Urteil vom Landgericht Hamburg (11. Zivilkammer) - 311 O 227/16

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 38.021,60 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit und die Rückabwicklung eines Darlehensvertrages aufgrund eines Widerrufs der Kläger.

2

Die Parteien schlossen am 08.09.2011 einen Vertrag über ein „Immobiliendarlehen mit (anfänglich) gebundenem Sollzins“ mit einer Darlehenssumme von 184.000,- €, einem effektiven Jahreszins von 4,34 %, einer Laufzeit bis zum 31.08.2021 und einer monatlichen Zahlungsrate von 740,60 € (Anlage K 1).

3

Mit Schreiben vom 15.02.2016 erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung (Anlage K 2). Zu diesem Zeitpunkt valutierte das Darlehen noch mit 175.522,22 €; die Kläger hatten Zahlungen in Höhe von 38.021,60 € geleistet. Die Beklagte wies den Widerruf zurück, da die Widerrufsfrist nicht eingehalten sei. Die anwaltliche Aufforderung vom 19.05.2016 zur Rückabwicklung des Darlehensvertrages (Anlage K 4) lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 20.07.2016 ab (Anlage K 5).

4

Die Kläger sind der Auffassung, die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung sei nicht ordnungsgemäß.

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Die Kläger beantragen,

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1. festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende Darlehensvertrag vom 08.09.2011 mit der Darlehensnummer ... durch Widerruf vom 15.02.2016 unwirksam geworden ist und sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat;

7

2. festzustellen, dass die Kläger der Beklagten aus dem unter der Darlehensnummer ... geführten Darlehen nicht mehr als 174.167,61 €, abzüglich weiterer nach dem 18.02.2016 auf das Darlehen geleisteter 8.146,60 €, schulden;

8

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger außergerichtliche nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.952,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und von weiteren 4.670,75 € freizuhalten.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie meinen, der von den Klägern erklärte Widerruf entfalte keine Rechtsfolgen, da die Widerrufsfrist bereits verstrichen sei. Des Weiteren verhielten sich die Kläger treuwidrig.

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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle zu den mündlichen Verhandlungen vom 28.02.2017 und 16.05.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage hat keinen Erfolg. Dabei kann offen bleiben, ob die Feststellungsanträge der Kläger bereits wegen des „Vorrangs der Leistungsklage“ unzulässig sind (siehe BGH, Versäumnisurteil vom 21.02.2017, XI ZR 467/15). Jedenfalls ist die Klage unbegründet.

I.

14

Die Kläger können von der Beklagten nicht gemäß §§ 346, 495, 355, 357 BGB die Rückabwicklung des Darlehensvertrages vom 08.09.2011 (Anlage K 1) verlangen. Unabhängig von der Frage, ob das Begehren der Kläger als treuwidrig zu werten ist, steht den Klägern jedenfalls kein Widerrufsrecht mehr zu; denn sie haben ihren Widerruf im Schreiben vom 18.03.2016 nicht innerhalb der zu wahrenden Widerrufsfrist erklärt. Dem können die Kläger nicht entgegenhalten, die Widerrufsfrist sei mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung noch nicht verstrichen. Vielmehr unterrichtet die von der Beklagten verwandte Widerrufsinformation den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher gemäß den gesetzlichen Vorgaben inhaltlich klar und verständlich über die Bedingungen seines Widerrufsrechts (siehe BGH, Urteil vom 22.11.2016, XI ZR 434/15, Rn. 32).

1.

15

Die Belehrung zum Beginn der Widerrufsfrist ist nicht zu beanstanden. In dem Formular heißt es:

16

„Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) enthalten hat.“

17

Hierzu hat bereits das LG Hamburg zum Az. 330 O 544/16 ausgeführt:

18

„Die Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 3 BGB beginnt nicht, bevor der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhält. Hinsichtlich dieser Pflichtangaben enthält die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung in einem Klammerzusatz die beispielhafte Aufzählung „z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit“.

19

Zwar wird vertreten, dass eine unvollständige beispielhafte Aufzählung der Pflichtangaben in einem Klammerzusatz (OLG Koblenz, Urteil vom 15.10.2015 - 8 U 241/15, Rn. 27, zitiert nach juris; LG Kiel, Urteil vom 06.05.2016 - 6 O 206/15 ..., LG Saarbrücken, Urt. 06.05.2016, 1 O 247/15 ...) oder die Angabe von für die konkrete Darlehensart nicht einschlägiger Beispiele (OLG München, Urteil vom 21.05.2015 - 17 U 334/15, Rn. 34, zitiert nach juris, in einem obiter dictum; OLG Celle, Beschluss vom 02.12.2015 - 3 U 108/15, Rn. 45, ff., zitiert nach juris) zu einer Irreführung des Verbrauchers über den Beginn der Widerrufsfrist führen solle. Dieser Ansicht schließt sich das Gericht indes nicht an, soweit es - wie vorliegend - um die korrekte, indes erkennbar unvollständige, weil beispielhafte Aufzählung einschlägiger Angaben geht. ...

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Dabei berücksichtigt das Gericht, dass es der Gesetzgeber für den Verbraucher als zumutbar angesehen hat, zur Bestimmung des Beginns der Widerrufsfrist den Gesetzestext selbst heranzuziehen und zu lesen. So enthält auch das im Gesetz enthaltene „Muster für eine Widerrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge“ (Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB ...) keine vollständige Aufzählung der Pflichtangaben gem. § 492 Abs. 2 BGB, sondern beschränkt sich auf eine beispielhafte Aufzählung, deren sich die Beklagte vorliegend exakt bedient hat. Gerade weil der Gesetzgeber dem Verbraucher abverlangt, hinsichtlich der Pflichtangaben juristischen Verweisungen nachzugehen (§ 492 Abs. 2 BGB verweist auf Art. 247, §§ 6 bis 13 EGBGB, die zahlreiche unterschiedliche Varianten abdecken und für Verbraucherdarlehensverträge beispielsweise Bezug nehmen auf § 495 BGB [vgl. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB] und § 503 BGB [vgl. Art. 247 § 9 Abs. 1 EGBGB]) und es insoweit zahlreiche unterschiedliche Varianten und Fallgestaltungen gibt, kann von einer Irreführung nicht ausgegangen werden. Im Übrigen ergibt sich für den durchschnittlichen Verbraucher eindeutig, dass die Klammeraufzählung im Text der Widerrufsinformation nur beispielhaft Elemente enthält, die generell Bestandteil der Pflichtangaben sind, ohne den Eindruck zu erwecken, dass es sich insoweit um eine vollständige Aufzählung handelt. Dass sich die Beklagte mangels ausreichender Hervorhebung der Widerrufsinformation womöglich nicht auf den durch die Verwendung der Musterwiderrufsbelehrung ausgelösten Vertrauensschutz berufen kann, betrifft entgegen der Ansicht der Beklagten eine andere Frage als die der Ordnungsgemäßheit der Belehrung hinsichtlich des Fristbeginns und stellt auch die oben dargestellte gesetzgeberische Wertung hinsichtlich der Zumutbarkeit der Informationsbeschaffung durch einen Verbraucher nicht in Frage.

21

Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berechnung von Fristen (vgl. Urteil vom 23.09.2010, VII ZR 6/10, Rn. 26). Es reicht demnach aus, dass das das den Lauf der Frist auslösende Ereignis in der Widerrufsbelehrung benannt wird. Eine zusätzliche Belehrung auch über den Inhalt des § 187 Abs. 1 BGB und des § 188 Abs. 2 BGB, aus denen sich Beginn und Ende der Widerrufsfrist ergeben, sei, so der BGH, nicht notwendig. Auch für die Fristberechnung wird der Verbraucher mithin auf eigene Gesetzeslektüre verwiesen. Es ist nicht ersichtlich, warum in Bezug auf die Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB anderes gelten soll. Schließlich ist zu bedenken, dass das Erfordernis einer umfassenden Abbildung der Pflichtangaben im Vertragstext die Gefahr mit sich bringt, die Widerrufsinformation zu überfrachten und so den Schutzzweck des Verbraucherschutzrechts in das Gegenteil zu verkehren (sog. information overload).“

22

Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an (siehe bereits Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2017).

2.

23

Die Kläger beanstanden, die Widerrufsfolgen seien unvollständig dargestellt. Der Verbraucher bleibe im Unklaren über die Rückzahlungsfrist der Bank. Dieser Argumentation folgt die erkennende Kammer nicht. Vielmehr schließt sie sich den überzeugenden Ausführungen im Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.03.2017 zum Az. 305 O 129/16 an:

24

„Soweit die Klägerin rügt, die Belehrung über die Widerrufsfolgen sei unvollständig, da sie allein über die Pflichten des Kunden, nicht aber der Bank aufkläre, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Die hier maßgeblichen Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB a.F. lauten: „Besteht ein Widerrufsrecht nach § 495 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, müssen im Vertrag Angaben zur Frist und zu anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten sein, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten. Der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag ist anzugeben.“ Zu Unrecht rügt die Klägerin, dass nach geltender Rechtslage die Widerrufsbelehrung auch über die Pflichten der Bank im Widerrufsfalle aufklären müsse. Dafür geben Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB a.F. und auch die übrigen gesetzlichen Vorgaben keine Anhaltspunkte her. Ersichtlich verlangen Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB a.F. lediglich Hinweise zur „Verpflichtung des Darlehensnehmers“.“

3.

25

Die Kläger rügen, dass in dem Formular der Beklagten das folgende Feld angekreuzt ist:

26

„- wenn die Sparkasse gegenüber öffentlichen Stellen Aufwendungen gemäß ... erbringt (z.B. Notarkosten, die nicht zurückerstattet werden) und sich für den Fall des Widerrufs die Geltendmachung dieses Anspruchs vorbehalten will -

27

Der Darlehensgeber hat der Sparkasse auch die Aufwendungen zu ersetzen, die diese an öffentliche Stellen erbracht hat und nicht zurückverlangen kann.“

28

Zur Begründung führen sie an, dass vorliegend nicht die Beklagte, sondern nur die Kläger Grundbuch- und Notarkosten getragen hätten. Deshalb hätte nach dem Gestaltungshinweis 7 der Musterwiderrufsinformation die Belehrung entfallen müssen, da der Zusatz überflüssig sei. Die Regress-Klausel würde die Kläger unzulässig von der Geltendmachung ihres Widerrufsrechts abhalten.

29

Diese Auffassung teilt die erkennende Kammer nicht und schließt sich den Ausführungen des Landgerichts Hamburg im Urteil vom 22.03.2017 zum Az. 305 O 129/16 an:

30

„Es kann jedoch dahinstehen, ob vorliegend tatsächlich Aufwendungen gegenüber öffentlichen Stellen erbracht wurden oder auch nur möglicherweise erbracht werden sollten oder nicht. Der von der Klägerin monierte Passus enthält lediglich eine Klarstellung, dass der Darlehensnehmer möglicherweise einer Erstattungspflicht unterliegt, „wenn“ gegenüber öffentlichen Stellen Aufwendungen seitens des Darlehensgebers getätigt werden - was zutrifft. Dies bedeutet aus der Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers jedoch nicht notwendig, dass tatsächlich solche Aufwendungen des Darlehensgebers angefallen sind oder anfallen werden. Die Passage wirkt daher nicht unnötig abschreckend auf den Verbraucher.“

II.

31

Da die Kläger von der Beklagten keine Rückabwicklung des Darlehensvertrages verlangen können, besteht auch keine Verpflichtung der Beklagten die Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizuhalten.

III.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91a ZPO.

33

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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