Urteil vom Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (2. Kammer) - 2 Sa 182/16

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 13.04.2016 – 11 Ca 2003/15 – abgeändert.

1. Das beklagte Land wird verurteilt, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages gemäß dem TV ATZ LSA nach dem Blockmodell mit einer Laufzeit vom 01.08.2015 bis zum 31.12.2020 bei einer Arbeitsphase vom 01.08.2015 bis zum 15.04.2018 und einer Freistellungsphase vom 16.04.2018 bis zum 31.12.2020 anzunehmen.

2. Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Begründung eines Altersteilzeitvertrages (ATZ-Vertrag) im Blockmodell für den Zeitraum 01.08.2015 bis 31.12.2020, wobei nach dem im Termin am 22.03.2018 korrigierten Antrag des Klägers die Freistellungsphase am 16.04.2018 beginnen soll.

2

Der am geborene Kläger ist bei dem beklagten Land bzw. seinem Rechtsvorgänger seit 01.08.1976 als Lehrer, zuletzt am F-Gymnasium in W mit der Fächerkombination Mathematik/Physik tätig.

3

Auf die Rechtsbeziehung der Parteien findet der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit im Bereich der Landesverwaltung Sachsen-Anhalt vom 24.01.2012 (TV ATZ LSA) Anwendung.

4

Der Kläger beantragte am 23.01.2015 (Bl. 7 d. A.) die Bewilligung von Altersteilzeit im Blockmodell ab dem 01.08.2015, verwies auf seine Rentenberechtigung zum 01.01.2021 und teilte weiter mit, die Freistellungsphase solle zum 01.08.2018 beginnen.

5

Das beklagte Land lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 17.03.2015 (Bl. 8, 9 d. A.) und, nachdem der Kläger hiergegen am 20.03.2015 "Widerspruch" (Bl. 10 d. A.) erhoben hatte, mit weiterem Schreiben vom 29.04.2015 (Bl. 11 d. A.) ab. Zur Begründung verwies das beklagte Land auf dringende dienstliche Gründe, die dem Abschluss eines ATZ-Vertrages entgegenstehen. Bei Eintritt in die Freistellungsphase des Klägers sei eine Wiederbesetzung seiner Stelle erforderlich. Eine solche sei jedoch aufgrund der Vorgaben im Personalentwicklungskonzept 2011 bis 2025 nicht möglich. Der in diesem Konzept vorgesehene jährliche Neueinstellungskorridor reiche hierfür nicht aus. Zum Schuljahr 2018/2019 werde sich das Defizit an Lehrkräften im Bereich der Gymnasien bei einer angestrebten Unterrichtsversorgung von 102,5 % aufgrund von Altersabgängen auf 243 Vollzeitstellen belaufen. Auch seien nicht ausreichend Bewerber auf dem Arbeitsmarkt vorhanden, um die benötigten Neueinstellungen im Bereich Mathematik/Physik abzudecken. Mithin handele es sich bei dem Schulfach Mathematik um ein sog. Mangelfach. Darüber hinaus hat sich das beklagte Land auf das Überschreiten der Überlastquote gemäß § 3 Abs. 1 AltTZG berufen. Im Bereich des Landesschulamtes sei bereits mit 9,92 % der Lehrkräfte ein Altersteilzeitvertragsverhältnis begründet worden.

6

Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Abschluss eines ATZ-Vertrages im Blockmodell weiter. Er hat das Vorliegen von dringenden dienstlichen Gründen, die dem entgegenstehen, bestritten. Soweit das beklagte Land auf Personalengpässe verweise, beruhe dies auf strukturellen Versäumnissen in der Landesverwaltung. Dass es sich bei "Mathematik" um ein Mangelfach handele, werde bestritten. Im Übrigen wäre dies ebenfalls "hausgemacht", da das beklagte Land die Ausbildungskapazitäten für Lehrer reduziert habe. Selbst wenn im Bereich des Landesschulamtes die Überlastquote überschritten sei, stehe dies seinem Anspruch nicht entgegen. Das beklagte Land habe diese Quote wissentlich überschritten. So habe es noch im Jahr 2014 einer Kollegin an der Sekundarschule O mit der Fächerkombination Mathematik/Physik den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages angeboten.

7

Der Kläger hat beantragt,

8

das beklagte Land zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages gemäß AltTZG i. V. m. dem TV ATZ LSA nach dem Blockmodell anzunehmen, wobei die Arbeitsphase mit dem 01.08.2015 beginnt und bis zum 31.07.2018 dauert und die Freistellungsphase sich anschließt vom 01.08.2018 bis zum 31.12.2020.

9

Das beklagte Land hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Abschluss eines ATZ-Vertrages zu und verweist insoweit auf die vorprozessualen Ablehnungsschreiben vom 17.03. und 29.04.2015.

12

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 13.04.2016 die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dem Anspruch aus § 2 TV ATZ LSA stehe das Überschreiten der Überlastquote gemäß § 3 Abs. 1 AltTZG entgegen. Von einer solchen Überschreitung sei auszugehen. Dem Gericht sei aus anderen Verfahren bekannt, dass die von dem beklagten Land genannten Zahlen zutreffend seien. Auch habe der Kläger diese Angaben nicht ausreichend bestritten. Der Anspruch folge weiter nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dem Gericht sei ebenfalls bekannt, dass das beklagte Land mit vergleichbaren Lehrkräften keine ATZ-Verträge im hier streitgegenständlichen Zeitraum abgeschlossen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Blatt 61 bis 73 der Akte verwiesen.

13

Der Kläger hat gegen dieses, ihm am 27.04.2016 zugestellte Urteil am 23.05.2016 Berufung eingelegt und jene nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.07.2016 am 22.07.2016 begründet. Mit seinem Rechtsmittel verfolgt er sein erstinstanzliches Klageziel weiter. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass er sehr wohl das Überschreiten der Überlastquote bestritten habe. Auch habe das Arbeitsgericht seiner Annahme, das beklagte Land habe im streitgegenständlichen Zeitraum mit Lehrkräften keine ATZ-Verträge mehr abgeschlossen, Tatsachen zugrunde gelegt, die nicht Gegenstand des Rechtsstreits gewesen seien, ohne hierauf hinzuweisen. Das beklagte Land habe sehr wohl nach Ablauf des Jahres 2012 mit Lehrkräften Altersteilzeitverträge abgeschlossen, so mit seiner Kollegin A im Jahr 2014.

14

Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 13.04.2016 abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages gemäß dem TV ATZ LSA nach dem Blockmodell mit einer Laufzeit vom 01.08.2015 bis zum 31.12.2020 bei einer Arbeitsphase vom 01.08.2015 bis zum 15.04.2018 und einer Freistellungsphase vom 16.04.2018 bis zum 31.12.2020 anzunehmen.

16

Das beklagte Land beantragt,

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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

18

Das beklagte Land verteidigt die angefochtene Entscheidung. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei sehr wohl die Überlastquote deutlich überschritten worden. Die Anzahl der im Bereich des Landesschulamtes abgeschlossenen ATZ-Verträge mit Lehrkräften habe bei 9,92 % gelegen.

19

Allerdings sei es zutreffend, dass das beklagte Land auch nach Jahr 2012 mit Lehrkräften, die das 60. Lebensjahr vollendet hatten, weiter ATZ-Verträge abgeschlossen habe. So sei bis Anfang 2014 verfahren worden. Nachdem das Landeskabinett am 01.04.2014 beschlossen habe, dass in der Regel dem Abschluss von ATZ-Verträgen mit Lehrkräften dringende dienstliche Gründe entgegenstehen, habe das Kultusministerium – unstreitig – mit Erlass vom 03.04.2014 (Bl. 159 d. A.) einen engeren Prüfungsmaßstab bei der Bewilligung derartiger Anträge vorgegeben. Danach seien lediglich noch mit ca. zwei Dutzend Lehrern Altersteilzeitverträge abgeschlossen worden. Für das Jahr 2015 habe der Haushaltsführungserlass (HFÜ) vom 19.01.2015 (Bl. 160 ff d. A.) im Abschnitt 2, Ziffer 11. – ebenfalls unstreitig – die Vorgabe enthalten, dass in der Regel dringende dienstliche Belange einer Bewilligung von Altersteilzeit bei Lehrkräften entgegenstehen. Hierin liege – so meint das beklagte Land – eine Stichtagsregelung, die der Begründung von Ansprüchen auf Abschluss von ATZ-Verträgen nach Maßgabe des Gleichbehandlungsgrundsatzes in der Folgezeit entgegenstehen.

20

Das Berufungsgericht hat im Termin am 22.03.2018 die Parteien darauf hingewiesen, aus weiteren Verfahren betreffend den Abschluss von ATZ-Verträgen mit Lehrkräften des beklagten Landes sei gerichtsbekannt, dass das beklagte Land auch noch im Jahr 2015 mit Fachpraxislehrern an Berufsschulen, deren Fächerkombination nicht mehr benötigt wird, sowie mit pädagogischen Mitarbeitern Altersteilzeitverträge abgeschlossen hat.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

22

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Es handelt sich um das gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG statthafte Rechtsmittel. Der Kläger hat die Notfrist zur Einlegung der Berufung sowie die Berufungsbegründungsfrist gewahrt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 5 ArbGG). Die Berufungsbegründung entspricht inhaltlich den Vorgaben des § 520 Abs. 3 ZPO.

B.

23

Die Berufung des Klägers ist mit dem von ihm angepassten Klagantrag begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Abschluss eines ATZ-Vertrages im Blockmodell zu den im Klagantrag benannten Konditionen zu.

I.

24

Die veränderte Antragstellung begegnet keinen prozessualen oder materiellrechtlichen Bedenken. Vielmehr lässt sich aus der Klagebegründung der „aktuelle“ Antragsinhalt im Wege der Auslegung herleiten. Der Kläger begehrt den Abschluss eines ATZ-Vertrages im Blockmodell für den Zeitraum 01.08.2015 bis 31.12.2020. Dies ergibt sich bereits aus seinem der Klageschrift beigefügten Antrag vom 23.01.2015, in dem der Kläger ausdrücklich den gewünschten Beginn zum 01.08.2015 angibt. Die gewünschte Laufzeit ergibt sich hinreichend deutlich aus dem Hinweis des Klägers auf den „Rentenbeginn“ am 01.01.2021. Diesem Klageziel entspricht auch der im Termin am 13.04.2016 zu Protokoll (Bl. 58 d. A.) erklärte, vorgelesene und genehmigte Antrag. Allerdings hat der Kläger in dem in der Berufungsbegründung angekündigten Antrag den 06.08.2015 (so auch der im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegebene Antrag) statt des 01.08.2015 und den 31.08.2020 statt des 31.12.2020 benannt. Angesichts des Inhalts der Berufungsbegründung ist jedoch davon auszugehen, dass der Kläger durch diesen angekündigten Antrag eine Veränderung der für den ATZ-Vertrag maßgeblichen Eckdaten nicht vornehmen wollte. Aus der Begründung ergibt sich hinreichend deutlich, dass der Kläger an seinem erstinstanzlichen Klageziel unverändert festhalten will.

25

Der nunmehr angegebene Beginn der Freistellungsphase lässt sich ebenfalls im Wege der Auslegung aus dem Klagevorbringen herleiten. Dem Kläger geht es erkennbar darum, einen ATZ-Vertrag auf der Basis des TV ATZ LSA in Form des Blockmodells abzuschließen. Er nimmt in seinem Antrag ausdrücklich auf dieses Tarifwerk Bezug und verweist auf das „Blockmodell“. Damit macht er ausreichend deutlich, dass sich die dem Blockmodell immanente Arbeits- und Freistellungsphase nach den tariflichen Vorgaben in § 3 Abs. 2 lit. a) TV ATZ LSA bestimmen soll. Der Benennung des 01.08.2018 – wohl im Hinblick auf den Schuljahreswechsel – kommt demnach keine konstitutive Bedeutung zu.

II.

26

Mit dieser Antragstellung ist die Berufung begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Abschluss eines ATZ-Vertrages mit dem im Antrag benannten Inhalt aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes i. V. m. § 2 Abs. 2 TV ATZ LSA zu.

27

1. Dabei kann zugunsten des beklagten Landes davon ausgegangen werden, dass der Kläger seinen Anspruch nicht unmittelbar auf § 2 Abs. 2 TV ATZ LSA stützen kann, weil das Erreichen der Überlastquote gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG als negatives Tatbestandsmerkmal dem Entstehen des Anspruches entgegensteht. Diese Bestimmung des AltTZG ist auch im Anwendungsbereich des TV ATZ LSA zu berücksichtigen (BAG 13.12.2016 – 9 AZR 606/15).

28

2. Der Anspruch ergibt sich jedoch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz i. V. m. § 2 Abs. 2 TV ATZ LSA.

29

Schließt der Arbeitgeber mit Arbeitnehmern Altersteilzeitarbeitsverträge, obwohl er wegen Überschreitens der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AltTZG geregelten Überlastquote hierzu nicht verpflichtet ist, erbringt er eine freiwillige Leistung und hat deshalb bei der Entscheidung über den Antrag eines Arbeitnehmers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt. Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass Arbeitnehmer nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden. Verstößt der Arbeitgeber bei der Gewährung freiwilliger Leistungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, hat der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss diese Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen. Dabei kommt es darauf an, ob sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe Leistungen vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden sind. Eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer ist dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung gerade nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist (BAG 13.12.2016 – 9 AZR 606/15 – Rn. 26 f).

30

Allerdings besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit, diese Verwaltungspraxis durch Festsetzung eines Stichtages wieder zu beenden. Eine solche Stichtagsregelung ist zulässig. Die mit ihr verbundenen Härten sind grundsätzlich hinzunehmen. Das gilt für die tariflich in die Anspruchsvoraussetzungen einbezogene Überforderungsquote des § 3 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. AltTZG in besonderem Maß. Diese Regelung schützt die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers. Sie überlässt es ihm u. a., ob er einen Stichtag bestimmt. Bestimmt der Arbeitgeber für Altersteilzeitanträge einen Stichtag in der Zukunft, obwohl er die Überlastquote schon überschritten hat, muss er bei der Gewährung dieser freiwilligen übertariflichen Leistung den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten. Um den berechtigten Arbeitnehmern die Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob sie Altersteilzeitanträge stellen wollen, hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass ihnen der Stichtag bekannt wird. Sonst kann es zu einer zufälligen faktischen “Überholung” von Arbeitnehmern mit älteren Rechten kommen. Eine solche zufällige Auswahl wäre sachlich nicht gerechtfertigt, sondern willkürlich (BAG 15.04.2008 – 9 AZR 111/07 – Rn. 53 f).

31

a. Danach steht das zugunsten des beklagten Landes anzunehmende Überschreiten der Überlastquote im Bereich der Schulverwaltung dem Abschluss eines ATZ-Vertrages nicht entgegen.

32

aa) Das beklagte Land hat unstreitig in einer Mehrzahl von Fällen nach Überschreiten der Quote mit Lehrkräften im Haushaltsjahr 2014 ATZ-Verträge abgeschlossen. Weiter ist gerichtsbekannt, dass auch noch im Jahr 2015 in ca. 20 Fällen mit Lehrkräften an berufsbildenden Schulen (sog. Fachpraxislehrern), pädagogischen Mitarbeitern und mit Beschäftigten an Landes-Schulen in den Bereichen „Technik“ bzw. „Verwaltung“ solche Vereinbarungen getroffen worden sind. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes steht der Umstand, dass für die von den vorgenannten Lehrern unterrichteten Fächer zukünftig kein Bedarf mehr besteht, einer Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht entgegen. Dieser beschränkt die jeweilige Vergleichsgruppe in Bezug auf den Abschluss von ATZ-Verträgen nach Überschreiten der Überlastquote nicht auf Lehrkräfte mit bestimmten Fächerkombinationen, da diese Quote betriebsbezogen zu bestimmen ist (LAG Sachsen-Anhalt 19.06.2017 – 6 Sa 318/15). Die sich aus den jeweiligen von der Lehrkraft unterrichteten Fächern ergebenden Besonderheiten sind vielmehr bei der Frage, ob dem Abschluss eines ATZ-Vertrages dringende dienstliche Gründe i. S. d. § 2 Abs. 3 TV ATZ LSA entgegenstehen, zu berücksichtigen. Gleiches gilt für die Beschäftigtengruppe der pädagogischen Mitarbeiter (vgl. insoweit BAG 13.12.2016 a.a.O., wonach eine Vergleichbarkeit von Bediensteten des beklagten Landes ungeachtet der von diesen im Geschäftsbereich der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau ausgeübten unterschiedlichen Funktionen bejaht worden ist).

33

bb) Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag des Klägers hatte das beklagte Land diese Verwaltungspraxis auch nicht durch das Setzen eines Stichtages wieder aufgegeben. Dabei kann dahinstehen, ob eine solche Stichtagsregelung zur ihrer Wirksamkeit im Bereich der Schulverwaltung hätte bekanntgemacht werden müssen. Vorliegend lässt sich aus dem Sachvortrag des beklagten Landes bereits nicht ableiten, dass überhaupt eine Stichtagsregelung dahingehend, zukünftig keine ATZ-Verträge mit Lehrkräften abzuschließen, solange die Überlastquote überschritten ist, getroffen worden ist. Der HFE 2015 enthält eine solche Entscheidung nicht. Abschnitt 2 Ziff. 11. definiert lediglich (mit verwaltungsinterner Bindung) für den Bereich der Lehrkräfte den Ablehnungsgrund des § 2 Abs. 3 TV ATZ LSA dahingehend, dass dieser grundsätzlich bei einer Entscheidung über den ATZ-Antrag als einschlägig anzunehmen sei. Daraus folgt jedoch per Umkehrschluss, dass die Praxis in der Schulverwaltung, ungeachtet des Überschreiens der Überlastquote mit Lehrkräften, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen im Übrigen (weiter) ATZ-Verträge abzuschließen, gerade nicht vollständig beendet werden soll. Der Erlass schränkt lediglich die Anzahl der zukünftig im Bereich der Schulverwaltung zu schließenden ATZ-Verträge ein, indem er den Abschluss derselben zur Ausnahme macht. Diesen Vorgaben entsprechend hat die Schulverwaltung des beklagten Landes unstreitig im Jahr 2015 weitere ATZ-Verträge "ausnahmsweise" abgeschlossen. Durch den HFE 2015 ist mithin nur die bisherige Verwaltungspraxis des Landesschulamtes, Lehrkräften nach Vollendung des 60. Lebensjahres regelmäßig Altersteilzeit zu bewilligen, beendet worden. Dem Kläger ist folglich eine Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz allenfalls dahingehend verwehrt, dass er keine Prüfung seines Antrages nach der bis Anfang 2015 geltenden Erlasslage durchsetzen kann.

34

b. Damit bestimmt sich aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes der Anspruch des Klägers auf Abschluss eines ATZ-Vertrages nach § 2 TV ATZ LSA, dem der folgende Wortlaut zukommt:

§ 2

35

Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit

36

(1)
Der Arbeitgeber kann mit Beschäftigten, die

37

a)
das 55. Lebensjahr vollendet und

38

b)
innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden haben,

39

die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes (AltTZG) vereinbaren; das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sein.

40

(2)
Beschäftigte, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die Voraussetzung nach Abs. 1 Buchst. b) erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Beschäftigte hat den Arbeitgeber drei Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Geltendmachung des Anspruchs zu informieren, von dem Fristerfordernis kann einvernehmlich abgewichen werden.

41

(3)
Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.

42

43

aa) Der Kläger erfüllt unstreitig die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 TV ATZ LSA. Zwar hatte er zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet. Insoweit maßgeblich ist jedoch, dass zum Zeitpunkt des Beginns der gewünschten Altersteilzeit jenes Lebensjahr vollendet worden ist. Dies folgt aus Abs. 2 Satz 2, der eine Vorlauffrist von 3 Monaten vorsieht. Würde man (für eine positive Entscheidung) verlangen, dass der Beschäftigte bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag das 60. Lebensjahr vollendet hat, wäre der von den Tarifvertragsparteien festgelegte Beginn der Altersteilzeit mit Erreichen des 60. Lebensjahres nicht realisierbar (vgl. BAG 19.09.2017 – 9 AZR 36/17 – zu § 2 Abs. 1 TV ATZ LSA). Im Übrigen hat sich das beklagte Land vorbehaltlos auf den Antrag eingelassen (vgl. BAG 17.08.2010 – 9 AZR 414/09 – Rn. 22).

44

bb) Für das beklagte Land bestand im vorliegenden Fall kein Ablehnungsgrund gem. § 2 Abs. 3 TV ATZ LSA. Aus dem von dem beklagten Land, das insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft, vorgetragenen Sachverhalt lassen sich dringende dienstliche, der Begründung eines ATZ-Verhältnisses im Blockmodell entgegenstehende Gründe nicht entnehmen.

45

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags ist in den Fällen ausgeschlossen, in denen die von dem Arbeitnehmer begehrte Vertragsänderung gewichtige Belange des Arbeitgebers in erheblichem Maße beeinträchtigt. Die Aufwendungen des Arbeitgebers, die typischerweise mit jedem Altersteilzeitarbeitsverhältnis verbunden sind, stellen für sich genommen im Regelfall keine dringenden dienstlichen oder betrieblichen Gründe dar. Zu diesen typischen Aufwendungen gehören die finanziellen Lasten, die dem Arbeitgeber aufgrund der gesetzlichen und tariflichen Vorschriften mit jedem Altersteilzeitarbeitsverhältnis entstehen. Nicht ausgeschlossen ist, dass im Einzelfall eine unverhältnismäßig hohe finanzielle Belastung eintreten kann, die unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage den Arbeitgeber berechtigt, die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsvertrags aus dringenden dienstlichen oder betrieblichen Gründen abzulehnen. Bei diesen Gründen i. S. v. § 2 Abs. 3 TV ATZ handelt es sich um eine negative Anspruchsvoraussetzung. Der Arbeitgeber hat deshalb die ihr zugrundeliegenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen (BAG 21.02.2012 – 9 AZR 479/10 – Rn. 16). Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung, ob Ablehnungsgründe zu Recht geltend gemacht worden sind, ist das Datum, zu dem das Ablehnungsschreiben dem Arbeitnehmer zugegangen ist (BAG 23.11.2004 – 9 AZR 644/03 – Rn. 32).

46

(1) Soweit das beklagte Land in seinem Ablehnungsschreiben auf haushaltsrechtliche Beschränkungen, die einer Wiederbesetzung der Stelle des Klägers entgegenstehen, verweist, kann dieser Einwand schon wegen des mit dem TV ATZ LSA verfolgten Regelungszwecks keinen dringenden dienstlichen Grund darstellen. Die Praxis des beklagten Landes, die Vorgaben des TV ATZ LSA als Instrument des Personalabbaus zu nutzen, stehen mit dem Zweck des Tarifvertrages, der in § 2 Abs. 1 TV ATZ LSA seinen Niederschlag gefunden hat, nicht in Einklang. Die Norm verweist auf das AltTZG. Gem. § 1 Abs. 2 AltTZG soll die Altersteilzeit "die Einstellung eines sonst arbeitslosen Arbeitnehmers ermöglichen". Mithin dient die Altersteilzeit gerade nicht der Einsparung von Arbeitsplätzen, sondern deren Besetzung mit Arbeitsuchenden (BAG 13.12.2016 a.a.O. – Rn. 31, 36).

47

(2) Ein Ablehnungsgrund ergibt sich weiter nicht aus der von dem beklagten Land dargelegten personalwirtschaftlichen Situation im Bereich der Lehrkräfte an Gymnasien. Der Vortrag des beklagten Landes erschöpft sich in der Darstellung der – prognostizierten – allgemeinen Personalsituation betr. Lehrkräfte an Gymnasien bei Eintritt des Klägers in die Freistellungsphase nach Ablauf des Schuljahres 2017/2018.

48

Dass konkret die Stelle des Klägers bei seinem beabsichtigten Eintritt in die Freistellungsphase aufgrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt betreffend Gymnasiallehrer/innen mit der von dem Kläger unterrichteten Fächerkombination, insbesondere dem Fach Mathematik, nicht nachbesetzt werden kann, obwohl hierfür ein Bedarf besteht, hat das beklagte Land jedoch nicht hinreichend dargelegt. Aus seinem Vorbringen lässt sich eine diesbezügliche Prognosegrundlage – bezogen auf den Zeitpunkt der Ablehnung – nicht mit der erforderlichen Substanz ableiten.

49

Es liegt in der Natur der Sache, dass durch den Abschluss eines Tarifvertrages, der älteren Arbeitnehmern den gleitenden Übergang in die Altersruhe ermöglichen und dafür im Gegenzug die Einstellung von jüngeren Arbeitnehmern fördern soll, bei dem an diesen Tarifvertrag gebundenen öffentlichen Arbeitgeber ein Personalbedarf entsteht. Insoweit hat der den Tarifvertrag abschließende Arbeitgeber als Konsequenz seines vertraglichen Handelns sein personalwirtschaftliches Konzept entsprechend anzupassen. Wenn das beklagte Land dies zunächst unterlassen hat, weil es den TV ATZ LSA als Instrument zur Personalreduzierung eingesetzt hat, so kann dies angesichts der Zweckrichtung des TV ATZ LSA nicht zu einem pauschalen, ganze Gruppen von Beschäftigten erfassenden Versagensgrund i. S. d. § 2 Abs. 3 TV ATZ LSA führen. § 2 Abs. 3 TV ATZ LSA stellt vielmehr auf den konkreten Einzelfall ab und begründet gerade keine "verkappte" weitere Überlastquotenregelung.

50

Auf den konkreten Einzelfall bezogen hat das beklagte Land nicht ausreichend vorgetragen, dass einem vorzeitigen Ausscheiden des Klägers aus dem aktiven Dienst zum 01.08.2018 bzw. zum 16.04.2018 in Relation zu einem planmäßigen Ausscheiden bei Erreichen der Regelaltersgrenze dringend dienstliche Gründe entgegenstehen.

51

So fehlt es bereits an hinreichendem Sachvortrag, wie sich voraussichtlich die Personalsituation zum Ende des Schuljahres 2017/2018 in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers darstellen wird. Aus dem Vortrag des beklagten Landes lässt sich allenfalls ableiten, dass allgemein – wie auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes und der Wirtschaft – die Rekrutierung von Nachwuchspersonal, insbesondere von Fachkräften, sich zunehmend schwieriger gestaltet. Dass darüber hinaus in Bezug auf die Position des Klägers eine vorzeitige Nachbesetzung – angesichts der demografischen Entwicklung spricht viel dafür, dass die Problemlage sich bis zu einem Ausscheiden der Klägers bei Erreichen des Rentenalters nicht entspannen wird – "seiner" Stelle mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden sein wird, ist hingegen nicht erkennbar. Die bei der Nachbesetzung von Stellen allgemein auftretenden Schwierigkeiten hat das beklagte Land jedoch als Konsequenz seines autonomen Handelns (Abschluss eines Tarifvertrages über Altersteilzeit im Jahr 2012) in der Weise hinzunehmen, dass hierauf die Ablehnung eines ATZ-Vertrages, auf den der betreffende Arbeitnehmer grundsätzlich einen Rechtsanspruch hat, nicht gestützt werden kann.

III.

52

Nach alledem war das Rechtsmittel des Klägers erfolgreich.

C.

53

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

D.

54

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

55

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.


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