Urteil vom Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (2. Kammer) - 2 Sa 353/11

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 15. 09. 2011 - 2 Ca 3820/10 - abgeändert. Die Klage sowie der Weiterbeschäftigungsantrag vom 09. 01. 2012 werden abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten sich über die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage des (Änderungs-)Arbeitsvertrages vom 04. 12. 2007 zum 31. 12. 2010 sowie um die im Berufungsverfahren erstmals geltend gemachte Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens.

2

Die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) war zunächst auf der Grundlage des befristeten Arbeitsvertrages vom 31. 01. 2007 bei dem Landkreis M... bis zum 31. 12. 2007 als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin beschäftigt. Ein Sachgrund für diese Befristung war nicht vereinbart worden, vgl. § 1 des Arbeitsvertrages vom 31. 01. 2007, Bl. 5 und 5 R d.A.

3

Seinerzeit war sie in die Entgeltgruppe 5 des TVöD/VKA, der gemäß § 2 jenes Arbeitsvertrages auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fand, eingruppiert.

4

Mit Wirkung vom 01. 07. 2007 fusionierte der Landkreis M... mit dem S.-kreis zum neuen Landkreis Saalekreis, dem jetzigen Beklagten. Die Fusion erfolgte aufgrund der Kreisgebietsreform in Sachsen-Anhalt.

5

Am 06. 10. 2004 hatte der Kreistag des damals noch existenten Landkreises M... die Bildung eines Eigenbetriebes als insbesondere Einrichtung i. S. v. § 6 a Abs. 6 SGB II für die selbständige Erledigung der Aufgaben nach dem SGB II beschlossen, vgl. Beschluss Nr. 20-03/04, Bl. 47 d. A. . Am gleichen Tag erließ der Landkreis M... die Betriebssatzung für den Eigenbetrieb für Arbeit, die im Amtsblatt des Landkreises vom 07. 10. 2004 veröffentlicht wurde, vgl. Bl. 48 ff. d. A. . Dort heißt es u. a. (Bl. 49 d.A.):

6

§ 2
Zweckbestimmung

7

(1) Der Landkreis wird im Rahmen der Experimentierklausel des § 6 a des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende) Aufgaben nach diesem Gesetz wahrnehmen. Die Durchführung dieser Aufgaben wird dem Eigenbetrieb übertragen.

8

(2) Der Eigenbetrieb führt für den Aufgabenträger die Leistungen nach § 6 Abs. 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) durch, soweit diese nicht der Erfüllung durch die Agentur für Arbeit vorbehalten sind.

9

(3) Die Erledigung der Aufgaben erfolgt durch Beamte, Angestellte und Arbeiter, welche im Eigenbetrieb beschäftigt werden.

10

(4) Der Eigenbetrieb kann zur Erfüllung dieser Aufgaben Dritte heranziehen. ...

11

Wegen des weiteren Inhaltes wird auf die Betriebssatzung für die besondere Einrichtung „Eigenbetrieb für Arbeit“ des Landkreises M... vom 07. 10. 2004 (vgl. Bl. 49 ff. d. A.) verwiesen.

12

Im zeitlichen Zusammenhang mit der Beschlussfassung zur Bildung des Eigenbetriebes für Arbeit beantragte der Landkreis M... beim zuständigen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt gemäß § 6 a Abs. 2 SGB II a. F. die Zustimmung zur Zulassung als kommunaler Träger für die Aufgaben der Arbeitsvermittlung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II. Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit erteilte die vorgesehene Zustimmung. Nach § 6 a Abs. 5 SGB II a. F. erfolgte daraufhin die Zulassung als kommunaler Träger für einen Zeitraum von 6 Jahren mit Wirkung ab dem 01. 01. 2005.

13

In Folge der Kreisgebietsreform ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin am 01. 07. 2007 auf den Landkreis Saalekreis über.

14

Dieser beschloss mit Wirkung vom 22. 12. 2007 eine neue Betriebssatzung für den Eigenbetrieb für Arbeit des Landkreises Saalekreis. Die entsprechende Betriebssatzung wurde im Amtsblatt des Saalekreises vom 21. 12. 2007, vgl. Bl. 56 d. A.; Beschluss Nr. 52/05/07, veröffentlicht.

15

Nach § 2 dieser Betriebssatzung ist der Landkreis Saalekreis Träger der Leistungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II, die die Grundsicherung für Arbeitssuchende betreffen.

16

Er übernimmt darüber hinaus gem. § 2 S. 2 der Satzung des Eigenbetriebes vom 21. 12. 2007 im Rahmen der Experimentierklausel des § 6 a SGB II a. F. als Rechtsnachfolger des Landkreises M... Aufgaben nach diesem Gesetz war, soweit diese nicht der Erfüllung durch die Bundesagentur für Arbeit vorbehalten sind. Die Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erfolgte gem. § 2 Abs. 2 der Satzung des Eigenbetriebs für Arbeit vom 21. 12. 2007 durch den Eigenbetrieb für die Dauer der Zulassung des Landkreises Saalekreis als Träger der Leistungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II.

17

Mit weiterem befristeten Arbeitsvertrag der Parteien vom 04. 12. 2007 wurde die Klägerin in Abänderung des Arbeitsvertrages vom 31. 01. 2007 ab dem 01. Januar 2008 als vollbeschäftigte Mitarbeiterin mit Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG weiter beschäftigt. Als Sachgrund wurde vereinbart (Bl. 6 d. A.):

18

„...

19

Die Beschäftigte wird befristet in den Eigenbetrieb für Arbeit eingestellt, und zwar für die Dauer der Zulassung des Landkreises M... entsprechend der Experimentierklausel nach § 6 a SGB II (in der Fassung vom 22. 12. 2005) i. V. m. § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Zulassung von kommunalen Trägern als Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Kommunalträger - Zulassungsverordnung) vom 24. 09. 2004, längstens jedoch bis zum 31. 12. 2010....“

20

Die Klägerin erhielt wie alle Tarifbeschäftigten eine leistungsbezogene Vergütung nach § 18 TVöD.

21

Bis zum 31. 12. 2010 beschäftigte der Eigenbetrieb des Beklagten 264 Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverhältnissen. Die Stadt M... stellte weitere 6 Arbeitnehmer aufgrund von Personalgestellungen. Ferner erfolgte die Abordnung von 27 Angestellten und 3 Beamten der Kernverwaltung des Landkreises Saalekreis an den Eigenbetrieb.

22

Am 03. 08. 2010 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende, BGBl. I Nr. 41, S. 1112. Hierdurch erfolgte eine Neuregelung der Zulassung kommunaler Träger nach § 6 a SGB II.

23

Am 18. 08. 2010 machte der Kreistag des Beklagten von seiner sich aus § 6 a SGB II i. d. F. vom 03. 08. 2010 (im Folgenden: n. F.) ergebenden Befugnis Gebrauch, die unbefristete Verlängerung der Zulassung des Eigenbetriebes für Arbeit sowie die Erweiterung der Option, die bis dahin auf das Gebiet des Altkreises M... beschränkt war, auf das gesamte (neue) Kreisgebiet des Saalekreises zu beantragen.

24

Nachdem der Landrat des Beklagten am 18. 08. 2010 die Anträge auf unbefristete Verlängerung und Erweiterung der Zulassung zur alleinigen Aufgabenwahrnehmung nach § 6 a SGB II n. F. beim Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt eingereicht hatte, erfolgte mit Schreiben dieses Ministeriums vom 20. 08. 2010 die Mitteilung an den beklagten Landkreis, dass die Zustimmung des Landesministeriums erteilt werde und die Anträge an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales weitergeleitet würden.

25

Am 15. 12. 2010 beschloss der Kreistag des Beklagten unter Beschluss Nr. 243-23/10 die neue Betriebssatzung für die besondere Einrichtung „Eigenbetrieb für Arbeit-Jobcenter Saalekreis“. In dieser Betriebssatzung fielen die Anknüpfung an die zeitlich befristete Experimentierklausel des § 6 a SGB II a. F. weg, vgl. § 2 dieser neuen Eigenbetriebssatzung, Bl. 59 d. A..

26

Mit Wirkung vom 01. 01. 2011 trat antragsgemäß die unbefristete Verlängerung der Zulassung des Beklagten nach § 6 Abs. 1 SGB II zur Vermittlung von Arbeitsuchenden in Arbeit und die Optionserweiterung auf das gesamte Kreisgebiet des neu gebildeten Beklagten ein.

27

Seit Januar 2011 beschäftigte der Beklagte im Eigenbetrieb für Arbeit - Jobcenter Saalekreis - insgesamt 297 Tarifbeschäftigte und 14 Beamte. Von den 297 Tarifbeschäftigten wurden 21 Arbeitnehmer vom Landkreis Saalekreis in den Eigenbetrieb für Arbeit - Jobcenter Saalekreis - versetzt. 6 weitere Arbeitnehmer wurden aufgrund von Personalgestellungen der Stadt M... beschäftigt, § 4 Abs. 3 TVöD. 3 weitere Angestellte sind aufgrund von Abordnungen des Landkreises Saalekreis im Eigenbetrieb tätig. 40 ehemalige Beschäftigte der Bundesagentur für Arbeit wurden nach § 6 c SGB II von dem Eigenbetrieb übernommen. Darüber hinaus sind seit dem 01. Januar 2011 14 Beamte im Eigenbetrieb für Arbeit - Jobcenter Saalekreis tätig, von denen 2 vom Landkreis Saalekreis dorthin versetzt und 1 Beamter abgeordnet wurde. 11 Beamte von diesen 14 gelangten aufgrund des gesetzlichen Personalübergangs nach § 6 c SGB II zum Beklagten. Die Mehrzahl der ab Januar 2011 bei dem Beklagten im dortigen Eigenbetrieb für Arbeit - Jobcenter Saalekreis beschäftigten Tarifbeschäftigten - nämlich 267 Angestellte - sind aufgrund des zum 31. 12. 2010 eingetretenen Endes der Experimentierklausel des § 6 a SGB II a. F. in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen worden. 44 Arbeitnehmer stehen weiterhin in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Ab dem 01. 01. 2011 kam es auch zum Abschluss neuer befristeter Arbeitsverträge.

28

Mit Schreiben vom 30. 11 2010 teilte der Beklagte der Klägerin mit (Bl. 7 d. A.):

29

„Befristeter Arbeitsvertrag vom 31. 01. 2007

30

Sehr geehrte Frau S...,

31

der mit Ihnen abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 31. 01. 2007 bzw. der Änderungsvertrag vom 04. 12. 2007 sieht eine Befristung für die Dauer der Zulassung der Experimentierklausel des § 6 a SGB II, längstens jedoch bis zum 31. 12. 2010 vor. Nach § 6 a Abs. 5 SGB II in der zum Zeitpunkt des Abschlusses Ihres Arbeitsvertrages gültigen Fassung war diese Experimentierklausel für einen Zeitraum von 6 Jahren, mithin vom 01. 01. 2005 - 31. 12. 2010, befristet.

32

Da das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 03. 08. 2010 (BGBl. I 2010, S. 1112) keine Verlängerung der Experimentierklausel beinhaltet, endet Ihr Arbeitsverhältnis mit dem Landkreis Saalekreis, Eigenbetrieb für Arbeit, mit Ablauf des 31. 12. 2010. Dieser Zeitpunkt entspricht dem in Ihrem Arbeitsvertrag vereinbarten Enddatum des Arbeitsverhältnisses. Hierauf werden Sie in entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 2 TzBfG ausdrücklich hingewiesen.

33

...“

34

Daraufhin erhob die Klägerin mit am 22. 12. 2010 bei dem Arbeitsgericht Halle eingegangenen Schriftsatz vom 15. 12. 2010 Entfristungsklage. Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses war die Klägerin in Ausführung des § SGB II im Bereich der Arbeitsvermittlung eingesetzt (vgl. Bl. 72 R d. A.).

35

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Befristung vom 04. 12. 2007 auf den 31. 12. 2010 unwirksam ist.

36

Der Änderungsvertrag vom 04. 12. 2007 enthalte keinen wirksamen Befristungsgrund, da ein vorübergehend erhöhter Personalbedarf bzw. zusätzlicher Bedarf von Arbeitsleistungen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Änderungsvertrages vom 04. 12. 2007 nicht bestanden habe. Hätte ein solcher erhöhter Bedarf aufgrund der Experimentierklausel des § 6 a SGB II a. F. tatsächlich bestanden, hätte der Beklagte den ersten befristeten Arbeitsvertrag vom 31. 01. 2007 nicht sachgrundlos befristet.

37

Seitens des Beklagten habe es zu keinem Zeitpunkt eine innerbehördliche, verwaltungstechnische und organisatorische personalbezogene Trennung zwischen den Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB II und denen des § 6 a SGB II a.F. gegeben.

38

Darüber hinaus könne sich der Beklagte zur sachlichen Rechtfertigung eines befristeten Arbeitsvertrages auf eine Tätigkeit in einem zeitlich begrenzten Projekt nur dann berufen, wenn es sich bei den im Rahmen des Projektes zu bewältigenden Aufgaben um solche von vorübergehender Dauer handle und diese gegenüber den Daueraufgaben des Arbeitgebers eine abgrenzbare Zusatzaufgabe darstellten. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

39

§ 6 a SGB II a. F. stelle keinen Sachgrund für die streitgegenständliche Befristung dar, möge auch das Optionsmodell auf den 31. 12. 2010 befristet gewesen sein. Die Aufgaben des SGB II seien Daueraufgaben, sie seien keinesfalls temporär. Denn nach der Änderung von § 6 a SGB II a. F. durch Bundesgesetz vom August 2010 - insoweit unstreitig - führe der Beklagte die Arbeitsvermittlung von SGB II-Beziehern auch über den 31. 12. 2010 hinaus fort. Es sei ein unveränderter Bedarf an Arbeitskräften gegeben. Zwar sei die Klägerin mit den Aufgaben der Arbeitsvermittlung betraut gewesen; diese seien aber nicht mit dem Optionsmodell nach § 6 a AGB II a. F. identisch, denn die Klägerin sei weder damit betraut gewesen, zu ermitteln, inwieweit sich das Modell bewährt habe noch habe sie in diesem Zusammenhang irgendwelche Statistiken erstellt oder Vergleiche vorgenommen. Die streitgegenständliche Befristung sei daher unzulässig.

40

Auf keinen Fall sei die im Arbeitsvertrag vom 04. 12. 2007 ebenfalls vereinbarte Zeitbefristung („ ... längstens bis 31. 12. 2010 ...“) zulässig.

41

Entgegen der Auffassung des Beklagten habe die Klägerin die Klagefrist gewahrt.

42

Die Klägerin hat (nach teilweiser Klagerücknahme) erstinstanzlich beantragt,

43

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der am 04. 12. 2007 vereinbarten Befristung zum 31.12. 2010 geendet hat.

44

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

45

die Klage abzuweisen.

46

Der Beklagte hält die streitgegenständliche Befristung im Arbeitsvertrag vom 04. 12. 2007 auf den 31. 12. 2010 für wirksam.

47

Die Aufzählung der Befristungsgründen in § 14 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 - 8 TzBfG sei nicht abschließend. Es könnten auch weitere Befristungsgründe anzuerkennen sein, wie sich durch das Wort „insbesondere“ in § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG ergebe. Ein solcher weiterer Befristungsgrund sei in § 6 a SGB II a. F. zu sehen.

48

Die Tätigkeit des Beklagten in Rechtsnachfolge des Landkreises M... als zugelassener kommunaler Träger sei aufgrund der gesetzlichen Experimentierklausel gem. § 6 a SGB II a. F. erfolgt. Die Zulassung sei bei Abschluss des Arbeitsvertrages vom 04. 12. 2007 zeitlich bis zum 31. 12. 2010 befristet gewesen. Sie habe darüber hinaus unter dem Vorhalt des Widerrufs nach § 6 a Abs. 7 SGB II gestanden. Bei Abschluss des Änderungsvertrages der Parteien vom 04. 12. 2007 hätten für den Beklagten keine klaren Anhaltspunkte bestanden, wonach die vom Gesetzgeber in der o. a. Experimentierklausel enthaltene Befristung der Zulassung verlängert oder aufgehoben werden würde. Wie die Arbeitsverwaltung nach dem 31. 12. 2010 aufgestellt sein würde, sei bei Abschluss des streitgegenständlichen befristeten Arbeitsvertrages ungewiss gewesen.

49

Dies sei auch im politischen Raum außerordentlich kontrovers diskutiert worden. Erst mit Artikel 1 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 03. 08. 2010 habe der Gesetzgeber Klarheit geschaffen. Der Beklagte habe sich in dieser Situation bei Abschluss des streitgegenständlichen Arbeitsvertrages arbeitsvertraglich nicht verpflichten wollen, Personal über das Ende der in § 6 a Abs. 1 SGB II a. F. geregelten befristeten Experimentierklausel zu beschäftigen. Die Besonderheit der Experimentierklausel des § 6 a SGB II a. F. habe in den Änderungsvertrag der Parteien vom 04. 12. 2007 ausdrücklich Eingang gefunden.

50

Darüber hinaus sei eine Zeitbefristung in Form der längstens gewollten Befristung bis zum 31. 12. 2010 vereinbart worden.

51

Da die Zeitdauer der Zulassung als kommunaler Träger für den Beklagten bei Abschluss des Änderungsvertrages vom 04. 12. 2007 nicht abschließend absehbar bzw. prognostizierbar gewesen sei, sei die arbeitsvertragliche Befristung zulässig. Einer Prognose, dass die zusätzlich nach § 6 a SGB II übernommenen Aufgaben nach dem 31. 12. 2010 tatsächlich wegfallen würden, habe es nicht bedurft.

52

Der Hinweis der Klägerin, es lägen dauerhaft zu realisierenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 6 Abs. 1 SGB II vor, wie die dauerhafte Zulassung des Beklagten für diese Aufgaben nach dem 31. 12. 2010 zeige, greife zu kurz. Die Klägerin übersehe dabei die zunächst nur befristete Zulassung des Beklagten bis zum 31. 12. 2010. Der Betriebszweck des Eigenbetriebes des Beklagten sei ausdrücklich an die Zeitdauer der Experimentierklausel gebunden gewesen. Sämtliche von der Klägerin bis zum 31. 12. 2010 wahrzunehmenden Aufgaben wären denknotwendig an die zeitlich bis längstens 31. 12. 2010 währende Zulassung des Beklagten gebunden gewesen. Da im Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Vertrages vom 04.12.2007 begründete Anhaltspunkte für eine Verlängerung der Experimentierklausel des § 6 a Abs. 1 SGB II a. F. nicht bestanden hätten, sei die Befristung möglich.

53

Außerdem habe der Beklagte aufgrund der eindeutigen Regelung der Befristung der Aufgabenübertragung gem. § 6 a Abs. 1 und 5 SGB II a. F. annehmen können, dass mit Ablauf des 31. 12. 2010 das Ende der Experimentierklausel eintreten werde. Daher habe der Beklagte auch mit dem Wegfall des Bedarfs der Klägerin im Rahmen ihrer Beschäftigung aufgrund der Experimentierklausel rechnen dürfen. Maßgebend sei, dass für den Beklagten im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten streitgegenständlichen Arbeitsvertrages festgestanden habe, dass die befristete Zulassung als kommunaler Träger mit Ablauf des 31. 12. 2010 tatsächlich feststehe und es für die Zeit danach einer neuen Regelung bedürfe, um die nach § 6 a SGB II a. F. übernommenen Aufgaben fortzuführen.

54

Zwar sei der Klägerin zuzugestehen, dass es offen gewesen sei, in welcher Form und von welchen Rechtsträgern nach dem 31. 12. 2010 Aufgaben der Arbeitsvermittlung von Arbeitssuchenden nach dem SGB II wahrgenommen werden würden und eine gesicherte Prognose über den Arbeitskräftebedarf nicht getroffen werden konnte.

55

Entscheidend sei aber, dass für den Beklagten über den 31. 12. 2010 hinaus kein Rechtsanspruch auf Fortdauer der Zulassung als kommunaler Träger bestanden habe. § 6 a Abs. 5 SGB II a. F. habe eine längstmögliche Zulassung von kommunalen Optionsträgern nur bis zum 31. 12. 2010 zugelassen. Für die Zeit danach habe der Bundesgesetzgeber zunächst keine Möglichkeit der weiteren Wahrnehmung von Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II (Arbeitsvermittlung von SGB II-Empfängern) vorgesehen. Diese Frist sei klar gewesen; hieran habe sich der Beklagte bei seiner Personalplanung orientieren dürfen. Die entsprechenden Gesetzesänderungen, die dies ermöglicht hätten, seien durch den Deutschen Bundestag erst am 03. 08. 2010 geschaffen worden; diese seien aber für die Frage der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Befristung nicht relevant.

56

Maßgeblicher Beurteilungszeitraum für die Wirksamkeit der Befristung sei der Abschluss des streitgegenständlichen befristeten Arbeitsvertrages. Spätere Änderungen würden einen bei Vertragsabschluss gegebenen Befristungsgrund nicht nachträglich beseitigen. Insbesondere wandle sich ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht in ein unbefristetes um, wenn während des Laufes des befristeten Arbeitsvertrages der angenommene Sachgrund nachträglich entfalle.

57

Auf die von der Klägerin gerügte Überschreitung der in § 14 Abs. 2 TzBfG geregelten Befristungsdauer von höchstens 2 Jahren komme es vorliegend nicht an.

58

Die Aufnahme des spätestmöglichen Beendigungsdatums 31. 12. 2010 sei zulässig. Doppelbefristungen seien rechtmäßig.

59

Der Klägerin werde durch den befristeten streitgegenständlichen Arbeitsvertrag auch nicht jedes unternehmerische Risiko übertragen. Vielmehr sei Grundlage der Befristung, dass die Zulassung des Beklagten als kommunaler Träger maximal bis zum 31. 12. 2010 und damit im Hinblick auf die Gesetzeslage bei Abschluss dieses streitgegenständlichen Arbeitsvertrages mit der längst möglichen Dauer gewährt worden sei. Da der Bedarf der Beschäftigung stets auf den konkreten Arbeitgeber zu prüfen bezogen sei, sei es ohne Bedeutung, ob eine Arbeitsaufgabe nach Wegfall bei einem bestimmten Arbeitgeber anderswo weiter erfüllt werden müsse. Im Übrigen sei bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages am 04. 12. 2007 völlig unsicher gewesen, ob der Kreistag des Landkreises Saalekreis die Aufgaben, die der Altkreis M... übernommen habe, fortführen wolle. Dies treffe auch auf die Diskussionen im politischen Raum zu. Darüber hinaus seien sämtliche Miet-, Nutzungs-, Pkw-Leasing-, Softwaremiet- und weiteren Dauerschuldverhältnisse mit Dritten ausschließlich auf den 31. 12. 2010 befristet gewesen.

60

In 2011 sei es i. Ü. beim Eigenbetrieb des Beklagten zu Umstrukturierungen gekommen, die eine neue Struktur notwendig gemacht hätten. Der Personalrat sei bei der Nichtverlängerungsanzeige nicht zu beteiligen gewesen.

61

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

62

Es hat im Urteil vom 15. 09. 2011 im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin rechtzeitig Entfristungsklage erhoben habe.

63

Der Änderungsvertrag vom 04. 12. 2007 habe das Arbeitsverhältnis nicht wirksam auf den 31. 12. 2010 befristet. Die vorliegend zur Befristung des Arbeitsvertrages herangezogene gesetzlich befristete Zulassung des beklagten Landkreises als Träger der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach § 6 a Abs. 5 S. 2 SGB II a. F. entspreche am ehesten dem Sachgrund des vorübergehenden betrieblichen Bedarfes an der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1 TzBfG. Denn der Beklagte beruft sich darauf, dass er aufgrund der gesetzlichen Experimentierklausel gem. 6 a SGB II a. F. nicht habe absehen können, ob er die umfassenden Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich deren Vermittlung in Arbeit auch nach dem 31. 12. 2010 noch wahrnehmen werde. Nach dieser Vorschrift könne ein Arbeitsvertrag jedoch nur dann befristet werden, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sei, dass auch nach dem vorgesehenen Vertragende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers in den Betrieb kein Bedarf mehr bestehe. Der Umstand, dass die Zulassung durch den Gesetzgeber vorerst nur für einen Zeitraum von 6 Jahren erfolgt sei, stelle keinen solchen Befristungsgrund in Anlehnung von § 14 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1 TzBfG dar. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mit hinreichender Sicherheit festgestanden habe, dass die Zulassung des Beklagten als kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum 31. 12. 2010 tatsächlich in Wegfall geraten werde. Zwar habe die Zulassung zum damaligen Zeitpunkt auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung des § 6 a Abs. 5 S. 2 SGB II a. F. nur bis zum 31. 12. 2010 bestanden. Für den Beklagten sei jedoch bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages mit der Klägerin gerade nicht absehbar gewesen, dass die ihm zugewiesenen Aufgaben als Träger der Grundsicherung nur vorübergehend anfallen würden und die Klägerin am 31. 12. 2010 nach Wegfall der Aufgaben im Betrieb nicht mehr beschäftigt werden könne. Denn Ziel der Experimentierklausel des § 6 a SGB II sei gerade die Erprobung alternativer Modelle zur Eingliederung von Arbeitssuchenden gewesen, weshalb nach § 6 c SGB II bis zum 31. 12. 2008 eine Erforschung der Wirkungen von § 6 a SGB II a. F. erfolgen müsse und eine Entscheidung des Gesetzgebers über die Fortführung des Optionsmodells habe getroffen werden sollen.

64

Dementsprechend habe der Beklagte bei Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrages im Dezember 2007, auf dessen Wirksamkeit es vorliegend allein ankomme, nicht mit hinreichender Gewissheit von einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs der Klägerin mit Abschluss des Jahres 2010 ausgehen können. Das Ergebnis der entsprechenden Evaluierung sei völlig offen gewesen. Zwar habe der Beklagte davon ausgehen dürfen, dass die ihm erteilte befristete Zulassung über den 31. 12. 2010 keinen Bestand habe und die eigentliche Erprobungsphase beendet sein würde. Hierauf komme es aber nicht an. Denn das Ergebnis der Erprobung und die Reaktion des Gesetzgebers seien vollkommen offen gewesen.

65

Darüber hinaus wären die vom Eigenbetrieb des Beklagten übernommenen Aufgaben auch nicht vollständig in Wegfall geraten, selbst wenn die kommunale Trägerschaft des Beklagten nach dem Optionsmodell am 31. 12. 2010 ihr Ende gefunden hätte. In diesem Fall hätten dem beklagten Landkreis jedenfalls weiterhin die ihm nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 SGB II originär zugewiesenen Aufgaben nach § 16 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 - 4 sowie §§ 22 und 23 Abs. 3 SGB II oblegen.

66

Dieses Urteil ist dem Beklagten zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 27. 09. 2011, vgl. Bl. 107 d. A., zugestellt worden. Hiergegen haben diese für den Beklagten mit am 10. 10. 2011 eingegangenen Schriftsatz vom 06. 10. 2011 Berufung eingelegt. Mit am 19. 10. 2011 eingegangenen Schriftsatz vom 17. 10. 2011 beantragte der Beklagte die Frist zu Berufungsbegründung bis zum 27. 12. 2011 zu verlängern, was durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 20. 10. 2011 antragsgemäß geschah. Mit am 07. 12. 2011 eingegangenen Schriftsatz vom 02. 12. 2011 begründete der Beklagte seine Berufung.

67

Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass die streitgegenständliche Befristung wirksam ist.

68

Er vertieft seine Auffassung u. a. auf der Grundlage der Schriftsätze vom 02. 12. 2011 und vom 11. 02. 2012 sowie vom 11. 06. 2012, auf die Bezug genommen wird.

69

Einerseits seien die ursprünglich angekündigten Klageanträge vom 15. 12. 2010 nicht präzise genug. Die im Kammerverhandlungstermin erster Instanz vom 15. 09. 2011 vorgenommene Klarstellung des Klageantrages sei außerhalb der Klagefrist des § 17 S. 1 TzBfG erfolgt.

70

Darüber hinaus habe es die Klägerin versäumt, auch die Erklärung des Beklagten vom 30. 11. 2010, mit dem auf das Auslaufen des Arbeitsvertrages am 31. 12. 2010 hingewiesen worden ist, gesondert anzugreifen. Die Klagefrist des § 17 S. 1 TzBfG beginne in diesen Fällen bereits mit Zugang der Beendigungsmitteilung. Da die Beendigungsmitteilung der Klägerin am 08. 12. 2010 zugegangen sei, sei die dreiwöchige Klagefrist zum Angreifen der Erklärung vom 30. 11. 2011 am 29. 12. 2010 abgelaufen. Innerhalb dieser habe es die Klägerin versäumt, die Beendigungserklärung des Beklagten vom 30. 11. 2010 gesondert anzugreifen. Auf die bereits am 22. 12. 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage komme es insoweit jedoch nicht an.

71

Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht übersehen, dass die Zulassung des beklagten Eigenbetriebes als kommunaler Träger gem. § 6 a SGB II a. F. auf die Dauer von 6 Jahren, mithin bis zum 31. 12. 2010, befristet gewesen sei. Die Befristung von Arbeitsverhältnissen habe hierauf gestützt werden können.

72

Außerdem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass der Bedarf für die befristete Beschäftigung stets auf den konkreten Arbeitgeber - den beklagten Eigenbetrieb für Arbeit - bezogen zu prüfen sei. Auf den Beschäftigungsbedarf im übrigen öffentlichen Dienst des Landkreises komme es insoweit nicht an. Im Eigenbetrieb des Beklagten habe die Klägerin lediglich bis zum 31. 12. 2010 aufgrund der Experimentierklausel des § 6 a SGB II a. Frist F. beschäftigt werden können. Hierbei handle es sich um eine befristete Aufgabenübertragung kraft Gesetzes. Damit hätten die befristeten Arbeitsverträge korrespondieren müssen. Die spätere Gesetzesänderung zu § 6 a SGB II sei irrelevant, da es hinsichtlich der Bewertung für das Vorliegen eines Befristungsgrundes auf den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages ankomme.

73

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreites. Dieser erstmals in zweiter Instanz gestellte Antrag sei unbegründet. Die Klägerin schulde bereits die im Klageantrag auf Weiterbeschäftigung benannten Tätigkeiten einer „Verwaltungsangestellten“ nicht. Die Klägerin sei allenfalls als vollbeschäftigte Angestellte zu beschäftigen; dies fordere sie aber nicht.

74

Darüber hinaus widerspreche der Beklagte dieser Klageerweiterung.

75

Außerdem bestehe der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch auch aus Rechtsgründen nicht. Lediglich in den Fällen des § 102 Abs. 5 BetrVG und des § 79 Abs. 2 BPersVG sei ein solcher Anspruch gegeben. Ein solcher Fall liege hier nicht vor.

76

Der Beklagte beantragt:

77

1. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Halle vom 15. 09. 2011, 2 Ca 3820/10 wird die Klage insgesamt abgewiesen.

78

2. Der Antrag der Klägerin zu 2. aus dem Schriftsatz vom 09. 01. 2012 wird abgewiesen.

79

Die Klägerin beantragt im Schriftsatz vom 09. 01. 2012:

80

1. Die Berufung des Beklagten und Berufungsklägers wird zurückgewiesen.

81

2. Die Klägerin und Berufungsbeklagte wird über den 31. 12. 2010 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 04. 12. 2007 als Verwaltungsangestellte weiter beschäftigt.

82

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil u. a. auf der Grundlage ihres Schriftsatzes vom 09. 01. 2012.

83

Die Klägerin habe die Erklärung des Beklagten vom 30. 11. 2011 nicht gesondert angreifen müssen. Die von dem Beklagten herangezogene Entscheidung des BAG zum 06. 04. 2011 - 7 AZR 704/09 - greife nicht.

84

Im Übrigen seien die ursprünglich gestellten Klageanträge klar gewesen.

85

Ein Befristungsgrund liege nicht vor.

86

Der Beklagte habe nicht eindeutig dargelegt, dass eine Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers über das in Aussicht genommene Ende des Arbeitsvertrages per 31. 12. 2010 nicht mehr bestehe. Wegen dieser Unsicherheit über das Schicksal des Optionsmodells nach § 6 a SGB II a. F. ergebe sich bei Vertragsschluss nicht eindeutig, dass die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit der Klägerin nach dem 31. 12. 2010 entfalle werde. Die Rechtsauffassung des Beklagten, in den Fällen wie dem vorliegenden bedürfe es keiner eindeutigen Prognose über den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs des befristeten Beschäftigten sei nicht zutreffend. Hiervon könne der Beklagte nicht frei gestellt werden. Es stelle das allgemeine Betriebsrisiko dar, wenn eine solche Prognose nicht angestellt werden könne. Der Beklagte sei auch nicht rechtlos gestellt; er habe die Möglichkeit der Kündigung.

87

Darüber hinaus seien auch im Falle der Beendigung des Optionsmodells nach § 6 a SGB II a. F. mit Ablauf des 31. 12. 2010 die Aufgaben des Beklagten im Eigenbetrieb nicht vollständig in Wegfall geraten, sondern hätten auch in Zukunft weiter erledigt werden müssen.

88

Nicht nur die vorgenommene Zweckbefristung, sondern auch die kalendermäßige Höchstbefristung auf den 31. 12. 2010 sei unwirksam.

89

Da die Klägerin im erstinstanzlichen Klageverfahren obsiegt habe, lägen die Voraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches vor.

90

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Erklärungen zu den Protokollen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

1.

91

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, § 8 Abs. 2 i. V. m. § 64 Abs. 2 lit. c, § 66 Abs. 1 i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 519 und 520 ZPO. Insbesondere ist die Berufung rechtzeitig und formwahrend eingelegt worden.

2.

92

Auch die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig. Mit dem erstmals in zweiter Instanz gestellten Weiterbeschäftigungsantrag vom 09. 01. 2012 hat die ansonsten in erster Instanz vollständig obsiegende Klägerin eine Anschlussberufung erhoben.

93

Die Voraussetzungen des § 524 Abs. 1 ZPO sind hierfür gegeben. Danach kann sich der Berufungsbeklagte der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht. Die Berufungsanschließung muss binnen der Frist der Berufungsbeantwortung erfolgen und gleichzeitig begründet werden, wobei das Vorgehen mittels Anschlussberufung nicht als solches ausdrücklich benannt werden muss.

94

Mit Schriftsatz vom 09. 01. 2012, der am selben Tag einging, hat die Klägerin bzgl. des Antrags auf Weiterbeschäftigung rechtzeitig binnen der gesetzlichen Frist Anschlussberufung erhoben, da die Berufung der Gegenseite der Klägerin zuvor am 09. 12. 2011 (vgl. Bl. 143 d. A.) zugestellt worden war. Die Klägerin hat somit hinsichtlich ihrer Anschlussberufung bezüglich des Weiterbeschäftigungsantrages die Anschlussberufungsfrist gewahrt. Die Formalien sind eingehalten.

95

Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten betrachtet die Berufungskammer den Weiterbeschäftigungsantrag als Anschlussberufung. Quantitative Antragsänderungen zu einer Klage können nur im Rahmen von Berufung oder Anschlussberufung vorgenommen werden. Hat die vollständig in erster Instanz obsiegende Klägerin selbst keine Berufung eingelegt, so ist ihr eine Anpassung ihres Antrages an im Laufe des Berufungsrechtszuges auftretende Veränderungen nur im Rahmen einer Anschlussberufung möglich, vgl. Schumann/Kramer in: Die Berufung in Zivilsachen, 6. Aufl., Rz. 367. Dem schließt sich die erkennende Kammer an.

96

Auf die Zustimmung der Beklagten zur Klageerweiterung kommt es somit nicht an.

97

In jedem Falle wäre die Klageerweiterung jedoch sachdienlich und auch nicht nach dem Novenrecht des Berufungsverfahrens unzulässig, da die Prüfung der Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsantrages sich lediglich als Annex zur Frage des fortbestandes Arbeitsverhältnisses aufgrund der streitgegenständlichen Befristung stellen.

II.

98

Die Berufung des Beklagten ist begründet.

99

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund der streitgegenständlichen Befristung aufgrund des Änderungsvertrages vom 04. 12. 2007 wirksam auf den 31. 12. 2010 befristet worden. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund Befristung mit Ablauf des 31. 12. 2010.

2.

100

Nach § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrages zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Hiervon geht auch § 30 Abs. 1 S. 1 TVöD aus, der auf das Arbeitsverhältnis kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung findet.

101

a) Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn der betriebliche Bedarf an einer Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG).

102

Insoweit gilt Folgendes:

103

§ 14 Abs. 1 TzBfG gibt keine allgemeinen Kriterien für den Sachgrund an, sondern verwertet die Erkenntnisse der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit einer beispielhaften Aufzählung anerkannter Sachgründe (BT Drucksache 14/4374, S. 13, 18), um damit Eckpunkte für den unbestimmten Rechtsbegriff des sachlichen Grundes zu setzen. Dieser Katalog der nunmehr gesetzlich anerkannten Befristungsgründe schafft Maßstäbe für eine Typologie des Sachgrundes. Die gesetzliche Aufzählung von 8 Sachgründen ist nicht erschöpfend, wie das Wort „insbesondere“ in § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG zeigt; BAG, Urteil vom 13. 10. 2008, EzA § 17 TzBfG Nr. 6 und vom 16. 03. 2005, EzA § 14 TzBfG Nr. 17; Lipke in: KR 9. Aufl., § 14 TzBfG Rz. 36 m. w. N.. Wenn in der Literatur teilweise die richterliche Schöpfung weiterer Sachgründe auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten angezweifelt wird (vgl. z. Bsp. HWK-Schmallenberg, Rz. 61), ergibt sich jedenfalls dann kein Umsetzungsdefizit der europarechtlichen Vorgaben, wenn diese Vorgaben durch eine richtlinienkonforme Rechtsprechung gewahrt werden können (vgl. Thüsing/Lamprecht, BB 2002, S. 829, 830; HaKo-KSchR/Mestwerdt, Rdnr. 6; APS-Backhaus, Rdnr. 80 sowie BAG, Urteil vom 16. 03. 2005 EzA § 14 TzBfG Nr. 17. Einerseits ist die Befugnis der Rechtsprechung, neue Sachgründe zu entwickeln, im Interesse einer schnellen Reaktion auf Veränderungen in der Arbeitswelt zu begrüßen. Andererseits hat auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 09. 12. 2009 - 7 AZR 399/08 - angenommen, dass sonstige in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 - 8 TzBfG nicht ausdrücklich genannte Sachgründe die Befristung des Arbeitsvertrages nur dann rechtfertigen können, wenn sie den in § 14 Abs. 1 TzBfG zum Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben entsprechen und den im Sachkatalog des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 - 8 TzBfG genannten Sachgründen von ihrem Gewicht her gleichwertig sind. Dem schließt sich die erkennende Kammer an.

104

b) Für die Überprüfung von befristeten Arbeitsverträgen ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen.

105

Das Gesetz nennt in § 14 Abs. 1 TzBfG die Voraussetzungen für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages. Deshalb kann eine nach Abschluss des Arbeitsvertrages die diesen Bedingungen entsprechende Befristung nicht mehr unzulässig werden, vgl. BAG, Urteil vom 20. 02. 2008 - 7 AZR 59/06; BAG, Urteil vom 17. 03. 2010 - 7 AZR 640/08; BAG, Urteil vom 07. 11. 2007 - 7 AZR 484/06; LAG Niedersachsen, Urteil vom 06. 12. 2011 - 11 Sa 797/11 -. Erkennt man in der Überprüfung des Befristungsgrundes eine Vertragskontrolle, können nur die bei Vertragsschluss bestehenden Umstände Berücksichtigung finden. Selbst eine fehlerhafte Prognose des Arbeitgebers bei Vertragsabschluss führt dann nicht ohne weiteres zur Unwirksamkeit der Befristung. Auch der spätere Wegfall des zunächst gegebenen Befristungsgrundes berührt deshalb nicht einen bei Begründung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Sachgrund, vgl. Lipke in: KR, aaO, Rz. 49 m. w. N..

106

c) Bei Folgebefristungen wird der Prüfungsmaßstab zunächst durch den Streitgegenstand bestimmt. Streitgegenstand einer Feststellungsklage nach § 17 TzBfG ist die konkrete Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der vereinbarten Befristung, also ein punktueller Streitgegenstand.

107

Das Bundesarbeitsgericht prüft seit 1985 bei mehrfacher Befristung nur noch die sachliche Rechtfertigung des zuletzt geschlossenen Vertrages, vgl. BAG, Urteil vom 18. 06. 2008, NzA 2009, S. 35. Eine Ausnahme wird nur gemacht, wenn eine Zusammenrechnung von Arbeitsverhältnissen wegen eines engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhanges stattfindet. Die dem streitgegenständlichen Arbeitsvertrag vorangegangenen Regelungen bleiben indessen dadurch erheblich, da sie die Anforderungen an den sachlichen Grund der Befristung mit deren zunehmender Dauer steigern und Umstände verdeutlichen können, die eine überzeugende Prognose des Arbeitgebers z. B. zur begrenzten Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers in den Fällen des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG erschweren. Dass trifft insbesondere zu, wenn sich bei gleichbleibendem Befristungsgrund die Prognosen in der Vergangenheit vermehrt als unzutreffend erwiesen haben.

108

Auch wenn die Parteien bei Abschluss des letzten Zeitvertrages deutlich gemacht haben, dass sie durch die weitere Befristung nicht auf den infolge früherer unwirksamer Befristungen bereits erworbenen Bestandsschutz verzichten wollen, können frühere Verträge überprüft werden.

109

d) Das BAG hat ferner angenommen, dass eine Zweckbefristung mit einer zeitlichen Höchstbefristung miteinander verbunden werden kann, vgl. BAG, Urteil vom 29. 06. 2011 - 7 AZR 6/10 -.

3.

110

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die streitgegenständliche Befristung vom 04. 12. 2007 auf den 31. 12. 2010 wirksam.

111

a) Vorliegend ist lediglich der befristete Änderungsvertrag vom 04. 12. 2007, der eine Befristung ab dem 01. 01. 2008 bis zum 31. 12. 2010 vorsah, der Überprüfung zuzuführen. Dies hat die Klägerin durch ihren geänderten Klageantrag zu Protokoll vom 15. 09. 2011 klar gestellt. Dort hat sie lediglich diesen Arbeitsvertrag zur Überprüfung aufgeführt und die weiteren Anträge zurückgenommen. Durch den befristeten Arbeitsvertrag vom 04. 12. 2007 haben die Parteien ihr Rechtsverhältnis vor Ablauf des alten befristeten Arbeitsvertrages auf eine neue Grundlage gestellt; einen Vorbehalt, weiterhin auch die ersten befristeten Arbeitsvertrages einer Überprüfung zu unterziehen, haben sie nicht vereinbart. Der streitgegenständliche Vertrag ist auch kein bloßer Annex zum ersten Arbeitsvertrag.

112

b) Die Klage der Klägerin i. d. F. des Antrags vom 15. 09. 2011 ist als Entfristungsklage nach § 17 S. 1 TzBfG rechtzeitig erhoben worden.

113

Die Klägerin hat mit den bereits am 22. 12. 2010 und damit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingegangenen Klageanträgen zu 1. und 2.) vom 15. 12. 2010 Entfristungsklage erhoben.

114

Bereits diese Klageanträge waren klar und bestimmt genug i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Mit den ursprünglichen Klageanträgen zu 1. und 2., die später in dem Klageantrag vom 15. 09. 2011 aufgegangen sind, hat die Klägerin bzgl. des Änderungsvertrages vom 04. 12. 2007 sowohl die vereinbarte Zweckbefristung als auch die kalendermäßige Höchstbefristung auf den 31. 12. 2010 angegriffen. Dies ergibt sich auch aus der Begründung der Klageschrift vom 15. 12. 2010.

115

Die spätere Änderung des Klageantrages vom 15. 09. 2011 stellt insoweit lediglich eine Klarstellung der ursprünglichen Klageanträge zu 1. und 2. dar und ist - trotz teilweiser Klagerücknahme zu Protokoll vom 15. 09. 2011 - im Hinblick auf die hier aufgenommene Auslegung rechtzeitig und i. S. v. § 17 S. 1 TzBfG ordnungsgemäß erhoben worden.

116

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten war die Klägerin nicht gehalten, zusätzlich zur Entfristungsklage nach § 17 S. 1 TzBfG auch die Beendigungserklärung des Beklagten vom 30. 11. 2011 anzugreifen.

117

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 06. 04. 2011 - 7 AZR 704/09 - angenommen, dass die Klagefrist des § 17 S. 1 TzBfG bei einem Streit über einen Bedingungseintritt in entsprechender Anwendung des § 21 TzBfG bereits mit Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund des Eintritts der vertraglich geregelten Bedingung beendet sei, beginne. Insoweit hat das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 21. 01. 2009 - 7 AZR 843/07 - und vom 23. 06. 2004 - 7 AZR 440/03 -) geändert. Die nunmehrige Auslegung der §§ 21, 17, 15 Abs. 2 und Abs. 5 TzBfG, § 7 HS 1 KSchG ergebe, dass die dreiwöchige Klagefrist auch für den Streit über den Eintritt der auflösenden Bedingung gelte. Nach Sinn und Zweck sowie nach dem Sachzusammenhang der o. g. Paragraphen sei die Klagefrist und die Fiktion des § 7 HS 1 KSchG auch auf den tatsächlichen Eintritt der auflösenden Bedingung anzuwenden. Nach Auffassung des BAG beginne daher die dreiwöchige Klagefrist in Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis nach dem vereinbarten Ende fortgesetzt werde, mit Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung beendet sei vgl. Rz. 22 der Entscheidung des BAG's vom 06. 04. 2011 - 7 AZR 704/09 -.

118

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

119

Die Parteien streiten sich nicht über einen Bedingungseintritt, mithin nicht drüber, ob die Experimentierphase des § 6 a SGB II a. F. durch die gesetzliche Neuregelung beendet sei. Beide Parteien erkennen die gesetzliche Neuregelung von § 6 a SGB II a. F. an. Streitig ist lediglich, ob das unstreitige Ende der gesetzlichen Experimentierklausel die vereinbarte zeitliche Dauer des Arbeitsvertrages rechtfertigen kann.

120

Vorliegend will die Klägerin daher klageweise nur geltend machen, dass die zeitliche Höchstdauer, unter der ihr Arbeitsvertrag steht, rechtsunwirksam ist. Dies musste sie innerhalb der Frist des § 17 S. 1 TzBfG, nämlich innerhalb von 3 Wochen nach dem vereinbarten Ende des Arbeitsvertrages machen und innerhalb dieser Frist, somit bis zum 21. 01. 2011 Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Bedingung nicht beendet sei.

121

Dies ist geschehen. Dass die Klägerin bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klage erhoben hatte, ist irrelevant. Die Frist des § 17 S. 1 TzBfG ist eine Ausschlussfrist. Sie regelt nicht die Frage, ab wann eine entsprechende Klage erhoben werden kann.

122

d) Ein Befristungsgrund ist für den streitgegenständlichen Arbeitsvertrag gegeben.

123

aa) Dieser orientiert sich an § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG.

124

Die Parteien haben im Vertrag vom 04. 12. 2007 eine Kombination aus Zweck- und Zeitbefristung gewählt, da beide davon ausgingen, dass jedenfalls die Experimentierphase irgendwann endete, nämlich spätestens am 31. 12. 2010, und ersetzt werden musste. Die Schriftform, die gem. § 14 Abs. 4 TzBfG zur Wirksamkeit der Befristung notwendig ist, ist gewahrt. Der Zweck der Befristung kommt hinreichend deutlich im streitgegenständlichen Vertrag zum Ausdruck

125

Zwar geht der Beklagte davon aus, dass § 6 a SGB II a. F. einen weiteren neben denjenigen im Katalog des § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG geregelten Gründen stehenden Befristungsgrund liefert.

126

Dem schließt sich die erkennende Kammer nicht an.

127

Allerdings ergibt sich aus dem Sachzusammenhang des Vortrages des Beklagten, dass die vorgenommene und auf § 6 a SGB II a. F. gestützte Befristung des Arbeitsvertrages sich am ehesten an den Anforderungen des in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG geregelten Befristungsgrund orientiert.

128

Eine Befristung wegen eines vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers in dem Betrieb kein dauerhafter Bedarf mehr besteht.

129

Die Befristung eines Arbeitsvertrages kann dagegen nicht auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG gestützt werden, wenn der vom Arbeitgeber zur Begründung angeführte Bedarf der Arbeitsleistung tatsächlich nicht nur vorübergehend, sondern objektiv dauerhaft besteht, vgl. BAG, Urteil vom 17. 03. 2010 - 7 AZR 640/08 -. Die Befristung eines Arbeitsvertrages wegen eines nur vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung setzt daher voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, das nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers in den Betrieb kein dauerhafter Bedarf mehr besteht, vgl. BAG, Urteil vom 20. 02. 2008 - 7 AZR 59/06 -. Denn der vorübergehende Bedarf i. S. d. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG ist zu unterscheiden von der regelmäßig gegebenen Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs eines Unternehmens. Die allgemeine Unsicherheit über die zukünftig bestehenden Beschäftigungsmöglichkeiten rechtfertigt die Befristung nicht. Sie gehört zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers, dass er nicht durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages auf den Arbeitnehmer abwälzen kann, vgl. BAG, Urteil vom 05. 06. 2002 - 7 AZR 241/01 -.

130

Der vorübergehende Bedarf an der Arbeitsleistung kann sich aus unterschiedlichen Sachverhalten ergeben, z. B. aus der Tatsache, dass für einen begrenzten Zeitraum in dem Betrieb zusätzliche Arbeiten anfallen, die mit dem Stammpersonal allein nicht erledigt werden können, oder daraus, dass sich der Arbeitskräftebedarf künftig verringert, z. B. wegen der Inbetriebnahme einer neuen technischen Anlage. Der vorübergehende Bedarf kann auch einmalig oder wiederkehrend auszuführende Daueraufgaben des Arbeitgebers ohne eine zeitweise übernommene Sonderaufgabe betreffen, für deren Erledigung das vorhandene Stammpersonal nicht ausreicht, vgl. BAG, Urteil vom 20. 02. 2008, aaO.

131

Die tatsächlichen Grundlagen für die Prognose über den nur vorübergehend bestehenden Arbeitskräftebedarf hat der Arbeitgeber bei einem Bestreiten des Arbeitnehmers im gerichtlichen Verfahren darzulegen, damit der Arbeitnehmer die Möglichkeit erhält, die Richtigkeit der Prognose zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu überprüfen, vgl. BAG, Urteil vom 20. 02. 2008, aaO. Wird die Prognose durch die spätere Entwicklung bestätigt, besteht eine ausreichende Vermutung dafür, dass sie hinreichend fundiert erstellt worden ist. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, Tatsachen vorzutragen, nach denen zumindest im Zeitpunkt des Vertragsschlusses diese Prognose nicht gerechtfertigt war. Hat sich die Prognose hingegen nicht bestätigt und besteht bei Vertragsende eine dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer, muss der Arbeitgeber zusätzlich darlegen, dass sich diese erst aufgrund der nachfolgenden Entwicklung ergeben hat und dass die dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeit bei Vertragsschluss nicht absehbar war. Gelingt ihm dies, ist die Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG gerechtfertigt, vgl. BAG, Urteil vom 20. 02. 2008, aaO. Die Richtigkeit der Prognose des Arbeitgebers wird allerdings nicht dadurch in Frage gestellt, dass der prognostizierte vorübergehende Bedarf an der Arbeitsleistung über das Vertragsende des befristet beschäftigten Arbeitnehmers noch andauert. Denn die Prognose muss sich lediglich darauf erstrecken, dass der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung eines befristet beschäftigten Arbeitnehmers nur zeitweise und nicht dauerhaft eröffnet ist, BAG, Urteil vom 20. 02. 2008, aaO. Dies bedeutet, dass Sachgrund und tatsächliche Befristungsdauer nicht kongruent sein müssen.

132

bb) Entgegen der Würdigung des Arbeitsgerichts und der Klägerin sind im vorliegenden Fall diese Anforderungen erfüllt.

133

Zutreffend ist zwar, dass die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II und deren Vermittlung in Arbeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II eine öffentliche Daueraufgabe darstellt. Zutreffend ist auch, dass diese Daueraufgabe nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II auf Grundlage des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 03. 08. 2010 und der entsprechenden Option durch den Beklagten über den 31. 12. 2010 hinaus fortgeführt wurde. Man wird auch annehmen können, dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 20. Dezember 2007 eine gesetzliche Neuregelung der Arbeitsverwaltung angezeigt war. Inwieweit dies auch die Übertragung der Tätigkeiten auf Optionskommunen nach § 6 a SGB II a. F. betreffen würde, war Gegenstand der folgenden politischen Diskussion.

134

Zwar war für den Beklagten bei Abschluss des hier streitgegenständlichen, zu überprüfenden letzten befristeten Arbeitsvertrages vom 04. 12. 2007 nicht klar, wie sich der Bundesgesetzgeber letztendlich bezüglich der Neuordnung der Aufgabenübertragung von Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheiden würde. Insoweit war eine gesicherte Prognose - wie auch der Beklagte selber einräumt und wie er auch unter Berücksichtigung der nicht klaren Mehrheitsverhältnisse im Kreistag bekräftigt - jedenfalls nicht mit Sicherheit dahingehend zu treffen, dass die Aufgaben, die ihm im Rahmen der Optionsgewährung für die Grundsicherung der Arbeitssuchenden nach § 6a SGB II a.F. i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II übertragen wurden, tatsächlich mit Ablauf des 31. 12. 2010 wegfielen. Es war genauso gut denkbar, dass diese Aufgaben im Hinblick auf eine gesetzliche Neuregelung nach dem 31. 12. 2010 weiterhin von dem Beklagten wahrgenommen werden mussten bzw. er sich hierfür entscheiden könne.

135

Allerdings war - und hierauf kommt es nach Auffassung der Kammer entscheidend an - zu berücksichtigen, dass § 6 a SGB II a. F. nach Sinn und Zweck und auch nach der amtlichen Überschrift eine Experimentierklausel darstellte. Der Experimentiercharakter ergibt sich i. Ü. auch aus § 6 c SGB II a. F. Nach dieser Vorschrift sollten die Erfahrungen der Optionskommunen zum 31. 12. 2008 ausgewertet werden.

136

Eine Experimentierklausel beinhaltet auch, dass die gesetzliche Übertragungsmöglichkeit der Aufgaben zum vorgesehenen Zeitpunkt wegfallen kann. Hinzutrat, dass dem Beklagten die Aufgaben der Vermittlung von Arbeitsuchenden in Arbeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 6 a Abs. 5 SGB II a. F. längstens bis zum 31. 12. 2010 übertragen worden waren und eine Verlängerung nach damaligem Rechtsstand nicht vorgesehen war. Die Experimentierklausel des § 6 a SGB II a. F. sah im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Parteien keine Verlängerungsoption für die Aufgabenübertragung auf die optierenden Kommunen nach Dezember 2010 vor. Für den Beklagten stellte sich die gesetzliche Situation daher klar und eindeutig dar; er musste bei Vertragsschluss mit der Klägerin im Dezember 2007 zunächst davon ausgehen musste, dass aufgrund der damals existierenden gesetzlichen Regelung eine Verlängerung dieser Aufgaben nicht in Betracht kam, sondern hierfür eine neue gesetzgeberische Entscheidung notwendig war. Die Befristung der ihm übertragenen Aufgaben bei der Arbeitsvermittlung von ALG II-Empfängern war daher aufgrund der entsprechenden befristeten Zulassung und der Regelung des § 6 a Abs. 5 SGB II a. F. klar auf den 31. 12. 2010 befristet. Der Beklagte war als kommunaler Träger in rechtlicher Hinsicht somit ausschließlich von den bindenden rechtlichen Vorgaben des Bundes abhängig. Die gesetzliche Grundlage der Übertragung der Aufgaben auf den Beklagten war gesetzlich unzweifelhaft in ihrer Wirksamkeit auf den 31. 12. 2010 begrenzt. Damit stand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eindeutig fest, dass der Beklagte bei unveränderter Rechtslage ab dem 01. 01. 2011 die ihm zusätzlichen übertragenen Aufgaben der Arbeitsvermittlung nicht mehr wahrnehmen durfte. Der Beklagte hatte - wie auch alle anderen Optionskommunen - nach alter Rechtslage keinerlei unmittelbaren Einfluss darauf, ob, wann und in welcher Weise der Deutsche Bundestag und Bundesrat darüber entscheiden würden, dass Modell der kommunalen Trägerschaft fortzusetzen. Dies ist als entscheidender Befristungsgrund anzuerkennen.

137

In diesem Sinne hat auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in der Entscheidung vom 06. 12. 2011 - 11 Sa 797/11 - entschieden.

138

In dieselbe Richtung geht auch die Entscheidung der 1. Kammer des LAG Thüringen vom 10. 01. 2012 - 1 Sa 274/11 -. Diese Entscheidung betrifft den Zusammenschluss öffentlich-rechtlicher Träger zu einer Arge gemäß § 44 SGB II. Soweit diese Träger der Arge ihre Zusammenarbeit befristet haben, könne - so das Thüringer Landesarbeitsgericht - auch die Beschäftigung der Arbeitnehmer gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG befristet werden.

139

Hierzu hat das Thüringer LAG ausgeführt: „Die Befristung des öffentlich-rechtlichen Vertrages rechtfertigt es auch, die für die Arge eingegangenen Arbeitsverhältnisse zu befristen. Eine Entscheidung, ob die Kooperation mit der Bundesagentur in gleicher Weise fortgesetzt werden soll, kann nur getroffen werden, wenn sie möglichst frei von arbeitsrechtlichen Bindungen getroffen werden kann. Ist der Landkreis durch unbefristete Arbeitsverhältnisse langfristig gebunden, geht von diesen Bindungen eine Gravitation aus, welche die Entscheidungsspielräume verringert. Der Arbeitgeber kann auch nicht in einer Situation, wo sich die Notwendigkeit der Überprüfung bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zeigt, darauf verwiesen werden, er möge im Fall einer qualitativen Änderung der Kooperation bei der Grundsicherung eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen.“

140

Diesem Ergebnis der erkennenden Kammer, wonach eine Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien auf § 6 a SGB II a. F. gestützt werden kann, weil die gesetzliche Experimentierklausel auf den 31. 12. 2010 befristet war und für den Arbeitgeber darüber hinaus zunächst keine Fortsetzungsmöglichkeit bestand, steht die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 12. 12. 2007 - 8 Sa 2091/06 - nicht entgegen.

141

Zwar hat das Hessische LAG in der o. g. Entscheidung ausgeführt, dass der genehmigungspflichtige Betrieb des öffentlichen Nahverkehrs für die dortige Beklagte eine Daueraufgabe darstellte und nicht nur ein zeitlich begrenztes Projekt. Denn die zeitliche Befristung von erforderlichen behördlichen Genehmigungen, Aufträgen etc. bilde in der Regel keinen sachlichen Grund für eine entsprechende Befristung von Arbeitsverträgen. Der Arbeitgeber könne auf Veränderungen mit einer betriebsbedingten Kündigung reagieren, so bald der Beschäftigungsbedarf zu einem bestimmten Zeitpunkt entfalle. Denn zum Zeitpunkt der Befristung des Arbeitsvertrages habe keine verlässliche Prognose darüber gestellt werden können, ob die dortige Beklagte über den Ablauf der Betriebserlaubnis Arbeitnehmer als Busfahrer brauchen würde.

142

Dieser Fall ist nicht auf den vorliegenden übertragbar. Dort ging es um eine behördliche Genehmigung, die befristet war. Hier ist mit § 6 a SGB II a. F. eine gesetzliche Regelung gegeben, die eine befristete Beschäftigung von Arbeitsvermittlern für SGB II-Empfänger vorsah. Bereits die unterschiedliche Qualifikation der befristeten Aufgabenübertragung - einerseits behördlicher Verwaltungsakt andererseits gesetzliche Höchstfrist - rechtfertigen die unterschiedliche Sichtweise hinsichtlich des Vorliegens eines Sachgrundes.

143

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 17. 10. 2008 - 10 Sa 1231/07 - ist ebenfalls nicht einschlägig.

144

Dort hatte das Landesarbeitsgericht Niedersachsen angenommen, dass der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für den Kläger nach Ablauf des Modellversuchs auf der Grundlage von § 113 a des niedersächsischen Schulgesetzes nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten war. Denn die vom dortigen Kläger ausgeübten Tätigkeiten stellten unstreitig eine auch nach Ablauf des Modellversuchs zu erbringende Aufgabe des Landes dar, da die in den berufsbildenden Schulen verwandten EDV-Systeme auch nach Auslaufen des dortigen Modellprojekts weiterhin betreut werden mussten.

145

Dies ist vorliegend anders, weil im Hinblick auf die gesetzliche Experimentierklausel und Höchstfrist der Zulassung von optierenden Kommunen zur Arbeitsvermittlung von SGB-II-Empfängern auf den 31. 12. 2010 nicht eine gesetzgeberische Entscheidung des eigenen Landesgesetzgebers, sondern eine Entscheidung des Bundesgesetzgebers notwendig war.

146

Dass § 6 a SGB II a.F. keine ausdrückliche Regelung zur befristeten Einstellung von Arbeitnehmern vorsieht, stellt auch unter Berücksichtigung der anders lautenden Vorschrift des § 21 BEEG kein Verbot des Abschlusses von befristeten Arbeitsverträgen dar. Aus § 14 Abs. 1 TzBfG ergibt sich gerade nicht, dass der Abschluss von Befristungen nur zulässig ist, wenn eine spezialgesetzliche Grundlage gegeben ist.

147

e) Soweit die Klägerin meint, die Beklagte habe die Höchstbefristung von 2 Jahren überschritten, verkennt sie, dass diese lediglich für sachgrundlos befristete Arbeitsverträge gilt. Vorliegend ist der letzte zu überprüfende Arbeitsvertrag jedoch ein solcher mit Sachgrund. Soweit die Klägerin meint, aus der Tatsache, dass die Beklagte zunächst einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, obgleich Gründe für einen solchen mit Sachgrund bereits zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen hätten, auf eine unwirksame Befristung schließen zu können, überzeugt diese Argumentation nicht. Die Beklagte ist frei, ob sie innerhalb der ersten 2 Jahre einen Arbeitsvertrag mit Sachgrund oder einen solchen ohne Sachgrund abschließt.

148

f) Selbst wenn der Beklagte die von ihm nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 16 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 - 4 und §§ 22 sowie 23 Abs. 3 SGB II wahrzunehmenden eigenen Daueraufgaben nicht von der befristet optional übertragenen Aufgabe der Arbeitsvermittlung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 6 a ASGB II a. F. organisatorisch streng von einer getrennt haben sollte, steht dies einer Wirksamkeit der Befristung gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG nicht entscheidend entgegen. Denn Sinn und Zweck der Experimentierklausel des § 6 a SGB II a. F. war gerade auch die Vereinfachung für den Bürger bei der Beantragung von Leistungen. Dies beinhaltete die Zusammenfassung von Pflichtaufgaben des beklagten Landkreises und der optional übertragenen Aufgaben auf eine Verwaltungsstelle, den Eigenbetrieb. Dies beinhaltete - um die Beantragung von unterschiedlichen Leistungen nach dem SGB II für den Bürger zu vereinfachen - auch die Zusammenfassung von Aufgaben insbesondere in der Antragsannahme und Auskunftsstelle. Nur so konnten Synergieeffekte sinnvoll genutzt werden. Denn die Behandlung eines Ersuchens - sei es nun die Arbeitsvermittlung oder sei es nun Hilfen in besonderen Lebenslagen - aus einer Hand entspricht dem Sinn und Zweck der Übertragung der unterschiedlichen Aufgaben auf eine Stelle.

149

Darüber hinaus gilt es vorliegend zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Schriftsatz vom 20. 04. 2011 ausdrücklich klar gestellt hat, dass sie im Bereich der Arbeitsvermittlung eingesetzt war. Warum es sich hierbei - wie die Klägerin ausführt - um Aufgaben handeln soll, die nicht mit der Experimentierklausel zu tun haben, wird nicht klar. Wenn die Klägerin - wie sie selber im Schriftsatz vom 20. 04. 2011 angibt (Bl. 72 R d. A.) - in der Arbeitsvermittlung tätig war, handelt es sich hierbei gerade um Aufgaben, die im Rahmen des Optionsmodells nach § 6 a SGB II a. F. i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II von der Bundesagentur für Arbeit befristet auf den Beklagten übertragen wurden.

150

Es tritt außerdem hinzu, dass der befristete Arbeitnehmer nicht zwingend in dem Bereich eingesetzt werden muss, in dem ein Mehrbedarf entstanden ist. Es genügt vielmehr, wenn zwischen dem zeitweilig erhöhten Arbeitsanfall und der befristeten Einstellung ein vom Arbeitgeber darzulegender ursächlicher Zusammenhang besteht. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, die vorhandene Arbeitsmenge zu verteilen, seine Arbeitsorganisation zu ändern oder die zusätzlichen Arbeiten anderen Arbeitnehmern zuzuweisen. Er darf einen zeitlichen Mehrbedarf an Arbeitskräften nur nicht zum Anlass nehmen, beliebig viele Arbeitnehmer einzustellen. Vielmehr muss sich die Zahl der befristet eingestellten Arbeitnehmer im Rahmen des prognostizierten Mehrbedarfs halten und darf diesen nicht überschreiten, vgl. LAG Niedersachsen, Urteil vom 06. 12. 2011, aaO.

151

Dass der Beklagte bei Übertragung der optionalen Aufgaben einem erheblichen Personalmehrbedarf ausgesetzt war, wird nicht in Frage gestellt. Anhaltspunkte dafür, dass Einstellungen über diesen Bedarf hinaus erfolgt sind, ergeben sich aus dem Vortrag der Parteien hingegen nicht.

152

Dass der Beklagte auch nach einem Auslaufen der Optionsregelung von § 6 a SGB II a. F. weiterhin Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II wahrzunehmen hatte, steht einer Befristung nicht entgegen, da diese nicht Gegenstand der Experimentierklausel waren.

153

g) Sollte die hier angenommene Zweckbefristung, die auf das Auslaufen der Experimentierklause des § 6 a SGB II a. F. abstellte, nicht greifen, greift nach Auffassung der Kammer jedenfalls die gleichzeitig vorgenommene zeitliche Kalenderbefristung auf den 31. 12. 2010. Dies aus den gleichen Gründen wie zuvor dargestellt.

154

h) Die Befristung ist auch unter dem Gesichtspunkt des § 30 Abs. 1 S. 1 TVöD, der kraft § 2 der weiter geltenden arbeitsvertraglichen Vereinbarung vom 31. 01. 2007 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, zulässig. Danach sind befristete Arbeitsverträge nach Maßgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes sowie anderer gesetzlicher Vorschriften über die Befristung von Arbeitsverträgen zulässig. Die Sondervorschriften von § 30 Abs. 2 - 4 TVöD greifen vorliegend nicht, da diese gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 TVöD nur auf das Tarifgebiet West Anwendung finden, das vorliegend nicht einschlägig ist.

155

i) Auch die mehrfache Befristung rechtfertigt vorliegend die Annahme der Unwirksamkeit der letzten Befristung nicht. Dass sich an eine sachgrundlose Befristung eine solche mit Sachgrund anschließt, führt nicht zur Unwirksamkeit der hier zu beurteilenden letzten Befristung. Dies ergibt sich bereits aus dem Umkehrschluss zu § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG. Die Entscheidung des BAG vom 18. 07. 2012 - 7 AZR 443/09 - führt weder angesichts der geringen Anzahl von befristeten Arbeitsverhältnissen noch nicht übermäßig langen Gesamtdauer der Befristungen zu einem anderen Ergebnis.

156

j) § 67 Abs. 1 Nr. 8 PersVG LSA ist nicht tangiert, da das Auslaufenlassen einer Befristung den Tatbestand nicht erfüllt.

4.

157

Andere Erwägungen erschüttern die hier angenommene zulässige Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den 31. 12. 2010 nicht.

158

a) Dass der Beklagte nach dem 31. 12. 2010 auch befristete Neueinstellungen vorgenommen hat und die Auswahl der übernommenen Mitarbeiter nach Leistungsgesichtspunkten vornahm, steht einer zulässigen und wirksamen Befristung auf den 31. 12. 2010 nicht entgegen. Dass die Klägerin unter Berücksichtigung der Grundsätze von Eignung, Leistung und Befähigung nach Art. 33 GG zu den Beschäftigten gehört, die zu übernehmen waren, hat sie nicht dargelegt. I.Ü. haben diese Betrachtungen einer späteren Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis im Hinblick auf den hier vorliegenden punktuellen Streitgegenstand keine Auswirkungen auf das Vorliegen eines Befristungsgrundes bei Abschluss des letzten Arbeitsvertrages. Außerdem musste der Beklagte eine nicht unerhebliche Anzahl von beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit übernehmen.

159

b) Eine Zusage der Umwandlung des Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes hat die Klägerin nicht zur Überzeugung des Gerichtes dargelegt. Insoweit wird auch auf den Streitgegenstand der hierzu beurteilenden Entfristungsklage hingewiesen.

160

c) Auch der Gleichheitsgrundsatz rechtfertigt die Annahme der Unwirksamkeit der vorliegenden Befristung nicht.

161

Bei dem Beklagten waren bis zum 31. 12. 2010 mit Ausnahme der Beamten und der bereits zuvor vorhandenen festangestellten Arbeitnehmer, die bereits bei Zulassung des Beklagten zur Optionskommune vorhanden waren, sowie der Personalgestellungen alle Beschäftigten im Rahmen des Eigenbetriebes befristet eingestellt worden. Bei Abschluss des Vertrages - und auf diesen Zeitpunkt ist unter Berücksichtigung der vorliegend zu beurteilenden Entfristungsklage abzustellen - stand sich die Klägerin nicht schlechter als ihre Kolleginnen.

162

Darüber hinaus ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht anzuwenden, wenn Leistungen und Vergünstigungen individuell vereinbart wurden. Die Vertragsfreiheit genießt Vorrang vor dem Gleichheitsgrundsatz, vgl. BAG, Urteil vom 13. 08. 2008 - 7 AZR 513/07 -.

163

d) Fürsorgegesichtspunkte rechtfertigen die Annahme der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Befristung ebenfalls nicht. Hier zu hat die Klägerin nicht ausreichend vorgetragen.

5.

164

Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung steht der Klägerin vorliegend nicht zu.

165

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 27. 02. 1985 (NZA 1985, 702 ff.) ausgeführt, dass ein solcher Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung trotz Fehlens einer einfachgesetzlichen Grundlage bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreites besteht, sofern der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage obsiegt. Dies geböten Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes.

166

Da die Klägerin vorliegend jedoch mit ihrer Entfristungsklage unterliegt, das heißt das Arbeitsverhältnis nicht über den 31. 12. 2010 hinaus fortbesteht, bestand keine Notwendigkeit der erkennenden Kammer, die Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreites anzuordnen. Ihre Interessen an der Weiterbeschäftigung überwiegen die Interessen des Arbeitgebers auch nicht aus anderen Gründen.

III.

167

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

IV.

168

Die Revision war zuzulassen.

169

Vorliegend ist der Zulassungsgrund des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG gegeben. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Alleine das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt hat am 09. 07. 2012 acht Fälle zur Befristung von Arbeitsverträgen aufgrund § 6 a SGB II a. F. entschieden.


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