Urteil vom Landgericht Hamburg (30. Zivilkammer) - 330 O 168/16

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger betrieb eine Tankstation, die Beklagte betreibt ein Mineralölunternehmen. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung geleisteter Mietentgelte für ein Stationscomputersystem in Anspruch.

2

Der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die D. T. AG, schlossen einen Tankstellenvertrag vom 01. / 15. Dezember 1986 (Anlage B 1), auf dessen Grundlage der Kläger bis Dezember 2015 eine Tankstation in der H... Straße... in (PLZ)M. im bundesweiten Tankstellennetz der D. T. AG betrieb. Der Kläger vertrieb als Handelsvertreter der D. T. AG deren Kraftstoffe im Agenturgeschäft. Darüber hinaus tätigte er in der Tankstelle Eigengeschäfte in eigenem Namen und für eigene Rechnung, insbesondere die Veräußerung von Waren im Shop-Geschäft sowie Angebote von Autowäschen, Dienstleistungen und Reparaturen.

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Durch den Nachtrag Nummer 3 zum Tankstellenvertrag vom 20. März / 14. April 2009 (Anlage K1) vermietete die Beklagte dem Kläger ein Stationscomputersystem, das der Kläger bereits seit Oktober 2008 nutzte. Das Stationscomputersystem besteht aus mehreren Geräten und auf diesen Geräten installierten Programmen, die in Ziffer 1 des Nachtrags Nummer 3 zum Tankstellenvertrag gemäß Anlage K 1 näher beschrieben sind. Die vom Kläger hierfür zu zahlende Miete bezog sich nur auf die Hardware, nicht auf die installierten Programme, diese stellte die Beklagte kostenlos zur Verfügung. Die vermietete Hardware des Stationscomputersystems besteht aus folgenden Komponenten: Zur Grundausstattung gehört ein Kassenarbeitsplatz und ein Büroarbeitsplatz. Zur Zusatzausstattung gehört ein mobiles Datenerfassungsgerät (MDE). Das Gerät dient der mobilen Erfassung der Barcodes der Shop-Waren durch einen Scanner. Mithilfe der Barcodes können der Warenbestand verwaltet, Inventuren durchgeführt, Bestellungen aufgegeben und Warenanlieferungen kontrolliert werden. Der Kassenarbeitsplatz ermöglicht die Vereinnahmung und Buchung der Verkaufserlöse. Dies betrifft nicht nur die im Agenturgeschäft veräußerten Kraftstoffe, sondern auch die im Eigengeschäft veräußerten Shop-Waren und erbrachten Dienstleistungen des Klägers. Das Kartenlesegerät dient der Verarbeitung von Kartenzahlungen. Das EAN-Code-Lesegerät ist ein Scanner, mit dem die Shop-Artikel aus dem Eigengeschäft des Klägers schneller in die Kasse eingegeben werden können. Für das Agenturgeschäft ist dieses Gerät ebenfalls nicht relevant.

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Für das Stationscomputersystem mit der vom Kläger gewählten Zusatzausstattung hatte der Kläger folgende monatliche Mietzinsen an die Beklagte zu zahlen: Für die Hardware des Büroarbeitsplatzes € 240,00, für die Hardware des Kassenarbeitsplatzes € 159,00 und für die Zusatzausstattung MDE-Gerät € 30,00, insgesamt € 429,00 netto monatlich. Dieser Mietzins war die Gegenleistung des Klägers für ein System, das er nicht nur im Bereich des Verkaufes von Agenturwaren, sondern auch im Bereich seines Eigengeschäftes benötigte und einsetzte.

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Der Kläger erbrachte in den Jahren 2012 bis 2015 Mietzinszahlungen für 47 Monate x € 429,00 = € 20.163,00. Hinzu kommt eine anteilige Mietzinszahlung für den Monat Dezember 2015 in Höhe von € 276,77, insgesamt Mietzinszahlungen in Höhe von € 20.439,77.

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Der Tankstellenvertrag endete durch Aufhebungsvereinbarung zum 21. Dezember 2015. Mit Schreiben vom 19. Januar 2016 forderte der Kläger die Beklagte zur Erstattung der unverjährter Mietzinszahlungen in Höhe von € 20.439,77 auf (Anlage K 5).

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Der Kläger meint, er habe die Mietzinszahlungen ohne Rechtsgrund erbracht. Bei dem Kassensystem handele es sich um Unterlagen im Sinne von § 86a Abs. 1 HGB, die dem Handelsvertreter kostenfrei zu überlassen sind. Somit sei die Mietzinsvereinbarung gemäß § 86a Abs. 3 HGB unwirksam.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 20.439,77 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.12.2015 sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von netto € 1.336,90 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte meint, die Regelungen über die Mietzinszahlungspflicht des Klägers aus dem Nachtrag Nummer 3 zum Tankstellenvertrag (Anlage K1) für das Stationscomputersystem seien wirksam. Sie verstoßen nicht gegen die Regelungen in § 86a Abs. 1 HGB, weil das Stationscomputersystem keine „Unterlage“ im Sinne dieser Norm und jedenfalls zur Ausübung der Tätigkeit des Klägers als Handelsvertreter für Kraftstoffe im Agenturgeschäft nicht „erforderlich“ im Sinne der Norm sei. Sie behauptet, das Kassen- und Bürocomputersystem diene im Wesentlichen dem Eigengeschäft des Klägers.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll vom 18.07.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

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Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückerstattung gezahlter Mietzinsen in Höhe von € 20.439,77 für das Stationscomputersystem aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB. Die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung des Mietzinses ergibt sich aus der Vereinbarung im Nachtrag Nummer 3 zum Tankstellenvertrag vom 20. März / 14. April 2009 (Anlage K1). Deren Wirksamkeit steht nicht entgegen, dass das Stationscomputersystem eine dem Handelsvertreter kostenlos zu überlassende Unterlage im Sinne von § 86a HGB wäre. Das Stationscomputersystem ist keine Unterlage im Sinne dieser Norm und zudem für die Ausübung des Handelsvertretergeschäftes nicht erforderlich. Anzumerken bleibt, dass es de facto gleichzeitig im Agenturgeschäft und auch im Eigengeschäft des Klägers eingesetzt wurde.

1.

16

Ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch steht dem Kläger nicht zu, weil die Zahlung des Mietzinses in Höhe von monatlich € 429,00 netto für das Stationscomputersystem mit Rechtsgrund erfolgt ist. Dieser Zahlung liegt die Vereinbarung im Nachtrag Nummer 3 zum Tankstellenvertrag vom 20. März / 14. April 2009 (Anlage K 1) zugrunde, nachdem die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger das Stationscomputersystem gegen Zahlung dieses monatlichen Mietzinses zum Gebrauch überlässt.

2.

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Entgegen der Rechtsansicht des Klägers verstößt diese Mietzinsvereinbarung nicht gegen die Verpflichtung der Beklagten zur kostenlosen Überlassung von erforderlichen Unterlagen gemäß § 86a HGB.

18

Das streitgegenständliche Stationscomputersystem stellt keine Unterlage im Sinne von § 86a Abs. 1 HGB dar, weil es an dem erforderlichen inhaltlichen Bezug zum Produkt, dem vom Handelsvertreter vertriebenen Kraftstoff, fehlt. Gemäß § 86a Abs. 1 HGB hat ein Unternehmer dem Handelsvertreter die zur Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Dies betrifft etwa Musterzeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen oder Geschäftsbedingungen. Auch wenn der Begriff der Unterlagen nach allgemeiner Auffassung weit zu fassen ist und diese Aufzählung im Gesetz nur beispielhaft und nicht abschließend ist, ist ein Stationscomputersystem (Hardware) vom Begriff der Unterlagen nicht mehr erfasst. Umfasst sind Materialien und Dokumente zur Ausübung der Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit, insbesondere zur Anpreisung der Waren beim Kunden. Die Unterlagen müssen einen sehr engen Bezug zum vertriebenen Produkt haben, ohne sie darf eine erfolgreiche Vermittlung nicht möglich sein. Daraus ergibt sich, dass Unterlagen in diesem Sinne Preislisten oder Geschäftsbedingungen sind, ohne die der Handelsvertreter den Abschluss eines Vertrages nicht vornehmen kann. Die reine Verbuchung und Abrechnung der Transaktionen ist dem Abschluss des Geschäftes jedoch nachgelagert und steht in keinem engen Zusammenhang mit dem Produkt. Das Stationscomputersystem stellt weder bestimmte produktspezifische Informationen zur Verfügung, die für die Einflussnahme auf die Kaufentscheidung des Kunden von Bedeutung sind, noch dient es der Übermittlung von Preislisten, Geschäftsbedingungen oder sonstigen Informationen. Lediglich eine ursprünglich gemeinte Funktion wird erfüllt, nämlich die Übermittlung des Preises des Kraftstoffes. In erster Linie erfüllt das Stationscomputersystem aber die Funktion einer Registrierkasse zur geordneten Abwicklung der Einnahmen und Ausgaben im Betrieb des Klägers. Diese Funktionen sind eindeutig dem Geschäftsbetrieb des Handelsvertreters selbst zuzuordnen, der im Hinblick auf den weit überwiegenden Betrieb seines Eigengeschäfts im Shop der Tankstelle eine Kasse benötigt und sie zu führen und abzurechnen hat. Zur Erfüllung der handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Funktionen und auch für die eigene Büroorganisation des Handelsvertreters ist es unabdingbar, eine Registrierkasse zu führen. Diese steht jedoch nicht im engen Zusammenhang mit dem Produkt im Agenturgeschäft, dem Kraftstoff.

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Darüber hinaus ist auch das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit des § 86a HBG nicht erfüllt. Das Tatbestandsmerkmal ist restriktiv auszulegen, es ist zu verlangen, dass die Unterlagen für die spezifische Anpreisung der Ware unerlässlich sein müssen. Der Handelsvertreter muss auf die Unterlagen zur Vermittlung oder zum Abschluss der Verträge angewiesen sein. Ohne diese Unterlagen darf eine erfolgreiche Vermittlung schlechthin nicht möglich sein, wie dies eben bei Preislisten oder Geschäftsbedingungen der Fall ist, ohne die der Handelsvertreter zur Einhaltung der vom Unternehmer vorgegebenen Konditionen nicht in der Lage ist (BGH, Urteil vom 04. Mai 2011, NJW 2011, Seite 2423). Nach diesem Maßstab ist das Stationscomputersystem jedenfalls nicht als erforderlich für den Vertrieb der Kraftstoffe zu betrachten. Für die Anpreisung des Kraftstoffes und die Anbahnung der Vermittlung des Kaufvertrages über den Kraftstoff ist das Stationscomputersystem nicht erforderlich. Es dient der rein faktischen Abwicklung der Durchführung des Kraftstofferwerbes, insbesondere der Abrechnung und Entgegennahme der Bezahlung. Die Gesamtbetrachtung des Kauf- und Zahlungsvorgangs ergibt, dass es sich bei dem Stationscomputersystem lediglich um eine Steuerungseinheit für die Beschaffung, Vorratshaltung und Verwaltung des Kraftstoffvorrates des Klägers und die Abrechnung der Kraftstoffveräußerungen handelt. Insofern handelt es sich um Hardware, die der vom Kläger grundsätzlich selbst zu finanzierenden allgemeinen Betriebs- und Geschäftsausstattung, hier insbesondere der allgemeinen Büro- und Zahlungsorganisation zuzurechnen ist.

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Anzumerken bleibt, dass das Stationscomputersystem unstreitig sowohl im Agenturgeschäft als auch im Eigengeschäft des Klägers eingesetzt wurde und die Umsätze durch Veräußerung von Kraftstoffen im Agenturgeschäft mit der Beklagten ebenso wie die Eigengeschäfte des Klägers einen Anteil an den vom Kläger erzielten Erlösen einnehmen. Das gemietete MDE-Gerät, für das ein monatlicher Mietzins von € 30,00 netto gezahlt wurde, dient sogar ausschließlich und allein dem Eigengeschäft des Klägers. Die Erfassung von Barcodes auf Waren dient allein der Veräußerung von Shop-Waren im Eigengeschäft, bei der Veräußerung von Kraftstoffen an der Tankstelle kommt es nicht zum Einscannen von Barcodes an der Kasse.

II.

21

Mit der Hauptforderung des Klägers entfallen auch die Nebenforderungen.

III.

22

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 ZPO.

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