Beschluss vom Landgericht Freiburg - 3 Qs 44/12

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts ... vom 29. März 2012 aufgehoben.

Der Antrag des C. auf Zulassung als Nebenkläger in vorliegendem Verfahren wird abgelehnt.

2. Die Gerichtskosten und notwendigen Auslagen der Angeklagten im Beschwerdeverfahren fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

 
Mit Strafbefehlen vom jeweils 16.12.2012 hat das Amtsgericht ... gegen die Angeklagte A. wegen des Vorwurfs der Verleumdung eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30.- EUR und gegen den Angeklagten B. eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30.- EUR wegen des Vorwurfs der versuchten Nötigung und der Verleumdung in zwei Fällen – jeweils begangen zum Nachteil des Anzeigeerstatters C. – festgesetzt. Hiergegen haben die Angeklagten über ihre Verteidiger fristgerecht Einspruch eingelegt. Der Hauptverhandlungstermin ist noch nicht bestimmt.
Auf die über seinen Verfahrensbevollmächtigten abgegebene Anschlusserklärung hin hat das Amtsgericht ... den Anzeigeerstatter mit Beschluss vom 29.03.2012 als Nebenkläger zugelassen. Hiergegen haben die beiden Verteidiger Beschwerde eingelegt. Die Staatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel mit Verfügung vom 23.04.2012 entgegengetreten. Der Verfahrensbevollmächtigte des Anzeigeerstatters hat im Beschwerdeverfahren keine Erklärung abgegeben.
Die Beschwerden sind gemäß § 304 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. § 305 Satz 1 StPO steht dem nicht entgegen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 396, Rdnr. 19). Die Angeklagten sind durch die Zulassungsentscheidung auch beschwert. Denn der Nebenkläger tritt aus ihrer Sicht als weiterer, nach § 397 Abs. 1 StPO mit weit reichenden Befugnissen ausgestatteter „Gegner“ neben die Staatsanwaltschaft. Im Falle einer Verurteilung träfe die Angeklagten zudem eine zusätzliche Kostenlast (vgl. KG StraFo 2010, 294 f.).
Die Rechtsmittel sind auch begründet.
Die dem Angeklagten B. vorgeworfene versuchte Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 bis 3 StGB stellt von vornherein kein nebenklagefähiges Delikt dar und wird insbesondere nicht von § 395 Abs. 1 Nr. 4 StPO erfasst. Gemäß § 395 Abs. 3 StPO wäre die Zulassung als möglicher Verletzter eines Beleidigungsdeliktes gemäß den §§ 185 ff. StGB nur dann möglich, wenn dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten erscheint. Dies bedeutet im Gegensatz zur alten Fassung vor dem Inkrafttreten des 2. OpferRRG zum 01.10.2009 für nach den §§ 185 ff. StGB mutmaßlich Verletzte, dass auch bei ihnen zusätzliche besondere Gründe für ihre Zulassung vorliegen müssen. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum 2. OpferRRG war es umstritten, ob die Beleidigungsdelikte überhaupt weiterhin zur Nebenklage berechtigen sollen. Die gefundene Regelung ist als Kompromissregelung der Befürworter und Gegner einer Beibehaltung anzusehen (vgl. zum Ganzen Weiner in Beck'scher Online-Kommentar StPO, Stand 01.06.2012, § 395 Rdnr. 17). Der als Korrektiv zur ansonsten uferlosen Weite des § 395 Abs. 3 StPO geschaffene materielle Anschlussgrund erfordert mithin, dass besondere Gründe den Anschluss zur Wahrnehmung der Interessen des Verletzten gebieten (vgl. BGH Beschluss vom 09.05.2012 – 5 StR 523/11 -, zitiert nach juris Rdnr. 6).
Hintergrund der vorliegenden Verleumdungsvorwürfe ist eine zivilrechtliche Auseinandersetzung, in der es um ein lebenslanges Nutzungs- und Zufahrtsrecht des Anzeigeerstatters mit aus seiner Sicht bestehenden Beschränkungen und Störungen der Zufahrt zu seinem Gewerbebetrieb durch die Angeklagten geht, während die Angeklagte A. als Eigentümerin des Geländes und der Angeklagte B. als ihr Lebensgefährte sich wiederum durch den Lieferverkehr des Anzeigeerstatters beeinträchtigt fühlen und zudem das vom Anzeigeerstatter einbehaltene Nutzungsentgelt einfordern. Beiden Seiten geht es somit primär um die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Dies allein begründet jedoch nicht die für eine Nebenklagezulassung im Sinne des § 395 Abs. 3 StPO erforderliche Schutzbedürftigkeit; vielmehr bietet hier der Zivilprozess hinreichende Möglichkeiten zur Durchsetzung dieser Ansprüche (vgl. BGH a.a.O., juris Rdnr. 9). Dass der Anzeigeerstatter – wie er in seiner schriftlichen Erklärung vom 14.05.2011 vorgetragen hat – durch die Behinderung seiner Zufahrtsrechte durch die Angeklagten in der Fortführung seines Gewerbes derart beschränkt worden sei, dass er das Gewerbe zur Vermeidung der Insolvenz zum Ende des dritten Quartals 2011 habe abmelden müssen, wäre ebenfalls nicht Folge der in Rede stehenden Delikte gemäß § 187 StGB, sondern Konsequenz der etwaigen Besitzstörung. Dass sich dagegen die streitigen, hier möglicherweise gegenüber dem anliefernden Lkw-Fahrer D. erfolgten Bezeichnungen des Anzeigeerstatters durch die Beschuldigten als „Zechpreller, Betrüger und Mietnomade“ bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise in schwerwiegender Form auf den Gewerbebetrieb des Anzeigeerstatters ausgewirkt hätten, ist in keiner Form ersichtlich. Besondere Gründe, die es vorliegend geböten, den Anzeigeerstatter als Nebenkläger zuzulassen, liegen daher nach Auffassung der Kammer im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht vor.
Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde hat die Staatskasse die Gerichtskosten und notwendigen Auslagen der Angeklagten im Rechtsmittelverfahren zu tragen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 473 Rdnr. 2).

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