Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 2a O 68/14
Tenor
I. Die einstweilige Verfügung vom 05.03.2014 wird aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird als unzulässig zurückgewiesen.
II. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch die Verfügungsbeklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin der deutschen Wortmarke „SAM“ (Registernummer 2004517) mit Priorität vom 03.05.1991, die unter anderem Schutz für Bekleidungsstücke genießt. Die Marke „SAM“ wurde ihr von der vorherigen Inhaberin, der V GmbH mit Wirkung zum 28.12.2012 übertragen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Marke wird auf die Anlage Ast 3 verwiesen.
3Die V GmbH nutzte die Marke „SAM“ bis zur Übertragung auf die Verfügungsklägerin zur Kennzeichnung von Bekleidungsstücken über Lizenznehmer. Die Verfügungsklägerin nutzt die Marke in derselben Form weiter.
4Die Verfügungsbeklagte vertreibt über ihren Internetshop www.XXX insbesondere auch in Deutschland Bekleidung. So bot die Verfügungsbeklagte unter der Artikelnummer 36945700 ein T-Shirt unter der Bezeichnung “PEPE JEANS Sam S/S T-Shirt seville” und unter der Artikelnummer 36673300 eine Hose unter der Bezeichnung “NUDIE JEANS Womens Skinny Sam Pant org. dry steel” an. Hinsichtlich der Einzelheiten der beiden Angebote wird auf die Anlagen Ast 1 und Ast 2 Bezug genommen.
5Herr Rechtsanwalt U2 der Kanzlei M, U & S, den die Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin mit der regelmäßigen Überwachung von Rechtsverstößen in Bezug auf die Marke „SAM“ beauftragt hat, informierte die Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin am 10.01.2014 per E-Mail über die streitgegenständlichen Angebote.
6Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.01.2014 (Anlage Ast 4) mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte wegen Verwendung der Bezeichnung „Sam“ ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 28.01.2014 auf.
7In der Zeit vom 28.01.2014 bis 25.02.2014 führten die Parteien intensive Einigungsverhandlungen, während derer die Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten mehrfach Fristverlängerungen zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gewährte. Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.02.2014 (Anlage Ast 19) teilte die Verfügungsbeklagte mit, sich nun doch gegen die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung entschlossen zu haben.
8Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, durch die streitgegenständlichen Angebote verletze die Verfügungsbeklagte ihre Marke „SAM“.
9Auf den Antrag der Verfügungsklägerin hat die Kammer mit Beschluss vom 05.03.2014 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der der Antragsgegnerin untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr Bekleidung unter der Bezeichnung „PEPE JEANS Sam S/S T-Shirt Seville“ anzubieten und/oder anbieten zu lassen, wenn dies wie aus der Anlage Ast 1 ersichtlich geschieht und/oder im geschäftlichen Verkehr Bekleidung unter der Bezeichnung „NUDIE JEANS Womens Skinny Sam Pant org. dry steel“ anzubieten und/oder anbieten zu lassen, wenn dies wie aus Anlage Ast 2 ersichtlich geschieht.
10Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Verfügungsbeklagten.
11Die Verfügungsklägerin beantragt,
12den Widerspruch der Verfügungsbeklagten zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung vom 05.03.2014 aufrecht zu erhalten.
13Die Verfügungsbeklagte beantragt,
14die einstweilige Verfügung vom 05.03.2014 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
15Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit sei nicht gegeben, da der Zeitpunkt der Kenntniserlangung nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden sei. Maßgeblich sei der Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch den Rechtsanwalt der Verfügungsklägerin, da dieser mit der ständigen Markenüberwachung betraut sei. Ein Verfügungsanspruch liege mangels Zeichenähnlichkeit ebenfalls nicht vor. Bei dem Zeichen „SAM“ handele es sich um ein reines Bestellzeichen, dem keine selbständig kennzeichnende Stellung zukomme.
16Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
17Entscheidungsgründe:
18Die einstweilige Verfügung war aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
19I.
20Es kann dahinstehen, ob ein Verfügungsanspruch gegeben ist. Jedenfalls ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unzulässig, da die Antragstellerin das Vorliegen eines Verfügungsgrundes bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 30.04.2014 nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat.
21Der Erlass einer vollstreckbaren Entscheidung aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Den Nachteilen, die der Verfügungsklägerin aus einem Zuwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache entstehen können, sind die Nachteile gegenüber zu stellen, die der Verfügungsbeklagten aus der Anordnung drohen. Das Interesse der Verfügungsklägerin muss so sehr überwiegen, dass der beantragte Eingriff in die Sphäre der Verfügungsbeklagten aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2012, 146, 147 - E-Sky; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Auflage 2003, Rn. 51).
22Ein solches Überwiegen der Interessen der Verfügungsklägerin ist vorliegend nicht gegeben. Die Verfügungsklägerin hat die Dringlichkeit der einstweiligen Verfügung nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
23Zwar hat die Verfügungsklägerin dargelegt und durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung der Geschäftsführerin Frau H vom 24.02.2014 glaubhaft gemacht, von den streitgegenständlichen Angeboten der Verfügungsbeklagten erstmals am 10.01.2014 U erlangt zu haben. Allerdings ist für die Beurteilung der Dringlichkeit vorliegend auf die erstmalige Kenntniserlangung des Rechtsanwalts U abzustellen. Maßgeblich für den Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist insoweit die U der Tatsachen, die den Rechtsverstoß begründen (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 31. Auflage, § 12 Rn. 3.15a).
24Die Verfügungsklägerin muss sich das Wissen ihres Prozessbevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt U, zurechnen lassen. Insoweit sind die Grundsätze über die Wissenszurechnung gemäß § 166 Abs. 1 BGB analog anzuwenden (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.06.2013, 6 W 61/13, juris Rn. 4; BGH, Urteil vom 24.01.1992, V ZR 262/90, juris Rn. 11; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Auflage, § 166 Rn. 6). Wissensvertreter ist jeder, der dazu berufen ist, für den Geschäftsherrn im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur U zu nehmen und weiterzuleiten (OLG Frankfurt am Main aaO; vgl. BGH aaO). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen einer Wissenszurechnung vorliegend gegeben. Die Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 24.04.2014 erklärt, dass sie Herrn Rechtsanwalt U2 der Kanzlei M, U & S mit der regelmäßigen Überwachung von Rechtsverstößen in Bezug auf die Marke „SAM“ beauftragt hat. Insoweit oblag es Rechtsanwalt U, die Markenüberwachung in eigener Verantwortung vorzunehmen und mögliche Rechtsverstöße zur U zu nehmen und an die Verfügungsklägerin weiterzuleiten. Die Frage, ob und gegebenenfalls welche rechtlichen Schritte einzuleiten sind, war dann in einem zweiten Schritt durch die Verfügungsklägerin zu prüfen.
25Die Verfügungsklägerin hat jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, zu welchem Zeitpunkt Herr Rechtsanwalt U den streitgegenständlichen Rechtsverstößen erlangt hat. Zwar hat der Vertreter der Verfügungsklägerin im Termin am 30.04.2014 erklärt, nach seiner U führe Herr U die Internetrecherchen üblicherweise Freitagsnachmittags durch und informiere anschließend die Mandanten. Da der 10.01.2014 ein Freitag gewesen sei, gehe er davon aus, dass Herr I an jenem Freitag, den 10.01.2014 U erlangt habe. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um einen substantiierten Parteivortrag, sondern lediglich um eine Vermutung des Vertreters der Verfügungsklägerin.
26Soweit Herr Rechtsanwalt U im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 05.05.2014 anwaltlich versichert, am 07.01.2014 U von den streitgegenständlichen Rechtsverstößen erlangt zu haben, hat dieser neue Vortrag bei der Urteilsfindung keine Berücksichtigung gefunden. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO ist nicht veranlasst. Dies bereits deshalb nicht, weil es sich vorliegend um ein Eilverfahren handelt. Eine Schriftsatzfrist wurde der Verfügungsklägerin nicht gewährt und ist im Verfügungsverfahren grundsätzlich auch unzulässig. Zwar kommt ausnahmsweise eine Vertagung oder die Gewährung einer Schriftsatzfrist in Betracht, wenn nicht anders rechtliches Gehör gewährt werden kann (OLG Koblenz NJW-RR 87, 510). Vorliegend ist dem Vertreter der Verfügungsklägerin im Termin am 30.04.2014 aber ausreichend Gelegenheit gegeben worden, sich zu der Frage der Kenntniserlangung durch Rechtsanwalt Y äußern und mit diesem telefonisch Rücksprache zu halten. Hiervon hat der Vertreter der Verfügungsklägerin keinen Gebrauch gemacht und auch keine Vertagung beantragt.
27III.
28Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6 i.V.m. § 711 ZPO.
29Streitwert: 100.000,00 Euro
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- 6 W 61/13 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 156 Wiedereröffnung der Verhandlung 1x
- BGB § 166 Willensmängel; Wissenszurechnung 1x
- V ZR 262/90 1x (nicht zugeordnet)