Urteil vom Landgericht Hamburg (5. Zivilkammer) - 305 O 129/16

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf € 80.981,13 festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Rückabwicklung eines im Jahr 2011 geschlossenen Darlehensvertrages mit der Beklagten in Folge eines im Jahr 2015 erklärten Verbraucherwiderrufs.

2

Am 21.08.2011 schloss die Klägerin mit der Beklagten den Darlehensvertrag mit der Nr. ... über nominal € 130.000,00 zu einer Verzinsung in Höhe von (zunächst) 3,32 % p.a. (effektiver Jahreszins: 3,67 %). Das Darlehen ist nach dem Vertrag in voraussichtlich 181 monatlichen Raten i.H.v. € 901,33 zurückzuzahlen. Wegen der Einzelheiten des Darlehensvertrages vom 21.08.2011 wird auf Anlage K 1 Bezug genommen. Der Darlehensvertrag vom 21.08.2011 enthält eine Widerrufsbelehrung. Wegen der Einzelheiten der Widerrufsbelehrung wird ebenfalls auf Anlage K 1 Bezug genommen. Das Darlehen ist noch nicht vollständig getilgt. Die Klägerin zahlte bis Juni 2015 insgesamt € 63.855,86 Zinsen und Tilgung an die Beklagte.

3

Mit Schreiben vom 19.07.2015 (Anlage K 2) erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Widerruf des Darlehensvertrages. Die Beklagte wies den Widerruf des Darlehensvertrages zurück. Die Klägerin zahlte seit Juli 2015 weitere € 17.125,27 Zinsen und Tilgung an die Beklagte.

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Die Klägerin ist der Auffassung, der Widerruf des Darlehensvertrages am 19.07.2015 sei nicht verfristet gewesen und daher rechtswirksam. Eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung sei nicht erfolgt. Die Klägerin beanstandet Folgendes:

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- Der verwendeten „Ankreuzlösung“ fehle die nötige Deutlichkeit und Klarheit.

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- Die Widerrufsbelehrung führe nur teilweise die notwendigen Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB auf. Der Verbraucher müsse erst in Eigenrecherche herausfinden, über welche Pflichtangaben zu belehren sei. Im Übrigen heiße es in der Widerrufsbelehrung fälschlich, dass die „Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde“ eine Pflichtangabe sei.

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- Der Passus zur Ersatzpflicht des Darlehensnehmers hinsichtlich Aufwendungen des Darlehensgebers gegenüber öffentlichen Stellen sei unnötig, da solche Aufwendungen gar nicht anfallen würden. Die Konfrontation mit einer Kostenerstattungspflicht mache die Ausübung des Widerrufsrechts für den Verbraucher unnötig unattraktiv.

8

- Die Belehrung über die Widerrufsfolgen sei unvollständig, da sie lediglich einseitig über die Pflichten des Kunden, nicht aber der Bank aufkläre.

9

- Der Klammerzusatz nach „Der Widerruf ist zu richten an:“ sei verwirrend.

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- Die Widerrufsbelehrung erwecke wegen der Verwendung der unklaren Formulierung „Vertragsurkunde“ den Anschein, die Widerruffrist beginne bereits mit Übersendung des Vertragsangebots. Der Verbraucher könne begrifflich nicht unterscheiden, ob mit „Vertragsurkunde“ das von beiden Seiten unterzeichnete Vertragsdokument oder schon das Vertragsangebot der Beklagten gemeint sei.

11

- In der Widerrufsbelehrung werde angegeben, der Widerruf könne auf einer Internetseite erklärt werden. Auf der angegebenen Internetseite lasse sich jedoch keine Funktion zur Erklärung des Widerrufs finden.

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Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung entspreche insoweit auch nicht der einschlägigen Musterbelehrung, so dass sich die Beklagte auf die Schutzwirkung der Musterbelehrung nicht berufen könne.

13

Die Klägerin beantragt zu erkennen:

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1. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien bestehende (Verbraucher-) Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer ... vom 21.08.2011 in Folge des Widerrufs der Klägerin vom 19.07.2015 in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt worden ist und die Beklagte sich seit dem 04.09.2015 in Annahmeverzug befindet.

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2. Es wird weiter festgestellt, dass die Klägerin der Beklagten aus dem unter der Darlehensnummer ... geführten Darlehen nicht mehr als EUR 73.379,68 abzüglich weiterer nach dem 19.07.2015 auf das Darlehen geleisteter Zahlungen schuldet.

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3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin von den außergerichtlichen nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 3.109,65 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Klägerin freizuhalten.

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Hilfsweise für den Fall, dass die erkennende Kammer davon ausgehe, dass die Wertersatzansprüche der Beklagten statisch nach dem vertraglichen vereinbarten Zins und die Nutzungsersatzansprüche der Klägerin in Höhe von 2,5 % über dem jeweiligen Basiszins bestünden, beantragt die Klägerin anstelle des Klagantrag zu 2) zu erkennen:

18

2. Es wird weiter festgestellt, dass die Klägerin der Beklagten aus dem unter der Darlehensnummer ... geführte Darlehen nicht mehr als EUR 75.968,00, abzüglich weiterer nach dem 19.07.2015 auf das Darlehen geleisteter Zahlungen schuldet.

19

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

21

Die Beklagte ist der Auffassung, der Widerruf vom 19.07.2015 sei verfristet gewesen. Die Beklagte habe in jeder Hinsicht ordnungsgemäß über das gesetzliche Widerrufsrecht belehrt, so dass die Widerrufsfrist bereits im Jahr 2011 abgelaufen sei. Die Beklagte bestreitet insbesondere, dass die Widerrufsbelehrung die „Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde“ als Pflichtangabe im Sinne des § 492 Abs. 2 BGB aufführe. Die Beklagte könne sich zudem auf die Schutzwirkung der einschlägigen Musterbelehrung berufen. Die verwendete Widerrufsbelehrung weise lediglich unbeachtliche redaktionelle Änderungen im Vergleich zu Musterbelehrung auf. Ferner sei das Widerrufsrecht der Klägerin verwirkt. Jedenfalls sei die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist jedenfalls unbegründet. Die Klägerin kann Rückabwicklung des Darlehensvertrages vom 21.08.2011 mit der Nr. ... nicht verlangen, da der Widerruf vom 19.07.2015 verfristet und unwirksam war.

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1. Es kann dahinstehen, ob die Feststellungsanträge der Klägerin bereits wegen des Vorrangs einer Leistungsklage unzulässig sind (so wohl kürzlich: BGH, Versäumnisurteil vom 21.02.2017, Az. XI ZR 467/15). Die Klage ist mangels wirksamen Widerrufs jedenfalls unbegründet.

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2. Die Feststellung gemäß dem Klagantrag zu 1) kann nicht getroffen werden. Der Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten wurde nicht durch die Widerrufserklärung vom 19.07.2015 beendet. Die Klägerin kann nicht gemäß §§ 346, 495, 355, 357 BGB a.F. in Verbindung mit Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB Rückabwicklung des Darlehensvertrages mit der Beklagten verlangen, weil die Widerrufserklärung vom 19.07.2015 verfristet war.

26

Gemäß Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB sind auf einen vor dem 13.06.2014 abgeschlossenen Verbrauchervertrag die Vorschriften des EGBGB und des BGB in der bis zu diesem Tag (also bis zum 12.06.2014) geltenden Fassung anzuwenden (im Folgenden: EGBGB a.F. und BGB a.F.). Gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. ist ein Verbraucher an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn ihm durch Gesetz ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB a.F. eingeräumt wird und wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. Gemäß § 495 Abs. 1 BGB a.F. steht einem Darlehensnehmer bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB a.F. zu. Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. 14 Tage, wenn dem Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss eine den Anforderungen des § 360 Abs. 1 BGB a.F. entsprechende Widerrufsbelehrung in Textform mitgeteilt wird. Wird die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher nach dem gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. maßgeblichen Zeitpunkt mitgeteilt, beträgt die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. einen Monat. Für Verbraucherdarlehensverträge kommt es indes für die Anforderungen an die Widerrufsbelehrung abweichend von § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. nicht auf § 360 BGB a.F. an. Denn gemäß § 495 Abs. 2 BGB a.F. gelten die §§ 355 bis 359a BGB a.F. bei Verbraucherdarlehensverträgen mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Widerrufsbelehrung die Pflichtangaben nach Artikel 247 § 6 Absatz 2 EGBGB a.F. treten und die Widerrufsfrist nicht beginnt vor Vertragsschluss und bevor der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB a.F. erhält.

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Gemäß den oben aufgezeigten rechtlichen Maßstäben endete die Widerrufsfrist bereits im Jahr 2011. Die Widerrufserklärung der Klägerin vom 19.07.2015 war damit verfristet und unwirksam. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht so, dass die Widerrufsfrist am 19.07.2015 noch nicht zu laufen begonnen hatte, weil die Beklagte die Klägerin nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt hatte. Die im Darlehensvertrag vom 21.08.2011 enthaltene Widerrufsbelehrung ist vielmehr ordnungsgemäß und hält der Überprüfung anhand der oben aufgezeigten Rechtsvorschriften stand. Auf die Frage, ob die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung der Musterbelehrung entspricht, kam es daher nicht an. Im Einzelnen:

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2.1. Zu Unrecht rügt die Klägerin, dem bei der Gestaltung der Widerrufsbelehrung gewählten „Checkbox-System“ fehle die nötige Deutlichkeit und Klarheit. Die Gestaltung der Widerrufsbelehrung im „Checkbox-System“ ist für den normalen Verbraucher nicht verwirrend und auch sonst unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 23.02.2016, Az. XI ZR 549/14 - juris). Vielmehr ist jedem normalen Verbraucher die Gestaltung von Verträgen im „Checkbox-System“ geläufig. Der normale Verbraucher weiß, dass nur die angekreuzten Passagen für ihn von Relevanz sind.

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2.2. Mit der Rüge der Klägerin, die Widerrufsbelehrung führe nur teilweise die notwendigen Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB a.F. auf, lässt sich die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung nicht begründen. Gemäß § 495 Abs. 2 BGB a.F. gelten die §§ 355 bis 359a BGB a.F. bei Verbraucherdarlehensverträgen mit der Maßgabe, dass die Widerrufsfrist nicht beginnt bevor der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB a.F. erhält. Gemäß § 492 Abs. 2 BGB a.F. muss der Vertrag die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB a.F. enthalten. Aus diesen gesetzlichen Vorgaben folgt nicht, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt, bevor der Verbraucher in der Widerrufsbelehrung eine abstrakte Übersicht über alle notwendigen Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB a.F. i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB a.F. erhalten hat. Aus § 492 Abs. 2 BGB a.F. i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB a.F. folgen eine Vielzahl von Pflichtangaben, deren abstrakte Aufzählung die Widerrufsbelehrung überfrachten würde. Vor diesem Hintergrund genügt eine Belehrung mit Hinweis auf die Vorschrift in § 492 Abs. 2 BGB a.F., die besagt, dass die Widerrufsfrist nicht beginnt, bevor der Verbraucher die Angaben nach dieser Vorschrift erhalten hat. Diese Auffassung entspricht der gesetzgeberischen Wertung in der Musterbelehrung in Anlage 6 des EGBGB a.F., die ebenfalls nur exemplarisch („z.B.“) drei der Pflichtangaben aufzählt. Den aufgezeigten Anforderungen genügt die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung, da sie auf die Vorschrift in § 492 Abs. 2 BGB a.F. verweist und exemplarisch einige Pflichtangaben aufzählt. Es kommt im Übrigen für den Beginn der Widerrufsfrist allein darauf an, ob der Verbraucher die Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB a.F. tatsächlich erhalten hat. Dass Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB a.F. im Vertrag fehlen würden, ist indes weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit die Klägerin vorträgt, die Widerrufsbelehrung führe fälschlich die „Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde“ exemplarisch als Pflichtangabe auf, ist dies nicht nachvollziehbar. Ausweislich der in Anlage K 1 überreichten Widerrufsbelehrung ist die „Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde“ dort nicht exemplarisch als Pflichtangabe aufgeführt, stattdessen heißt es dort „(z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit)“.

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2.3. Zu Unrecht rügt die Klägerin, dass die Beklagte den Passus zur Erstattungspflicht von Aufwendungen des Darlehensgebers gegenüber öffentlichen Stellen gemäß Gestaltungshinweis 7 des Musterbelehrung in Anlage 6 des EGBGB a.F. in die Widerrufsbelehrung aufgenommen habe und dies abschreckend auf den Verbraucher wirke. Die Begründung der Klägerin, die Passage sei überflüssig, weil solche Aufwendungen „regelmäßig“ auf den Verbraucher abgewälzt würden, ist bereits unschlüssig. Wenn Aufwendungen gegenüber öffentlichen Stellen „nur“ regelmäßig vom Verbraucher übernommen werden, dann gibt es offenbar gerade „unregelmäßige“ Fälle, in denen diese Aufwendungen vom Darlehensgeber übernommen werden. Der Passus ist in diesen „unregelmäßigen“ Fällen keinesfalls überflüssig. Es kann jedoch dahinstehen, ob vorliegend tatsächlich Aufwendungen gegenüber öffentlichen Stellen erbracht wurden oder auch nur möglicherweise erbracht werden sollten oder nicht. Der von der Klägerin monierte Passus enthält lediglich eine Klarstellung, dass der Darlehensnehmer möglicherweise einer Erstattungspflicht unterliegt, „wenn“ gegenüber öffentlichen Stellen Aufwendungen seitens des Darlehensgebers getätigt werden - was zutrifft. Dies bedeutet aus der Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers jedoch nicht notwendig, dass tatsächlich solche Aufwendungen des Darlehensgebers angefallen sind oder anfallen werden. Die Passage wirkt daher nicht unnötig abschreckend auf den Verbraucher.

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2.4. Soweit die Klägerin rügt, die Belehrung über die Widerrufsfolgen sei unvollständig, da sie allein über die Pflichten des Kunden, nicht aber der Bank aufkläre, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Die hier maßgeblichen Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB a.F. lauten: „Besteht ein Widerrufsrecht nach § 495 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, müssen im Vertrag Angaben zur Frist und zu anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten sein, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten. Der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag ist anzugeben.“ Zu Unrecht rügt die Klägerin, dass nach geltender Rechtslage die Widerrufsbelehrung auch über die Pflichten der Bank im Widerrufsfalle aufklären müsse. Dafür geben Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB a.F. und auch die übrigen gesetzlichen Vorgaben keine Anhaltspunkte her. Ersichtlich verlangen Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB a.F. lediglich Hinweise zur „Verpflichtung des Darlehensnehmers“.

32

2.5. Soweit die Klägerin rügt, der Klammerzusatz „(Name/Firma und ladungsfähige Anschrift der Sparkasse. Zusätzlich können angegeben werden: [...]“ nach „Der Widerruf ist zu richten an:“ sei verwirrend, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Die Beklagte hat im Klammerzusatz lediglich abstrakt die Informationen aufgezählt, welche an dieser Stelle einzufügen sind. Der streitgegenständliche Klammerzusatz ist erkennbar orientiert an Gestaltungshinweis [3] der Musterbelehrung in Anlage 6 des EGBGB a.F.. Der Gestaltungshinweis [3] ist nach Auffassung der Kammer zwar eigentlich so zu verstehen, dass der Klammerzusatz gestrichen wird und die konkreten Angaben eingesetzt werden. Wird der Klammerzusatz jedoch nicht ersetzt, sondern werden stattdessen nachfolgend die konkreten Angaben eingefügt, ist dies ebenfalls vertretbar und führt nicht zur Irreführung des Verbrauchers. So ist es hier: Unmittelbar an den Klammerzusatz folgen klar und verständlich die notwendigen konkreten Informationen dazu, wohin der Widerruf zu richten ist, nämlich „H. S. Kasse AG, ... .

33

2.6. Den Einwand der Klägerin, die Verwendung des Begriffs „Vertragsurkunde“ im Zusammenhang mit der Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist sei für den Verbraucher missverständlich, ist lebensfern und konstruiert. Ein durchschnittlicher Verbraucher wird bei Lektüre der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung nicht dahin in die Irre geführt, dass die Widerrufsfrist bereits mit Übersendung eines Vertragsangebots beginnen könnte. Dieses Sprachverständnis entspricht im Übrigen der Wertung des Gesetzgebers, der in der Musterbelehrung in Anlage 6 des EGBGB a.F. eine identische Formulierung wie die Beklagte verwendet.

34

2.7. Soweit die Klägerin mit - nicht nachgelassenem - Schriftsatz vom 06.03.2017 rügt, auf der in der Widerrufsbelehrung angegebenen Internetseite lasse sich keine Funktion zur Erklärung des Widerrufs finden, ist dies unsubstantiiert und irreführend. Es mag keine eigenständige „Funktion“ auf der Internetseite exklusiv zur Erklärung eines Widerrufs geben. Die Internetseite der Beklagten enthält jedoch ein leicht aufzufindendes Kontaktformular, wie es dem durchschnittlichen Verbraucher vertraut und auf Internetseiten üblich ist. Über das Kontaktformular hätte der Widerspruch erklärt werden können. Das ist, wie die Beklagte zu Recht ausführt, ausreichend.

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3. Die Klage gemäß dem Klagantrag zu 2), dem Hilfsklagantrag zu 2) und dem Klagantrag zu 3) ist ebenfalls unbegründet. Der Erfolg dieser Klaganträge würde jeweils voraussetzen, dass der Widerruf vom 19.07.2015 wirksam war. Der Widerruf vom 18.07.2015 war indes verfristet und unwirksam (s.o.).

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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit war § 709 ZPO zu entnehmen.

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5. Die Streitwertfestsetzung auf insgesamt € 80.981,13 beruht auf § 63 Abs. 2 GKG. Die Klaganträge zu 1) und 2) sowie der Hilfsantrag zu 2) betreffen einen einheitlichen Streitgegenstand (Bestehen eines Rückgewährschuldverhältnisses), dessen Wert auf € 80.981,13 festgesetzt wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss v. 12.01.2016, Az. XI ZR 366/15 - juris), der sich die Kammer anschließt, bemisst sich der Streitwert in Widerrufsfällen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 358 BGB nach der Hauptforderung, die der Verbraucher gemäß §§ 346 ff. BGB beanspruchen zu können meint. Beanspruchen kann der Verbraucher die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Diese belaufen sich im vorliegenden Fall auf € 63.855,86 +€ 17.125,27 = € 80.981,13. Der Klagantrag zu 3) hat keinen eigenen Streitwert, da er lediglich eine Nebenforderung betrifft, § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO.

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