Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 261/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten trägt nach einem Streitwert von 9.166,95 € die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Nebenintervenienten sowie durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Nebenintervenient oder der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen der S und mit dem Einzug von Forderungen beauftragt.
3Der Beklagte unterhält eine Fahrzeugflotte von 5 Kastenwagen, mit denen sein Unternehmen Sendungen der H-Group von deren zentralen Warenlager abholt, sortiert, auf die einzelnen Kastenwagen verteilt und innerhalb des Stadtgebietes von E ausliefert. Die Fahrzeuge hatte er in einem speziellen Tarif für Postdienstleister/Paketzusteller haftpflichtversichert. Durch Vermittlung eines Maklers, des Nebenintervenienten, beantragte er im Januar 2012 für seine Fahrzeuge Haftpflicht- und Kaskoversicherungen bei der L, einem Unternehmen der S Gruppe. Als Verwendungszweck der Fahrzeuge wurde im Antrag „Werkverkehr/Privatverkehr“ aufgenommen. Die L policierte die Versicherungsverträge antragsgemäß.
4Wohl anlässlich eines Versicherungsfalles brachte die L dann in Erfahrung, dass der Beklagte mit seinen Fahrzeugen nicht eigene sondern fremde Güter beförderte. Sie sieht darin eine Änderung eines für die Beitragsberechnung maßgebenden Merkmals und hat deshalb mit Wirkung ab 01.01.2012 (Vertragsbeginn) die Verträge neu policiert mit höheren Prämien. In den Versicherungsscheinen ist als Änderungsgrund:
5Änderung der Fahrzeugverwendung und Änderung der Regionalklasse angegeben. Daraufhin hat der Beklagte die Verträge gekündigt und ist nunmehr mit seinen Fahrzeugen wieder bei einem Versicherer in einem Tarif für Postdienstleister/Postzusteller versichert.
6Die Klägerin behauptet, der Einsatz der Fahrzeuge des Beklagten erfolge definitionsgemäß nicht im Werkverkehr, sondern im Güterverkehr. Sie sieht die L berechtigt, aufgrund der Versicherungs- und Tarifbedingungen mit Wirkung vom Versicherungsbeginn die erhöhte Prämie für den Güterverkehr zu verlangen.
7Die Klägerin beantragt,
81. der Beklagte wird verurteilt, an sie 9.166,95 € nebst
95 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.04.2013 zu zahlen,
102. der Beklagte wird ferner verurteilt, außergerichtliche
11Mahnkosten in Höhe von 117,50 € sowie 3,00 € Portokosten an sie zu erstatten.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Streitverkündete
15hat sich dem Klageabweisungsantrag des Beklagten angeschlossen.
16Der Beklagte bestreitet Änderungen der prämienbestimmenden Merkmale insbesondere der Regionalklasse und den Einsatz der Fahrzeuge im Güterverkehr.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Die Klage ist unbegründet.
20Die Klägerin kann von dem Beklagten für die Versicherung der Fahrzeugflotte keine Prämien nach dem Tarif für Güterverkehr verlangen.
211.
22Auf K.4.3. der AKB der L kann die Klägerin die Nachforderung auf den zu erhobenen Beitrag für die Versicherung der Fahrzeugflotte des Beklagten nicht stützen. Diese Bestimmung hat unter der Überschrift: „Folgen von unzutreffenden Angaben“ nachstehenden Wortlaut:
23„Machen Sie im Antrag oder während der Laufzeit des Vertrages unzutreffende Angaben zu Merkmalen zur Beitragsberechnung oder haben sie Änderungen nicht angezeigt und ist deshalb ein zu niedriger Beitrag berechnet worden, so gilt rückwirkend ab Beginn des laufenden Versicherungsjahres der Beitrag, der den tatsächlichen Merkmalen zur Beitragsberechnung entspricht.“
24Diese Regelung ist unwirksam, soweit sie die Beitragserhöhung an falsche Angaben knüpft, die im Versicherungsantrag gemacht worden sind. Denn die Bestimmung weicht vom halb zwingenden, § 32 VVG, § 19 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab und umgeht die in § 19 VVG geregelten Schutzvorkehrungen zugunsten des Antragstellers. So stellt K.4.3 AKB weder auf die in § 19 VVG für erforderlich gehaltene Textform der Antragsfragen ab, noch sieht die Regelung in den AKB als Voraussetzung für das Prämienerhöhungsverlangen eine Belehrung des Versicherers über die Folgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vor, wie sie in § 19 Abs. 5, Satz 1 VVG geregelt ist.
252.
26Auf § 19 Abs. 4 VVG kann die Klägerin ihr Verlangen nach einer erhöhten Versicherungsprämie ebenfalls nicht stützen. Zwar lässt diese Vorschrift selbst bei schuldloser Anzeigepflichtverletzung eine auf den Beginn der Versicherungsperiode rückwirkende Prämienerhöhung zu und das Verlangen der L nach einer Prämienerhöhung kann zwanglos als Vertragsänderungsverlangen nach § 19 Abs. 4 VVG verstanden werden, allerdings liegen die Voraussetzungen nicht vor, unter denen ein Versicherer nach § 19 VVG berechtigt wäre, die Prämie wegen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zu ändern.
27Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die L den Beklagten wie in § 19 Abs. 1, Satz 1 VVG gefordert, in Textform nach den für die Tarifierung maßgebenden Umständen gefragt hat oder ob die ganze Auftragsannahme – wie im Maklervertrieb nicht unüblich – in elektronischer Form erfolgt ist (vgl. zum Textformerfordernis OLG Saarbrücken ZFS 2013, 223; Landgericht Berlin r+s 2014, 7). Jedenfalls fehlt es aber an einem Hinweis auf die Folgen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Denn § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG bestimmt, dass dem Versicherer die Rechte nach dem Absätzen 2 bis 4 nur zustehen, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Die Klägerin hat zwar vorgetragen, dass dem Streitverkündeten eine „entsprechende Belehrung“ zugegangen ist. Trotz Hinweises des Gerichts hat sie aber diese sehr allgemein gehaltene Behauptung weder konkretisiert noch den Hinweis auf die Rechtsfolgen der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht vorgelegt, so dass das Gericht nicht beurteilen kann, ob ein solcher Hinweis überhaupt den gesetzlichen Anforderungen genügt. Da der Versicherer dafür darlegungs- und beweisbelastet ist, dass er den Antragsteller in gehöriger Art und Weise auf die Folgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht hingewiesen hat, da er nach dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 5 VVG auch das Recht auf Vertragsanpassung nur ausüben kann, wenn er einen Hinweis erteilt hat, kann das Gericht die Voraussetzungen nicht feststellen, unter denen der L eine Prämienanpassung nach § 19 VVG möglich gewesen wäre.
283.
29Das Belehrungserfordernis nach § 19 Abs. 5, Satz 1 VVG ist auch nicht entbehrlich. Die Klägerin macht dazu geltend, dass der Beklagte oder der Streitverkündete die falschen Angaben zum Verwendungszweck der Fahrzeugflotte arglistig gemacht haben. In einem solchen Fall würde eine fehlende oder unrichtige Belehrung der Ausübung der Rechte nach §§ 19 Abs. 2 – 4 VVG nicht entgegenstehen, weil der arglistig Handelnde nicht schutzwürdig ist (BGH VersR 2014, 565). Die Voraussetzungen eines arglistigen Handelns entweder durch den Beklagten selbst oder den Streithelfer sind jedoch von der Klägerin nicht dargelegt worden.
30Das Gericht vermag schon nicht festzustellen, dass der Beklagte bewusst unrichtige Angaben zum Verwendungszweck seiner Fahrzeugflotte gemacht hat. Die L unterscheidet für den Versicherungsbeitrag zwischen Privatverkehr, Werkverkehr und Güterverkehr. Privatverkehr im Sinne des Tarifs ist die ausschließlich private Nutzung des Fahrzeugs durch Privatpersonen. Werkverkehr ist die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen, Anhängern und Aufliegern nur für eigene Zwecke durch eigenes Personal eines Unternehmers. Die beförderten Güter müssen Eigentum des Unternehmers oder ihm verkauft, gekauft, vermietet, gemietet, hergestellt, erzeugt, gewonnen, bearbeitet oder instandgesetzt worden sein. Gewerblicher Güterverkehr ist die geschäftsmäßig entgeltliche Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen, Anhängern und Aufliegern für andere. Diese Unterscheidung erschließt sich allein durch die Verwendung der Begriff Privatverkehr, Werkverkehr und Güterverkehr nicht. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass dem Beklagten die definitionsgemäße Unterscheidung der verschiedenen Verwendungsarten überhaupt bekannt war. Der Beklagten har zwar Schreiben unterzeichnet, in denen die Differenzierungen erläutert worden sind. Der Beklagte hat diese Schreiben jedoch erst unter dem 29.11.2012 und mithin weit nach Antragstellung im Januar 2012 zur Kenntnis genommen unterzeichnet. Diese Schreiben lassen mithin nicht einmal einen Rückschluss darauf zu, dass dem Beklagten die Unterscheidung auch bei Antragstellung bekannt und bewusst gewesen ist. Darüber hinaus erfordert Arglist, dass der Handelnde mit den falschen Angaben auf die Entscheidung des Versicherers zur Antragsannahme Einfluss nehmen will. Auch dies vermag das Gericht nicht festzustellen, da die Klägerin nicht vorgetragen hat, dass dem Beklagten selbst bei Kenntnis der unterschiedlichen Definitionen für Werkverkehr und Güterverkehr bewusst gewesen ist, dass die Verwendung der Fahrzeuge im Güterverkehr eine höhere Prämie zur Folge hatte als die Verwendung im Werkverkehr. Es drängt sich auch nicht auf, dass es für das Risiko in der Kraftfahrtversicherung von Bedeutung ist, ob eigene oder fremde Güter befördert werden.
31Aus denselben Gründen, aus denen das Gericht eine Arglist des Beklagten nicht feststellen kann, scheitert auch die Feststellung von Arglist beim Streithelfer, dessen Arglist dem Kläger zugerechnet werden könnte (BGH VersR 2008, 809). Mangels Vortrag der Klägerin kann das Gericht nicht davon ausgehen, dass beim Streitverkündeten das für eine Arglist erforderliche Wissen um die Verwendung der Fahrzeugflotte des Beklagten überhaupt vorhanden war und ihm deshalb bekannt war, dass die Antragsangabe über eine Verwendung der Fahrzeugflotte im Werkverkehr unrichtig war. Zudem steht auch nicht fest, ob der Streithelfer die Unterscheidung zwischen Werk- und Güterverkehr überhaupt gekannt hat.
324.
33Die Klage musste somit mit der Kostenfolgen aus §§ 91, 101 ZPO abgewiesen werden.
34Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und deren Abwendung beruht auf §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 19 Abs. 5, Satz 1 VVG 2x (nicht zugeordnet)
- § 19 Abs. 5 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 101 Kosten einer Nebenintervention 1x
- § 19 VVG 5x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 32 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 19 Abs. 4 VVG 2x (nicht zugeordnet)