektleiterin durchzuführen, namentlich als Unterhaltsreinigerin, d. h. als einfache Reinigungskraft. Die Sonderzuwendung habe daher reinen Entgeltcharakter. Sie betreffe die Entlohnung der von den Vertragsparteien vorausgesetzten überobligatorischen Leistungen der als Objektleiter eingesetzten Arbeitnehmer. Die Zahlung verfolge keine weitergehenden Zwecke, insbesondere diene sie nicht der Belohnung für etwaige Betriebstreue, was sich bereits daraus ergebe, dass Rückzahlungsvoraussetzungen nicht vereinbart seien. Im Zusammenhang mit der erstmaligen Gewährung der Sondervergütung habe die Klägerin den Personalleiter gefragt, welchen Hintergrund die Zahlung habe. Dabei sei ihr, wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, mitgeteilt worden, dass es sich um eine zusätzliche Vergütung für die geleistete Arbeit handele, insbesondere für die erforderliche Flexibilität.

14

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 04.12.2015 (Bl. 83 - 85 d. A.) Bezug genommen.

15

Die Beklagte beantragt,

16

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt ihren erstinstanzlichen Sachvortrag, wonach der für sie zuständige Personalchef der Beklagten ihr anlässlich der ersten Auszahlung der Sondervergütung auf Nachfrage mitgeteilt habe, es sei üblich, dass zum Novembergehalt ein zusätzliches halbes Monatsgehalt als Weihnachtsgeld gezahlt und nur als "Urlaubsgeld" bezeichnet werde und dass die Beklagte ein weiteres halbes Monatsentgelt jeweils zum Junigehalt auszahle, welches zwar ebenfalls als Urlaubsgeld bezeichnet, tatsächlich jedoch Teil des Weihnachtsgeldes sei.

20

Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungserwiderungsschrift vom 11.01.2016 (Bl. 95 - 97 d. A.) Bezug genommen.

21

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E. und F.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22.02.2017 (Bl. 117 ff d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

22

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache zum Teil Erfolg.

II.

23

Die zulässige Zahlungsklage ist nur zum Teil begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus betrieblicher Übung Anspruch auf Zahlung restlicher Sondervergütung für das Jahr 2014 in Höhe von 301,28 € brutto.

1.

24

Ein Anspruch aufgrund betrieblicher Übung ist dann gegeben, wenn der Arbeitgeber eine Leistung wiederholt vorbehaltlos gewährt und hierdurch für den Arbeitnehmer ein Vertrauenstatbestand entsteht, der Arbeitgeber wolle sich auch für die Zukunft binden. Ein derartiger Vertrauenstatbestand ist regelmäßig nach dreimaliger Vornahme der Leistung anzunehmen, falls nicht besondere Umstände hiergegen sprechen oder der Arbeitgeber bei der Gewährung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat (BAG v. 26.03.1997 - 10 AZR 612/96 - AP Nr. 50 zu § 242 BGB Betriebliche Übung m.w.N.).

25

Hiervon ausgehend ist im Betrieb der Beklagten zugunsten der Klägerin eine betriebliche Übung entstanden, wonach ihr jeweils zusammen mit der Arbeitsvergütung für die Monate Juni und November zusätzlich ein halbes Monatsgehalt ausgezahlt wird. Eine gesetzliche, tarifvertragliche oder unmittelbar aus dem geschlossenen Arbeitsvertrag selbst herrührende Anspruchsgrundlage besteht nicht. Die Klägerin konnte jedoch aus dem Verhalten der Beklagten schließen, dass diese sich ihrerseits durch die vorbehaltlos erbrachte Leistung für die Zukunft binden wollte.

2.

26

Für das Jahr 2014 hat die Klägerin jedoch keinen Anspruch auf die volle Sonderzuwendung. Die von der Beklagten in den Lohnabrechnungen als "Urlaubsgeld" bezeichnete Leistung ist nämlich ein Teil der Vergütungsleistung der Beklagten. Dieser Teil wird für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, für die kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 EFZG besteht, nicht geschuldet (BAG v. 21.03.2001 - 10 AZR 28/00 - NZA 2001, 785). Die Klägerin, die unstreitig ab dem 22.08.2014 bis zum Jahresende Krankengeld bezogen hat, hat daher nur einen zeitanteiligen Anspruch auf die betreffende Sondervergütung für den Zeitraum vom 01.01. bis einschließlich 21.08.2014.

a)

27

Bereits der Umstand, dass zwischen den Parteien keine (weiteren) Voraussetzungen für das Entstehen des Anspruchs der Klägerin auf die betreffende Sonderzahlung vereinbart sind, spricht dafür, dass die Sondervergütung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet wird (vgl. BAG v. 21.05.2003 - 10 AZR 408/02 - EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 8).

b)

28

Darüber hinaus konnte die Beklagte im Berufungsverfahren den Beweis führen, dass es sich bei den an die Klägerin ausgezahlten, in den Abrechnungen als "Urlaubsgeld" bezeichneten Geldbeträgen um eine zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit handelte und dass dies auch so gegenüber der Klägerin kommuniziert wurde.

29

Der Zeuge E. hat bei seiner Vernehmung - ebenso wie der Zeuge F. - glaubhaft bekundet, dass es sich bei den betreffenden Zahlungen nach den ihnen gegenüber geäußerten Verlautbarungen des Geschäftsführers der Beklagten um eine Leistungszulage für die Objektleiterinnen handelte.

30

Darüber hinaus steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass der Zweck der Sondervergütung der Klägerin im Zusammenhang mit der erstmaligen Gewährung der Leistung im Jahr 2007 vom Personalleiter der Beklagten, dem Zeugen E., auch mitgeteilt wurde. Zwar konnte sich der Zeuge E. bei seiner Vernehmung nicht daran erinnern, ob er (auch) von der Klägerin nach dem Grund bzw. Zweck der Zahlung gefragt wurde. Unstreitig hat sich jedoch die Klägerin unmittelbar nach erstmaligem Erhalt der Sondervergütung Ende 2007 bei dem Zeugen E. danach erkundigt, aus welchem Grund bzw. für was die Leistung gedacht sei. Dies haben beide Parteien übereinstimmend vorgetragen. Der Zeuge E. hat bekundet, dass er bei entsprechenden Nachfragen seitens einer Objektleiterin die Auskunft erteilt habe, dass es sich um eine Leistungszulage handele. Hinsichtlich der Glaubhaftigkeit des Zeugen und der Richtigkeit seiner Aussage bestehen aus Sicht des Berufungsgerichts keine hinreichenden Bedenken. Damit steht zugleich zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zweck der Leistung, nämlich die Gewährung einer Leistungszulage, der Klägerin im Zusammenhang mit der erstmaligen Auszahlung mitgeteilt wurde.

3.

31

Demnach handelt es sich bei den der Klägerin jeweils zusammen mit der Arbeitsvergütung für die Monate Juni und November ausgezahlten Beträgen, die sich zusammengerechnet auf ein Monatsentgelt belaufen, um eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung mit der Folge, dass für die Zeit, in der der Klägerin infolge Krankheit kein Entgeltfortzahlungsanspruch mehr zustand, kein (anteiliger) Anspruch entstanden ist. Einer gesonderten arbeitsvertraglichen Kürzungsvereinbarung nach § 4 a EFZG bedurfte es nicht (BAG v. 21.03.2001 - 10 AZR 28/00 - NZA 2001, 785).

4.

32

Da die Klägerin ab dem 22.08.2014 Krankengeld bezogen hat, entstand ihr Anspruch auf die streitgegenständliche Sonderzahlung nur für die Zeit vom 01.01. bis 21.08.2014, was einem Anteil von 64 % entspricht. Hieraus ergibt sich rechnerisch ein Anspruch in Höhe von 1.377,28 € (2.152 € x 64 %), worauf die Beklagte bereits zusammen mit dem Arbeitsentgelt für Juni 2014 1.076,00 € gezahlt hat. Es verbleibt somit zugunsten der Klägerin eine restliche Forderung von 301,28 € brutto. Zu demselben Ergebnis gelangt man rechnerisch auch bei isolierter Betrachtung der jeweils im November ausgezahlten und vorliegend eingeklagten "zweiten Hälfte" der Sondervergütung i.H.v. 1.076,00 € und einer Kürzung um die Zeit des Krankengeldbezuges von 4,32 Monaten (72 %).

33

Der ausgeurteilte Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

III.

34

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

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