Urteil vom Landgericht Halle - 4 O 346/14

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Kläger nehmen die Beklagte in Anspruch, weil die Beklagte als Steuerberaterin der Kläger diese nicht auf die Möglichkeit der Einlegung eines Einspruches gegen Steuerbescheide hingewiesen hatte.

2

Die Kläger führen eine bereits im Jahr 2004 eingetragene Lebenspartnerschaft.

3

Für die Veranlagungszeiträume 2004 bis 2009 wurden die Kläger von der Beklagten als Steuerberaterin beraten und vertreten.

4

Die Kläger führen eine Lebenspartnerschaft, welche bereits 2004 eingetragen war. Dies wusste die Beklagte auch schon bei Beginn ihrer Tätigkeit für die Kläger für den Veranlagungszeitraum 2004.

5

Für die Veranlagungsjahre 2004 bis 2009 beantragte die Beklagte für die Kläger Einzelveranlagungen. Auf der Grundlage der beantragten Einzelveranlagungen ergingen auch Bescheide des zuständigen Finanzamtes.

6

Diese wurden jeweils zu Händen der Beklagten im Zeitraum vom 8. März 2006 bis 25. März 2011 zugestellt. Zu den einzelnen Zustelldaten nimmt die Kammer auf die Klageschrift Bezug (dort Seite 3: Blatt 5 d. A.).

7

Die Beklagte wies die Kläger nicht auf die Möglichkeit hin, gegen diese Bescheide Einspruch einzulegen und damit eine Bestandskraft der Steuerbescheide hinauszuschieben.

8

Am 7. Mai 2013 erließ das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung, in welcher es für verfassungswidrig befand, die Möglichkeit einer gemeinsamen Veranlagung nur Ehepartnern und nicht auch den Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zu eröffnen.

9

Für das Veranlagungsjahr 2006 waren die Einzelveranlagungen aus Sicht der Kläger günstiger als eine gemeinsame Veranlagung.

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Dies wäre für die Veranlagungsjahre 2004,2005,2007,2008 und 2009 anders gewesen.

11

Die Kläger begehrten außergerichtlich von der Beklagten Schadensersatz. Zu dem Schriftwechsel der Parteien hierzu wird auf die Klageschrift verwiesen (dort: Seite 41.: Blatt 6 f. d. A.).

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Die Kläger machen geltend,

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bei einer gemeinsamen Veranlagung hätten sie für das Jahr 2004 eine Erstattung von Einkommenssteuer einschließlich des Solidaritätszuschlages von 1.075,47 Euro erlangt, für das Jahr 2005 7.014,57 Euro, für das Jahr 2007 von 670,13 Euro, für das Jahr 2008 2.358,08 Euro und für das Jahr 2009 2.982,84 Euro,

14

außerdem wären die Erstattungsbeträge mit 4.329 Euro verzinst worden.

15

Die Kläger beantragen,

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die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger einen Betrag in Höhe von 20.601 ,36 Euro nebst jeweils fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 18.430,09 Euro seit 1. November 2013, aus einem Betrag in Höhe von 999,60 Euro seit 1. Mai 2014 und aus einem Betrag in Höhe von 1 .171,67 Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Die Beklagte stellt den Antrag,

18

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die Klage ist unbegründet.

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Die Kläger haben nach der rechtlichen Bewertung der Kammer gegen die Beklagte bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf Schadensersatz. Insbesondere scheitert ein Anspruch aus § 280 Absatz 1 BGB daran, dass die Beklagte nicht damit rechnen musste, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 7. Mai 2013 (2 BvR 909/06) das sogenannte Verfahren auf Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26 EStG in Verbindung mit § 26b EStG und § 32a Absatz 5 EStG bis zu einer Änderung durch den Gesetzgeber für eingetragene Partnerschaften öffnen und der Gesetzgeber sich auf diese Entscheidung dann auch dazu entscheiden sollte, dem durch Einfügen des § 2 Absatz 8 EStG zu folgen.

21

1. Im Ausgangspunkt war die Beklagte aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Steuerberatungsvertrag verpflichtet, die Kläger im Rahmen der ihr erteilten Aufträge umfassend zu beraten, gegebenenfalls auch ungefragt (legale) Wege aufzuweisen, dass die Kläger keine höheren Steuern als erforderlich zahlen würden.

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Objektiv wäre hierfür im Sinne der Kläger nützlich gewesen, wenn die Beklagte den Klägern die Möglichkeit offeriert hätte, gegen die Steuerbescheide Einspruch einzulegen. Nachdem jedenfalls im Nachhinein die oben zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bekannt ist, hätte es den Klägern Vorteile gebracht, wenn sie Einsprüche gegen die Steuerbescheide eingelegt, damit deren Bestandskraft verhindert und dann auf der Grundlage der späteren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der darauf folgenden Einführung des § 2 Absatz 8 EStG den Klägern günstigere Steuerbescheide auf der Grundlage einer Zusammenveranlagung herbeigeführt hätten.

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2. Streitentscheidend ist, ob die Beklagte schon spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kläger sich jeweils spätestens zu einem Einspruch gegen die Steuerbescheide hätten entscheiden müssen, objektiv Anlass hatte, mit der ernstlichen Möglichkeit zu rechnen, dass die bis dahin vom Gesetzgeber getroffene Regelung, die Zusammenveranlagung gerade nicht für eingetragene Lebenspartnerschaften zu öffnen, vom Bundesverfassungsgericht verworfen würde.

24

Nur dann traf sie eine objektive Pflicht, den Klägern die Möglichkeit zu erläutern, durch einen Einspruch eine Bestandskraft der Steuerbescheide aufzuschieben.

25

Die Kammer nimmt bereits nicht an, dass ein Steuerberater nach Maß der von diesem zu erwartenden Kenntnisse die spätere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in dessen Beschluss vom 7. Mai 2013 hätte vorhersehen müssen. Nach der Bewertung der Kammer fehlt es damit bereits an einer objektiven Pflichtverletzung. Die Frage eines subjektiven Verschuldens (dessen Fehlen sonst nach § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB die Beklagte hätte beweisen müssen) hat die Kammer damit bereits nicht mehr zu prüfen.

26

a) Im Grundsatz darf ein Steuerberater darauf vertrauen, dass ein Gesetz verfassungsgemäß ist (BGH, Urteil vom 6. November 2008, IX ZR 140/07, Rn. 8 und 12, zitiert nach Juris).

27

Dies korrespondiert damit, dass im Verhältnis der Verfassungsorgane des Bundes keineswegs nur das Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes berufen ist. Alle am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Verfassungsorgane sind (der Bundespräsident freilich mit Einschränkungen) zur Prüfung der Verfassungsgemäßheit verpflichtet und kompetent. Das Bundesverfassungsgericht ist hierfür auch nicht grundsätzlich besser qualifiziert als Bundestag und Bundesrat. Jedenfalls dann, wenn letztere auf Ministerialbürokratie, Wissenschaft und Justizpraxis zurückgreifen, verfügt der Gesetzgeber weder qualitativ und schon gar nicht quantitativ über schlechtere Ressourcen für die Überprüfung der Verfassungsgemäßheit eines Gesetzes.

28

Es besteht auch keine Grundvermutung dafür, dass der Gesetzgeber die ihm obliegende Prüfung nicht intellektuell redlich durchführt.

29

Deshalb muss ein Steuerberater mit seinen Auftraggebern die Möglichkeit eines Einspruches gegen einen Steuerbescheid wegen möglicher Verfassungswidrigkeit des anzuwendenden Steuergesetzes in aller Regel nicht erörtern.

30

b) Diese Regel kennt freilich Ausnahmen.

31

aa. Zu dieser gehört zunächst die Konstellation, dass ein Gericht der für das Steuerrecht zuständigen Finanzgerichtsbarkeit wegen Annahme der Verfassungswidrigkeit eine Vorlage nach Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht vorgenommen hat und diese Vorlage in der dem Steuerberater zugänglichen Literatur veröffentlicht wurde (BGH, Urteil vom 6. November 2008, IX ZR 140/07, Rn. 15, zitiert nach Juris).

32

Dies war hier nicht der Fall. Im Gegenteil hat der Bundesfinanzhof sogar ausdrücklich (und zu einem Zeitpunkt, in dem das nachfolgend zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 -1 BvF 1/01 -längst ergangen war) entschieden, dass der Ausschluss der eingetragenen Lebenspartnerschaft voll der Zusammenveranlagung verfassungsgemäß ist (BFH, Urteil vom 26. Januar 2006, 111 R 51/05, Rn. 27 ff., zitiert nach Juris).

33

Die dahinter stehende Wertung, dass der in Art. 6 Absatz 1 GG normierte besondere Schutz von Ehe und Familie eine weitgehende Besserstellung der Ehe gegenüber der eingetragenen Lebenspartnerschaft mindestens erlaubt, wurde im Übrigen auch von den obersten Bundesgerichten aller anderen Fachgerichtsbarkeiten geteilt (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2006, 2 C 43/04, Rn. 14 ff., BAG, Urteil vom 20. Oktober 2006, 6 AZR 307/06, Rn. 36 ff.; BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005, B 4 RA 14/05R, Rn. 14 f.; jeweils zitiert nach Juris).

34

bb. Eine weitere Ausnahme greift nicht schon, wenn in Literatur, Presse und Politik eine Verfassungswidrigkeit der fraglichen Norm erörtert wird.

35

Dies ist in zahlreichen Rechtsgebieten der Fall. Eine verfassungsrechtliche Prüfung weist deutliche Besonderheiten gegenüber der Subsumtion unter einfache Gesetze insbesondere dann auf, wenn es wie hier um die Anwendung von Grundrechten und deren Abwägung geht.

36

Methodisch kommt es hier sehr leicht dazu, bereits bei der Ermittlung des Aussagegehaltes der in Betracht kommenden Grundrechte, spätestens aber bei der Abwägung gegenläufiger Grundrechte, im Rahmen der Prüfung in die fraglichen Normen vorab das hinzulesen, was dann als Ergebnis der verfassungsrechtlichen Prüfung präsentiert wird. Angehenden Juristen wird dies schon ihrer universitären Ausbildung häufig schnell deutlich. Mit Blick darauf lässt sich im Bereich des Verfassungsrechts ein sehr viel weiteres Spektrum von Ergebnissen rechtlich begründen als in anderen Rechtsgebieten.

37

Von der Möglichkeit, für unterschiedlichste Ansichten die Begründung in Anspruch zu nehmen, diese sei verfassungsrechtlich geboten und ein nach der eigenen rechtspolitischen Überzeugung unerwünschtes Gesetz sei verfassungswidrig, wird auch in Literatur, Presse und Politik reichlich Gebrauch gemacht.

38

Wenn dies der Fall ist, gibt dies daher kaum jemals etwas her für die Prognose, das Bundesverfassungsgericht werde das betreffende Gesetz tatsächlich als verfassungswidrig einordnen.

39

cc. Für den Fall, dass die Frage einer eventuellen Verfassungswidrigkeit in den Medien mit genügend Intensität behandelt wird, mag man in Erwägung ziehen, dass ein Steuerberater selbst einen Blick einerseits in die ihm - aus seiner Berufstätigkeit vertrauten - Normen des Steuerrechts und andererseits in die von den Medien aufgeführten Regelungen des Grundgesetzes wirft.

40

Eine solche eigene Prüfung durfte selbst einem verfassungsrechtlich besonders engagierten Juristen den sicheren Eindruck vermitteln, dass Zweifel an der Vereinbarkeit mit der Verfassung nicht tragfähig waren, und damit erst recht einem Steuerberater ohne umfassende juristische Ausbildung.

41

Dabei bedenkt die Kammer, dass gerade im Bereich des Verfassungsrechts, hier insbesondere der Grundrechte und nochmals gesteigert bei der Bewertung der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Umganges mit homosexuellen Partnerschaften je nach persönlichem Erfahrungshintergrund und der jeweils eigenen Prägung vielfach sehr unterschiedliche Bewertungen als selbstverständlich erscheinen.

42

Selbst die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat inzwischen stark abweichende Positionierungen zu homosexuellen Partnerschaften gefunden. Diese Spannbreite reicht von der wiederholt von dem Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen Billigung einer strafrechtlichen Sanktionierung der homosexuellen Betätigung von Männern (BVerfG, Urteile vom 18. November 1954 und 10. Mai 1957, 1 BvR 550/52; Beschluss vom 2. Oktober 1973, 1 BvL 7/72) über die Billigung der Einrichtung der eingetragenen Lebenspartnerschaft als eines Institutes, welches gesicherte rechtliche Rahmenbedingungen für homosexuelle Partnerschaften schaffen soll (BVerfG, Urteil vom 17. Juli 2002, 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01), bis zu der von dem Bundesverfassungsgericht zuletzt ausgesprochenen Verpflichtung des Gesetzgebers zur Förderung dieses Institutes in unterschiedlichem Umfang (BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2009, 1 BvR 1164/07; Beschluss vom 7. Mai 2013, 2 BvR 909/06,2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07). Alle diese Entscheidungen ergingen in einer Diktion, welche nicht erkennen ließ, dass das Bundesverfassungsgericht irgendwelche Zweifel an der unbedingten Richtigkeit der dahinterstehenden Bewertungen hegte. Ebenfalls alle diese Entscheidungen ergingen in Auslegung derselben im Wesentlichen unveränderten Normen des Grundgesetzes, und alle diese Entscheidungen ergingen jeweils mit dem auf § 31 Absatz 1 BVerfGG gestützten Anspruch des Bundesverfassungsgerichts, dass nicht nur die Entscheidungsformel, sondern auch die tragenden Erwägungen der jeweiligen Entscheidungen die übrigen Verfassungsorgane auch für ihr zukünftiges Handeln binden.

43

Wenn das Bundesverfassungsgericht mit uneingeschränkter Selbstgewissheit extrem unterschiedliche Bewertungen für zweifelsfrei gehalten hat, darf erst recht ein im Verfassungsrecht nicht ausgebildeter Steuerberater sehr unterschiedliche Bewertungen für zweifelsfrei halten.

44

Dabei geht es nicht darum, dass es selbstverständlich auch im Kreise der Steuerberater wie in jedem anderen beruflichen Umfeld auch schon immer Personen gegeben haben wird und weiter geben wird, welche die Einschätzung teilen, dass mindestens die jahrhundertelange staatliche Verfolgung homosexueller Betätigungen zu einer düsteren Tradition grober Verstöße gegen das heute in Art. 3 GG kodifizierte Gebot der Gleichbehandlung gehören. Es mag auch im Kreise der Steuerberater schon jahrzehntelang Personen gegeben haben, welche auch die steuerrechtliche Förderung der Ehe im Vergleich zu homosexuellen Partnerschaften als aus ihrer Sicht grob ungerecht und gleichheitswidrig empfunden haben werden.

45

Dies darf den Blick aber nicht darauf versperren, dass wie auch sonst in der Bevölkerung andere (und möglicherweise nicht wenige) Steuerberater die Förderung der Ehe und gerade nicht der eingetragenen Lebenspartnerschaft ebenso ohne jede innere Zweifel als offensichtlich zulässig und vielleicht sogar geboten eingeordnet haben werden. Diese Wertung mögen sie insbesondere auf die Ansicht gestützt haben, die Ehe als Keimzelle von Staat und Gesellschaft, insbesondere als zentraler Grundlage von deren Zukunft, müsse und dürfe stärker gefördert werden als auch gefestigte homosexuelle Partnerschaften, insbesondere um einen geschützten Raum für die Entscheidung der Ehepartner zu gemeinsamen Kindern und zu deren behüteter Erziehung zu schaffen.

46

Da das jeweilige Vorverständnis massiv einwirkt auf die Auslegung der hier einschlägigen Regelungen in Art. 6 Absatz 1 GG und Art. 3 Absatz 1 GG, braucht nicht zu wundern,

47

dass gerade in diesem Bereich unterschiedliche Personen als Folge ihres jeweiligen Vorverständnisses sehr unterschiedliche Ergebnisse als zweifelsfrei richtig eingeordnet haben werden.

48

Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte für den Fall, dass sie selbst den Versuch einer Prüfung unternommen hätte, ob eine eventuelle Verfassungsbeschwerde gegen die Beschränkung der Zusammenveranlagung nur auf die Ehe Aussicht auf Erfolg hatte, ohne weiteres die aus ihrer Sicht zweifelsfreie Überzeugung von etwa folgender Bewertung erlangen können:

49

Wenn der Verfassungsgeber in Art. 6 Absatz 1 GG den "besonderen" Schutz unter anderem der Ehe normiere, erlaube dies ohne weiteres, die Ehe auch steuerlich besserzustellen als etwa die eingetragene Lebenspartnerschaft. Wenn die Verfassung selbst eine Grundlage für eine Besserstellung normiere, scheide schon deshalb ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz offensichtlich aus. Bei entsprechendem Vorverständnis konnte es im Übrigen ein Steuerberater ohnehin für offensichtlich halten, dass die Besserstellung der Ehe deshalb gerechtfertigt sei, weil sie typischerweise auf das Zeugen und Aufziehen von Kindern ausgerichtet sei.

50

Wie dargestellt, kommt es hierbei nicht darauf an, ob jeder Steuerberater auch mit jedem anderen Hintergrund zu dieser Bewertung kommen musste. Es geht auch nicht darum, dass diese Argumentation inzwischen vom Bundesverfassungsgericht verworfen wurde. Zentral ist, dass ein Steuerberater dies bereits objektiv nicht erkennen musste, sondern als Ergebnis eigener Prüfung ein gänzlich anderes Ergebnis als jenes des Bundesverfassungsgerichts als nach seinen Erkenntnismöglichkeiten (scheinbar) unzweifelhaft richtig einordnen durfte. Dass diese Ansicht in Kreisen der Steuerberater durchaus verbreitet war, zeigt etwa die Wiedergabe der Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 (1 BvR 611/07, Rn. 70, zitiert nach Juris).

51

Konnte ein Steuerberater nach den objektiven Anforderungen an seine Ausbildung und Qualifikation es als zweifelsfrei zulässig einordnen, dass die Zusammenveranlagung auf Ehepartner beschränkt ist, fehlt es unter diesem Gesichtspunkt bereits an einem objektiven Pflichtverstoß, wenn er nicht auf die Möglichkeit eines Einspruches hinwies.

52

dd. Es bleibt zu prüfen, ob ein Steuerberater eine als zweifelsfrei eingeordnete Überzeugung, wie sie unter Buchstabe cc. skizziert wird, zwingend durch die Existenz der Judikate des Bundesverfassungsgerichts in den Jahren 2002 bis 2009 zumindest soweit als erschüttert ansehen musste, dass er es für ernstlich vertretbar hielt, das Bundesverfassungsgericht werde die Beschränkung der Zusammenveranlagung auf Ehepartner als verfassungswidrig einordnen.

53

Hierzu knüpft die Kammer an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an, eine Ausnahme davon, dass ein Steuerberater auf die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit dem Grundgesetz vertrauen darf, greife dann, wenn das Bundesverfassungsgericht in einer Senatsentscheidung in ähnlichem Zusammenhang eine Verfassungsfrage behandelt und dabei eine aussagekräftige Vorentscheidung auch für die verfassungsrechtliche Beurteilung des anhängigen Besteuerungsfalls getroffen hat (BGH, Urteil vom 6. November 2008, IX ZR 140/07, Rn. 14, zitiert nach Juris).

54

Dabei teilt die Kammer folgende im Termin von dem Klägervertreter überzeugend dargelegte Bewertung: Sollte ein Steuerberater einem der in Frage stehenden Judikate entnommen haben, dass das Bundesverfassungsgericht eine Beschränkung der Zusammenveranlagung auf Ehepaare für verfassungswidrig hält, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerberater oder wer auch immer diese Bewertung für unzutreffend hält. Dies gilt selbst dann, wenn man die fraglichen Judikate des Bundesverfassungsgerichts so einordnen würde, dass sich das Verfassungsgericht nicht auf eine verfassungsrechtliche Prüfung beschränkte, sondern eine politische Agenda übernommen habe. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob das Bundesverfassungsgericht mit den fraglichen Judikaten letzteres betrieben hat, wie ihm gerade in Bezug auf seine in diesem Urteil erörterten Judikate inzwischen nicht selten vorgeworfen wird, insbesondere auch in der Begründung einer abweichenden Meinung innerhalb des Zweiten Senates des Bundesverfassungsgerichts zum Beschluss vom 7. Mai 2013 (BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013,2 BvR 909/06, Rn. 137, zitiert nach Juris). Gerade wenn ein Steuerberater bestimmte ihm bekannt gewordene Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts so einordnen sollte, musste er auf der Grundlage seiner Bewertung konsequenterweise damit rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht eine solche Agenda fortsetzen würde.

55

Allerdings musste ein Steuerberater ohne gewichtige Anhaltspunkte mit dergleichen grundsätzlich nicht rechnen. Vielmehr durfte er sich grundsätzlich darauf verlassen, dass ein Richter des Bundesverfassungsgerichts über genügend Pflichtbewusstsein und Professionalität verfügt, nicht der Versuchung zu erliegen, selbst eine politische Agenda zu verfolgen.

56

Fraglich ist aber, ob ein Steuerberater auf der Grundlage der von ihm objektiv zu erwartenden Erkenntnismöglichkeiten noch rechtzeitig vor Bestandskraft der hier streitgegenständlichen Steuerbescheide aus der bis dahin ergangenen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entnehmen musste, das Bundesverfassungsgericht werde die Beschränkung der Zusammenveranlagung auf Ehepartner als verfassungswidrig einordnen.

57

Dies nimmt die Kammer im Ergebnis nicht an. Dabei zieht die Kammer als verfassungsgerichtliche Entscheidungen, welche darauf zu überprüfen sind, ob sie der Beklagten Anlass geben mussten, ernstlich mit einer Verfassungswidrigkeit der Nichtöffnung der Zusammenveranlagung für eingetragene Lebenspartnerschaften zu rechnen, im Wesentlichen zwei Entscheidungen des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts in Betracht, nämlich das Urteil vom 17. Juli 2002 zur Verfassungsgemäßheit des Lebenspartnerschaftsgesetzes (1 BvF 1/01) und den Beschluss vom 7. Juli 2009 zur Hinterbliebenenversorgung gemäß § 38 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (1 BvR 1164/07).

58

A) Zu dem Urteil vom 17. Juli 2002 stellt sich die Frage, ob -bereits unterstellt, dass er diese Entscheidung überhaupt zur Kenntnis genommen hat -ein Steuerberater aus den Ausführungen zur Vereinbarkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes mit Art. 6 Absatz 1 GG (Rn. 77 ff., zitiert nach Juris) einen Ansatz dazu entnehmen musste, dass das Bundesverfassungsgericht die exklusive Anwendung der Zusammenveranlagung nur auf Ehepaare und nicht auf eingetragene Lebenspartnerschaften für verfassungswidrig halten dürfte.

59

Einen verfassungsrechtlich ernstlich tragfähigen Ansatz hierfür vermag die Kammer der Begründung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts selbst auf der Grundlage der Kenntnisse eines auch im Verfassungsrecht ausgebildeten Volljuristen nicht zu entnehmen, erst recht nicht einen Ansatz, welcher sich einem Steuerberater hätte aufdrängen müssen.

60

Dabei gilt auch hier, dass so gut wie jede Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf denkbar weit abweichende Bewertungen stößt. Die Lektüre der die Entscheidung tragenden Begründung einerseits und der Begründung von abweichenden Meinungen nach § 30 Absatz 2 Satz 1 BVerfGG andererseits ergibt sogar nicht selten, dass auch innerhalb des jeweils befassten Senates des Bundesverfassungsgerichts ein Teil der Richter dieses Senates die Entscheidung der Mehrheit sprachlich deutlich als rechtlich unvertretbar einordnet. Auch zur Interpretation der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 wurden in der juristischen Diskussion einmal mehr die unterschiedlichsten Bewertungen (als selbstverständlich unzweifelhaft) vertreten. Entscheidend ist, ob man die fraglichen Aussagen der Entscheidung entnehmen musste. Das nimmt die Kammer eben nicht an.

61

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts betonte, das Institut der Lebenspartnerschaft berühre und betreffe gar nicht die Ehe (besonders deutlich etwa Rn. 86), rückte also beide Institute argumentativ voneinander ab. Wenn dies so richtig ist, durfte ein das Urteil prüfender Steuerberater für gerade naheliegend halten, dass der Gesetzgeber frei ist, für beides eben nicht nur ähnliche, sondern auch unterschiedliche Regelungen zu treffen.

62

Ein Steuerberater durfte auch überrascht davon sein, dass das Bundesverfassungsgericht in einer späteren Entscheidung das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft, das nach der Argumentation noch in der Entscheidung vom 17. Juli 2002 unabhängig von der Ehe zu sehen sein sollte, in späteren Entscheidungen stattdessen an sie herangerückt hat.

63

Das Bundesverfassungsgericht führte in seinem Urteil vom 17. Juli 2002 weiter aus, der besondere Schutz der Ehe nach Art. 6 Absatz 1 GG gebiete es nicht, andere Lebensformen (und ersichtlich gemeint insbesondere die eingetragene Lebenspartnerschaft) gegenüber der Ehe zu benachteiligen (Rn. 98 f.).

64

Dies ist gerade nicht dasselbe wie ein Gebot, die eingetragene Lebenspartnerschaft steuerlich (oder auf irgendeinem anderen Gebiet) genauso zu behandeln wie die Ehe. Für einen Steuerberater, der sich vor der Beratung eines Auftraggebers der Mühe einer Lektüre des zitierten Urteiles unterzog, durfte damit die Auslegung ausgesprochen naheliegen, dass der Gesetzgeber die eingetragene Lebenspartnerschaft zum Beispiel steuerrechtlich zwar genauso behandeln kann wie die Ehe, dies aber eben nicht muss. Diesen Schluss haben im Übrigen auch die Bundesgerichte sämtlicher Fachgerichtsbarkeiten in ihren oben zitierten Entscheidungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 gezogen. Dann durfte auch ein Steuerberater diese Bewertung für unzweifelhaft richtig halten.

65

B) Der Beschluss vom 7. Juli 2009 (1 BvR 1164/07) kann bereits zeitlich allenfalls für einen Teil der Steuerbescheide relevant sein, da die Einzelveranlagungsbescheide beider Kläger für 2004 und 2005 und des Klägers zu 2. für 2007 bereits bestandskräftig waren.

66

Immerhin für den Gegenstand der übrigen Steuerbescheide bleibt zu prüfen, ob ein Steuerberater auf der Grundla.ge der von ihm objektiv zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten nach der Existenz dieser Entscheidung den Schluss ziehen müsste, es liege nahe, dass das Bundesverfassungsgericht die Beschränkung der Zusammenveranlagung auf die Ehe beanstanden werde.

67

Auch dies nimmt die Kammer im Ergebnis nicht an.

68

Dabei geht die Kammer allerdings -noch ganz anders als bezüglich der Entscheidung vom 17. Juli 2002 -davon aus, dass ein auch im Verfassungsrecht ausgebildeter Volljurist bei einer aufmerksamen und sorgfältigen Lektüre der Begründung durchaus tragfähige Anhaltspunkte dafür hätte entnehmen können, dass das Bundesverfassungsgericht möglicherweise auch die Beschränkung der Zusammenveranlagung auf Ehepartner als verfassungswidrig einordnen würde. Unter Buchstabe B Ziffer 1.3 Buchstabe b bb) (Rn. 99 bis 122 in der Wiedergabe bei Juris) finden sich Ausführungen, aus denen sich ergibt, dass der in Art. 6 Absatz 1 GG normierte besondere Schutz von Ehe und Familie nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts keine umfassende Besserstellung der Partner einer Ehe insbesondere gegenüber eingetragenen Lebenspartnern rechtfertige, sondern der Gleichheitssatz aus Art. 3 Absatz 1 GG eine für den jeweiligen Regelungsgegenstand separat erforderliche Prüfung erfordere, ob gerade für diesen Regelungsgegenstand eine unterschiedliche Behandlung rechtfertige. Die dabei in erheblicher Länge vorgenommenen Ausführungen hierzu lassen dann erkennen, dass das Bundesverfassungsgericht bezüglich der damals streitgegenständlichen Regelungen für die Hinterbliebenenversorgung im öffentlichen Dienst keinen Unterschied in der Förderungsbedürftigkeit von Partner einer Ehe einerseits und einer eingetragenen Ehepartnerschaft erkannt hat.

69

Der sich daraus ergebende skeptische Blick des Bundesverfassungsgerichts auf die Besonderheiten der Ehe ließ bei aufmerksamer Lektüre Schlüsse zu auf ein jedenfalls von der Mehrheit der Richter des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts ihrer Auslegung des Art. 6 Absatz 1 GG und des Art. 3 Absatz 1 GG zu Grunde gelegtes Vorverständnis (vgl. Ziffer 1.2 Buchstabe b bb der Entscheidungsgründe des Urteiles der Kammer), das es für möglich und sogar wahrscheinlich erscheinen ließ, dass das Bundesverfassungsgericht möglicherweise auch die steuerliche Förderung der Ehe, nicht aber der eingetragenen Lebenspartnerschaft als verfassungswidrig einordnen würde.

70

Vorliegend geht es indes nicht darum, ob ein auch im Verfassungsrecht ausgebildeter Volljurist bei sorgsamer Lektüre dem Beschluss vom 7. Juli 2009 diese Aussage entnehmen konnte und vielleicht sogar musste. Es geht darum, ob ein Steuerberater mit ganz anderer Ausbildung und Ausrichtung überhaupt auf diesen Beschluss aufmerksam werden und ihm dann die fraglichen Aussagen entnehmen musste.

71

Die Kammer hält hierzu bereits nicht für selbstverständlich, dass ein Steuerberater überhaupt auf die Entscheidung aufmerksam werden musste.

72

Gegenstand des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2009 war, ob § 38 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder und die dort geregelte Hinterbliebenenversorgung auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt. Man mag hierzu als Vergleich den Weg wählen, in denen Richter sich über neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung informieren. Hierzu halten eine Reihe von Zeitschriften Übersichten vor, welche auch ein Richter dergestalt durchzusehen pflegt, ob sie eine Thematik betreffen, welche eine nähere Lektüre der Einzelentscheidung lohnt, wobei auch die begrenzten zeitlichen Ressourcen eines Richters zu einer Lektüre nur eines kleinen Teiles von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts führen.

73

Unterstellt, ein Steuerberater nahm auf ähnliche Weise eine Durchsicht vor, lag es nicht unbedingt auf der Hand, dass er gerade eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder und der dort geregelten Hinterbliebenenversorgung als für seine eigene Arbeit wichtig wahrnahm. Nach der Bewertung der Kammer kommt schon eher in Betracht, dass der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2009 die Aufmerksamkeit eines Steuerberaters fand über Verweisungen in seiner eigenen Fachliteratur. Selbst in dem von den Klägern zitierten Aufsatz eines anderen Steuerberaters in dem Ende November 2009 erschienen 47. Heft der Zeitschrift DStR wird der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erstmals auf der zweiten Seite zitiert.

74

Unterstellt man dennoch, dass ein sich ordnungsgemäß informierender Steuerberater zwingend auf die Entscheidung hätte stoßen müssen, stellt sich weiter die Frage, ob er auf der Grundlage einer seiner Ausbildung entsprechenden Lektüre und auf der Grundlage des von ihm vernünftigerweise zur Verfügung stehenden Zeiteinsatzes die oben dargestellten einem Volljuristen bei intensiver Lektüre möglichen Schlussfolgerungen hätte ziehen müssen.

75

Hierzu ist zunächst zu bedenken, dass der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts die diesem Gericht eigene Länge hat, sich etwa in der Zitierung bei Juris auf 127 Randnummern erstreckt. Die auch in dieser Entscheidung verwirklichten Besonderheiten der Diktion erleichtern dabei schon aus der Perspektive von Berufsrichtern nicht eben die Lektüre der Entscheidung. Tragfähige Ausführungen finden sich dabei erst ab Randnummer 100. Auch dort finden sich wiederum auch Sätze, welche bei nicht ganz intensiver Lektüre zu dem Schluss führen könnten, das Bundesverfassungsgericht halte mit Blick auf die in Art. 6 Absatz 1 GG angelegte besondere Förderung der Ehe auch ihre weitgehende Bevorzugung für zulässig, etwa zu Beginn von Rn. 102. Soweit das dort verwendete Wort "grundsätzlich" verwendet wird, ist für die hier relevante Lektüre durch einen Steuerberater zu bedenken, dass dieser Begriff in der juristischen Diktion eine völlig andere Bedeutung hat als nach dem allgemeinen Sprachverständnis, und dass ein Steuerberater eben kein Jurist ist.

76

Danach folgen lange Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, welche jedenfalls bei nicht ganz sorgfältiger Lektüre durch einen mit der besonderen Diktion und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vertrauten Juristen leicht dergestalt eingeordnet werden könnten, die dort gezogenen Wertungen stützten sich jeweils auf Besonderheiten der betrieblichen Altersversorgung.

77

Im Ergebnis geht die Kammer nicht davon aus, dass zu den objektiven Berufspflichten eines Steuerberaters gehörte, die fragliche Entscheidung nicht nur überhaupt aufzufinden, sondern die alles andere als leicht lesbare Entscheidung noch mit so viel Zeitaufwand, Sorgfalt und vor allem juristischer Expertise aufzubereiten, dass er ihr die oben dargestellten Aussagen entnehmen musste.

78

Insoweit musste ein Steuerberater nach der Bewertung der Kammer nicht in der Lage sein, der filigranen Argumentationstechnik des Bundesverfassungsgerichts zu folgen, der es erst gelingt, den in Art. 6 Absatz 1 GG angelegten besonderen Schutz insbesondere der Ehe dergestalt auszudeuten, dass es verfassungsrechtlich verbindlich sein solle, das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft überhaupt in irgend einem Bereich gleichermaßen zu fördern. Erst recht musste nach der Bewertung der Kammer auch die Existenz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2009 nicht dazu führen, dass ein Steuerberater es gelang, die Entscheidung vom 7. Mai 2013 als möglich vorherzusehen. Die Kammer weist zu dieser lediglich ergänzend darauf hin, dass dieser Beschluss vom 7. Mai 2013 sogar von einem Teil des entscheidenden Senates des Bundesverfassungsgerichts als unvertretbar eingeordnet wurden. In einer dem Beschluss vom 7. Mai 2013 nach § 30 Absatz 2 Satz 1 BVerfGG angeschlossenen abweichenden Meinung wurden die tatsächlichen Annahmen, auf welche die den Beschluss tragende Begründung sich stützte, sogar als nicht nur falsch eingeordnet, sondern gar als "konstruiert" (BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013, 2 BvR 909/06, Rn. 137, zitiert nach Juris, mit eingehender vorstehender Begründung).

79

C) Ein weiterer Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 (1 BvR 611/07 zum Erbschaftssteuer-Lind Schenkungssteuerrecht) ist schon zeitlich für alle Steuerjahre bis 2008 irrelevant. Bei Ergehen dieses Beschlusses war nämlich für die Jahre bis 2008 mindestens der Steuerbescheid für einen der Kläger bereits bestandskräftig, und eine Zusammenveranlagung konnte schon deshalb nicht mehr herbeigeführt werden.

80

Immerhin für die Besteuerung der Einkünfte der Kläger für das Jahr 2009 bleibt zu prüfen, ob ein Steuerberater auf der Grundlage der von ihm objektiv zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten nach der Existenz dieser Entscheidung den Schluss ziehen müsste, es liege nahe, dass das Bundesverfassungsgericht die Beschränkung der Zusammenveranlagung auf die Ehe beanstanden werde.

81

Auch dies nimmt die Kammer im Ergebnis nicht an.

82

Zwar handelt es sich bei dem zitierten Beschluss immerhin erstmals um eine Entscheidung, welche Steuerrecht und damit eine einem Steuerberater vertraute Materie zum Gegenstand hat.

83

Auch die bezeichnete Entscheidung weist aber wiederum eine Länge (120 Randnummern) und Diktion auf, welche sie insbesondere für einen juristischen Laien nahezu unverständlich macht.

84

Unterzog sich ein Steuerberater dennoch der Mühe, einen Nachvollzug zu versuchen, so stieß er auf eine Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, welche an die jeweilige Zweckrichtung ganz bestimmter steuerrechtlicher Institute anknüpfte.

85

Dabei führte das Bundesverfassungsgericht zu besonderen Eigenheiten des persönlichen Freibetrages nach § 16 ErbStG (Rn. 88 ff.), zum Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG (Rn. 107 ff.) und den unterschiedlichen Steuerklassen von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern (Rn. 110 ff.) aus, jeweils dergestalt, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit Besonderheiten gerade dieser Materien auseinandersetzte.

86

Ein Steuerberater darf solche Ausführungen so verstehen, dass es dem Bundesverfassungsgericht tatsächlich um die Besonderheiten dieser besonderen Normen ging. Ein Steuerberater musste den zitierten Ausführungen nicht entnehmen, dass das Bundesverfassungsgericht die sehr viel schlichtere Ansicht vertrat, steuerrechtlich müsse die eingetragene Lebenspartnerschaft insgesamt behandelt werden wie eine Ehe. Ein Steuerberater durfte vielmehr schon deshalb davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht eben auf die umfangreich dargelegten Besonderheiten abstellte, da er diese voluminöse Darstellung für komplett entbehrlich und sogar irreführend halten durfte, wenn es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auf die in erheblicher Länge behandelten Besonderheiten gar nicht ankam, sondern stattdessen allgemein die Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft wie Ehepartner zu behandeln sein sollten.

87

D) Inzwischen sind noch mehrere weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ergangen, in denen dieses zu zusätzlichen Regelungsbereichen eine gegen Art. 3 Absatz 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften im Vergleich zu Ehepaaren angenommen hat (Beschluss vom 19. Juni 2012, 2 BvR 1397/09, zum Familienzuschlag; Urteil vom 19. Februar 2013, 1 BvL 1/11, zur Sukzessivadoption). Diese sind indes jeweils zu einem Zeitpunkt ergangen, zu dem die Beklagte schon vom Zeitablauf für die Beratung der Kläger aus diesen Entscheidungen keine Erkenntnisse hätte ziehen können. Aus ihnen konnte die Beklagte daher schon zeitlich nicht die Erkenntnis gewinnen, das Bundesverfassungsgericht werde auch nur möglicherweise die Beschränkung der Zusammenveranlagung auf die Ehe als verfassungswidrig einordnen.

88

Im Ergebnis musste die Beklagte als Steuerberaterin damit nach der Bewertung der Kammer vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 nicht besser wissen als der Gesetzgeber, die Bundesregierung, die Minderheit der entscheidenden Richter des Bundesverfassungsgerichts und bis Ende 2006 auch sämtliche Bundesgerichte der Fachgerichtsbarkeiten, welche bis dahin eine Besserstellung der Ehe als unzweifelhaft zulässig einordneten.

89

Die Beklagte hat damit nach der Bewertung der Kammer bereits nicht gegen objektive Berufspflichten verstoßen, wenn sie die Kläger nicht auf die Möglichkeit hinwies, gegen die Steuerbescheide Einspruch einzulegen.

90

Auf eventuelle subjektive entschuldigende Umstände im Sinne des § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB kommt es damit nicht einmal an.

II.

91

1. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Absatz 1 ZPO.

92

2. Der Ausspruch zur Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.


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