Beschluss vom Landgericht Hamburg - 326 T 157/16

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer vom 13.10.16 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg, Insolvenzgericht, vom 01.09.2016, Aktenzeichen: 67g IN 266/16, eine Gläubigerversammlung der Anleihegläubiger nicht einzuberufen, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Mit Antrag vom 04.07.2016 stellte die Schuldnerin, die insgesamt drei Anleihen begeben hat, einen eigenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Außerdem beantragte sie die (vorläufige) Eigenverwaltung.

2

Die Schuldnerin, deren Geschäftsgegenstand der „Betrieb von landwirtschaftlichen Betrieben zur landwirtschaftlichen Urproduktion, der Handel mit landwirtschaftlichen Produkten, die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Energie etc.“ ist, hat drei Anleihen im Sinne des Schuldverschreibungsgesetzes begeben.

3

Die erste Anleihe (Biowertpapier I, Laufzeit 2010 bis 2015) wurde im Umfang von ca. 9,6 Mio. Euro in Anteile an der Anleihe „Biowertpapier III“ umgetauscht, im Übrigen vollständig zurückgeführt.

4

Die Schuldnerin hat im Juni 2011 eine zweite Anleihe (Biowert II) begeben, mit dem Laufzeitende 05. Juni 2017. Die Anleihe wurde in 2011 mehrfach aufgestockt. Ab 2013 erfolgten Aufstockungen durch Privatplatzierungen. Die Anleihebedingungen der Anleihe Biowertpapier II lauten in Ziffer 7.10:

5

"(Die Schuldnerin) verfügt über keine entsprechende Vertretung von Schuldtitelinhabern nach Schuldverschreibungsgesetz."

6

Weitere Verweise auf das SchVG 2009 sind den Anleihebedingungen nicht zu entnehmen.

7

Die dritte Anleihe „Biowert III“ hatte eine Laufzeit vom 15.10.2014 bis 14.10.2019. Sie wurde über den öffentlichen Handel des Open Market der Deutschen Börsen AG begeben. Die im Wertpapierprospekt vom 12. August 2014 unter Ziffer 19 (S. 97 ff. des Wertpapierprospekts) wiedergegebenen Anleihebedingungen lauten unter dem Gliederungspunkt "Beschlüsse, Vertretung und Bekanntmachungen" (S. 100 des Wertpapierprospekts):

8

"(Die Schuldnerin) verfügt über keine entsprechende Vertretung von Schuldtitelinhabern nach Schuldverschreibungsgesetz."

9

Weitere Verweise auf das SchVG 2009 sind den Anleihebedingungen nicht zu entnehmen.

10

Die Schuldnerin hat sodann im Jahr 2015 Aufstockungen der Anleihe vorgenommen, durch Begebung an institutionelle Investoren (sog. Privatplatzierungen) im Wege von Globalurkunden. Bei Übersendung der Globalurkunden an die Zahlstelle Gebrüder M. AG (d.h. nach Zeichnung) wurden den Globalurkunden von der Schuldnerin neu gefasste Anleihebedingungen beigefügt. Die Zahlstelle leitete die Unterlagen an die Tochtergesellschaft der Deutsche Börse AG, die Zentralverwahrer für deutsche Wertpapiere ist, weiter. Auf der Website der Schuldnerin wurden die neu gefasste Anleihebedingungen im Downloadbereich zum Biowertpapier III neben dem weiterhin hinterlegten Wertpapierprospekt vom 12. August 2014 zum Abruf bereitgestellt.

11

Die neu gefassten Anleihebedingungen weichen von dem ursprünglichen Wertpapierprospekt der Anleihe Biowertpapier III insbesondere durch eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Regelungen des 2. Abschnitts des SchVG 2009 ab. Diese neu gefassten Anleihebedingungen lauten:

12

§ 13 Ziffer 1:

13

"Die Anleihegläubigerversammlung wird von der Anleiheschuldnerin oder dem gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger einberufen. Sie ist einzuberufen, wenn Anleihegläubiger, deren Teilschuldverschreibungen zusammen 5 % der ausstehenden Teilschuldverschreibungen erreichen, dies schriftlich mit der Begründung verlangen, sie wollten einen gemeinsamen Vertreter bestellen oder abberufen, sie wollten nach § 5 Abs. 5 Satz 2 SchVG über das Entfallen der Wirkung der Kündigung beschließen oder sie hätten ein sonstiges besonderes Interesse an der Einberufung."

14

§ 13 Ziffer 4:

15

"Soweit in den Anleihebedingungen nichts anderes geregelt ist, gelten für das Verfahren und die Beschlussfassung in der Anleihegläubigerversammlung die gesetzlichen Vorschriften des SchVG."

16

§ 14 Ziffer 1:

17

"Beschlüsse der Anleihegläubigerversammlung gemäß § 5 SchVG werden auf der Anleihegläubigerversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst."

18

Verschiedene Antragsteller beantragten, eine Versammlung der Anleihegläubiger einzuberufen, um die Anleihegläubiger über die Wahl eines gemeinsamen Vertreters nach § 19 Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) abstimmen zu lassen. Die meisten Antragsteller empfahlen sich dabei selbst als wählbaren gemeinsamen Vertreter.

19

Mit Beschluss vom 01.09.2016, veröffentlicht am 01.09.2016, wurde das Insolvenzverfahren (zunächst) als Eigenverwaltungsverfahren eröffnet. Zum Sachwalter wurde Rechtsanwalt S. D. bestellt. Im Rahmen dieses Beschlusses hat das Insolvenzgericht zugleich entschieden:

20

"Eine Versammlung nach § 19 SchVG wird nicht einberufen."

21

Mit Ergänzungsbeschluss vom 28.09.17 wurde die Nichteinberufung der Versammlung begründet. In Bezug auf den Inhalt der Begründung wird an dieser Stelle auf Bl. 991 ff. d.A. ergänzend verwiesen (auch nachzulesen bei juris: AG Hamburg, 01.09.2017, 67g IN 266/16 bzw. AG Hamburg, ZIP 2016,2030).

22

Auf Antrag der Schuldnerin wurde sodann die Eigenverwaltung aufgehoben und Rechtsanwalt D. zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 06.10.16 wurde der erste Berichtstermin durchgeführt. Die Gläubigerversammlung stimmt mit 57,80% für das „Delisting“ der Aktien der Insolvenzschuldnerin und der Anleihen Biowert II und Biowert III an der Frankfurter Wertpapierbörse.

23

Am 13.10.2017 legten die Beschwerdeführer sofortige Beschwerde gemäß § 34 InsO, hilfsweise gemäß § 23 I, II EGGVG, gegen die Nichteinberufung einer Versammlung der Anleihegläubiger ein (Bl. 1146 ff. d.A.).

24

Zuständig für die Entscheidung über die Einberufung einer Versammlung im Sinne des § 19 SchVG sei der Rechtspfleger, nicht der hier tätig gewordene Richter. Schon aus diesem Grunde sei die Entscheidung aufzuheben.

25

Auch wenn die Anleihebedingungen im vorliegenden Fall die Wahl eines gemeinsamen Vertreters nicht vorsähen, sei gemäß § 19 SchVG zwingend eine Gläubigerversammlung einzuberufen und den Anleihegläubigern die Möglichkeit zu gewähren, einen gemeinsamen Vertreter für das Insolvenzverfahren zu bestellen. Es sei keine Voraussetzung des § 19 SchVG, dass die Anleihebedingungen Mehrheitsbeschlüsse nach § 5 SchVG generell vorsehen. Dies sei einhellige Auffassung in Literatur und Rechtsprechung und ergebe sich sowohl nach der historischen, teleologischen als auch der Wortlautauslegung der Regelung. Die systematische Auslegung lege zwar einen anderen Schluss nahe, müsse aber zurückstehen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Beschwerdebegründung (Bl. 1146 ff. d. A.) Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 20.10.16 führten die Beschwerdeführer weiter aus, die Entscheidung im Berichtstermin über das „Delisting“ der Anleihen sei rechtswidrig zustande gekommen, da nicht zuvor den Anleihegläubigern eine Möglichkeit gegeben worden sei, einen gemeinsamen Vertreter zu wählen, der ihre Interessen im Insolvenzverfahren gebündelt gegenüber den anderen Anlagegläubigern hätte vertreten können. Insoweit sei es zu einer Verzerrung der Mehrheitsverhältnisse gekommen, die die Anleihegläubiger benachteilige.

26

Dem Insolvenzverwalter wurde rechtliches Gehör gewährt. Unter Bezugnahme auf dessen Ausführungen im Schriftsatz vom 31.10.2016 (Bl. 1227 ff. d. A.) auf die hier ergänzend verwiesen wird, half das Insolvenzgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab (Bl. 1229 Rückseite) und legte die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vor.

27

Mit Schriftsatz vom 05.01.2017 (Bl. 1312 ff.) vertieften die Beschwerdeführer ihre Argumentation.

28

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

II.

29

Es erscheint schon zweifelhaft, ob die sofortige Beschwerde vom 13.10.2016 überhaupt zulässig ist (dazu unter 1.), jedenfalls ist sie aber unbegründet (dazu unter 2.).

1.

30

Die sofortige Beschwerde dürfte schon unzulässig sein.

a)

31

Gemäß § 6 InsO unterliegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts einer sofortigen Beschwerde nur dann, wenn das Gesetz dieses Rechtsmittel ausdrücklich vorsieht. Vorliegend sieht weder die Insolvenzordnung noch das Schuldverschreibungsgesetz gegen die Entscheidung, einen Antrag auf Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung zurückzuweisen, ein Rechtsmittel vor. Demnach wäre die sofortige Beschwerde schon als unstatthaft zurückzuweisen.

32

Allerdings wird zumindest vereinzelt der Standpunkt vertreten, eine analoge Anwendung des § 34 InsO sei angebracht, wenn die Ablehnungsentscheidung im Rahmen des Insolvenzeröffnungsantrages getroffen werde. Beschwerdebefugt sei dann jeder Schuldverschreibungsgläubiger oder der Schuldner (vgl. Dr. Chranshaw, juris PR-InsR 10/2017 Anm.4). Diese Auffassung kann jedoch nur schwer überzeugen. Sie führt zu einer Ungleichbehandlung von Insolvenzverfahren je nachdem, ob das Insolvenzgericht entscheidet, über den Antrag auf Durchführung einer Gläubigerversammlung der Anleihegläubiger bereits vor der Insolvenzeröffnung oder aber erst mit der Insolvenzeröffnung zu befinden. Die somit allein vom Handlungszeitpunkt des Insolvenzgerichts abhängige Rechtsmittelzulässigkeit stünde im Widerspruch zum Grundsatz der Rechtssicherheit und Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte.

b)

33

Die sofortige Beschwerde dürfte ggf. auch verfristet sein. Gemäß § 6 II InsO ist die sofortige Beschwerde binnen einer Notfrist von 2 Wochen ab Zustellung der gerichtlichen Entscheidung zulässig. Die Zustellung kann gemäß § 9 Abs. III InsO durch öffentliche Bekanntmachung mit Wirkung gegenüber jedermann ersetzt werden.

34

Vorliegend wurde die Entscheidung über die Ablehnung der Gläubigerversammlung mit dem Beschluss über die Insolvenzeröffnung bereits am 01.09.2016 im amtlichen Anzeiger öffentlich bekannt gemacht. Der Umstand, dass diese Entscheidung erst am 28.09.16 um eine – wohl formlos an die Gläubiger übersandte - Begründung ergänzt wurde, ändert nichts daran, dass für die Beschwerdeführer die Ablehnung ihres Begehrens auf Durchführung einer Gläubigerversammlung bereits am 01.09.2016 erkennbar wurde. Gemäß § 9 Abs. I S. 3 sind zwei weitere Tage hinzuzurechnen, bevor die Zustellung unterstellt werden kann. Die Beschwerdefrist endete somit spätestens zum 18.09.2016. Eingelegt wurde die sofortige Beschwerde erst am 13.10.16 und damit verfristet.

35

Letztlich kann jedoch die Frage der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde oder eines anderen Rechtsmittels im Sinne des § 23 EGGVG aber dahinstehen.

2.

36

Selbst wenn man die sofortige Beschwerde (oder einen anderen Rechtsbehelf) hier als zulässig ansehen wollte, wäre dieser Rechtsbehelf jedenfalls unbegründet. Eine Verpflichtung des Insolvenzgerichts, im Falle der Insolvenz zwingend eine Gläubigerversammlung der Anleihegläubiger einzuberufen, besteht nicht.

a)

37

Die Zuständigkeit des Richters in Bezug auf die Entscheidung über die Einberufung einer Gläubigerversammlung nach dem Schuldverschreibungsgesetz ergibt sich aus § 18 II RechtspflegerG.

b)

38

Eine Wortlautauslegung des § 19 SchVG ergibt nicht, dass die sofortige Beschwerde im vorliegenden Fall begründet ist, d.h. die Gläubigerversammlung der Anleihegläubiger hier durch das Insolvenzgericht hätte einberufen werden müssen.

39

Allerdings ist den Beschwerdeführer einzuräumen, dass der Formulierung des § 19 SchVG nicht zu entnehmen ist, dass diese Norm nur dann Anwendung finden soll, wenn die Anleihebedingungen Mehrheitsbeschlüsse bzw. einen gemeinsamen Vertreter im Sinne des § 5 I SchVG ausdrücklich vorsehen. Der Wortlaut des § 19 SchVG schweigt zu der Frage seines Verhältnisses zu § 5 I SchVG ebenso wie umgekehrt § 5 SchVG. Der Wortlaut ist damit aber weder in die eine noch in die andere Richtung eindeutig.

c)

40

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der historischen Auslegung des § 19 SchVG.

41

Zutreffend ist, dass die Vorgängernorm, § 18 III S. 1 Hs 1 SchVG 1899 lautete:

42

„Unverzüglich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist eine Gläubigerversammlung einzuberufen, um über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren zu beschließen.“

43

Diese insoweit sehr viel zweifelsfreiere und eindeutigere Formulierung hat der Gesetzgeber jedoch im Jahr 2009 nicht beibehalten. Sie wurde durch die Bestimmung § 19 Abs. II SchVG

44

„Die Gläubiger können durch Mehrheitsbeschluss zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren einen gemeinsam Vertreter für alle Gläubiger bestellen.“

45

ersetzt. Die Beschwerdeführer führen hierzu selbst aus, dass durch die Reform des Schuldverschreibungsgesetzes der Gesetzgeber grundsätzlich eine Beschlusskompetenz der Anleihegläubiger unabhängig von den Anleihebedingungen nicht mehr konstituieren wollte. Das neue Gläubigerorganisationsrecht wurde nur noch optinal gestaltet. Hätte der Gesetzgeber von diesem neuen Grundsatz in Bezug auf das Insolvenzverfahren eine Ausnahme machen wollen, wie die Beschwerdeführer geltend machen, hätte nichts näher gelegen, als die im Wortlaut eindeutige und zwingende Regelung des § 18 SchVG 1899 unverändert zu übernehmen. Der Gesetzgeber hat sich jedoch dagegen entschieden.

D)

46

Auch die Auslegung des § 19 II SchVG (2009) nach seinem Sinn und Zweck ergibt nicht zwingend, dass das Insolvenzgericht eine Versammlung der Anleihegläubiger immer einberufen muss.

47

Einzuräumen ist den Beschwerdeführern, dass die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters für eine Vielzahl von Gläubigern die Durchführung des Insolvenzverfahrens durch Bestimmung nur eines Ansprechpartners vereinfacht. Die Gläubiger, die die Anleihe (unbewusst, allein) aufgrund einer Entscheidung eines beauftragten Wertpapierdepot-Verwalters halten, würden durch die zwingend einzuberufende Gläubigerversammlung auf ihre Beteiligung an dieser prekär gewordenen Geldanlage ferner frühzeitig aufmerksam gemacht. Gleichzeitig würde diesen Anleihegläubigern eine stärkere Rolle innerhalb der Gläubigergemeinschaft zufallen, da ein gemeinsamer Vertreter ggf. dann ohne weiteren Aufwand der Einzelgläubiger für diese mit einer Stimme spricht.

48

Ob dies mit Sinn und Zweck der Reform des Schuldverschreibungsgesetzes konform geht, ist jedoch nicht so eindeutig zu beantworten (a.A. aber wohl obter dictum OLG Dresden, 12.04.17; 13 U 917/16).

aa)

49

§ 5 SchVG sieht vielmehr vor, dass den Anleihebedingungen, die der Emittent vorgibt, in Bezug auf die Beschlusskompetenzen der Anleger ab 2009 eine höhere Bedeutung zugebilligt werden sollte. Nur wenn die Anleihebedingungen die Option vorsehen, Anleihebedingungen und die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters durch Mehrheitsbeschluss zu beschließen, soll dies für die Anleihegläubiger möglich sein.

50

Im vorliegenden Fall bestimmten diese Anleihebedingungen jedoch ausdrücklich, dass die Schuldnerin „über keine entsprechende Vertretung von Schuldtitelinhabern nach Schuldverschreibungsgesetz“ (verfügt). Ein gemeinsamer Vertreter war daher nach den Anleihebedingungen gerade nicht gewollt.

51

Eine Änderung dieser Anleihebedingungen wurde auch im Rahmen der Aufstockung der Anleihe nicht wirksam vorgenommen, da die neu gefassten Anleihebedingungen weder von der BaFin genehmigt noch vor der Übersendung der Globalurkunde wirksam einbezogen wurden. Auch gab es – soweit ersichtlich - keinen einstimmigen Beschluss der Anleihegläubiger des Biowertpapiers III gemäß § 4 SchVG 2009 zur Änderung der Anleihebedingungen gemäß Wertpapierprospekt in Bezug auf die neu gefassten Anleihebedingungen.

bb)

52

Nach der neueren Rechtsprechung des BGH sind die Kosten eines gemeinsamen Vertreters ferner nicht als Massekosten oder Kosten des (Insolvenz-)Schuldners anzusehen. Wäre das Insolvenzgericht jedoch gezwungen, die Gesellschafterversammlung einzuberufen, hätte es Veranlassung für diese Kosten gegeben, was dann aber doch für eine Massekosteneinordnung sprechen würde. Dies würde zu Lasten der Insolvenzmasse und der übrigen Gläubiger gehen, was nicht sachgerecht erscheint. Dies gilt umso mehr, als jeder Anleihegläubiger die Möglichkeit hat, sich außerhalb des Insolvenzverfahrens mit Gleichbetroffenen zusammen zu schließen und gemeinsam vertreten zu lassen, wie alle anderen Gläubiger auch, wenn er hieran ein Interesse hat und sich dazu frei und privatautonom entscheidet. Die Interessen der Anleihegläubiger erscheinen insoweit nicht schützenswerter als die der übrigen Beteiligten am Insolvenzverfahren.

cc)

53

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der „Delisting“-Beschluss der Gläubigerversammlung mangels Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger rechtswidrig ergangen ist. Alle Gläubiger, auch die Anleihegläubiger, hatten die gleiche Möglichkeit, am Berichtstermin teilzunehmen und über die Frage abzustimmen. Eine solche Stimmrechtsausübung ist nicht dadurch untersagt worden, dass kein gemeinsamer Vertreter gewählt werden konnte. Die Stimmrechtsausübung ist den Anleihegläubigern nur nicht erleichtert worden. Dies ist angesichts des Gebotes einer Gläubigergleichbehandlung aber nicht zu beanstanden.

e)

54

Die systematische Auslegung spricht schließlich auch nach der Auffassung der Beschwerdeführer eindeutig gegen die Annahme, dass eine Versammlung der Anleihegläubiger vom Insolvenzgericht zwingend immer einzuberufen ist.

55

Die Kammer teilt die Auffassung des Insolvenzgerichts, das § 19 InsO nicht isoliert betrachtet werden kann. § 5 SchVG leitet als allgemeine Regelung den zweiten Abschnitt des SchVG ein und bestimmt, dass die Gläubigerorganisationsrechte generell durch den Emittenten als freiwillige Option in die Anleihebedingungen aufgenommen werden können, aber nicht müssen. Die Geltung des gesamten 2. Abschnittes des Schuldverschreibungsgesetzes hängt davon ab, dass über die Regelung des §5 der Emittent die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen in den Anleihebedingungen eingeräumt hat. Auch für den nachfolgenden § 19 SchVG ist dies somit Voraussetzung.

56

Nur wenn die Anleihebedingungen eine Option in Bezug auf Mehrheitsentscheidungen und gemeinsame Vertreter enthält, ist daher eine Gläubigerversammlung bezüglich der Anleihegläubiger vom Insolvenzgericht einzuberufen. Vorliegend schließen die Anleihebedingungen einen gemeinsamen Vertreter jedoch ausdrücklich aus.

57

Da die anderen Auslegungsmöglichkeiten (Wortlaut, Sinn und Zweck, Historie) zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, kann auch nicht der Auffassung der Beschwerdeführer gefolgt werden, dass die insoweit eindeutige systematisch Auslegung gegenüber den anderen Auslegungsregeln als bloß formales Argument zurücktreten müsse.

58

Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die sorgfältige und umfangreiche Begründung des Insolvenzgerichtes in seinem Ergänzungsbeschluss vom 28.09.2016 (Bl. 991 ff. d.A.) ergänzend Bezug genommen (vgl. zum Ganzen auch Dr. Cranshaw, jurisPR-InsR 10/2017, Anm. 4). Die dortigen überzeugenden Argumente macht sich die Beschwerdekammer zu Eigen.

3.

59

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO, § 91 ZPO.

60

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen. Es handelt sich um eine Entscheidung mit grundsätzlicher Bedeutung für die Rechtsfortbildung und Rechtsvereinheitlichung. Soweit ersichtlich liegen obergerichtliche Entscheidungen zur Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen die Ablehnung der Einberufung einer Versammlung nach § 19 SchVG (2009) derzeit ebenso wenig vor wie zu der Frage des Spannungsverhältnisses von § 5 SchVG (2009)zu § 19 SchVG (2009). Diese Fragen können Bedeutung für eine Vielzahl von Fällen bekommen. Es sollte daher eine höchstrichterliche Stellungnahme ermöglicht werden.

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