Beschluss vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (1. Kammer) - 1 Ta 92/17

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 17.03.2017 – 5 Ca 382 d/15 – aufgehoben. Die Akte wird an das Arbeitsgericht Elmshorn zurückgegeben. Dem Arbeitsgericht wird aufgegeben, die sofortige Beschwerde des Klägers vom 27.03.2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts neu zu bescheiden.

Kosten werden nicht erhoben.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

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I. Der Kläger wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Nachprüfungsverfahren.

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Nachdem der Kläger sich im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach § 120 a Abs. 1 ZPO zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen trotz Fristsetzung nicht erklärt hatte und auch Nachfristsetzungen unbeachtet blieben, hob das Arbeitsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 17.03.2017 die dem Kläger bewilligte Prozesskostenhilfe auf. Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27.03.2017 zugestellt. Am 28.03.2017 ging beim Arbeitsgericht ein auf den 24.03.2017 datierter Schriftsatz ein, dem eine Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst diversen Belegen beigefügt war. Mit Verfügung vom 30.03.2017 wies das Gericht auf den Beschluss vom 17.03.2017 hin und bat um Erklärung, warum die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Anlage gereicht worden sei. Mit Telefax vom 11.04.2017 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, der Beschluss befinde sich nicht in seiner Akte. Darauf übersandte das Arbeitsgericht mit Verfügung vom 13.04.2017 erneut eine Abschrift des Beschlusses sowie eine Kopie des Empfangsbekenntnisses.

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Mit Schriftsatz vom 11.05.2017, beim Arbeitsgericht am selben Tag eingegangen, legte der Kläger gegen den Beschluss vom 17.03.2017 sofortige Beschwerde ein, die er im Folgenden nicht weiter begründete.

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Mit Verfügung vom 30.06.2017 half das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab, nachdem es den Kläger zuvor sinngemäß darauf hingewiesen hatte, es halte diese wegen der Versäumung der Beschwerdefrist für unzulässig.

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Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf die Akte verwiesen.

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II. Mit der vom Arbeitsgericht gegebenen Begründung kann die sofortige Beschwerde nicht zurückgewiesen werden. Sie ist nicht unzulässig. Der Kläger hat vielmehr fristgemäß am 27.03.2017 sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 17.03.2017 eingelegt. Dem Arbeitsgericht ist daher Gelegenheit zu geben, über die Begründetheit der sofortigen Beschwerde unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers in seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erneut zu entscheiden. Im Einzelnen gilt Folgendes:

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1. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat der Kläger fristgemäß sofortige Beschwerde eingelegt.

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a) Die Einlegung einer Beschwerde geschieht grundsätzlich durch Einreichung einer Beschwerdeschrift. Die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels ist aber stets unschädlich, solange der Wille zum Ausdruck gebracht wird, die angefochtene Entscheidung möge sachlich geprüft werden. Dabei gilt im Verfahrensrecht der Grundsatz, dass eine Parteihandlung mit einem prozessrechtlichen Gehalt auszulegen oder als bestimmte Handlungsform zu deuten oder umzudeuten ist, wenn sie die Voraussetzung der Prozesshandlung erfüllt und ein entsprechender maßgeblicher Parteiwille zu erkennen ist. Dabei ist dem erkennbaren Parteiwillen Rechnung zu tragen, eine gerichtliche Entscheidung nicht akzeptieren zu wollen, weil sie der Rechtslage nicht entspreche. Alle Anträge gegen getroffene Entscheidungen bis zum Ablauf der Beschwerdefrist sind grundsätzlich als Beschwerde aufzufassen, da mit der Beschwerde sowohl die Unrichtigkeit der getroffenen Entscheidung als auch eine zwischenzeitliche Veränderung bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung geltend gemacht werden können. Im Rahmen sachdienlicher Auslegung ist der Einreichung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse regelmäßig der erkennbare Wille zu entnehmen, dass z.B. eine Aufhebungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO (a.F.) durch die Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse verhindert oder aus der Welt geschaffen werden soll (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.07.2011 – 3 Ta 117/11 -, Juris, Rn. 9).

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Gehen Eingaben, Unterlagen oder sonstige Erklärungen einer Partei zwischen Erlass und Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung ein, ist mit ihrem Eingang bei Gericht das Rechtsmittel – hier der sofortigen Beschwerde gemäß §§ 127 Abs. 2, 567 ZPO – als fristwahrend eingelegt zu betrachten. Das hat zur Folge, dass dieses Rechtsmittel gemäß § 572 ZPO zu bescheiden ist, ohne dass die Partei dieses nochmal ausdrücklich verlangen muss (LAG Schleswig-Holstein, a.a.O., Rn. 10).

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b) Nach diesen Grundsätzen ist die Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers mit Schriftsatz vom 24.03.2017 als sofortige Beschwerde anzusehen. Der Kläger hat diese Erklärung ersichtlich im Hinblick auf die vorhergehenden Aufforderungen des Arbeitsgerichts im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens eingereicht. Ihm war zum Zeitpunkt der Einreichung nicht bewusst, dass bereits die Entscheidung über die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung ergangen war. Es kann jedoch von einem mutmaßlichen Willen des Klägers ausgegangen werden, diese Entscheidung mit dem Einreichen der notwendigen Dokumente aus der Welt zu schaffen. Da der Kläger bei Abfassung des Schriftsatzes durch seinen Prozessbevollmächtigten noch nichts von der Entscheidung des Arbeitsgerichts wusste, ist es auch unschädlich, dass er mit dem Schriftsatz nicht ausdrücklich „sofortige Beschwerde“ eingelegt hat, obwohl er anwaltlich vertreten war.

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Dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch in der Folgezeit innerhalb der Beschwerdefrist keine ausdrückliche Erklärung dahingehend abgab, dass es sich bei dem Schriftsatz vom 24.03.2017 um eine sofortige Beschwerde handeln sollte, steht einer Auslegung des Schriftsatzes vom 24.03.2017 als sofortige Beschwerde nicht entgegen. Das wäre nur anders, wenn ausdrücklich erklärt worden wäre, es solle kein Rechtsmittel eingelegt werden. Anderenfalls bleibt es bei der grundsätzlichen Vermutung, dass der erkennbare Parteiwille dahin geht, eine gerichtliche Entscheidung nicht zu akzeptieren und das zulässige Rechtsmittel einzulegen.

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2. Da das Arbeitsgericht über die Begründetheit der sofortigen Beschwerde und die Frage der Abhilfe bislang nicht entschieden hat, wird die Akte an das Arbeitsgericht zur erneuten Abhilfeentscheidung zurückgegeben.

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3. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.


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