Beschluss vom Landgericht Hamburg (5. Große Strafkammer) - 605 StVK 272/16

Tenor

Dem Verurteilten wird für das Verfahren auf Absehen von der weiteren Strafvollstreckung nach § 456a StPO Rechtsanwältin F.B. in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO als Pflichtverteidigerin beigeordnet.

Gründe

1

Dem Verurteilten ist auch im Verfahren gemäß § 456a StPO, das Teil des Vollstreckungsverfahrens ist, in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Pflichtverteidiger beizuordnen, vgl. OLG Nürnberg, NStZ-RR 2009, 125.

2

Soweit es im Strafvollstreckungsverfahren an ausdrücklichen Vorschriften über die Verteidigerbestellung wie in § 463 Abs. 3 S. 5 StPO fehlt, finden §§ 140 Abs. 2, 141 StPO entsprechend Anwendung, wenn wegen Schwere des Vollstreckungsfalles, wegen Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage im Vollstreckungsverfahren oder Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, die Mitwirkung eines Verteidigers ausnahmsweise geboten ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 140 Rn. 33 m.w.N.). Bei nur entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO ist die Notwendigkeit der Verteidigung grundsätzlich nicht für das Vollstreckungsverfahren insgesamt, sondern nur für dessen konkret anstehenden Teil zu überprüfen (h.M., vgl. OLG Frankfurt/Main in NStZ-RR 2003, 252 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben ist hier die Notwendigkeit der Verteidigung geboten.

3

Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erscheint hier insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Unfähigkeit des Verurteilten zur Selbstverteidigung erforderlich. Zwar reicht allein die Tatsache, dass ein Verurteilter der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, für sich genommen nicht aus, um die Notwendigkeit einer Pflichtverteidigung zu begründen. Einer solchen bedarf es nicht, wenn seine Behinderung in der Verteidigung allein auf sprachlichen Defiziten beruht und diese durch die Beiordnung eines Dolmetschers vollständig ausgeglichen werden kann, vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 1999, 319f. m. w. N. Wie die Verteidigung jedoch zutreffend ausführt, muss sich der Verurteilte der schwerwiegenden ausländer- und strafvollstreckungsrechtlichen Konsequenzen seines Antrags nach § 456a StPO bewusst sein, was bei dem ernsthaft erkrankten Verurteilten, der aus einem fremden Kulturkreis stammt und mit dem deutschen Rechtssystem nur wenig vertraut ist, nicht allein durch die Inanspruchnahme eines Dolmetschers sichergestellt werden kann. Hinzu kommt der Umstand, dass es sich bei der Entscheidung nach § 456a StPO um eine sogenannte Ermessensentscheidung, mithin um eine schwierige Entscheidung, handelt.

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