Beschluss vom Landgericht Hamburg (27. Zivilkammer) - 327 O 18/17

Tenor

Der Antrag des Antragsgegners vom 06.02.2017 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

1

Die beabsichtigte Rechtsverteidigung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

2

1. Ein Widerspruch des Antragsgegners gegen die einstweilige Verfügung der Kammer vom 13.01.2017 hätte keine Aussicht auf Erfolg.

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a) Die Vollziehungsfrist gemäß §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO wurde gewahrt. Ein etwaiger Zustellungsmangel, der darin bestehen könnte, dass die einstweilige Verfügung entgegen § 172 ZPO dem Antragsgegner persönlich und nicht seinem Prozessbevollmächtigten zugestellt wurde, ist jedenfalls gemäß § 189 ZPO dadurch geheilt worden, dass der Antragsgegner seinem Prozessbevollmächtigten innerhalb der Vollziehungsfrist eine Kopie des ihm zugestellten Schriftstücks übersandt hat, nachdem der Antragsteller vergeblich versucht hatte, die einstweilige Verfügung dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegner zuzustellen.

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Durch den vergeblichen Zustellversuch hat der Antragsteller zum Ausdruck gebracht, dass eine Zustellung beim Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners seinem Willen entsprach.

5

Die Kammer schließt sich der Auffassung an, wonach für den die Heilung auslösenden tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Dokumentes kein Zugang des zugestellten Originals erforderlich ist, sondern der Zugang einer Kopie ausreicht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.02.2017 - 19 U 190/16 -, juris; Kammergericht WRP 2011, 612; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 12 Rn. 3.64; Matthes in Cepl/Voß, ZPO § 172 Rn. 3). Der Auffassung, dass eine Heilung gemäß § 189 ZPO neben dem Vorliegen des Zustellungswillens voraussetze, dass das zuzustellende Schriftstück an denjenigen, an den die Zustellung gesetzmäßig gerichtet werden konnte, „tatsächlich“ zugegangen ist, d. h. körperlich eben dieses Schriftstück an jenen gelangt ist (HansOLG NJOZ 2007, 2691) bzw. dass § 189 ZPO lediglich eine Heilung von Mängeln des Zustellungsvorgangs, nicht aber eine Heilung von Mängeln des zuzustellenden Dokuments ermögliche und daher ein Dokument, das zur wirksamen Zustellung beim „richtigen“ Zustellungsempfänger nicht geeignet wäre, erst recht nicht zur Heilung einer unwirksamen Zustellung nach § 189 ZPO führen könne (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.01.2014 - 6 U 118/13 -, juris), folgt die Kammer nicht. Die letztgenannte Auffassung steht im Widerspruch zur jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die nicht erfolgte Zustellung einer beglaubigten Abschrift gerade auch durch den Erhalt einer einfachen Abschrift geheilt wird, wenn die einfache Abschrift inhaltlich tatsächlich der Urschrift entspricht (BGH NJW 2016, 1517; BGH NJW 2017, 411). § 189 ZPO hat nämlich den Sinn, die förmlichen Zustellungsvorschriften nicht zum Selbstzweck erstarren zu lassen, sondern die Zustellung auch dann als bewirkt anzusehen, wenn der Zustellungszweck anderweitig erreicht wird. Der Zweck der Zustellung ist es, dem Adressaten angemessene Gelegenheit zu verschaffen, von einem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, und den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu dokumentieren. Ist die Gelegenheit zur Kenntnisnahme gewährleistet und steht der tatsächliche Zugang fest, bedarf es besonderer Gründe, die Zustellungswirkung entgegen dem Wortlaut der Regelung in § 189 ZPO nicht eintreten zu lassen, etwa weil durch die Zustellung einer Ausfertigung von vornherein jegliche Zweifel an der Authentizität und Amtlichkeit des zugestellten Schriftstücks ausgeschlossen sein sollen (BGH NJW 2016, 1517 Rn. 21 f.). Die wirksame Vollziehung einer einstweiligen Verfügung bedarf demgegenüber nicht der Zustellung einer Ausfertigung; die Zustellung einer beglaubigten Abschrift genügt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 922 Rn. 11). § 189 ZPO erfasst demnach nicht nur Mängel bei der „Ausführung der Zustellung“, sondern auch Mängel des zuzustellenden Schriftstücks (BGH NJW 2016, 1517 Rn. 26).

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Der Zugang der einfachen Abschrift (Kopie) der einstweiligen Verfügung bei dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners war daher ausreichend. Dass die Kopie inhaltlich unvollständig gewesen wäre, macht der Antragsgegner nicht geltend. Wann genau dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners die Kopie zugegangen ist, trägt der Antragsgegner zwar nicht vor. Er ist jedoch dem Vortrag des Antragstellers nicht entgegengetreten, dass der Zugang spätestens am 06.02.2017 erfolgt sei, als der Prozessbevollmächtigte den Prozesskostenhilfeantrag verfasst hat. Der Zugang ist demnach innerhalb der Vollziehungsfrist von einem Monat erfolgt, die durch die Zustellung der einstweiligen Verfügung bei den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 17.01.2017 ausgelöst wurde.

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b) Der Antragsteller ist prozessführungsbefugt und aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Er hat glaubhaft gemacht, dass ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Inwieweit derselbe Markt im vorliegenden Fall auch den Vertrieb von Waren jenseits des Fahrradbedarfs und außerhalb des Onlinehandels umfasst, kann dahinstehen. Der Antragsteller hat anhand der Anlagen K 22, K 23, K 24 und K 26 jedenfalls glaubhaft gemacht, dass ihm 13 Unternehmen angehören, die online Waren anbieten, die Fahrradfahrer als solche benötigen. Es handelt sich dabei um die Nummern 3, 5 (nunmehr Bike Racing Store GmbH), 7, 11, 13, 14, 15, 17, 18, 23, 25, 29 und 33 der Anlage K 25. Diese Anzahl hält die Kammer für so ausreichend repräsentativ, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Antragstellers auszuschließen ist (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 8 Rn. 3.42a). Dass der Antragsteller die Glaubhaftmachungsmittel erst mit Schriftsatz vom 24.02.2017 vorgelegt hat, ist unerheblich. Der Zeitpunkt wäre nur dann erheblich, wenn - wie in den Entscheidungen des HansOLG vom 20.02.2009, 3 W 161/08, und des OLG Hamm vom 23.02.2017, I-4 W 102/16 - eine Kostenentscheidung entsprechend § 93 ZPO zu treffen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall, da der Antragsgegner auch auf den genannten Vortrag hin die einstweilige Verfügung nicht als endgültige Regelung anerkannt hat, sondern sie weiterhin in vollem Umfang bekämpft.

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c) Der Tenor der einstweiligen Verfügung ist nicht zu weit gefasst. Zwar wird darin zunächst der Oberbegriff „Sportzubehör“ verwendet. Im Anschluss daran wird jedoch die konkrete Verletzungsform eingeblendet. Damit beschränkt sich der Verbotsumfang auf eben diese konkrete Verletzungsform sowie kerngleiche Verstöße.

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2. Auch hinsichtlich eines Kostenwiderspruchs ist dem Antragsgegner keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Antragsgegner hat bislang nicht erklärt, dass er die einstweilige Verfügung der Kammer vom 13.01.2017 als endgültige Regelung anerkenne und sich nur noch gegen die Kostenentscheidung wenden möchte. Er hat daher bislang nicht die Grundlage für einen erfolgreichen Kostenwiderspruch geschaffen. Sollte der Antragsgegner eine solche Erklärung noch abgeben, so würde es sich dabei nicht mehr um ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO handeln, so dass er auch dann die Kosten zu tragen hätte. Der Antragsgegner trägt durchgehend bis zuletzt dazu vor, dass die einstweilige Verfügung in vollem Umfang aufzuheben sei, und zwar schon deshalb, weil die Vollziehungsfrist nicht gewahrt worden sei. Sollte der Antragsgegner in Zukunft dazu übergehen, nur noch die Kostenentscheidung anzugreifen, wäre dies verspätet.

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