Urteil vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) (2. Zivilkammer) - 2 S 87/13

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen a. Rh. vom 25.02.2013 (2h C 470/12) wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 672,93 €.

Gründe

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Zur Darstellung des Sachverhalts kann gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden.

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Hiervon ausgehend führt die zulässige Berufung in der Sache nicht zum Erfolg. Die Beklagten sind zur Erstattung der restlichen Nettoreparaturkosten nebst den noch offenen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verpflichtet.

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Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte vom Schädiger gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag beanspruchen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten würde (BGHZ 61,346; BGH, Urt. v. 23.02.2010, VI ZR 91/09). Der Geschädigte leistet im Reparaturfall dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich innerhalb der für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensberechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Insoweit muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in der Referenzwerkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Gegebenenfalls muss er vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegen, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden.

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Unzumutbar ist eine Reparatur in einer freien Fachwerkstatt für den Geschädigten im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als 3 Jahre war. Aber auch bei älteren Kraftfahrzeugen kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen. Unzumutbar ist eine Reparatur in einer freien Fachwerkstatt darüber hinaus auch dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die marktüblichen Preise dieser Werkstatt, sondern vertragliche Sonderkonditionen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zugrunde liegen (BGH, Urt. v. 13.07.2010, VI ZR 259/09).

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Vorliegend hat die Beklagtenseite darauf hingewiesen, dass der in Ludwigshafen wohnhafte, seinen Fahrzeugschaden fiktiv abrechnende Kläger die Reparaturleistung kostengünstiger in 2 in Grünstadt bzw. Frankenthal ansässigen Werkstätten durchführen lassen könnte. Demgegenüber hat der Kläger darauf hingewiesen, dass ihm dies nicht zumutbar sei.

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Der bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit im Rahmen des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB gemäß § 287 ZPO besonders frei gestellte Erstrichter hat vorliegend einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht mit zutreffender Begründung verneint.

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Zwar sind Gesichtspunkte, die gegen die fachliche Gleichwertigkeit der Reparaturleistung der Referenzwerkstätten sprechen, vorliegend nicht erkennbar. Das Fahrzeug war zum Unfallzeitpunkt älter als 3 Jahre; dass es stets in einer markengebundenen Werkstatt gewartet und repariert worden sei, ist klägerseits nicht vorgetragen.

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Auch hält die Kammer ihre bisherige Rechtsprechung zum Zeitpunkt des Nachweises einer günstigeren Reparaturmöglichkeit im Falle einer fiktiven Schadensabrechnung vor dem Hintergrund der jüngsten BGH-Entscheidung vom 14.05.2013 (VI ZR 320/12) nicht mehr aufrecht, so dass der Geschädigte im Falle einer fiktiven Schadensabrechnung nunmehr auch noch im Rechtsstreit auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder freien Fachwerkstatt verwiesen werden kann, soweit dem nicht prozessuale Gründe, wie die Verspätungsvorschriften, entgegen stehen.

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Vorliegend hat der Erstrichter jedoch zu Recht die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme der günstigeren Reparaturmöglichkeiten im Hinblick auf die Distanz zwischen den beiden Referenzwerkstätten in Grünstadt und Frankenthal und dem Wohnsitz des Klägers in Ludwigshafen bejaht.

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In diesem Zusammenhang ist zunächst die Frage zu prüfen, ob von einem Geschädigten erwartet werden kann, dass er eine Entfernung von 29,5 km bzw. 16 km zu den Referenzwerkstätten zurücklegt. Dabei kann nicht ohne weiteres auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.07.2010 (VI ZR 259/09) abgestellt werden, in der der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, dass eine Reparatur in der Referenzwerkstatt nicht deshalb unzumutbar sei, weil diese nicht mühelos und ohne weiteres zugänglich sei. Dieser, der BGH-Entscheidung zugrundeliegende Fall bezog sich auf die Zugänglichkeit von Vergleichswerkstätten im Einzugsbereich von Frankfurt a. M.

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Dieser Sachverhalt ist auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar. Eine Werkstatt in einer Entfernung von 29,5 km ist nicht mehr ohne Weiteres zugänglich. Es verbietet sich dabei, lediglich auf die reine Kilometerzahl abzustellen; entscheidend sind insbesondere auch die infrastrukturellen Gegebenheiten. Im Stadtgebiet von Frankfurt können auch größere Entfernungen unter Zuhilfenahme öffentlicher Verkehrsmittel des gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetzes ohne nennenswerte Probleme überwunden werden, was im vorliegenden Fall gerade nicht zutrifft. Dies gilt auch für die Entfernung zwischen Ludwigshafen und Frankenthal. Auch diese Verkehrsanbindung ist keinesfalls mit derjenigen im Raum Frankfurt vergleichbar. Gegenteiliges hat die Beklagtenseite nicht vorgetragen und dies ist auch nach Kenntnis der Kammer nicht der Fall.

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Außerdem hat die Klägerseite zu Recht darauf hingewiesen, dass auch im Falle von Gewährleistungsansprüchen aufgrund der Entfernung Erschwernisse entstehen können, die dem Geschädigten nicht zuzumuten sind.

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Demgemäß kommt es entscheidend darauf an, ob vorliegend ein kostenloser Hol- und Bringservice besteht. Dies ist bezüglich der beiden Referenzwerkstätten nicht substantiiert vorgetragen, worauf der Erstrichter zu Recht hingewiesen hat.

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Bezüglich beider Werkstätten ist in den Prüfberichten der Beklagten ausgeführt, dass ein Hol- und Bringservice „ggf.“ und „in der Regel kostenlos“ angeboten werde. Dies bedeutet, dass der Geschädigte bei den Referenzwerkstätten Rückfragen halten müsste und ggf. mit dieser über die Kostenfreiheit dieser Leistung verhandeln müsste. Die ist dem Geschädigten nicht zumutbar und würde das Schadensrisiko entgegen dem Grundgedanken des § 249 BGB einseitig auf den Geschädigten verlagern.

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Der Erstrichter war auch nicht gehalten, über die Frage des Bestehens eines kostenlosen Hol- und Bringservices Beweis zu erheben.

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Zwar hat die Beklagtenseite in der Klageerwiderung bezüglich der Fa. M GmbH in Grünstadt unter Beweisantritt vorgetragen, dass diese Werkstatt einen kostenlosen Hol- und Bringservice gewähre. Mit weiterem Schriftsatz vom 09.01.2013 hat sie diesen Vortrag sodann auch auf die Fa. K in Frankenthal ausgedehnt. Diesen pauschalen Vortrag hat die Beklagtenseite jedoch durch ihre vorgelegten einschränkenden Prüfgutachten selbst entkräftet, die lediglich davon sprechen, dass der Hol- und Bringservice „ggf.“ und „in der Regel kostenlos“ bestehe. Insoweit hat der Erstrichter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass dieser pauschale Vortrag im Hinblick auf die einschränkenden Prüfgutachten nicht schlüssig sei und Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag gegeben.

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Spätestens danach wäre es Sache der Beklagtenseite gewesen, dazu näher vorzutragen, wie die Einschränkungen im Prüfbericht zu verstehen sind und wie sich die Praxis in den beiden Referenzbetrieben insoweit gestaltet. Dass die Ausführungen des Erstrichters hinsichtlich des Autohauses K in Frankenthal, welches nach Kenntnis des Erstrichters einen solchen Service nur kulanzweise anbiete, unzutreffend seien, legt die Berufung nicht dar. Der Beklagtenseite wäre es ohne weiteres möglich gewesen, zur näheren Vorgehensweise der Referenzbetriebe Vortrag zu halten. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn der Erstrichter nach erfolgtem Hinweis von der Unschlüssigkeit des Vorbringens ausging, nachdem die Beklagten von der Möglichkeit erläuternden Vorbringens keinen Gebrauch gemacht haben. Zwar ist die darlegungspflichtige Partei grundsätzlich nicht verpflichtet, den streitigen Lebensvorgang in allen Einzelheiten darzulegen. Vielmehr genügt die Wiedergabe der Umstände, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben. Hat aber, wie hier, nicht nur der Gegner die vorgetragene Tatsache bestritten, sondern auch noch das Gericht auf den widersprüchlichen Sachvortrag hingewiesen und Gelegenheit zur Aufklärung gegeben, so muss der Darlegungspflichtige näher konkretisieren, um seiner Verpflichtung zu schlüssigem Sachvortrag zu genügen. Dies ist hier nicht geschehen.

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Damit ist die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer ohne weiteres zugänglichen, kostengünstigeren Reparaturmöglichkeit nicht dargetan.

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Der Berufung war damit mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO der Erfolg zu versagen.

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