Beschluss vom Landgericht Düsseldorf - 25 T 112/14
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
LANDGERICHT DÜSSELDORF
B E S C H L U S S
1151A XIV 3/14
4Amtsgericht Düsseldorf
In dem Freiheitsentziehungsverfahren
5betreffend die Haft zur Sicherung der Abschiebung
6des nigerianischen Staatsangehörigen ...
7Verfahrensbevollmächtigte:
8Rechtsanwältin ...
9Antragstellerin:
10Landeshauptstadt Düsseldorf, Der Oberbürgermeister, Kommunale Ausländerbehörde, Willi-Becker-Allee 7, 40227 Düsseldorf,
11hat die 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 29. Januar 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. A., die Richterin am Landgericht B. und die Richterin C.
12am 7. März 2014
13b e s c h l o s s e n:
14Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
15Der Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
16Gründe
17I.
18Der Betroffene wurde erstmals im Jahr 2011 ohne Reisepass oder Aufenthaltstitel im Inland angetroffen.
19Nachdem er im Januar 2012 erneut angetroffen und dabei festgestellt wurde, dass er keinen Asylantrag gestellt hatte, wurde er am 8. Februar 2012 aus der Haft heraus nach Italien abgeschoben. Dort hatte er bereits im Jahr 2008 einen Asylantrag gestellt und stellte er nach seiner Abschiebung am 10. Mai 2012 in Italien ein weiteres Mal Asylantrag.
20Am 28. Januar 2014 wurde der Betroffene erneut im Bundesgebiet angetroffen.
21Die Antragstellerin beabsichtigt, den Betroffenen nach Italien abzuschieben. Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2014, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 1 ff. GA), hat sie beantragt, gemäß § 62 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG Abschiebungshaft gegen den Betroffenen für die Dauer von acht Wochen, bis zum 26. März 2014, anzuordnen. Sie hat u. a. das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft gemäß § 72 Abs. 4 AufenthG sowie das Procedere bezüglich der Überstellung nach Italien innerhalb von acht Wochen dargelegt.
22Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss diesem Antrag entsprochen, nach §§ 415–417 FamFG i.V.m. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 5 AufenthG die Höchstdauer der Haft auf acht Wochen (bis zum 26. März 2014) bestimmt sowie die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet.
23Die Überführung des Betroffenen nach Italien ist nunmehr für den 13. März 2014 vorgesehen.
24Der von dem Betroffenen eingelegten Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den angefochtenen Beschluss sowie den Akteninhalt Bezug genommen.
26II.
27Die nach § 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Betroffenen ist unbegründet.
281.
29Es liegen ein zulässiger Haftantrag und die Haftgründe nach §§ 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG vor. Insoweit wird auf die Begründung in dem angegriffenen Beschluss vom 29. Januar 2014 und in der Nichtabhilfeentscheidung verwiesen.
302.
31Die Anordnung der Abschiebehaft genügt auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ein Verstoß gegen das aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. BVerfGE 46, 194, 195) ist nicht feststellbar.
32Die Haft zur Sicherung der Abschiebung darf nur dann aufrechterhalten werden, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt, und zwar, gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, mit der größtmöglichen Beschleunigung (BGH, Beschluss vom 10.06.2010 – V ZB 204/09; BGH, Beschluss vom 01.03.2012 – V ZB 206/11; BGH, Beschluss vom 11.10.2012 – V ZB 104/12; BGH, Beschluss vom 17.10.2013 – V ZB 172/12). Auch während des Laufs der Drei-Monats-Frist des § 62 Abs. 3 S. 4 AufenthG muss die Abschiebungshaft auf das erforderliche Maß beschränkt und die Abschiebung ohne unnötige Verzögerung betrieben werden (BGH, Beschluss vom 11.10.2012 – V ZB 104/12). Einen organisatorischen Spielraum der Behörde bei der Umsetzung der Abschiebung schließt das Beschleunigungsgebot jedoch nicht aus (BGH, Beschluss vom 21.10.2010 – V ZB 56/10 Juris Rn. 13; BGH, Beschluss vom 16.02.2012 – V ZB 320/10 Juris Rn. 14
33Diesen Anforderungen genügt das Vorgehen der Antragstellerin. Der Antrag zur Rückübernahme nach Italien sollte unmittelbar an dem auf die Beantragung und den Erlass des Abschiebehaftbefehls folgenden Tag bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Nürnberg (BAMF) gestellt werden. Das BAMF wiederum würde nach der Erläuterung der Antragstellerin voraussichtlich sechs Tage benötigen, um die Akte anzulegen und die Wiederaufnahme bei den italienischen Behörden zu beantragen. Entgegen der Darstellung in der Beschwerdebegründung handelt es sich also nicht um den lediglich für die Aktenanlage benötigten Zeitraum, sondern umfasst dieser auch die Antragstellung im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens in Italien. Dass damit eine unnötige oder sachfremde Verzögerung eintritt, ist nicht zu erkennen. Der weitere von der Antragstellerin dargelegte Zeitablauf lässt ebenfalls nicht auf eine fehlende Beschleunigung schließen. Dieser umfasst die notwendigen Zeiträume und Fristen insbesondere für den Fall, dass die italienischen Behörden den Antrag auf Wiederaufnahme des Betroffenen ablehnen würden. Auch tatsächlich ist es zu einer Verzögerung des Verfahrens nicht gekommen. Die Überführung nach Italien ist nun bereits für den 13. März 2014 vorgesehen und damit deutlich vor dem Ablauf der ursprünglich für nötig gehaltenen Frist.
343.
35Die Vollstreckung der Abschiebehaft in der JVA D. ist nicht rechtswidrig. Die beiden für die Vollziehung der Abschiebehaft genutzten Hafthäuser erfüllen die Voraussetzungen an eine spezielle Hafteinrichtung im Sinne des § 62a Abs. 1 AufenthG und des Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die gemeinsamen Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie).
36Der Begriff der speziellen Hafteinrichtung ist in erster Linie durch die räumliche und organisatorische Trennung von den Strafhaftanstalten bestimmt. Er wirkt sich darüber hinaus auf die Rahmenbedingungen der Durchführung der Abschiebungshaft aus, was unter anderem die Größe und Ausstattung der separaten Räume und den Tagesablauf betrifft (vgl. Kluth, in: Beck’scher Online-Kommentar AuslR, Stand: 01.02.2013, § 62a AufenthG Rn. 6).
37Diesen Anforderungen wird die JVA D. gerecht. Zwar wird in der Anstalt auch Strafhaft verbüßt, und zwar Freiheitsstrafen von unter drei Monaten und Ersatzfreiheitsstrafen. Die Strafgefangenen werden jedoch nur in einem der insgesamt drei Hafthäuser untergebracht, während die Abschiebehaft in den zwei baulich getrennten anderen Hafthäusern vollzogen wird. Die Trennung erfolgt auch organisatorisch, so dass ein Zusammentreffen der Straf- und der Abschiebegefangenen bis auf wenige Ausnahmefälle, die die Trennung insgesamt nicht in Frage stellen – dazu sogleich –, vermieden wird.
38Dass ein Aufeinandertreffen von Straf- und Abschiebehäftlingen im Rahmen des Freitagsgebetes möglich ist, ändert nichts an der Einordnung der beiden Hafthäuser als ausschließlich für die Abschiebehaft genutzte Einrichtung. Das Freitagsgebet – eine freiwillige religiöse Veranstaltung – findet zwar für alle Gefangenen in einem gemeinsamen Raum statt. Allerdings wird durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt, dass keine Kontaktaufnahmen möglich sind und die Abschiebehäftlinge strikt von den Strafgefangenen getrennt in den Veranstaltungsraum und wieder heraus verbracht werden. Ein unter diesen Bedingungen stattfindendes einmal wöchentliches Zusammentreffen in einem Raum berührt die Rechtsstellung der Abschiebegefangenen nicht und entwertet auch nicht die strenge Trennung im Übrigen.
39Soweit sich die deutlich eingeschränkteren Besuchszeiten der Strafgefangenen mit denjenigen der Abschiebehäftlingen überschneiden, befinden sich die Häftlinge in der gemeinsamen Besuchsabteilung und damit nicht in verschiedenen Hafthäusern. Allerdings sind die von den Straf- und den Abschiebehäftlingen genutzten Bereiche der Besuchsabteilung voneinander getrennt und es wird durch eine zusätzliche Überwachung wiederum eine Kontaktaufnahme verhindert. Es verbleibt ein bloßer Sichtkontakt, der aber ebenfalls nichts an der von den Strafgefangenen streng getrennten Stellung der Abschiebehäftlinge innerhalb der JVA Büren ändert.
40Schließlich führen auch die mit dem Schriftsatz vom 24. Februar 2014 vorgebrachten zusätzlichen Gelegenheiten des Zusammentreffens – die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt – nicht zu einer anderen Beurteilung. Soweit ein Aufeinandertreffen im Rahmen des Einkaufs möglich ist, handelt es sich allenfalls um einen gelegentlichen und sehr kurzfristigen Kontakt, der zudem im Rahmen der freiwilligen Nutzung eines zusätzlichen Angebots erfolgt. Auch ein Zusammentreffen in der Kleiderkammer kann allenfalls auf den sehr kurzen Zeitraum der Kleiderausgabe beschränkt sein und wiederum nur gelegentlich erfolgen. Dass ein eigenes Justizvollzugskrankenhaus für die Abschiebehäftlinge eingerichtet und auf diese Weise auch im Krankheitsfall jedes Zusammentreffen ausgeschlossen wird, wird von § 62a Abs. 1 AufenthG und Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie nicht gefordert. Weder lässt sich dieses Erfordernis aus dem Wortlaut „spezielle Hafteinrichtung“ ableiten noch gebietet dies der Zweck der getrennten Unterbringung, jede Gleichstellung der nicht mit Straftätern zu vergleichenden Abschiebehäftlingen mit Strafgefangenen zu vermeiden (vgl. dazu Winkelmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 62a AufenthG Rn. 8). Während der Behandlung in dem Justizvollzugskrankenhaus steht die medizinische Versorgung im Vordergrund. Selbst wenn ein Abschiebehäftling dort in Kontakt mit einem Strafgefangenen käme, würde dies deshalb nicht zu einer Gleichstellung bei der Vollziehung der jeweiligen Haftart führen.
414.
42Die Kammer hat von einer erneuten Anhörung abgesehen, § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG. Der Betroffene ist im ersten Rechtszug zeitnah mündlich angehört worden. Von einer erneuten Anhörung sind keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten.
435.
44Der Bestellung eines Verfahrenspflegers bedurfte es nicht (§ 419 Abs. 2 FamFG).
456.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
47Rechtsmittelbelehrung:
48Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben. Sie ist binnen einer Frist von 1 Monat nach der Zustellung des Beschlusses bei dem Bundesgerichtshof durch Einreichung einer Beschwerdeschrift einzulegen. Die Rechtsbeschwerde muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den sich die Rechtsbeschwerde richtet und die Erklärung, dass Rechtsbeschwerde eingelegt werde, enthalten. Die Rechtsbeschwerde muss von einem am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
49Dr. A. B. C.
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