Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 27 O 1/16 [E]
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebühren- und auslagenfrei. Der Kläger hat seine eigenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger macht vorliegend eigene sowie Leistungsansprüche seiner verstorbenen Großeltern mütterlicherseits nach BEG geltend.
3Der im Jahr 1966 in Taschkent geborene Kläger war ab 1983 in Russland im Staatsdienst beschäftigt und ist mit seiner Ehefrau Marina T1 im Jahr 2001 als Spätaussiedler in die BRD übergesiedelt. Er ist der Enkel des nach den Angaben des Klägers 1901 geborenen und am 31.08.1941 zum Kriegsdienst gegen den Faschismus eingezogenen und im Jahr 1948 in einem Hospiz in Taschkent an Tuberkulose verstorbenen M. Dessen Ehefrau Agrafena M, die Großmutter des Klägers mütterlicherseits, war nach den Angaben des Klägers wegen ihres polnischen Vaters um 1920 wegen ihrer Abstammung in die wolgadeutsche Republik umgesiedelt und von dort 1932 nach Taschkent deportiert worden sowie nach ihrer Rückkehr in die wolgadeutsche Republik im Jahr 1947 erneut nach Taschkent deportiert worden, wo sie im Januar 1982 an einem Krebsleiden verstorben ist. Derzeit leben jedenfalls noch zwei Kinder dieser Großeltern, die seit 1968 von ihrem Ehemann Viktor K geschiedene Mutter des Klägers Raissa H und deren Schwester.
4Der Kläger hatte im Jahr 2009 u.a. die Bewilligung von Hinterbliebenenversorgung nach BVG beim Sozialgericht sowie im Jahr 2015 Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach OEG i.V.m. BVG beim Verwaltungsgericht jeweils nach seinem Großvater mütterlicherseits beantragt. Mit Schreiben vom 19.11.2009 und vom 15.11.2013 hatte die Bezirksregierung Düsseldorf dem Kläger auf seine Anfrage bereits mitgeteilt, dass Entschädigungsansprüche der Großmutter seiner Ehefrau Elena T1 nach BEG nicht mehr geltend gemacht werden könnten.
5Mit am 29.11.2013 beim Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht und machte Ansprüche auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 S. 1 HHG sowie auf Zahlung einer Ausgleichsrente nach § 32 BVG geltend. Da der Kläger in seinem Schriftsatz an das Sozialgericht Köln vom 06.08.2014 ( Bl. 29 d.A. ) auch Ansprüche nach §§ 4, 43-46, 150 BEG aufgeführt hat, hat das Sozialgericht Düsseldorf nach Verweisung die Klage insoweit abgetrennt und mit Beschluss vom 10.02.2016 den Rechtsstreit an das Landgericht Düsseldorf verwiesen.
6Der Kläger hat parallel dazu mit Schriftsatz vom 01.02.2016 einen Antrag Zuerkennung von Entschädigungsleistungen nach seinen Eltern und Großeltern mütterlicherseits sowie auf Anerkennung seiner Großeltern mütterlicherseits ( Ivan und Agrafenna M geboren 1901 bzw. 1906 ) als Verfolgte gemäß § 1 BEG bei der Bezirksregierung Düsseldorf gestellt. Diesem Antrag war die Kopie eines gleichlautenden Antragschreibens des Klägers vom 19.11.2013 beigefügt.
7Bei der Bundeszentralkartei liegen keine Hinweise auf vor diesem Zeitpunkt anhängige Entschädigungsverfahren bzgl. der vorliegend genannten Personen vor. Die Bezirksregierung hat den Antrag vom 01.02.2016 mit Bescheid vom 18.03.2016 zurückgewiesen mit der Begründung, der Antrag auf Entschädigungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz sei nach Ablauf der in Art. VIII Abs. 1 Satz 1 BEG-Schlussgesetz bestimmten, mit Ablauf des 31.12.1969 endenden Ausschlussfrist eingereicht worden.
8Gegen den Bescheid hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13.04.2016 ( Bl. 85 d.A.) Klage erhoben und ausgeführt, als Hinterbliebener Entschädigungsleistungen der verstorbenen Großeltern mütterlicherseits geltend zu machen.
9Der Kläger beantragt,
10ihm Entschädigungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz als Enkel der Eheleute M und Agrafenna M zu gewähren und diese als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung nach § 1 BEG anzuerkennen.
11Das beklagte Land beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger Entschädigungsansprüche nach BEG bzgl. anderer Personen außer ihm selbst hinsichtlich seiner Großeltern mütterlicherseits anführt, da insoweit mangels Antrag an die Bezirksregierung Düsseldorf gemäß § 210 BEG als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage kein Ablehnungsbescheid der gemäß § 185 BEG zuständigen Entschädigungsbehörde ergangen ist. Soweit der gegen den Kreis Euskirchen geführte Rechtsstreit S 6 VH 43/15 im Hinblick auf Ansprüche nach BEG abgetrennt und verwiesen worden ist, hat der Kläger auch klar gestellt, die von ihm in diesem Verfahren geltend gemachten Entschädigungsansprüche nach BEG nachträglich bei der Bezirksregierung geltend gemacht zu haben und die Klage wegen des insoweit ablehnenden Bescheids vom 18.03.2016 nunmehr gegen das Land NRW richten zu wollen.
16Die Klage ist unbegründet, soweit sich der Kläger gegen den Bescheid der Bezirksregierung vom 18.03.2016 richtet.
17Der im Jahr 1966 geborene Kläger macht eigene Ansprüche auf Entschädigungsleistungen nach BEG bzw. die Zuerkennung von Entschädigungsleistungen nach BEG bezüglich seiner verstorbenen Großeltern mütterlicherseits geltend.
18Es ist bereits nicht ersichtlich, dass insoweit die subjektiven Voraussetzungen für die Entschädigungsberechtigung gemäß §§ 4, 4a, 150 Abs. 2, 154 Abs. 2, 160 Abs. 1 BEG erfüllt wären. Der 1966 geborene Kläger hat nicht dargelegt, Hinterbliebener eines Opfers der nationalsozialistischen Verfolgung oder von der nationalsozialistischen Verfolgung mit betroffener naher Angehöriger eines Opfers der nationalsozialistischen Verfolgung zu sein. Auch die für Flüchtlinge geltenden Regelungen der §§ 160 ff BEG setzen voraus, dass der Betroffene Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung oder Hinterbliebener eines Opfers der nationalsozialistischen Verfolgung ist.
19Die Gewährung von Entschädigungsansprüchen und die erstmalige Anerkennung der Großeltern des Klägers gemäß § 1 BEG scheitert jedenfalls daran, dass gemäß Art. VIII Abs. 1 S. 1 BEGSchlG neue Ansprüche, die auf die Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes gestützt werden, nur bis zum 31.12.1969 geltend gemacht werden konnten. Nach dem 31. Dezember 1969 können nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. VIII Abs. 1 Satz 1 BEGSchlG Ansprüche nach dem BEG und dem BEG-Schlussgesetz nicht mehr angemeldet werden. Art. VIII Abs. 1 Satz 1 BEGSchlG enthält eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist für die erstmalige Anmeldung von Entschädigungsansprüche, ohne dass eine Regelung getroffen wäre, nach der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könnte, vgl. BGH RzW 1973, S. 196 f; LG Hamburg, Urteil vom 15. Februar 2013 – 352 O 2/12 –, Rn. 20, juris. Umstände, die eine Wiedereinsetzung begründen würden, sind zudem nicht vorgetragen. Diese Ausschlussfrist für die Anmeldung der Ansprüche nach BEG gilt auch dann, auch wenn deren Voraussetzungen erst nach dem Stichtag eingetreten sind, vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1974 – IX ZR 153/71 –, Rn. 12, juris; BGH RzW 1973, 196. Auch die nach Art. VIII Abs. 1 S. 2 BEGSchlG geltende Ausnahme für den Versorgungsanspruch Hinterbliebener gemäß § 29 Nr. 6 BEG setzt voraus, dass der Verstorbene bereits als Verfolgter i.S.d. § 1 Abs. 1 BEG festgestellt war.
20Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt Art. VIII Abs. 1 Satz 1 BEG-Schlussgesetz nicht gegen das Grundgesetz, vgl. BGH RzW 1973, S. 196 f.; BVerfG RzW 1979 S. 104.
21Der Zugang der im Tatbestand zitierten Schreiben des Klägers im Zusammenhang mit den vorliegend geltend gemachten Entschädigungsansprüchen nach BEG liegt lange Zeit nach diesem Zeitpunkt. Eine vor dem Stichtag liegende Anmeldung von Entschädigungsansprüchen nach BEG bei einer deutschen Behörde hat der Kläger nicht dargelegt. Unstreitig liegen in der Bundeszentralkartei keine Hinweise auf frühere Entschädigungsverfahren vor. Soweit der Kläger mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 16.06.2016 vorträgt, während des Aufenthalts seines Großvaters im Militärhospital von Oktober 1945 bis Ende 1946 seien Wiedergutmachungsansprüche angemeldet worden, entbehrt der Vortrag jeglicher Substanz. Zudem wäre über einen solchen Antrag bisher keine behördliche Entscheidung ergangen. Die Voraussetzungen einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung liegen nicht vor.
22Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 209, 225 BEG, 91, 708 Nr. 11 ZPO.
23Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
24Rechtsbehelfsbelehrung:
25Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
261. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
272. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
28Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, D-Allee, 40474 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
29Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Düsseldorf zu begründen.
30Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
31Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen
- BEG § 154 1x
- 6 VH 43/15 1x (nicht zugeordnet)
- BVG § 32 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 225 Verfahren bei Friständerung 1x
- BEG § 29 1x
- IX ZR 153/71 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BEG § 4 1x
- § 10 Abs. 4 S. 1 HHG 1x (nicht zugeordnet)
- BEG § 1 4x
- BEG § 150 1x
- BEG § 160 1x
- 352 O 2/12 1x (nicht zugeordnet)
- BEG § 4a 1x
- BEG § 210 1x
- §§ 209, 225 BEG, 91, 708 Nr. 11 ZPO 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 160 ff BEG 1x (nicht zugeordnet)
- BEG § 185 1x