Beschluss vom Landgericht Aachen - 66 Qs 18/19
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Amtsgerichts Düren vom 21.02.2019 (Az.: 112 Cs 549/18) wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
1
Gründe:
2I.
3Die Staatsanwaltschaft Aachen hat bei dem Amtsgericht Düren den Erlass eines Strafbefehls wegen eines Vergehens nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG gegen den Angeschuldigten beantragt. Ihm wird vorgeworfen, in der Zeit vom 25.05.2009 bis zum 29.08.2018 in Düren und andernorts bewusst unrichtige Angaben in der Form falscher Personalien gemacht zu haben, um für sich eine Duldung zu beschaffen.
4Im Einzelnen soll der Angeschuldigte am 25.05.2009 beim Stellen eines Asylantrages beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bewusst wahrheitswidrig die Personalien „VV, geboren am 14.05.1985 in Jammu/ Indien“ (statt richtigerweise V, geboren am 14.05.1986 in Bijliwal/ Punjab/ Indien) angegeben haben. Eine Abschiebung nach der ablehnenden Asylentscheidung vom 03.05.2010 soll aufgrund der Angaben des Angeschuldigten, über keine Papiere zu verfügen und des Scheiterns des Beschaffens von Ersatzpapieren unter den angegebenen falschen Personalien nicht durchführbar gewesen sein. Dadurch soll der Angeschuldigte eine Duldung unter den falschen Personalien erhalten haben. Die richtigen Personalien soll der Angeschuldigte dem Ausländeramt Düren erst mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29.08.2018 anlässlich seiner geplanten Hochzeit mitgeteilt haben.
5Mit Beschluss vom 21.02.2019 hat das Amtsgericht Düren den Antrag auf Erlass des Strafbefehls gemäß § 408 Abs. 2 StPO aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Falsche Angaben im Asylverfahren und deren Weiternutzung durch die Ausländerbehörde seien nicht von den Straftatbeständen des § 95 AufenthG erfasst. Mit Schreiben vom 27.02.2019, eingegangen beim Amtsgericht am selben Tag, hat die Staatsanwaltschaft Aachen sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 21.02.2019 eingelegt. Mit Schreiben vom 21.03.2019 hat der Verteidiger des Angeschuldigten beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
6II.
7Die gemäß §§ 408 Abs. 2 S. 2, 210 Abs. 2, 311 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Kammer schließt sich auch in der Begründung den zutreffenden Erwägungen des angegriffenen Beschlusses an. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
81.
9Ein hinreichender Tatverdacht wegen einer Tat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ist nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.
10a.
11Der Angeschuldigte kann sich nicht nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG strafbar gemacht haben, indem er im Asylverfahren unrichtige Angaben zu seinen Personalien gemacht hat.
12Strafrechtliche Relevanz haben Angaben im Rahmen des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nur, wenn sie gegenüber einer im Verfahren nach dem AufenthG zuständigen Behörde (§ 71 AufenthG) gemacht oder benutzt werden. Angaben gegenüber dem BAMF im Asylverfahren fallen nicht unter § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Der Gesetzgeber hat in den §§ 84 ff. AsylG insoweit von einer Strafandrohung bewusst abgesehen. Aufgrund dieser speziellen Regelungen im Asylverfahrensgesetz werden falsche Personalangaben im Zusammenhang mit der Asylantragstellung nicht von dem Straftatbestand § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, sondern lediglich von § 111 OWiG, erfasst, obwohl auch sie darauf zielen, über die Anerkennung als Asylberechtigter oder über die Feststellung der Voraussetzungen der §§ 60, 60 a AufenthG den Aufenthalt zu legalisieren (OLG Bamberg, Beschluss vom 28. Februar 2014 – 2 Ss 99/13 –, Rn. 20, juris; NK-AuslR/Peter Fahlbusch, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 95 Rn. 222; Huber AufenthG/Hörich, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 95 Rn. 231, 239; MüKoStGB/Gericke, 3. Aufl. 2018, AufenthG § 95 Rn. 105; Erbs/Kohlhaas/Senge, 222. EL Dezember 2018, AufenthG § 95 Rn. 58).
13b.
14Eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil der Angeschuldigte seine Angaben anschließend nach der ablehnenden Asylentscheidung vom 03.05.2010 bis zum 29.08.2018 nicht korrigiert hat. Soweit seitens der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Stellungnahme vom 27.02.2019 ausgeführt wird, die falschen Personalien seien durch den Angeschuldigten weiter genutzt bzw. gebraucht worden, ist insoweit keine konkrete Handlung des Angeschuldigten im Strafbefehlsantrag oder der Beschwerdebegründung benannt oder sonst ersichtlich. Dem Angeschuldigten insoweit ein Schweigen vorzuwerfen wäre jedoch jedenfalls aufgrund des Grundsatzes der Selbstbelastungsfreiheit höchst bedenklich (vgl. hierzu NK-AuslR/Peter Fahlbusch, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 95 Rn. 102, 225 f.; weitergehend LG Berlin, Urteil vom 17. Februar 2015 – (572) 252 Js 3536/13 Ns (139/14) –, Rn. 14 ff., juris).
15Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Angeschuldigte die erlangte Duldung später zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht hat. Gebrauchen liegt noch nicht vor, wenn die Duldung lediglich mitgeführt wird. Vielmehr muss der zu Täuschende konkret in die Lage versetzt worden sein, von der Urkunde Kenntnis zu nehmen. Keinen Gebrauch von einer Duldung macht, wer z.B. auf Frage lediglich erklärt, dass er eine Duldung hat und/oder bereit ist, die entsprechende Urkunde vorzulegen (NK-AuslR/Peter Fahlbusch, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 95 Rn. Rn. 237, m.w.N.).
16c.
17Im Übrigen dürfte hinsichtlich einer Tat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG die Verfolgungsverjährung eingetreten sein. Taten nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG unterliegen im Hinblick auf das gesetzliche Höchstmaß der Freiheitsstrafe von drei Jahren einer fünfjährigen Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB), die mit der Beendigung der Tat beginnt (§ 78a S. 1 StGB). Eine etwaige Tat dürfte vorliegend mit dem Erhalt der Duldung nach gescheiterter Abschiebung im Jahre 2010 beendet gewesen sein (vgl. Huber AufenthG/Hörich, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 95 Rn. 226; BGH, Urteil vom 22. Juli 2015 – 2 StR 389/13 –, Rn. 42, juris; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 19. Februar 2016 – Ss 9/16 (8/16) –, Rn. 5, juris). Ermittlungen wurden ausweislich des Akteninhalts erst im Jahr 2018 aufgenommen.
182.
19Auch eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG scheidet aus. Hiernach macht sich strafbar, wer entgegen § 49 Abs. 2 AufenthG eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG mit Strafe bedroht ist. Gemäß § 49 Abs. 2 AufenthG ist jeder Ausländer verpflichtet, gegenüber den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden auf Verlangen die erforderlichen Angaben zu seinem Alter, seiner Identität und Staatsangehörigkeit zu machen und die von der Vertretung des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder vermutlich besitzt, geforderten und mit dem deutschen Recht in Einklang stehenden Erklärungen im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten abzugeben.
20Dass der Angeschuldigte nicht nur gegenüber dem BAMF, sondern auch gegenüber der Ausländerbehörde auf Verlangen falsche Angaben zu seinen Personalien gemacht hat, lässt sich dem Strafbefehlsantrag nicht entnehmen. Falsche Angaben eines Ausländers gegenüber der Asylbehörde erfüllen als solche den Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG nicht, auch wenn die Ausländerbehörde diese ohne Nachfrage bei dem betroffenen Ausländer für ein sich an das Asylverfahren anschließendes ausländerrechtliches Verfahren übernimmt (KG Berlin, Beschluss vom 22. Dezember 2009 – (3) 1 Ss 410/08 (156/08) –, Rn. 6, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 28. Februar 2014 – 2 Ss 99/13 –, Rn. 20, juris).
21Unabhängig hiervon dürfte auch hinsichtlich einer etwaigen Tat nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG im Zusammenhang mit der erlangten Duldung jedenfalls die Verfolgungsverjährung eingetreten sein. Taten nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG unterliegen im Hinblick auf das gesetzliche Höchstmaß der Freiheitsstrafe von einem Jahr einer dreijährigen Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB), die mit der Beendigung der Tat beginnt (§ 78a S. 1 StGB).
223.
23Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 2 StPO.
24Dr. R |
S |
U |
AusgefertigtZ, Justizhauptsekretärinals Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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Referenzen
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