Urteil vom Landgericht Arnsberg - 1 O 275/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleitung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt aufgrund eines mit dem Beklagten abgeschlossenen Dienstleistungsvertrages ein restliches Honorar für die Zeit vom 01.08.2012 bis zum 31.07.2015.
3Die Klägerin hat sich in ihrer geschäftlichen Tätigkeit darauf spezialisiert, Dienstleistungen für Hotel- und Gaststättenbetriebe zu erbringen. Hierzu bietet sie im Rahmen einer „Nutzungsvereinbarung“ neben einer regelmäßig monatlich versandten Managementmappe externe Schulungen, die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch, Teilnahmemöglichkeit an ca. 100 Seminaren jährlich, Fortbildungslehrgängen, Netzwerktreffen, weitere Leistungen zum Marketing und Betriebsorganisation bis hin zu einer Telefonhotline in einem zusammengefassten Leistungspaket an. Weiter bietet sie eine „Schulungs- und Beratungsvereinbarung“ in Form von internen Schulungen, Beratungs- und Besuchsterminen vor Ort im betreuten Betrieb an. Die Anzahl der einzelnen Maßnahmen wird individuell vereinbart. Die Durchführung der Maßnahmen wird individuell gestaltet und entsprechend den Kundenwünschen festgelegt.
4Die Parteien haben am 28.11.2011 eine Schulungs- und Beratungsvereinbarung mit 18 internen Schulungs- oder Beratungseinheiten sowie eine Nutzungsvereinbarung mit einer Laufzeit von 48 Monaten geschlossen. Die monatliche Vergütung betrug für die Schulungs- und Beratungsvereinbarung 855,00 € und für die Nutzungsvereinbarung 750,00 €, wobei es sich um eine aufgrund der vereinbarten Vertragsdauer von 48 Monaten herabgesetzte Vergütung handelte.
5Im Verlaufe des Jahres 2012 kündigten 90 % der Mitarbeiter (Berater) der Klägerin ihren Mitarbeitervertrag mit dieser zum Ende des Monats Juli 2012. Im Rahmen dieser Kündigungen kündigte auch die bis dahin für den Beklagten tätigen Mitarbeiter der Klägerin, Herr X und Herr T, ihr Mitarbeiterverhältnis zur Klägerin. Diese waren bis zum 31.07.2012 die persönlichen Coaches und Trainer des Beklagten gewesen. Im Rahmen dieser Beratungstätigkeit haben die Berater X und T intensiven Einblick in die betrieblichen Verhältnisse sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten erhalten. Es wurde ein sogenannter Finanzcheck durchgeführt, der die Durchsicht und Überprüfung der Summen- und Saldenlisten der betriebswirtschaftlichen Auswertung insgesamt sowie der vorliegenden Jahresabschlüsse beinhaltete. Im Anschluss an die Kurzanalyse wurde sodann ein auf den speziellen Betrieb zugeschnittener Maßnahmekatalog zwischen dem Beklagten und den Beratern X und T erarbeitet.
6Mit Schreiben vom 02.08.2012 kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis fristlos zum 31.07.2012. Zur Begründung führte er aus, er habe aufgrund des Wegfalls aller Berater der Klägerin das Vertrauen verloren, ein neuer Berater sei aufgrund der langen Einarbeitungsphase inakzeptabel, der im Rahmen der Nutzungsvereinbarung übersandte Ordner sei ohne Berater nutzlos. Gleichzeitig stellte der Beklagte seine Zahlung der monatlichen Entgelte für die Dienstleistungen der Klägerin ein. Den daraus resultierenden offenen Honorarbetrag in Höhe von 64.200,00 € macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage gegenüber dem Beklagten geltend.
7Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 07.08.2012 wies die Klägerin die Kündigung zurück und kündigte an, ihren Vertragspflichten nachkommen zu wollen. Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 21.08.2012 wegen der Unfähigkeit der Klägerin zur Leistungserbringung an seiner Kündigung festhielt, gab diese mit Schreiben vom 19.10.2012 erneut an, ihre Leistungen zu erbringen und setzte eine Zahlungsfrist zum 26.10.2012.
8Auf Antrag der Klägerin vom 19.12.2012 erging am 20.12.2012 ein Mahnbescheid gegen den Beklagten in Höhe von 9.552,75 €, der ihm am 28.12.2012 zugestellt wurde und gegen den er noch am selben Tag Widerspruch erhob. Nach Zahlung des weiteren Prozesskostenvorschusses im November 2013, ging das Verfahren am 08.11.2013 beim Landgericht ein. Die Klägerin begründete ihren Anspruch klageerweiternd mit Schriftsatz vom 12.11.2015.
9Die Klägerin behauptet, sie sei auch weiterhin in der Lage gewesen, die von ihr geschuldeten Leistungen zu erbringen und habe diese dem Beklagten auch angeboten. Sie habe bereits Anfang August 2012 acht neue Berater eingestellt, die auch heute noch in ihrem Unternehmen tätig seien.
10Die Klägerin ist der Auffassung, die außerordentliche Kündigung des Beklagten sei nicht rechtswirksam erfolgt. Die von ihr ausgeübte Tätigkeit stelle keine Dienste höherer Art dar, so dass eine Kündigung gemäß § 627 BGB nicht in Betracht komme. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Klägerin um eine juristische Person handele. Nach dem Inhalt der Verträge –insoweit unstreitig- habe der Beklagte keinen Anspruch darauf gehabt, einen bestimmten Berater aus dem Stamm der Mitarbeiter der Klägerin zu erhalten.
11Darüber hinaus könne eine etwaige Kündigung gemäß § 627 BGB jedenfalls nicht die Nutzungsvereinbarung erfassen, da diese als eigenständiger Vertrag abgeschlossen sei. Hierzu behauptet sie, dass zahlreiche Kunden eine Nutzungsvereinbarung ohne Beratungsvereinbarung abgeschlossen haben.
12Die Klägerin beantragt,
13den Beklagten zu verurteilen, an sie 64.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2015 zu zahlen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Der Beklagte behauptet, die Klägerin habe aufgrund des Umstandes, dass sie 90 Prozent ihres Mitarbeiterstamms im Juli 2012 verloren habe, ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen können. Er habe zu den Mitarbeitern X und T ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelt. Der für ihn tätigen Mitarbeiter hätten über eine besondere Fachkenntnis verfügt, die ein neuer Mitarbeiter nicht ohne für ihn unzumutbare Reibungsverluste hätte erarbeiten können, da auch dieser zunächst zur Durchführung seiner Arbeiten Einblick in seine internen Geschäftsdaten und Abläufe erhalten müsse. Dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, ihre Leistungen nach Verlust von 90 Prozent ihrer Mitarbeiter zu erbringen, ergebe sich auch aus deren Sachvortrag im Rechtsstreit vor dem Landgericht L (7 O 1465/12 O 4131/12), in welchem die Klägerin – insoweit unstreitig – vorgetragen habe, dass nahezu alle Mitarbeiter ihr Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin zum Ende des Monats Juli 2012 gekündigt hätten und der Klägerin deswegen nach ihrer eigenen Einschätzung die Insolvenz drohe.
17Der Beklagte ist ferner der Auffassung, bei der Nutzungs- und der Beratervereinbarung handele es sich bei wertender Betrachtung um einen einheitlichen Vertrag, da beide Vereinbarungen in einem untrennbaren Zusammenhang stünden. Alle Inhalte des Nutzungsvertrages seien darauf abgestimmt, dass der Kunde diese gemeinsam im Rahmen persönlicher Betreuung mit dem Berater umsetze. Es handele sich daher um ein Vertragswerk, welches zwar formal aus zwei Teilen bestehe, aber als einheitliches Vertragswerk gehandhabt werde.
18Ein Kündigungsrecht ergebe sich ferner auch vor dem Hintergrund der Gesamtumstände aus § 626 BGB. Schließlich erhebt er die Einrede der Verwirkung.
19Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Klageerwiderungsschrift Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die Klage ist nicht begründet.
22Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 64.200,00 € als Entgelt für die Leistungen aus dem verlängerten Vertrag für Schulungs- und Beratungsvereinbarungen und der Nutzungsvereinbarung.
231.
24Der Beklagte hat rechtswirksam und vollumfassend das Vertragsverhältnis zur Klägerin mit der schriftlichen Kündigung vom 02.08.2012 jedenfalls ab September 2012 außerordentlich gekündigt hat. Ein solches Kündigungsrecht des Beklagten folgt jedenfalls aus § 627 BGB:
25Bei dem Vertrag zwischen den Parteien handelt es sich um einen Dienstleistungsvertrag gemäß § 611 BGB, der unter den in § 627 Abs. 1 BGB genannten Gründen unabhängig von den Voraussetzungen des § 626 BGB gekündigt werden kann. Gemäß § 627 Abs. 1 BGB ist hierzu Voraussetzung, dass die Kündigung eines Dienstverhältnisses erfolgt, welches kein Arbeitsverhältnis darstellt, soweit der zur Dienstleistung Verpflichtete Dienste höherer Art zu leisten hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen werden und sofern es sich nicht um ein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen handelt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
26a.
27Die Dienstleistungen der Klägerin haben eine Geschäftsbesorgung im Sinne der §§ 611, 675 BGB zum Gegenstand. Ein Arbeitsverhältnis liegt in Ermangelung einer abhängigen Beschäftigung der Klägerin im arbeitsrechtlichen Sinne ebenso wenig vor wie ein dauerhaftes Dienstverhältnis mit festen Bezügen (vgl. LG Itzehoe, Urteil vom 04.07.2013, 10 O 14/13 m. w. N.; OLG Schleswig, Beschluss vom 16.12.2013, 16 U 86/13).
28Bei der näheren Bestimmung dessen, was unter einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu verstehen ist, ist neben dem Sprachgebrauch und der Verkehrsauffassung der Gesetzeszweck der Gewährleistung der persönlichen Entschließungsfreiheit einerseits und des Schutzes des Vertrauens auf Sicherung der wirtschaftlichen Existenz durch eine auf Dauer vereinbarte feste Entlohnung andererseits maßgeblich zu berücksichtigen. Hiernach muss ein Dienstverhältnis, um ein "dauerndes" zu sein, die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten zwar nicht vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nehmen; es setzt auch keine soziale und wirtschaftliche Abhängigkeit des Verpflichteten voraus. Allerdings muss eine gewisse persönliche Bindung zwischen den Vertragsparteien bestehen, an der es fehlt, wenn ein Dienstleistungsunternehmen seine Dienste einer großen, unbestimmten und unbegrenzten Zahl von Interessenten anbietet. Dementsprechend ist es im Regelfall erforderlich, dass das Dienstverhältnis die sachlichen und persönlichen Mittel des Dienstverpflichteten nicht nur unerheblich beansprucht. Der grundlegende Gedanke, dass das "dauernde Dienstverhältnis" eine gewisse wirtschaftliche Erheblichkeit und persönliche Bindung für den Dienstverpflichteten mit sich bringen muss, um ein schützenswertes und überwiegendes Vertrauen auf seiner Seite begründen zu können, spiegelt sich auch in dem Erfordernis der Vereinbarung "fester Bezüge" wider. Hierzu bedarf es der Festlegung einer Regelvergütung, mit der ein in einem dauernden Vertragsverhältnis stehender Dienstverpflichteter als nicht unerheblichen Beitrag zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz rechnen und planen darf. Die Feststellung dieser Maßgaben obliegt der tatrichterlichen Würdigung (BGH, Urteil vom 22. September 2011 – III ZR 95/11 –, NJW 2011, 3575; Rn. 12 f., juris m. w. N.).
29Das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis erfüllt die an die Dauerhaftigkeit und die Regelvergütung zu stellenden Anforderungen vorliegend nicht.
30Der Geschäftsführer der Klägerin hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung erklärt, bei dem Unternehmen der Klägerin handele es sich um das führende Unternehmen am Markt für die Beratung von Gaststätten und Hotelbetrieben. Zum Zeitpunkt Juli 2012 habe die Klägerin rund 300 Unternehmen betreut, die mehr oder weniger gleichmäßig auf die bei ihr tätigen 22 Berater verteilt gewesen seien. Die Berater X und T hätten zwischen 10 und 20 Betrieben betreut.
31Angesichts der hiernach anzunehmenden Größe des von der Klägerin betriebenen Unternehmens, ist die wirtschaftliche Erheblichkeit und persönliche Bindung aufseiten der Klägerin zu verneinen. Denn das Dienstverhältnis mit dem Beklagten nahm mit einem Anteil von 5 bis 10 % der Arbeitskraft der Berater einen vergleichsweise geringen Umfang der persönlichen und sachlichen Mittel der Klägerin in Anspruch. Gleichzeitig erreicht die Höhe der vereinbarten Vergütung nicht das für ein "dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen" im Sinne von § 627 Abs. 1 BGB erforderliche gewisse Maß an wirtschaftlicher Erheblichkeit. Mithin war der Entschließungsfreiheit des Beklagten gegenüber dem Vertrauen der Klägerin auf die Fortsetzung des Dienstverhältnisses und die Erzielung der verabredeten Einkünfte der Vorrang einzuräumen.
32b.
33Zur Überzeugung der Kammer steht ferner fest, dass es sich vorliegend bei den von der Klägerin zu erbringenden Leistungen um Dienste höherer Art im Sinne des § 627 BGB handelt. Dienste höherer Art sind solche, die überdurchschnittliche Kenntnisse oder Fertigkeiten verlangen oder den persönlichen Lebensbereich betreffen. Erforderlich ist zudem, dass die Dienste im Allgemeinen, ihrer Art nach, üblicherweise nur in Folge besonderen, das heißt persönlichen Vertrauens übertragen zu werden pflegen (Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Auflage, § 627, Rn. 2). Hierzu zählen unter anderem Tätigkeiten im Rahmen der wirtschaftlichen Betreuung eines Bauvorhabens, die Projektsteuerung, beratende Tätigkeit, die Tätigkeit eines Managers, eines Werbeberaters, eines Inkassobeauftragten oder allgemein Dienste im Rahmen der freien Berufe (Palandt, a. a. O. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Im Rahmen der Prüfung der erforderlichen, besonderen Vertrauensstellung steht es der Annahme eines Dienstes höherer Art nicht entgegen, wenn es sich bei dem Dienstverpflichteten um eine juristische Person handelt (BGH NJW 2010, 150). Dies gilt insbesondere, wenn der Dienstverpflichtete im Rahmen einer steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Tätigkeit Einblick in die Geschäfts-, Berufs-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Dienstberechtigten erlangt. Bei der Beauftragung mit derartigen Dienstleistungen legt der Dienstberechtigte typischerweise einen gesteigerten Wert auf die persönliche Zuverlässigkeit, Loyalität und Seriösität des Dienstverpflichteten; beauftragt er eine juristische Person, so bezieht sich sein damit verbundenes persönliches Vertrauen auch eine entsprechende Auswahl, Zusammensetzung und Überwachung ihrer Organe und Mitarbeiter (BGH NJW 2011, 3575, Rn. 9, juris).
34Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Dienstes höherer Art vorliegend gegeben. Die persönlichen Berater des Beklagten waren seit Vertragsbeginn für den Beklagten tätig. Nach dem unwidersprochenen Sachvortrag des Beklagten erzielten diese bei der Zusammenarbeit mit dem Beklagten aufgrund ihrer Sachkompetenz sowie ihres persönlichen Netzwerkes besondere Erfolge. Hieraus hatte sich ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelt. Darüber hinaus haben die Berater X und T im Rahmen der Vorbereitung ihrer Beratungstätigkeit intensive Einblicke in die betrieblichen Verhältnisse sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten erhalten. Im Rahmen des erforderlichen Finanzchecks erhielten sie Einblick in die Summen- und Saldenliste, die betriebswirtschaftlichen Auswertungen insgesamt sowie diejenigen der vorliegenden Jahresabschlüsse. Aufgrund dieser Umstände ist die Tätigkeit der Berater grundsätzlich mit den in der Rechtsprechung anerkannten Fällen der Annahme eines Dienstes höherer Art vergleichbar.
35c.
36Die Klägerin kann der Kündigung auch nicht erfolgreich mit der Begründung entgegentreten, es handele sich bei dem Vertrag über die Schulungs- und Beratungsleistung einerseits und der Nutzungsvereinbarung andererseits um zwei getrennte Verträge, so dass eine etwa berechtigte Kündigung im Hinblick auf die Beratungsvereinbarung jedenfalls nicht die Nutzungsvereinbarung erfasse. Denn entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin, dass die Nutzungsvereinbarung einen eigenständigen Vertrag darstelle, sind zur Überzeugung der Kammer beide Verträge als einheitliches Gesamtwerk zu beurteilen mit der Folge, dass die Kündigung gemäß § 627 BGB beide Verträge erfasst:
37Auch zwei an sich selbstständige Vereinbarungen stellen ein einheitliches Rechtsgeschäft dar, wenn nach den Vorstellungen der Vertragsschließenden die Vereinbarungen nicht für sich allein gelten sollten, sondern gemeinsam miteinander „stehen und fallen“ sollten. Maßgeblich ist insoweit, ob nach den Vorstellungen der Vertragsschließenden die Vereinbarungen kraft ihrer rechtlichen und nicht nur wirtschaftlichen Verbindung Teile eines Gesamtgeschäftes bilden. Dabei sind mehrere Vereinbarungen bereits dann als einheitliches Rechtsgeschäft anzusehen, wenn nur der eine Vertragspartner einen solchen Einheitlichkeitswillen hatte, dieser dem anderen Partner aber erkennbar war und von ihm gebilligt oder zumindest hingenommen wurde (OLG Hamm, Beschluss vom 27.06.2014, Az. 12 U 45/14; Beschluss vom 22.01.2015, Az. 17 U 143/14; OLG Schleswig, Beschluss vom 16.12.2013, 16 U 86/13). Dabei kann der Einheitlichkeitswille vermutet werden, wenn beide Rechtsgeschäfte in derselben Urkunde niedergelegt sind (OLG Schleswig, a. a. O. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
38Die von der Klägerin und dem Beklagten getroffene Nutzungsvereinbarung sowie die Schulungs- und Beratungsvereinbarung sind gleichzeitig am 28.11.2011 abgeschlossen worden. Hiernach begründen über die Niederlegung in einer Urkunde hinaus auch der sachliche Zusammenhang der getroffenen Regelungen und des zeitliche Zusammenhang des Vertragsschlusses die Vermutung für eine Einheitlichkeit. Darüber hinaus hat der Beklagte substantiiert dargelegt, dass ihm seitens der Klägerin die jeweiligen Leistungen aus der Nutzungsvereinbarung und aus der Beratungsvereinbarung „als Paket“ angeboten worden sind und dass er den einen ohne den anderen nicht abgeschlossen hätte. Ebenfalls ohne substantiiertes Bestreiten der Klägerin hat der Beklagte ferner vorgetragen, dass die Klägerin stets ihre Verträge einheitlich anbietet und dass in keinem Fall die Kunden lediglich die Nutzungsvereinbarung abgeschlossen hätten. Daraus ergibt sich, dass sowohl die individuellen Beratungen vor Ort als auch die allgemeinen Schulungen und Seminare, die Gegenstand der Nutzungsvereinbarung sind, in einem einheitlichen Konzept das Ziel der Betriebsoptimierung erreichen sollen. Die formale Aufteilung des Vertrages dergestalt, dass durch zwei getrennte Unterschriften die jeweiligen Leistungen gegenzuzeichnen sind, kann daher nicht dazu führen, von getrennten Verträgen auszugehen.
39d.
40Der Wirksamkeit der Kündigung steht schließlich nicht entgegen, dass die monatliche Vergütung der Nutzungsvereinbarung im Hinblick auf die vereinbarte Laufzeit des Vertrages herabgesetzt worden ist. Dieser Umstand mag wegen der vorzeitigen Kündigung ggfs. zu weiteren Zahlungsansprüchen der Klägerin für die Vergangenheit führen. Auf die nach § 627 Abs. 1 BGB geschützte Entschließungsfreiheit des Beklagten hat er indes keinen Einfluss.
41e.
42Nach alledem ist eine wirksame Kündigung des gesamten Vertragsverhältnisses erfolgt. Hiernach kann dahinstehen, ob auch eine außerordentliche Kündigung des Beklagten gemäß § 626 BGB wirksam gewesen wäre oder die Klägerin ihre Ansprüche verwirkt hat.
432.
44Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die monatliche Vergütung für August 2012 gemäß § 628 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie hat die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage weder schlüssig dargelegt noch lassen sich diese dem vorgetragenen Sachverhalt entnehmen. Es ist nicht erkennbar, welche vergütungspflichtigen Dienstleistungen die Klägerin für die Zeit vom 01. Bis 03.08.2012 erbracht hat.
453.
46Der im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragte weitere Schriftsatznachlass im Hinblick auf die Einordnung eines Dienstverhältnisses als dauerndes mit festen Bezügen war nicht zu gewähren, da die mündliche Verhandlung insoweit keine neuen rechtlichen Ansatzpunkte aufgeworfen hat. Die mit der Anwendung von § 627 BGB zusammenhängenden rechtlichen Gesichtspunkte sind der Klägerin nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl der geführten Verfahren bekannt. Soweit die Kammer sich in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der rechtlichen Bewertung auf die Entscheidung des BGH vom 22.09.2011, Az. III ZR 95/11 bezogen hat, war ein Schriftsatznachlass schon deshalb nicht angezeigt, da die Klägerin diese in ihrem Schriftsatz vom 08.02.2016 auf Seite 3 selbst zitiert.
474.
48Da kein Anspruch in der Hauptsache besteht, besteht auch kein Anspruch auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten.
495.
50Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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