Urteil vom Landgericht Hamburg - 316 O 242/17

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

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Die Kläger begehren Beseitigung und Unterlassung baulicher Veränderungen im Bereich einer Fläche auf dem Nachbargrundstück, dessen Eigentümer der Beklagte war.

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Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks F. ... in H., Grundbuch L. Band ... , Bl ... , Flurstück ... . Der Beklagte war teilender Alleineigentümer des Nachbargrundstücks F. ... , Grundbuch L., Band ... , Blatt ... , Flurstück ... . Seit dem 15.07.2016 bestehen verselbständigte Wohnungsgrundbücher. Der Beklagte ist seit dem 14.07.2017 nicht mehr Alleineigentümer. Die Erwerber der Wohnung Grundbuch L., Bl ... wurden am 14.07.2017 in das Grundbuch eingetragen. Inzwischen ist der Beklagte auch nicht mehr Eigentümer der weiteren Wohnungen.

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Mit Verfügung des Bezirksamts A. vom 13.5.1969 wurde aufgrund der Einverständniserklärung der betroffenen Grundstückseigentümer, der Kläger einerseits sowie der damaligen Eigentümer des Grundstücks F. ... andererseits, vom 02.04.1969 zwischen ihren Grundstücken eine Hofgemeinschaft gemäß § 11 Abs. 2 der Baupolizeiverordnung vom 08.06.1938 gebildet. In der Einverständniserklärung heißt es, dass die Hofgemeinschaft als öffentlich-rechtliche Baubeschränkung auf Flurstück ... - das im Eigentum der Kläger steht - lasten und die Verpflichtung begründen soll, die auf der Abzeichnung der Flurkarte, Antrag Nr. A... vom 18.04.1968 mit a, b, c, d, e bezeichnete in braun angelegte - braun umrandete - Fläche des Flurstücks... nicht zu bebauen (Anlage K 1). Ein Teil dieser Fläche auf dem ehemals im Alleineigentum des Beklagten stehenden Grundstücks, F. ... , wurde im Rahmen eines Neubaus eines Doppelhauses bebaut und gepflastert sowie als Zufahrt und zum Abstellen von Pkw genutzt.

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Die Kläger forderten den Beklagten außergerichtlich erfolglos zum Rückbau auf.

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Die Kläger sind der Ansicht, die Vereinbarung vom 02.04.1969 habe eine öffentlich-rechtliche Baubeschränkung zur Folge. Die Bebauung und Pflasterung der genannten Fläche sei entgegen der Vereinbarung erfolgt. Sie meinen, der Beklagte sei als Handlungsstörer zur Beseitigung der baulichen Veränderung verpflichtet. Den Klägern stehe ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB zu. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 1004 BGB sei nicht das Vorliegen eines subjektiv-öffentlichen Rechts, sondern eine Beeinträchtigung des Eigentums. Diese liege in der Nichteinhaltung der Nachbarvereinbarung von 1969 sowie der nun wesentlich intensiveren Nutzung der frei zu haltenden Fläche als Zufahrt.

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Die Kläger beantragen,

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1. den Beklagten zu verpflichten, die im Bereich der streitgegenständlichen freizuhaltenden Fläche (vgl. Anlagenkonvolut K1 - die auf der Flurkarte vom 10.04.1968 bezeichnete in braun angelegte und braun umrandete Fläche) sämtlich vorgenommenen baulichen Veränderungen - insbesondere die Pflasterung sowie etwaige oberirdische Bebauungen jedweder Art - auf eigene Kosten zurückzubauen bzw. zu beseitigen und den vorherigen ordnungsgemäßen Zustand in fachgerechter Weise wiederherzustellen.

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2. den Beklagten zu verurteilen, es unter Androhung eines Ordnungsgeldes für den jeweiligen Fall der Zuwiderhandlung in Höhe von 250.000,00 oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, erneut solche baulichen Veränderungen i.S.d. Antrags zu 1. in Zukunft vorzunehmen, insbesondere die freizuhaltende Fläche i.S.d. Antrags zu 1. oberirdisch zu bebauen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Ansicht, es fehle an der Passivlegitimation und die Vereinbarung vom 02.04.1969 gelte nicht fort. Diese habe weder ihm noch den Wohnungseigentümern gegenüber Bindungswirkung, da es sich bei der Hofgemeinschaft um eine öffentlich-rechtliche Baubeschränkung handele, die einer Baulast vergleichbar sei und dem Nachbarn keine subjektiven Rechte gewähre. Die angebliche Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Baubeschränkung begründe keine Eigentumsverletzung, auf die ein geltend gemachter Anspruch aus § 1004 BGB gestützt werden könne.

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Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 26.01.2018 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Den Klägern steht ein Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung der Bebauung und Pflasterung der streitgegenständlichen Fläche gem. § 1004 Abs. 1 BGB nicht zu.

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§ 1004 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes durch den Störer beeinträchtigt wird. Da die streitgegenständliche Bebauung und Pflasterung nicht auf dem Grundstück der Kläger erfolgte, liegt insoweit keine Beeinträchtigung des Eigentums vor. Zu anderen Beeinträchtigungen ist, auch auf den Hinweis des Gerichts, nicht substantiiert vorgetragen worden. Der Vortrag, eine Beeinträchtigung des Eigentums liege in der nun wesentlich intensiveren Nutzung der streitgegenständlichen Fläche als Zufahrt, ist nicht hinreichend. Auch ein etwaiger Verstoß gegen die Erklärung vom 02.04.1969 stellt entgegen der Auffassung der Kläger - selbst wenn diese subjektive Rechte der Kläger begründen würde - keine Eigentumsbeeinträchtigung dar.

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Ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus der Hofgemeinschaft. Zwar käme, wenn das Institut der Hofgemeinschaft privatrechtliche subjektive Rechte der Kläger begründen würde, gegebenenfalls eine analoge Anwendung des § 1027 BGB in Betracht, welcher bei Beeinträchtigung einer Grunddienstbarkeit auf die Rechte aus § 1004 BGB verweist. Eine Hofgemeinschaft begründet jedoch kein einer Grunddienstbarkeit vergleichbares subjektives Recht.

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Unabhängig von der Frage des Fortbestehens der Hofgemeinschaften begründet eine Hofgemeinschaft jedenfalls keine subjektiven Nachbarrechte, sondern ist mit dem Institut der Baulast vergleichbar, das mit der HBauO 1969 die Hofgemeinschaft ablöste (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 28.07.2009 - 2 Bs 67/09, BeckRS 2009, 38901 hinsichtlich der Frage des Bestehens eines subjektiven öffentlichen Rechts). Dies ist für das Privatrecht nicht anders zu beurteilen, was aus der Vergleichbarkeit der Hofgemeinschaft mit der Baulast folgt. Bei Baulasten handelt es sich um Beschränkungen im Bereich des Bauordnungsrechts, die den Grundeigentümer und seine Rechtsnachfolger gegenüber der Behörde zu einem Dulden, Unterlassen oder zum positiven Tun verpflichten können (Mohr in MüKo BGB, 7. Aufl. 2017, Vor § 1018 Rn. 22). Ihre Begründung erfolgt - vergleichbar derjenigen der Hofgemeinschaft - durch einseitige, entsprechend der Zustimmung zur Widmung konstruierte Erklärung des Grundeigentümers (vgl. zur Baulast Mohr in MüKo a.a.O.). Im Verhältnis zwischen Belastetem und Begünstigtem gewährt eine Baulast keine durchsetzbaren privatrechtlichen Rechte des Begünstigten (BGH, Urteil vom 08.07.1983 - V ZR 204/82, NJW 1984, 124, 125; BGH, Urteil vom 07.10.1994 - V ZR 4/94, Rn. 13, zit. nach juris; BGH, Urteil vom 18.03.2016 - V ZR 75/15, Rn. 35, zit. nach juris; Mohr in MüKo BGB, a.a.O.; Staudinger/Weber (2017) Vorbemerkungen zu §§ 1018-1029 Rn. 12). Es entstehen „’hinkende Rechtsverhältnisse’, weil die Baulast privatrechtlich nicht das hält, was die öffentlich-rechtliche Wirkung für den rechtsungewandten Beteiligten verspricht“ (Staudinger/Weber (2017) Vorbemerkungen zu §§ 1018-1029 Rn. 12).

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Hinzu kommt, dass nach dem Wortlaut der Einverständniserklärung vom 02.04.1969 die Hofgemeinschaft als öffentlich-rechtliche Baubeschränkung auf Flurstück... begründet wurde, welches im Eigentum der Kläger steht. Eine entsprechende Beschränkung zulasten der jeweiligen Eigentümer des angrenzenden Flurstücks ... lässt sich dem Wortlaut der Einverständniserklärung jedoch nicht entnehmen.

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Auf die Frage, ob der Beklagte Störer war, kommt es damit nicht mehr an.

II.

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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.

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