Urteil vom Landgericht Hamburg (32. Zivilkammer) - 332 O 214/14

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.364,31 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.07.2014 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Erstattung von Behandlungskosten nach Unterzeichnung einer Wahlleistungs- und einer Stellvertretervereinbarung durch seine verstorbene Ehefrau.

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Frau H. H., die vormalige Klägerin, unterhielt bei dem Beklagten eine private Krankenversicherung, wonach ein Anspruch auf die Erstattung der Wahlleistungen bei stationärer Krankenhausbehandlung bestand. Am 26. November 2013 wurde bei Frau H. bei einer Untersuchung im Israelitischen Krankenhaus in Hamburg Bauchspeicheldrüsenkrebs im fortgeschrittenen Stadium festgestellt. Frau H. wandte sich auf Empfehlung ihrer Hausärztin an das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, um die medizinisch notwendige Operation von Herrn Prof. Dr. I. durchführen zu lassen. Am 29. November 2013 unterzeichnete Frau H. einen Behandlungsvertrag, welcher die Erbringung von Wahlleistungen umfasste (Anlage K 1). Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage K 1 verwiesen. Sie unterzeichnete in der Folge ferner eine von der Klinik vorbereitete als „Schriftliche Fixierung der Stellvertretervereinbarung“ überschriebene Vereinbarung zwischen ihr und Herrn Prof. Dr. I. (Anlage K 2). Darin wurde unter anderem aufgeführt, dass sie darüber aufgeklärt worden sei, dass Herr Prof. Dr. I. nicht verfügbar sei, dass die Operation bis zur Rückkehr von Prof. Dr. I. verschoben werden könne und dass diese Verschiebung in ihrem Fall medizinisch nicht vertretbar sei. Ferner wurde umkringelt, dass sie eine Verlegung des Operationstermins nicht wünsche und es wurde ferner aufgeführt, dass sie darüber aufgeklärt worden sei, dass sie die Wahl zwischen dem Erhalt ärztlicher Leistungen als allgemeine Krankenhausleistungen ohne Wahlarztvereinbarungen oder den Erhalt ärztlicher Leistungen vom Stellvertreter des Prof. Dr. I., dem Zeugen Prof. Dr. B., zu den Bedingungen des Wahlarztvertrages unter Beibehaltung des Liquidationsrechts von Prof. Dr. I. habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Anlage K 2 verwiesen. Frau H. wurde am 01. Dezember 2013 stationär in der Klinik aufgenommen und am 02. Dezember 2013 von dem Zeugen Prof. Dr. B. operiert. Herr Prof. Dr. I. war an diesem Tag verhindert. Frau H. befand sich bis zum 22. Dezember 2013 in stationärer Behandlung. Mit Rechnung vom 20. Februar 2014 berechnete Herr Prof. Dr. I. für die erbrachten ärztlichen Leistungen EUR 6.364,31 (Anlage K 5). Der Beklagte verweigerte die Erstattung der Kosten. Mit Schreiben vom 22. Juni 2014 forderte Frau H. den Beklagten zum Ausgleich der Forderung bis zum 03. Juli 2014 auf (Anlage K 6). Der Beklagte lehnte die Zahlung mit Schreiben vom 10. Juli 2014 nochmals ab (Anlage K 7). Im März 2015 verstarb Frau H.. Sie wurde von ihrem Ehemann, dem Kläger, beerbt.

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Der Kläger behauptet, seine Ehefrau sei ausdrücklich auf die Verhinderung von Herrn Prof. Dr. I. und die ihr zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten hingewiesen worden.

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Mit Schriftsatz vom 06. Mai 2015 hat der Kläger die Aufnahme des Rechtsstreits als Rechtsnachfolger der vormaligen Klägerin erklärt.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 6.364,31 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 04.07.2014 zu zahlen,

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte meint, die Stellvertretervereinbarung sei unwirksam, da es sich nicht um eine Individualvereinbarung gehandelt habe. Zudem sei auch die Wahlleistungsvereinbarung unwirksam, da diese keine Beschränkung auf angestellte oder beamtete Ärzte, sondern alle Ärzte des UKE beinhalte.

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Es ist Beweis erhoben worden durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Prof. Dr. M. B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 02. Oktober 2015 verwiesen. Ergänzend wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.

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Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der Behandlungskosten aus § 1922 Absatz 1 BGB in Verbindungen mit den Bestimmungen des Krankenversicherungsvertrages der vormaligen Klägerin.

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Die medizinische Notwendigkeit der durchgeführten Operation, die fachgerechte Durchführung derselben und die grundsätzlich ordnungsgemäße Abrechnung sind nicht streitig.

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Der Anspruch scheitert zunächst nicht an einer Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung. Zwar sieht § 17 KHEntgG vor, dass sich eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen auf alle an der Behandlung beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses unter bestimmten Voraussetzungen erstrecke, während die streitgegenständliche Wahlleistungsvereinbarung auf „alle an der Behandlung beteiligten Ärzte des UKE“ Bezug nimmt. Dies ist jedoch lediglich beine geringe Abweichung im Wortlaut ohne eine inhaltliche Bedeutung. Es ist bereits nicht ersichtlich, welche anderen Ärzte, als angestellte oder beamtete Ärzte, gemeint sein könnten, wenn von „Ärzten des UKE“ die Rede ist. Ärzte, welche nicht beamtet und beim UKE tätig oder direkt beim UKE angestellt sind, sind auch nach dem objektiven Empfängerhorizont keine „Ärzte des UKE“.

15

Die Stellvertretervereinbarung ist ebenfalls wirksam. Sie erfüllt die höchstrichterlichen Anforderungen an eine Individualvereinbarung bei vorhergesehener Verhinderung des liquidationsberechtigten Arztes. So ist es im Falle einer Individualvereinbarung erforderlich, dass der Patient so früh wie möglich über die Verhinderung des Wahlarztes unterrichtet und das Angebot unterbreitet wird, dass an dessen Stelle ein bestimmter Vertreter zu den vereinbarten Bedingungen die wahlärztlichen Leistungen erbringt, dass der Patient über die alternative Option des Verzichts auf die wahlärztlichen Leistungen und die Behandlung durch den jeweils diensthabenden Arzt unterrichtet wurde und dass die Vertretervereinbarung schriftlich geschlossen wird (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007, III ZR 144/07, juris).

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Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Verhinderung des liquidationsberechtigten Wahlarztes an dem Tag der Operation ist von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt worden. Nach der Anhörung des Klägers und der Vernehmung des Zeugen Prof. Dr. B. ist das Gericht ferner davon überzeugt, dass die erforderliche Aufklärung der Patienten vor der Unterzeichnung der Stellvertretervereinbarung erfolgt ist, so dass es einer ergänzenden Vernehmung der verhinderten Zeugin Dr. K. nicht mehr bedarf.

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So hat der Kläger überzeugend geschildert, dass von Beginn an klar gewesen sei, dass Herr Prof. Dr. I. verhindert sei und die Operation an dem vorhergesehenen Tag nicht vornehmen könne. Man sei jedoch auch von der Kompetenz des Vertreters ausgegangen und vorrangig an einer schnellen Operation interessiert gewesen. Auch sei der Zeuge Herr Prof. Dr. B. namentlich als Vertreter genannt worden. Es sei die Alternative genannt worden, auf Herrn Prof. Dr. I. zu warten. Ferner sei als dritte Möglichkeit die normale Kassenbehandlung genannt worden. Zwar konnte der Kläger weiter nicht erinnern, ob es ein Thema gewesen, wer die Abrechnung vornehme. Es ist jedoch nicht erforderlich, über das Liquidationsrecht des Wahlarztes auch für den Fall der Durchführung der Operation durch den Stellvertreter aufzuklären (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007, III ZR 144/07, juris).

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Die Angaben des Klägers wurden ferner von dem Zeugen Prof. Dr. B. bestätigt. So konnte sich der Zeuge an die vormalige Klägerin, ihre Erkrankung und daran erinnern, dass darauf hingewiesen worden sei, dass er wegen der Verhinderung von Herrn Prof. Dr. I. die Operation durchführen werde. Auch werde immer gesagt, dass als Alternative auf Herrn Prof. Du. B. gewartet werden könne. Zwar konnte der Zeuge nicht mehr konkret sagen, ob auch eine kassenärztliche Versorgung angesprochen worden sei. Davon sei jedoch auszugehen, da es üblicherweise so erfolge. Dieser Punkt ist zudem bereits überzeugend von dem Kläger bestätigt worden und war offensichtlich keine ernsthafte Option.

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Es handelte sich auch um eine Individualvereinbarung. Insoweit ist es unschädlich, dass die Vereinbarung bereits vorformuliert worden war und nur kleine handschriftliche Einfügungen erfolgten. So hat der BGH überzeugend ausgeführt, dass auch eine vorformulierte Vertragsbedingung ausgehandelt sein könne, wenn sie der Verwender als eine von mehreren Alternativen anbiete, zwischen denen der Vertragspartner die Wahl habe. Erforderlich sei, dass er durch die Auswahlmöglichkeit den Gehalt der Regelung mit gestalten kann und die Wahlfreiheit nicht durch Einflussnahme des Verwenders, sei es durch die Gestaltung des Formulars, sei es in anderer Weise überlagert werde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007, III ZR 144/07, juris). So liegt es hier. Es wurden mündlich und in der schriftlichen Fixierung mehrere Handlungsoptionen zur Wahl gestellt (Verzicht auf die wahlärztliche Behandlung, Behandlung durch den Vertreter zu den Bedingungen der Wahlleistungsvereinbarung und gegebenenfalls Verschiebung der Operation). Eine Beeinflussung der Klägerin für eine Variante ist zudem nicht erkennbar. Daran ändert auch der Hinweis nichts, dass eine Verlegung des Operationstermins bis zur Rückkehr von Herrn Prof. Dr. I. medizinisch nicht vertretbar sei. Hierbei handelt es sich um einen erforderlichen medizinischen Hinweis, welcher zudem die Möglichkeit einer kassenärztlichen Versorgung beließ.

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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Absatz 1, 288 Absatz 1 BGB.

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Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Absatz 1 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 709 ZPO.

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