Urteil vom Landgericht Freiburg - 12 O 126/15 KfH

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, für ihre Produktlinie "Sonnenschutz" mit der Aussage zu werben "Nr. 1 in europäischen Apotheken", wenn dies geschieht wie in den nachfolgend dargestellten Werbeanzeigen Anlagen A oder B.

2. Der Beklagten wird für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung gemäß Ziffer 1 ein Ordnungsgeld bis zu Euro 250.000 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, Ordnungshaft jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 246,10 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem seit dem 29. Juli 2015 zu zahlen.

4. Die Beklagte  hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 25 000 vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

 
Der Kläger macht gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend, weil diese ihre Sonnencreme irreführend mit der Behauptung bewerbe: Nr. 1 in europäischen Apotheken. Die Auflösung durch den Sternchenhinweis sei nicht ausreichend.
Der Kläger stellt folgenden Antrag: (Bezüglich der Bezeichnung der Anlagen leicht variiert, im Kern:) Wie erkannt .
Die Beklagte beantragt: Klageabweisung.
Die Beklagte macht geltend, der Verkehr erwarte angesichts der in Rede stehenden Werbung nicht, dass die Beklagte in jedem einzelnen der genannten Länder im Jahre 2014 die Nr. 1 bei Absatz und Umsatz gewesen sei. Dies suggeriere der Passus in europäischen Apotheken gerade nicht. Werde ein länderübergreifendes Territorium in Bezug genommen und zudem durch die Aufzählung der einschlägigen Länder konkretisiert, so lege der Durchschnittsverbraucher gerade keine zergliedern Betrachtungsweise an den Tag. Er erwarte nicht achtmal die Nr. 1, sondern einmal für das gesamte Gebiet.
Der Kläger meine, der Ausdruck in europäischen Apotheken stehe für den Verkehr für Europa insgesamt und nicht nur die Auswahl bestimmter Länder. Auch hier verkenne der Kläger, zu welchen Schlussfolgerung der Durchschnittsverbraucher nach dem nunmehr bereits seit vielen Jahren gültigen Verbraucherleitbild fähig sei. Er könne insbesondere Erläuterungen in Sternchentexten lesen und verstehen. Die von der Beklagten getroffene Auswahl an Ländern sei auch keineswegs willkürlich. Es handelt sich um die letztlich relevanten Märkte. Ungeachtet dessen sei es den Verkehrskreisen bewusst, dass statistische Erhebungen und Marktforschung nicht zwingend immer in sämtlichen Ländern Europas oder der Europäischen Union gleichermaßen durchgeführt würden. Die Organisation, die die Daten erhoben habe, sei nur in den im Sternchenhinweis enthaltenen Ländern tätig, in anderen, kleineren europäischen Absatzmärkten sei sie nicht präsent und könne folglich keine entsprechenden Daten liefern. Die im Sternchenhinweis genannten Länder seien sowohl für die Beklagte als auch für alle anderen Mitbewerber die Hauptabsatzmärkte, so dass diese Märkte auch objektiv von besonderer Bedeutung seien. Der Sternchenhinweis nehme am Blickfang Teil, ohne ihn könne ein zutreffendes Verständnis der Werbung nicht gewonnen werden.
Überdies sei der Begriff Europa keineswegs eindeutig, sondern auslegungsbedürftig. Denn anders als Deutschland sei Europa als Wirtschaftsraum kein klardefiniertes Gebilde. Vielmehr könne sich der Begriff auf die europäische Union, den europäischen Wirtschaftsraum oder aber auf den Erdteil Europa, welcher wiederum unterschiedlich definiert werde, beziehen. Ohne nähere Erläuterung sei die Formulierung im Blickfang mithin zunächst unklar. Der Verbraucher nehme die in Rede stehende Werbeaussage jedoch in ihrem Gesamtzusammenhang wahr und erkenne auch hier, dass der Sternchenhinweis ein Teil der Werbeaussage sei, welchen er benötige, um die Werbeaussage richtig verstehen zu können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die    Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
Die Klage ist nach § 5 Abs. 1 UWG (nF wie aF) begründet, da der Beklagten in beiden Erscheinungsformen der angegriffenen Werbung ein irreführendes Verhalten anzulasten ist.
Unrichtige Angaben sind im Regelfall wettbewerbswidrig. Davon ist auszugehen, wenn Angabe und Wirklichkeit in einem für die Aussage zentralen Punkt objektiv voneinander abweichen und dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Fehlvorstellung hervorgerufen wird (Link in: Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 5 UWG (1. Fassung) Rdnr. 153).
10 
Der Beklagten ist einzuräumen, dass weiterführende Informationen in einem so genannten Sternchenhinweis die Irreführung ausschließen können. Ob ein Hinweis auf weiterführende Informationen ausreichend ist, muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Unerwartete Beschränkungen oder sonstige überraschende Bedingungen müssen in der Werbung stets unmittelbar offenbart werden. Blickfangmäßig herausgestellte Werbeangaben dürfen für sich genommen nicht unrichtig oder missverständlich sein, selbst wenn sie mit einem Sternchenhinweis versehen sind (.BGH, Urteil vom 11. März 2009 – I ZR 194/06 –, juris - Geld – zurück – Garantie II). Das Irreführungsverbot muss in der Lage sein, auch die durch nichts zu rechtfertigende, so genannte dreiste Lüge zu erfassen (vergleiche BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 – I ZR 222/97 –, juris - Falsche Herstellerpreisempfehlung; Köhler/Bornkamm UWG 33. Auflage § 5 Rn. 2.97).
11 
Vorliegend muss nicht entschieden werden, ob die angegriffene Werbeaussage von dem informierten und angemessen kritischen und aufmerksamen Verbraucher in dem Sinne verstanden wird, dass der beworbene Sonnenschutz in jedem einzelnen europäischen Land Nr. 1 ist oder nur in der Gesamtheit Europas. Auch kommt es vorliegend nicht auf die Definition eines Begriffs Europas an. Die Bewerbung der Sonnencreme mit Nr. 1 in europäischen Apotheken muss als dreiste Lüge im beschriebenen Sinne verstanden werden, nachdem die Beklagte sich lediglich auf Umsatzuntersuchungen in einigen wenigen Ländern Europas stützt. Unter anderem fehlen dabei große Länder wie Großbritannien und Polen, die beide unstreitig zu Europa, in welchem Sinne auch immer verstanden, gehören. Diese können keinesfalls, so wie es die Beklagte will, als kleinere, unbedeutende Länder aufgefasst werden. Die Behauptung der Beklagten, die von ihr genannten Länder seien die acht Hauptabsatzmärkte der Branche und damit fraglos auch repräsentativ für die angrenzenden Länder, ist, wie der Kläger mit Recht beanstandet, Spekulation. Sache der Beklagten wäre es, dies zu belegen, was sie ersichtlich nicht einmal versucht. Die Beklagte  nimmt somit eine Spitzenstellung in europäischen Apotheken in Anspruch, die sie, was zu ihren Lasten geht, nicht belegen kann und, wie soeben dargelegt, nicht einmal belegen will. Im entscheidenden Kern ist die hervorgehobene Werbeaussage somit irreführend. Daran vermag der nachfolgende erläuternde Zusatz, auf den in dem Sternchenhinweis hingewiesen wird, nichts zu ändern.
12 
Die angegriffene Werbung ist deshalb irreführend und somit wettbewerbswidrig und als solche verboten.
13 
Die Entscheidung beruht im Übrigen auf den §§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG, 286,288 BGB, 91,709,890 ZPO.

Gründe

 
Die Klage ist nach § 5 Abs. 1 UWG (nF wie aF) begründet, da der Beklagten in beiden Erscheinungsformen der angegriffenen Werbung ein irreführendes Verhalten anzulasten ist.
Unrichtige Angaben sind im Regelfall wettbewerbswidrig. Davon ist auszugehen, wenn Angabe und Wirklichkeit in einem für die Aussage zentralen Punkt objektiv voneinander abweichen und dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Fehlvorstellung hervorgerufen wird (Link in: Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 5 UWG (1. Fassung) Rdnr. 153).
10 
Der Beklagten ist einzuräumen, dass weiterführende Informationen in einem so genannten Sternchenhinweis die Irreführung ausschließen können. Ob ein Hinweis auf weiterführende Informationen ausreichend ist, muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Unerwartete Beschränkungen oder sonstige überraschende Bedingungen müssen in der Werbung stets unmittelbar offenbart werden. Blickfangmäßig herausgestellte Werbeangaben dürfen für sich genommen nicht unrichtig oder missverständlich sein, selbst wenn sie mit einem Sternchenhinweis versehen sind (.BGH, Urteil vom 11. März 2009 – I ZR 194/06 –, juris - Geld – zurück – Garantie II). Das Irreführungsverbot muss in der Lage sein, auch die durch nichts zu rechtfertigende, so genannte dreiste Lüge zu erfassen (vergleiche BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 – I ZR 222/97 –, juris - Falsche Herstellerpreisempfehlung; Köhler/Bornkamm UWG 33. Auflage § 5 Rn. 2.97).
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Vorliegend muss nicht entschieden werden, ob die angegriffene Werbeaussage von dem informierten und angemessen kritischen und aufmerksamen Verbraucher in dem Sinne verstanden wird, dass der beworbene Sonnenschutz in jedem einzelnen europäischen Land Nr. 1 ist oder nur in der Gesamtheit Europas. Auch kommt es vorliegend nicht auf die Definition eines Begriffs Europas an. Die Bewerbung der Sonnencreme mit Nr. 1 in europäischen Apotheken muss als dreiste Lüge im beschriebenen Sinne verstanden werden, nachdem die Beklagte sich lediglich auf Umsatzuntersuchungen in einigen wenigen Ländern Europas stützt. Unter anderem fehlen dabei große Länder wie Großbritannien und Polen, die beide unstreitig zu Europa, in welchem Sinne auch immer verstanden, gehören. Diese können keinesfalls, so wie es die Beklagte will, als kleinere, unbedeutende Länder aufgefasst werden. Die Behauptung der Beklagten, die von ihr genannten Länder seien die acht Hauptabsatzmärkte der Branche und damit fraglos auch repräsentativ für die angrenzenden Länder, ist, wie der Kläger mit Recht beanstandet, Spekulation. Sache der Beklagten wäre es, dies zu belegen, was sie ersichtlich nicht einmal versucht. Die Beklagte  nimmt somit eine Spitzenstellung in europäischen Apotheken in Anspruch, die sie, was zu ihren Lasten geht, nicht belegen kann und, wie soeben dargelegt, nicht einmal belegen will. Im entscheidenden Kern ist die hervorgehobene Werbeaussage somit irreführend. Daran vermag der nachfolgende erläuternde Zusatz, auf den in dem Sternchenhinweis hingewiesen wird, nichts zu ändern.
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Die angegriffene Werbung ist deshalb irreführend und somit wettbewerbswidrig und als solche verboten.
13 
Die Entscheidung beruht im Übrigen auf den §§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG, 286,288 BGB, 91,709,890 ZPO.

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