Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (4. Kammer) - 4 TaBV 1/17

Tenor

I. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 18.8.2016 - 9 BV 44/15 - wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung eines Arbeitnehmers.

2

Die Antragstellerin ist eine Tochtergesellschaft der Deutschen T. AG, für die sie den technischen Kundenservice (Installations-, Entstörungs- und Beratungsdienstleistungen beim Kunden) erbringt. Der Beteiligten zu 2) ist der für den Betrieb der Antragstellerin  F. Mitte in Mainz gebildete Betriebsrat. Zwischen den Beteiligten besteht eine Regelungsabrede, nach deren Inhalt die Frist für eine Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 3 BetrVG erst mit dem letzten Tag der auf den Zugang eines Antrages auf Zustimmungserteilung beim Betriebsrat folgenden Betriebsratssitzung zu laufen beginnt.

3

Dem Betrieb  F. Mitte ist der Arbeitnehmer  W. zugeordnet. Seine Regelarbeitsstelle befand sich am Standort S. und war ca. 2,3 km von seinem Wohnort entfernt. An der sog. Regelarbeitsstelle nehmen die Arbeitnehmer der Antragstellerin ihre Arbeit auf; dort steht das zur Benutzung zugewiesene Dienstfahrzeug, außerdem werden ein Büroraum sowie Sanitäranlagen vorgehalten.

4

Der für die Immobilie in S. zuständige Objektmanager der Antragstellerin empfahl mit E-Mail vom 04.08.2015 die Auflösung des betreffenden Standortes als Regelarbeitsstelle, um eine gesundheitliche Gefährdung der Mitarbeiter auszuschließen. Die Empfehlung erfolgte unter Hinweis auf eine Gefährdungsanalyse, in der eine Verkeimung mit Legionellen in den Sanitäranlagen der seitens der Antragstellerin angemieteten Räumen festgestellt worden war. Wegen des Inhalts der Gefährungsanalyse im Einzelnen wird auf Bl. 120 - 153 d. A. Bezug genommen.

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Die Antragstellerin kündigte daraufhin zum 31.08.2015 den Mietvertrag über die Räumlichkeiten in S. und mietete in K. Räume an, die für den Arbeitnehmer  W. eingerichtet wurden.

6

Mit Schreiben vom 11.08.2015, hinsichtlich dessen Inhalts im Einzelnen auf Blatt 35 d. A. Bezug genommen wird, hörte die Antragstellerin den Betriebsrat zur Versetzung des Arbeitnehmers  W. von seiner bisherigen Regelarbeitsstelle in S. nach K. an. Die betreffende Maßnahme wurde vom Betriebsrat in seiner darauf folgenden Sitzung am 25./26.08.2015 erörtert. Mit Schreiben vom 27.08.2015, welches der Antragstellerin noch am selben Tag zuging, verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung zur Versetzung und machte dabei geltend, die Maßnahme führe für den betroffenen Arbeitnehmer zu einer zeitlichen und finanziellen Mehrbelastung, da die vorgesehene Regelarbeitsstätte in K. ca. 11 km von seinem Wohnort entfernt sei. Wegen aller Einzelheiten des Schreibens des Betriebsrats vom 27.08.2015 wird auf Blatt 39 f. d. A. Bezug genommen.

7

Mit Schreiben vom 02.09.2015 teilte die Antragstellerin dem Betriebsrat mit, dass sie die Versetzung als vorläufige personelle Maßnahme zum 15.09.2015 umsetzen werde, da dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei. Dem widersprach der Betriebsrat mit Schreiben vom 03.09.2015.

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Mit ihrer am Montag, dem 07.09.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten Antragsschrift hat die Antragstellerin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Arbeitnehmers  W. sowie die Feststellung begehrt, dass diese Versetzung zum 15.09.2015 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.

9

Die Antragstellerin hat beantragt,

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1. die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Versetzung des Herrn Falk  W. vom Standort S., Straße A. 29, an den Standort K., B.  Straße 2, zum 05.09.2015 zu ersetzen,

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2. festzustellen, dass die Versetzung des Herrn Falk  W. vom Standort S., Straße A. 29 an den Standort K., B. -Straße 2 zum 15.09.2015 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.

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Der Betriebsrat hat beantragt,

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die Anträge zurückzuweisen.

14

Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts Mainz vom 18.08.2016 (Bl. 230 - 232 d. A.) Bezug genommen.

15

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18.08.2016 den Anträgen stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 - 7 dieses Beschlusses (= Bl. 233 - 235 d. A.) verwiesen.

16

Gegen den ihm am 16.12.2016 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 10.01.2017 Beschwerde eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 15.02.2017 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist am 16.03.2017 begründet.

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Der Betriebsrat macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe er seine Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters  W. von S. nach K. ordnungsgemäß und zutreffend nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG verweigert. Die Anfahrtstrecke zur Regelarbeitsstelle verlängere sich für den Mitarbeiter  W. (unstreitig) um 11 km für die einfache Wegstrecke. Die täglich anfallende Gesamtstrecke verlängere sich somit auf insgesamt 22 km. Dies stelle für den Mitarbeiter  W. zweifellos eine Benachteiligung dar. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass der Standort in S. von der Antragstellerin auch hätte beibehalten werden können. Unstreitig würden die Räumlichkeiten in S. noch von Mitarbeitern anderer Konzerneinheiten genutzt. Die Räumlichkeiten müssten auch weiterhin von Beschäftigten der Antragstellerin regelmäßig aufgesucht werden. Eine Abmietung der Räumlichkeiten in S. sei daher nicht notwendig gewesen. Überdies hätten der Antragstellerin mehrere in der Gefährdungsanalyse genannten Alternativen zur Verfügung gestanden, um den Legionellenbefall zu beseitigen. Diesbezüglich sei insbesondere davon auszugehen, dass ein Spülplan - wie im Gutachten vorgeschlagen - zur einer Beseitigung des Legionellenbefalls geführt hätte. Betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründe für die Versetzung seien daher nicht gegeben. Im Übrigen sei er von der Antragstellerin nicht umfassend über die Maßnahme informiert worden. So seien bislang keinerlei Informationen zu den alternativen Möglichkeiten der Beseitigung des Legionellenbefalls erteilt worden. Auch seien keinerlei Angaben darüber erfolgt, warum die einzige Möglichkeit im Abmieten des gesamten Standortes bestanden habe. Letztlich sei die Durchführung der Versetzung auch nicht aus sachlichen Gründen dringend erforderlich. Der Legionellenbefall sei der Antragstellerin bereits seit August 2014 bekannt gewesen, sodann sei erst im Februar 2015 die Gefährungsanalyse erstellt worden. Die Versetzung des Mitarbeiters  W. sei dann erst nach Ablauf von neun Monaten erfolgt. Aufgrund dieses Zeitablaufs liege die Vermutung nahe, dass sich die Antragstellerin bewusst selbst in Zugzwang gesetzt habe, da sie zuvor mehr als ein Jahr lang trotz der Kenntnis über den Legionellenbefall zugewartet habe, bis sie die Versetzung vorgenommen habe. Vor diesem Hintergrund könne das Merkmal "aus sachlichen Gründen dringend erforderlich" nicht mehr vorliegen.

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Der Betriebsrat beantragt,

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den erstinstanzlichen Beschluss abzuändern und die Anträge abzuweisen.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Die Antragstellerin verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss nach Maßgabe ihrer Beschwerdeerwiderungsschrift vom 18.04.2017 (Bl. 301 - 308 d. A.).

23

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird ergänzend auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

24

Die statthafte Beschwerde ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung den Anträgen der Antragstellerin zu Recht stattgegeben.

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1. Der Antrag der Arbeitgeberin, die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Mitarbeiters  W. von dessen bisheriger Regelarbeitsstelle am Standort S. nach K. zu versetzen, ist begründet.

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a) Die Zustimmung des Betriebsrats gilt nicht deshalb nach § 99 Abs. 3 Satz 2

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BetrVG als erteilt, weil dieser der Arbeitgeberin seine Verweigerung nicht fristgerecht mitgeteilt hätte. Zwar hat er seine Zustimmung zum Antrag der Arbeitgeberin vom 11.08.2015 erst am 27.08.2015 und damit nach Ablauf der gesetzlichen Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz BetrVG verweigert. Die Beteiligten haben die gesetzliche Frist jedoch einvernehmlich in der Weise modifiziert, dass sie nicht schon mit der Unterrichtung und Bitte um Zustimmung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, sondern erst mit dem letzten Tag der auf diese folgenden nächsten Betriebsratssitzung beginnen solle. Eine solche einvernehmliche Verlängerung der Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG durch die Betriebsparteien ist zulässig (BAG v. 16.11.2004 - 1 ABR 48/03 - AP Nr. 44 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung, m. w. N.). Die einvernehmlich verlängerte Frist hat der Betriebsrat im vorliegenden Fall gewahrt, da er unstreitig bereits einen Tag nach der auf die Mitteilung der Arbeitgeberin über die beabsichtigte Versetzung durchgeführten Betriebsratssitzung seine Zustimmung verweigert hat.

28

Das Widerspruchsschreiben des Betriebsrats genügt auch der Begründungspflicht des § 99 Abs. 3 BetrVG. Indem der Betriebsrat in diesem Schreiben geltend macht, der Arbeitnehmer  W. erfahre durch die Versetzung eine Mehrbelastung in zeitlicher und finanzieller Hinsicht, bezieht er sich erkennbar auf den Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG.

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b) Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung ist zu ersetzen, da der von ihm geltend gemachte Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG nicht gegeben ist.

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Zwar erleidet der Mitarbeiter  W. durch die Versetzung, d. h. durch die Verlagerung seiner Regelarbeitsstelle an einen anderen Ort Nachteile, da dies für ihn sowohl einen zeitlichen als auch einen finanziellen Mehraufwand zur Folge hat. Diese Nachteile sind jedoch aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt.

31

Die Antragstellerin hat unstreitig die Entscheidung getroffen, den Standort S. bzw. die dort von ihr angemieteten Räumlichkeiten aufzugeben. Sie hat den Mietvertrag für die Räumlichkeiten zum 31.08.2005 gekündigt und in K. neue Räumlichkeiten angemietet, die für den Mitarbeiter  W. eingerichtet wurden. Die unternehmerische Entscheidung, den Arbeitsplatz des Mitarbeiters  W. zu verlagern, ist im Rahmen von § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG nicht auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Der Betriebsrat kann nicht über einen auf diese Vorschrift gestützten Widerspruch nach § 99 Abs. 3 BetrVG erzwingen, dass die unternehmerische Entscheidung rückgängig gemacht wird (BAG v. 16.01.2007 - 1 ABR 16/06 - AP Nr. 52 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung; BAG v. 10.08.1993 - 1 ABR 22/93 - NZA 1994, 187). Der Betriebsrat kann daher vorliegend nicht mit Erfolg geltend machen, der Antragstellerin hätten andere Möglichkeiten zur Verfügung gestanden, den Legionellenbefall in den Sanitäranlagen des Gebäudes in S. zu beseitigen. Es ist auch ohne Belang, ob und in welchem Umfang die Räumlichkeiten noch von anderen Unternehmen des Konzerns benutzt werden und ob der Mitarbeiter  W. im Zusammenhang mit der Ausführung seiner Arbeiten ab und an den bisherigen Standort noch aufsuchen muss.

32

Entgegen der Ansicht des Betriebsrats hat die Antragstellerin das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG auch ordnungsgemäß eingeleitet. Sie hat den Betriebsrat in ihrem Anhörungsschreiben vom 11.08.2015 darüber informiert, dass eine Verlagerung der Regelarbeitsstelle des Mitarbeiters  W. nach K. im Hinblick auf den Legionellenbefall in der Regelarbeitsstelle S. erforderlich ist und dass der notwendige Umzug zum 15.09.2015 erfolgen soll. Damit hat sie ihre Unterrichtungspflicht aus § 99 Abs. 1 BetrVG erfüllt. Zur Erteilung von Informationen über etwaige alternative Möglichkeiten zur Beseitigung des Legionellenbefalls war die Antragstellerin nicht verpflichtet, da die Entscheidung, den Standort S. aufzugeben, im Mitbestimmungsverfahren des § 99 BetrVG - wie bereits ausgeführt - nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen ist.

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2. Der Antrag auf Feststellung, dass die Versetzung des Mitarbeiters  W. aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, ist ebenfalls begründet.

34

Die Antragstellerin hat die Fristen des § 100 Abs. 2 BetrVG eingehalten. Nachdem der Betriebsrat am 27.08.2015 seine Zustimmung zur Versetzung verweigert hatte, hat die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 02.09.2015, und damit jedenfalls noch unverzüglich i. S. v. § 100 Abs. 2 Satz 1 BetrVG den Betriebsrat von der vorläufigen personellen Maßnahme, die zum 15.09.2015 umgesetzt wurde, unter Angabe von Gründen unterrichtet. Nachdem der Betriebsrat sodann - ebenfalls unverzüglich - mit Schreiben vom 03.09.2015 der vorläufigen Durchführung der Maßnahme widersprochen hatte, hat die Arbeitgeberin mit ihrer am Montag, dem 07.09.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten Antragsschrift die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats sowie die Feststellung beantragt, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Die Dreitagesfrist des § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG ist daher gewahrt (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1, 193 BGB).

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Die vorläufige Durchführung der Versetzung war auch aus sachlichen Gründen dringend erforderlich. Dies liegt bereits in dem Umstand begründet, dass die Antragstellerin die Entscheidung getroffen hatte, den Standort in S. aufzugeben und den Mietvertrag über die dortigen Räumlichkeiten zum 31.08.2015 gekündigt hatte. Die Versetzung des Mitarbeiters  W., d. h. die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes war daher notwendig, um den Arbeitsablauf zu sichern. Eine Weiterbeschäftigung in S. war nicht mehr möglich, da die Antragstellerin diesen Standort aufgegeben hatte.

III.

36

Nach alledem war die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.

37

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 92 a ArbGG), wird hingewiesen.

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