Beschluss vom Landgericht Hamburg (30. Zivilkammer) - 330 T 42/20

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 06.08.2020, Az. 67h IN 52/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.117,11 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit Schreiben vom 20.07.2020 beantragte die Antragstellerin, Gläubigerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Gläubigerin) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Schuldnerin). Die Schuldnerin schulde Abgaben in Höhe von 1.117,11 € für den Zeitraum August bis Oktober 2019. Eine Kontopfändung sei erfolglos verlaufen, da vorrangige Pfändungen über 1.146,98 € bestünden.

2

Dieser Antrag wurde seitens des Insolvenzgerichts mit Verfügung vom 28.07.2020 beanstandet, da die Zahlungsunfähigkeit nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden sei. Insbesondere sei kein Vollstreckungsversuch vor Ort erfolgt.

3

Hierzu erklärte die Gläubigerin mit Schreiben vom 04.08.2020, die Vorlage von Fruchtlosbescheinigungen sei nicht erforderlich. Sie bezieht sich auf die Entscheidung BGH NZI 2004, 587, wonach eine erfolglose Einzelzwangsvollstreckung nicht zwingende Voraussetzung ist. Das Bankkonto sei das einzige Konto der Schuldnerin, dieses sei jedoch von mehreren Gläubigern gepfändet worden. Dadurch fehle der Schuldnerin der nötige Handlungsspielraum, was auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lassen.

4

Mit Beschluss vom 06.08.2020 hat das Amtsgericht den Eröffnungsantrag als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass ein Insolvenzgrund nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass das genannte Bankkonto das einzige Konto der Schuldnerin sei. Ebenso wenig sei dargelegt, warum Pfändungsversuche vor Ort nicht erfolgsversprechend gewesen sein. Auch in Liquidation befindliche Unternehmen könnten zahlungsfähig sein. Ein Rückstand mit Sozialversicherungsbeiträgen allein genügen nicht zur Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes. Dies gelte insbesondere im zeitlichen Umfeld Corona-Pandemie.

5

Mit Schreiben vom 19.08.2020, eingegangen am selben Tag, hat die Gläubigerin sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, dass seit dem 28.10.2019, dem Tag der Eröffnung des Beitragskontos der Schuldnerin, keine Zahlungen geleistet worden seien. Mittlerweile bestehe seit 12 Monaten ein Beitragsrückstand.

6

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 24.08.2020 nicht abgeholfen. Der Beschwerde sei eine Auseinandersetzung mit den Gründen des Beschlusses nicht zu entnehmen. Es fehle zudem auch eine Erläuterung, warum bereits derartig geringe Rückstände auf eine Zahlungsunfähigkeit hindeuten sollten. Die Gläubigerin weigere sich weiterhin, Pfändungsversuche vor Ort unternehmen zu lassen, obwohl zu erwarten sei, dass Büroeinrichtung oder elektronische Geräte gepfändet werden könnten. Auch die Vorpfändung zeige keine Zahlungsunfähigkeit auf. Selbst wenn es sich um das einzige Konto der Schuldnerin handeln sollte, kämen im Gewerbe der Schuldnerin auch Barzahlungen in Betracht.

7

Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 16.10.2020 zur Nichtabhilfeentscheidung Stellung genommen. Sie wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag. Die Sozialversicherungsbeiträge seien bis heute rückständig. Bereits die zur Eröffnung des Beitragskontos führenden Beitragsnachweise habe die Schuldnerin zu spät eingereicht. Der Geschäftsführer der Schuldnerin habe am 26.03.2020 mitgeteilt, dass die angemeldeten Arbeitnehmer zum 31.10.2019 ausgeschieden seien. Entgegen seiner Ankündigung habe er die Abmeldungen jedoch nicht über seinen Steuerberater eingereicht. Naheliegend sei, dass der Steuerberater aufgrund ausstehender Rechnungen Aufträge der Schuldnerin nicht mehr bearbeite. Zudem habe die Schuldnerin von der ihr mehrfach angebotenen Möglichkeit, Stundung- oder Ratenzahlungsvereinbarungen zu treffen, keinen Gebrauch gemacht.

II.

8

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Amtsgericht hat den Insolvenzantrag zu Recht abgewiesen.

9

I. Der Insolvenzantrag war unzulässig. Ein zulässiger Insolvenzantrag liegt gemäß § 14 Abs. 1 InsO vor, wenn einerseits die zugrundeliegenden Forderungen, andererseits der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Von diesen Anforderungen sind auch öffentlich-rechtliche Gläubiger nicht befreit (vgl. HmbKomm/Linker, § 14 Rn. 37). Der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit kann insbesondere durch Nachweise fruchtloser Pfändungen erbracht werden. Diese müssen jedoch hinreichend aktuell sein, um einen Rückschluss auf die aktuelle Situation des Schuldners zuzulassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher Literatur und Rechtsprechung jedoch nicht vollständig folgen, soll für die Glaubhaftmachung ein Pfändungsversuch vor Ort nicht zwingend erforderlich sein (vgl. BGH NZI 2004, 587).

10

Nach diesen Grundsätzen hat die Gläubigerin den Eröffnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

11

Die von der Gläubigerin zitierte BGH-Rechtsprechung besagt lediglich, dass eine Pfändung vor Ort nicht zwingend erforderlich ist. Gleichwohl bleibt erforderlich, dass eine im Übrigen ausreichende Glaubhaftmachung erfolgt. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Zwar hat die Klägerin die Nichtzahlung der ausstehenden Beiträge über einen längeren Zeitraum glaubhaft gemacht, als es vom BGH gefordert wird. Er hat weiter glaubhaft gemacht, dass hinsichtlich des Geschäftskontos vorrangige Pfändungen bestehen.

12

Zu Recht hat das Amtsgericht dies jedoch insbesondere aufgrund der äußerst geringen Forderungshöhe nicht als ausreichend erachtet. Denn in der Rechtsprechung des BGH wird die länger andauernden Nichtzahlung lediglich als Indiz angesehen, ein solches kann jedoch durch die übrigen Umstände des Falls entkräftet werden. So liegt es hier. Auch unter Berücksichtigung der vorrangigen Pfändungen belaufen sich die bekannten Forderungen gegen die Schuldnerin auf lediglich etwa 2.300,00 €. Diese Beträge sind insbesondere in einem Geschäftsbetrieb als Bagatellbeträge einzustufen. Insbesondere bei derartigen Forderungshöhe liegt es nahe, dass er eine Zahlungsunwilligkeit, nicht aber eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vorliegt.

13

Insoweit hätte es die Gläubigerin bei diesen Beträgen in der Hand gehabt, weitere Mittel zur Glaubhaftmachung beizubringen. Sie hätte insbesondere vor Ort Pfändungsversuche unternehmen können. Sie hätte dies insbesondere und Aufgabe ihres grundsätzlichen Rechtsstandpunktes tun können, dass derartige Forderungen grundsätzlich nicht erforderlich seien. Denn der hiesige Fall liegt ersichtlich anders als der Normalfall, da weder erhebliche Beitragsrückstände, noch erhebliche vorrangige Pfändungen vorliegen.

14

Auch die weiteren, von der Gläubigerin angebrachten Argumente führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Die verspätete Einreichung der Beitragsnachweise lässt ebenfalls nicht den Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit zu. Sie ist mindestens ebenso gut mit Nachlässigkeit auf Seiten des Geschäftsführers zu erklären. Der Schuldnerin fehlt durch die Pfändung des Bankkontos auch nicht jede wirtschaftliche Handlungsfähigkeit, worauf bereits das Amtsgericht mehrfach zutreffend hingewiesen hat. Die abgelehnte Ratenzahlung ist angesichts der Forderungshöhe nicht geeignet, eine Zahlungsunwilligkeit der Schuldnerin als Grund für die ausbleibenden Zahlungen auszuschließen. Soweit die Gläubigerin schließlich vorträgt, die Schuldnerin könnte auch Außenstände gegenüber ihrem Steuerberater haben, beruht dies auf bloßer Spekulation.

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I. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 4 InsO, §§ 91, 97 ZPO, Ziffer 2380 Anlage I zum GKG. Die Wertfestsetzung bemisst sich auch für die Beschwerdeentscheidung nach der geltend gemachten Forderung.

16

I. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsbeschwerde war daher nicht zuzulassen.

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