Urteil vom Landgericht Hamburg (27. Zivilkammer) - 327 O 37/21
Tenor
1. Die einstweilige Verfügung vom 29.01.2021 wird im Kostenpunkt (Ziff. 2) aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Die Kosten und die weiteren Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
2. Der Streitwert für den Kostenwiderspruch wird auf die bis zur Einlegung des Kostenwiderspruchs angefallenen Gerichts- und Anwaltsgebühren auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von € 15.000,- festgesetzt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Parteien streiten nach dem Anerkenntnis einer vom Antragsteller erwirkten einstweiligen Verfügung durch den Antragsgegner über die Kosten des Verfahrens.
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Der Antragsteller hat dem Antragsgegner mit einem undatierten Schreiben unaufgefordert eine G. T.-Urkunde übersandt und ihn als einen von Deutschlands TOP-Reifenhändlern aufgrund der aktuellen Google-Rezensions- und Reputationsliste beglückwünscht (Anlage MB 4). Auf Seite 2 dieses Schreibens fand sich ein „Exklusives Angebot - Siegel-/Urkundenbestellung“. Auf Seite 3 folgte ein entsprechendes Bestellformular. Seite 4 enthielt bereits einen personalisierten Ausdruck der G. T.-Urkunde. Der Antragsgegner nutzte ein mutmaßlich von ihm selbst gemachtes Photo dieser Urkunde auf seiner Facebook-Seite (Anlage MB 5). Mit Schreiben vom 12.01.2021 wies der Antragsteller den Antragsgegner darauf hin, dass er auf das ihm übersandte Nutzungsangebot der G. T.-Urkunde bisher nicht reagiert habe, er das Siegel aber gleichwohl auf seinem Facebook-Profil nutze. Der Antragsteller räumte dem Antragsgegner in dem Schreiben die Möglichkeit ein, die Bestellung bis zum 19.01.2021, 17 Uhr, nachzuholen. Andernfalls werde er, der Antragsteller, die „Entfernung im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens einleiten“ (Anlage Ag 1). Der Antragsgegner reagierte darauf mit E-Mail vom 14.01.2021 (Anlage Ag 2). In dieser teilte er dem Antragsteller mit, er sei über die Kosten einer Nutzung nicht informiert worden, habe daran kein Interesse, und werde die Urkunde gerne auf Kosten des Antragstellers zurücksenden. Daraufhin übersandte der Antragsteller dem Antragsgegner mit Datum vom 19.01.2021 ein Schreiben, das mit „Urkundenmissbrauch“ überschrieben war (Anlage Ag 3). In diesem teilte er dem Antragsgegner mit, alle Vorbereitungen für den gerichtlichen Unterlassungsanspruch getroffen zu haben, und empfahl dem Antragsgegner insofern, sich über die Rechtslage „Lauterkeitsrecht/UWG (Gesetz über den unlauteren Wettbewerb)“ zu informieren und sich anwaltlich beraten zu lassen. Zudem wurde eine letztmalige Möglichkeit zur Regulierung der anliegenden Schadensersatzrechnung gegeben. Werde die danach geforderte Zahlung von € 558,11 nicht bis zum 26.01.2021 geleistet, gehe er, der Antragsteller, davon aus, es solle eine Feststellung durch das Landgericht Hamburg erfolgen. Für den genauen Inhalt des Schreibens wird auf die Anlage Ag 3 verwiesen.
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Als keine Zahlung von Seiten des Antragsgegners erfolgte, hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27.01.2021 eine einstweilige Verfügung beantragt, welche das Gericht durch Beschluss vom 29.01.2021, wegen eines offensichtlichen Schreibfehlers neu gefasst durch Beschluss vom 04.02.2021, erlassen hat.
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Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner unter Anerkennung der einstweiligen Verfügung im Übrigen mit Schriftsatz vom 17.02.2021 Kostenwiderspruch eingelegt und diesen wie folgt begründet:
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Zu der Beantragung der einstweiligen Verfügung habe er keinen Anlass gegeben. Insbesondere habe der Antragsteller ihn, den Antragsgegner, zuvor nicht abgemahnt, obwohl er daraufhin eine Unterlassungs-Verpflichtungs-Erklärung abgegeben hätte, was sich auch daran zeige, dass er nun die einstweilige Verfügung bis auf die Kostenentscheidung, auf die sich sein Widerspruch beschränke, anerkenne. Die beiden Schreiben des Antragstellers vor der Beantragung der einstweiligen Verfügung, hätten keine Abmahnungen, sondern lediglich Zahlungsaufforderungen dargestellt.
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Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
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den Beschluss des Gerichts vom 29.01.2021 hinsichtlich der Kostenentscheidung aufzuheben und die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen.
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
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den Kostenwiderspruch zurückzuweisen.
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Er ist der Ansicht, seine Schreiben vom 12.01.2021 und vom 19.01.2021 erfüllten die Voraussetzungen, die an eine Abmahnung zu stellen seien. Insbesondere sei es nicht erforderlich gewesen, den Schreiben eine Unterlassungserklärung beizufügen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Entscheidungsgründe
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Der auf die Kostenentscheidung beschränkte Widerspruch ist zulässig und begründet. Die Kosten des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung waren daher dem Antragsteller aufzuerlegen.
I.
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Der Antragsteller hat keinen ausdrücklichen Antrag auf Zurückweisung des Kostenwiderspruchs gestellt, doch ist sein Begehren, mit dem er dem Kostenwiderspruch entgegentritt, als ein solcher Antrag auf Zurückweisung auszulegen. Entsprechend verhält es sich mit dem den Widerspruch erhebenden Antragsgegner. Auch er hat nicht ausdrücklich beantragt, den Beschluss vom 29.01.2021 im Hinblick auf die Kosten aufzuheben und die Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen, doch wird dies aus seinem Kostenwiderspruch deutlich, in dem er die einstweilige Verfügung bis auf die Kostenentscheidung endgültig anerkennt und weiter ausführt, die Kosten seien gemäß § 93 ZPO dem Antragsteller aufzuerlegen.
II.
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Der Kostenwiderspruch ist begründet.
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Mit der Beschränkung des Widerspruchs auf den Kostenausspruch hat der Antragsgegner die einstweilige Verfügung im Übrigen endgültig und unbedingt anerkannt, so dass für die Anwendung der Kostenfolge des § 93 ZPO Raum ist (BGH NJW 2013, 3104 Rn 8). Der Antragsgegner hat durch sein Verhalten keinen Anlass dazu gegeben, die einstweilige Verfügung zu beantragen, so dass die Voraussetzungen des § 93 ZPO vorliegen.
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Der Antragsteller hat den Antragsgegner im Hinblick auf die von ihm beantragte Unterlassungsverfügung nicht ordnungsgemäß abgemahnt und ihn auch nicht in anderer Weise aufgefordert, die Nutzung der Urkunde zu unterlassen, bevor der den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf eben jene Unterlassung beantragt hat. Abgesehen davon, dass in den Schreiben vom 12.01.2021 und vom 19.01.2021 das behauptete Markenrecht, auf das der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestützt ist, nicht genannt wird, sondern im Gegenteil sehr vage auf Lauterkeitsrecht verwiesen wird, hat der Antragsteller den Antragsgegner in keinem der Schreiben zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert (zu dieser Voraussetzung, die gleichermaßen für Wettbewerbs- wie Markenrecht gilt, etwa Cepl/Voß-Rüting, 2. Auflage 2018, § 93 ZPO Rn 23; Köhler/Bornkamm/Feddersen-Bornkamm/Feddersen, 39. Auflage 2021, § 13 Rn 18). Vielmehr waren beide Schreiben darauf ausgerichtet, den Antragsgegner zu einer Zahlung für die Nutzung der Urkunde - zunächst in Gestalt eines Nutzungsentgelts, sodann in Gestalt von Schadensersatz - zu bewegen. Eine solche hat der Antragsgegner nach dem ersten Schreiben des Antragstellers abgelehnt und sogar angeboten, wenn auch nicht strafbewehrt, da nicht gefordert, die Urkunde zurückzusenden, also nicht mehr zu benutzen. Auf dieses Angebot hat der Antragsteller nicht reagiert, sondern vielmehr mit dem zweiten Schreiben nunmehr die Zahlung von Schadensersatz verlangt. Daraus wird deutlich, worum es dem Antragsteller im Vorfeld der beantragten einstweiligen Verfügung einzig und allein ging: um die Zahlung einer Geldsumme, nicht um die Unterlassung einer seiner Ansicht nach unberechtigten Markennutzung.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 1 ZPO in analoger Anwendung. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 51 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO.
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