Urteil vom Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (2. Kammer) - 2 Sa 186/16

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 22.01.2016 – 8 Ca 764/15 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über die korrekte Eingruppierung des Klägers.

2

Dieser ist seit 01.09.1994 bei der Beklagten in deren Möbelmarkt in G tätig. Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien finden die Tarifverträge für den Einzel- und Versandhandel im Freistaat Sachsen, im Bundesland Sachsen-Anhalt und im Freistaat Thüringen Anwendung. Dies ist u. a. der Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzel- und Versandhandel im Freistaat Sachsen, im Bundesland Sachsen-Anhalt und im Freistaat Thüringen (im Folgenden: ETV). Weiter gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel im Bundesland Sachsen-Anhalt (im Folgenden: MTV).

3

Seit 01.02.2005 übt der Kläger, der über eine Berufsausbildung als Maschinist für Wärmekraftanlagen (anerkannt als Betriebsschlosser) verfügt, eine Tätigkeit als Mitarbeiter im Bereich „Allgemeine Verwaltung, G“ – nunmehr „Recovery“ – aus. Er ist als Betriebsratsvorsitzender des im vorgenannten Betrieb gebildeten Betriebsrats seit 01.09.2008 vollständig freigestellt. Die Beklagte vergütet die Tätigkeit des Klägers nach der Entgeltgruppe (EG) K 2, 7. Tätigkeitsjahr.

4

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung (Schreiben vom 17.07.2014 – Bl. 17 d. A.), Vergütung nach der EG K 3, nach 5 Tätigkeitsjahren ab 01.08.2014. Seiner Auffassung nach erfülle die von ihm bis zur Freistellung im Jahr 2008 ausgeübte Tätigkeit die Voraussetzungen dieser Entgeltgruppe.

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Die Tätigkeit des Klägers besteht darin, reklamierte Waren zurückzunehmen und diese im System zu erfassen. Weiter prüft der Kläger den Rückgabegrund und entscheidet sodann über die Weiterverarbeitung der Ware je nach deren Zustand. Er hat dabei zu prüfen, ob die Ware zurück in den Verkauf – gegebenenfalls nach Mängelbehebung – gegeben werden kann oder aber ob ein Verkauf derselben über die „Fundgrube“ verbunden mit einem Preisnachlass erfolgen soll. Dabei kann der Kläger eigenständig über einen Preisnachlass bis zu 40 Prozent entscheiden. Kommt der Kläger zu dem Ergebnis, die Ware soll in der „Fundgrube“ zum Abverkauf angeboten werden, so oblag ihm bis zu seiner Freistellung weiter der Zusammenbau des Möbelstücks. Schlussendlich lag es im Entscheidungsbereich des Klägers, die Ware dem Recycling zuzuführen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Tätigkeit des Klägers wird auf das von ihm zur Akte gereichte „Regelwerk und Richtlinien für I Deutschland (Bl. 14 bis 16 d. A.) sowie auf seine Ausführungen in der Klagschrift verwiesen.

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Der Kläger, der erstinstanzlich seinen Anspruch auch auf § 37 Abs. 4, 78 Abs. 2 BetrVG gestützt hat, hat beantragt,

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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.08.2014 Vergütung nach der Gehaltsgruppe K3 nach dem 5. Tätigkeitsjahr des Tarifvertrages über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzel- und Versandhandel im Freistaat Sachsen, in Sachsen Anhalt und im Freistaat Thüringen vom 11.12.2013 zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf die rückständige Nettovergütung seit dem 17.04.2015 zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

10

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei korrekt in die EG K 2 eingruppiert.

11

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 22.01.2016 die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht u. a. ausgeführt, die Klage sei unbegründet, weil der Kläger die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die EG K 3 nicht hinreichend schlüssig dargelegt habe. Hierbei handele es sich im Verhältnis zu der EG K 2 um eine sog. Aufbaufallgruppe. Der Kläger hätte daher im Einzelnen darlegen müssen, inwieweit sich seine Tätigkeit aus jener Entgeltgruppe heraushebe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf Blatt 55 bis 64 der Akte verwiesen.

12

Der Kläger hat gegen diese, ihm am 27.04.2016 zugestellte Entscheidung am 25.05.2016 Berufung eingelegt und jene nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.07.2016 am 06.07.2016 begründet.

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Mit seinem Rechtsmittel verfolgt er sein erstinstanzliches Begehren – nunmehr ausschließlich auf die von ihm bis zu seiner Freistellung ausgeübte Tätigkeit gestützt – weiter.

14

Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, bei der EG K 3 handele es sich um eine sog. Aufbaufallgruppe. Dies sei weder dem Wortlaut noch der Systematik des Tarifvertrages zu entnehmen. Vielmehr folge aus dem Wortlaut der EG K 3, dass diese – im Unterschied zur EG K 2 – gerade keine fachspezifische Berufsausbildung voraussetze. Die allgemeinen Merkmale der EG K 3, nämlich die selbständige Erledigung von qualifizierten Arbeiten, für die besondere Fachkenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, habe die von ihm bis zu seiner Freistellung ausgeübte Tätigkeit im Bereich „Green“ erfüllt. So entscheide er – unstreitig – darüber, wie mit zurückgegebener Ware zu verfahren sei und – bei Abverkauf über die Fundgrube – über die Höhe des Preisnachlasses. Ebenso habe er – unstreitig – die Verpackungsschneidemaschine zu bedienen. Auch obliege es ihm bei Feststellung qualitätsgeminderter Ware eine Sperrung derselben per E-Mail in englischer Sprache zu verfassen. Für die Erledigung dieser Aufgaben seien besondere Fachkenntnisse und Fähigkeiten erforderlich.

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Der Kläger beantragt:

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Das Urteil des Arbeitsgerichts Halle (8 Ca 764/15) vom 22.01.2016 wird abgeändert und es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.08.2014 Vergütung nach der Gehaltsgruppe K 3 nach dem 5. Tätigkeitsjahr des Tarifvertrages über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzel- und Versandhandel im Freistaat Sachsen, in Sachsen-Anhalt und im Freistaat Thüringen vom 11.12.2013 zu zahlen sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die von ihr nachzuzahlenden Brutto-Differenzbeträge ab Zeitpunkt der Fälligkeit mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

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Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Nach der Systematik des ETV sei sehr wohl auch für die EG K 3 eine fachspezifische Berufsausbildung, über die der Kläger unstreitig nicht verfüge, erforderlich. Darüber hinaus erfüllen die dem Kläger obliegenden Aufgaben auch nicht die allgemeinen Anforderungen der EG K 3. Die Aufgaben seien im Bereich der einfachen kaufmännischen Tätigkeiten angesiedelt bzw. betreffen (Zusammenbau von Möbelstücken) handwerkliche Tätigkeiten. Für die Ausführung derselben bestehe – unstreitig – ein umfassendes Regelwerk, das der Kläger zu beachten habe. Auch sei es nicht zutreffend, dass der Kläger bei Feststellung von mangelhaften Produkten hierüber einen Bericht in englischer Sprache abzufassen habe. Dies sei lediglich bei sog. Alarmreports erforderlich, die üblicherweise zweimal im Monat anfallen. Im Übrigen könne der Kläger sich an die Zentrale der Beklagten in K per E-Mail auch in deutscher Sprache wenden.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

21

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Es handelt sich um das gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG statthafte Rechtsmittel. Der Kläger hat die Notfrist zur Berufungseinlegung sowie die Frist zur Berufungsbegründung gewahrt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 ArbGG).

B.

22

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

I.

23

Die Klage ist als sog. Eingruppierungsfeststellungsklage auch im Bereich der Privatwirtschaft zulässig. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend auf Seite 4 der Entscheidungsgründe ausgeführt.

II.

24

Auch die Erweiterung der Nebenforderung ist zulässig. Diese gilt nicht als Klageänderung: § 264 Nr. 2 ZPO.

III.

25

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat sie zu Recht als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe K 3 des ETV i.V.m. § 9 MTV – ein Anspruch aus § 37 Abs. 4 BetrVG ist im Berufungsrechtszug nicht mehr streitgegenständlich (Berufungsbegründung S. 2 unten) – ab 01.08.2014 zu.

26

Diese Gruppe lautet – auszugsweise – wie folgt:

27

Tätigkeitsmerkmale:
Angestellte, die qualifizierte Arbeiten selbstständig erledigen, für die besondere Fachkenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind.
Beispiele:
- Erste Verkäufer/-innen,
- Verkäufer/-innen im Außendienst,

28

Gemäß § 9 Abs. 2 MTV werden für die Eingruppierung Gehalts- und Lohngruppen gebildet. Bei der Eingruppierung kommt es auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit an. Übt ein Arbeitnehmer mehrere Tätigkeiten gleichzeitig aus, die in verschiedenen Gehalts- und Lohngruppen fallen, so erfolgt die Eingruppierung entsprechend der zeitlich überwiegenden Tätigkeit.

29

Da die Tarifvertragsparteien für die maßgebliche Entgeltgruppe Richtbeispiele aufgeführt haben, ist zunächst zu prüfen, ob die Tätigkeit des Klägers einem der aufgeführten Richtbeispiele entspricht. Durch die Auflistung derselben haben die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass hierdurch die allgemeinen Eingruppierungsmerkmale als erfüllt anzusehen sind. Ist das nicht der Fall, ist die begehrte Eingruppierung anhand der allgemeinen Merkmale zu überprüfen (BAG 08.06.2006 – 10 AZR 129/05 – Rn. 21).

30

1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht angenommen, die Tätigkeit des Klägers im Bereich „Green“ des Möbelmarktes könne keinem der in der K3 aufgeführten Richtbeispiele zugeordnet werden. Hiervon geht auch der Kläger – wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Berufungsbegründung entnehmen lässt – aus.

31

2. Nach dem der Entscheidungsfindung zugrunde zu legenden Sachvortrag erfüllt die von dem Kläger vor seiner Freistellung ausgeübte Tätigkeit auch nicht die allgemeinen Eingruppierungsmerkmale der EG K3.

32

a. Der Kläger, den als Anspruchsteller insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft, hat nicht hinreichend schlüssig vorgetragen, dass die von ihm überwiegend ausgeübten Tätigkeiten besondere Fachkenntnisse und Fähigkeiten erfordern. Zwar beschreibt der Kläger die im Bereich „Green“ für ihn anfallenden Aufgaben in detaillierter Form. Er bleibt jedoch Sachvortrag schuldig, aus dem abgeleitet werden kann, welche – in Bezug auf die geschuldete Tätigkeit – besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten hierfür erforderlich sind und inwieweit er als gelernter Betriebsschlosser hierüber verfügt. So belässt es der Kläger auf Seite 9 der Berufungsbegründung bei der Feststellung, er verrichte qualifizierte Aufgaben. Dafür benötige er auch besondere Fachkenntnisse und Fähigkeiten. Er wiederholt diese Feststellung auf Seite 11 (Mitte) der Berufungsbegründung, führt jedoch erneut nicht aus, um welche bei ihm vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten es sich hierbei handeln soll. Erst Recht lässt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen, dass die von ihm geschuldete Tätigkeit überwiegend das Vorhalten der besagten Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert.

33

b. Damit kommt es nicht mehr auf die zwischen den Parteien weiter streitige Frage an, ob eine Eingruppierung in die EG K 3 – wie bei der EG K 2 – regelmäßig eine einschlägige Berufsausbildung voraussetzt.

C.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

D.

35

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer wendet lediglich die tariflichen Eingruppierungsbestimmungen auf den vorliegenden Einzelfall an und weicht auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

36

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.


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