Urteil vom Landgericht Karlsruhe - 6 S 131/08

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 1. August 2008, Az. 2 C 95/08, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten gemäß ihrer Satzung erteilte Startgutschrift den Wert der von dem Kläger bis zum 31. Dezember 2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlegt und die hierauf beruhende Betriebsrentenmitteilung unverbindlich ist.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

 
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
A. (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO):
Wegen des Parteivorbringens in erster Instanz und der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Lediglich ergänzend wird Folgendes angemerkt:
Der ehemals im öffentlichen Dienst beschäftigte Kläger wendet sich mit seiner Klage nach Umstellung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst von einem Gesamtversorgungssystem auf ein Punktesystem gegen die ihm von der beklagten Zusatzversorgungseinrichtung erteilte Startgutschrift für eine beitragsfrei versicherte Person und die darauf beruhende Rentenmitteilung.
Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 (ATV) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV) beruhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.
Die neue Satzung der Beklagten (VBLS) enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als sogenannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen kann. Die Anwartschaften der ca. 200.000 rentennahen Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen. Die Anwartschaften der übrigen, ca. 1,7 Mio. rentenfernen Versicherten berechnen sich demgegenüber nach den §§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 BetrAVG.
Die Anwartschaften der am 1. Januar 2002 beitragsfrei Versicherten, zu denen der Kläger gehört, werden nach der am 31. Dezember 2001 geltenden Versicherungsrentenberechnung ermittelt (§ 80 S. 1 VBLS n.F.).
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Systemumstellung, die Wirksamkeit der Übergangsregelung für beitragsfrei Versicherte, die Höhe der dem Kläger erteilten Startgutschrift sowie die Höhe seiner darauf beruhenden Rente.
Der 1942 geborene Kläger war vom 1. Dezember 1977 bis zum 30. September 1989 als Beschäftigter im öffentlichen Dienst insgesamt 142 Monate bei der Beklagten pflichtversichert (I 103, 109); zuvor war er in der gesetzlichen Rentenversicherung außerhalb des öffentlichen Dienstes - unter anderem im Rahmen seiner (Hoch-)Schulausbildung - bereits 208 Monate pflichtversichert (sogenannte Vordienstzeiten, vgl. I 77). Zum 30. September 1989 endete die Pflichtversicherung wegen Kündigung des Arbeitsverhältnisses (AS 43).
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Die Beklagte hat mit Mitteilung vom 22. August 2007 die Rentenanwartschaft des Klägers - als einer beitragsfrei versicherten Person - zum 31. Dezember 2001 auf 172,12 EUR errechnet und ihm dementsprechend eine Startgutschrift von 43,03 Versorgungspunkten erteilt (I 99). Die Mitteilung über die Startgutschrift beruht auf § 80 VBLS der Neufassung der Satzung der Beklagten zum 1. Januar 2001 (im Folgenden: VBLS n.F.) i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrAVG. Bei der Errechnung der Startgutschrift wurde die Steuerklasse III/0 zugrunde gelegt (I 113).
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Seit dem 1. September 2007 bezieht der Kläger von der Deutschen Rentenversicherung eine Regelaltersrente in Höhe von 1.977,79 EUR netto (I 61 ff.). Daneben erhält er von der Beklagten eine Betriebsrente, die die Beklagte zunächst mit Rentenmitteilung vom 24. August 2007 (I 13 ff.) auf 172,12 EUR brutto = netto (I 13, 23 f.) und später - aufgrund einer Neuberechnung vom 20. Oktober 2007 (I 37 ff.) - auf 172,56 EUR brutto = netto (I 37, 47 f.), jeweils zuzüglich einer jährlichen Erhöhung um 1 % zum 1. Juli eines jeden Jahres, errechnete.
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Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Amtsgerichts Bezug genommen.
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Das Amtsgericht hat in seiner Entscheidung vom 1. August 2008 (I 169 ff.) die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Anwendung des § 18 BetrAVG im Rahmen der Berechnung der Startgutschrift nach § 80 VBLS nicht unwirksam sei; durch den Bundesgerichtshof sei gebilligt worden, dass die mit der Unwirksamkeit des § 44a VBLS eingetretene Regelungslücke in zulässiger Weise durch die Anwendung des § 18 BetrAVG geschlossen wurde. Genau diese nach der früheren Satzung dem Kläger zustehende Betriebsrentenanwartschaft sei mit der Startgutschrift errechnet worden. Eine Schlechterstellung durch die Systemumstellung sei im Fall des Klägers deshalb nicht eingetreten. Auch die über den Hauptantrag (Feststellung der Unverbindlichkeit der Startgutschrift und Verrentungsmitteilungen) hinaus gehenden Anträge Ziff. 2, 3, 5 und 6 des Klägers seien unbegründet; der Klagantrag Ziff. 4 sei mangels hinreichender Bestimmtheit schon unzulässig.
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Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiter. Unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils vom 1. August 2008 - 2 C 95/08 - beantragt er
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1. festzustellen, dass die von der Beklagten aufgrund ihrer Satzung erteilten Verrentungsmitteilungen sowie die Startgutschrift die Betriebsrente des Klägers nicht verbindlich festlegen;
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hilfsweise:
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Versorgungsrente aufgrund einer gesamtversorgungsfähigen Zeit vom 1. Dez. 1977 bis zum 30. Sept. 1989 unter Zugrundelegung des letzten maßgeblichen Entgelts zuzusprechen;
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hilfsweise:
19 
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Rente zuzusprechen für den Zeitraum vom 1. Dez. 1977 bis zum 30. Sept. 1989 mindestens in Höhe einer Betriebsrente, die nach § 2 BetrAVG zeitanteilig ermittelt wird;
20 
hilfsweise:
21 
4. die Startgutschrift und Verrentungsmitteilungen seien unter Beachtung der Rechtsauffassung des BGH im Urteil vom 14. November 2007 zu IV ZR 74/06 neu zu berechnen;
22 
hilfsweise:
23 
5. die Startgutschrift mit einem Vomhundertsatz von mindestens 2,5 % pro Pflichtversicherungsjahr neu zu berechnen sowie
24 
6. die Anwartschaften der Startgutschrift mit 3,25 % p.a. zu verzinsen.
25 
Die Beklagte beantragt,
26 
die Berufung zurückzuweisen.
27 
Die Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen: Der Kläger meint insbesondere, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06 - (zu den rentenfernen Jahrgängen) auch auf die sog. beitragsfrei Versicherten anwendbar sei und deren Ergebnis auch für den vorliegenden Fall Gültigkeit habe. Die Beklagte meint, dass § 80 VBLS, anders als § 79 Abs. 1 VBLS, keinerlei eigenständigen inhaltlichen Regelungsgehalt habe. Die Art und Weise der Berechnung der Anwartschaft/Startgutschrift regele für beitragsfrei Versicherte wegen des in § 80 Abs. 1 VBLS enthaltenden Verweises auf die „am 31. Dezember 2001 geltende Versicherungsrentenberechnung“ ausschließlich § 18 BetrAVG in der nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juli 1998 geänderten, ab 1. Januar 2001 geltenden neuen Fassung bzw. § 44 VBLS a.F.
28 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2009 (II 57 f.) und die anderen Unterlagen verwiesen.
29 
B. (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO):
30 
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
I.
31 
Haupt- und Hilfsanträge sind ohne Weiteres zulässig. Zwischen den Parteien besteht ein Rechtsverhältnis in Form eines privatrechtlichen Gruppenversicherungsvertrages, bei dem die Beklagte Versicherer, der Arbeitgeber des Klägers Versicherungsnehmer und der Kläger Begünstigter war bzw. ist (vgl. BGH VersR 1988/577).
II.
32 
Die Klage ist vollumfänglich begründet. Bei Zugrundelegung der vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14. November 2007 - Az. IV ZR 74/06 - (BGHZ 174, 127-179 = BetrAV 2008, 203-213 = NVwZ 2008, 455-468) vertretenen Auffassung ist von der mit dem Hauptantrag des Klägers verfolgten Unverbindlichkeit seiner Startgutschrift sowie der Unverbindlichkeit auch der darauf beruhenden Betriebsrentenmitteilung auszugehen.
33 
Die Erwägungen des Bundesgerichtshofs zur Berechnung der Anwartschaften der rentenfernen Versicherten sind auf die Verhältnisse der beitragsfrei Versicherten übertragbar. Von entscheidender Relevanz sind dabei die folgenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs:
34 
Durchgreifenden Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG begegne der nach den §§ 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 BetrAVG der Startgutschriftenberechnung zugrunde zu legende Versorgungssatz von 2,25% für jedes Jahr der Pflichtversicherung.
35 
Soweit die Regelung auf die Pflichtversicherungsjahre abstelle und diesen einen jeweils festen Prozentsatz zuordne, erscheine dies zunächst systemkonform und für sich genommen rechtlich unbedenklich. Der in § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG (n.F.) vorgesehene Prozentsatz von 2,25 pro Pflichtversicherungsjahr, der über § 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS und § 33 Abs. 1 Satz 1 ATV für die Berechnung der Startgutschrift maßgebend sei, führe jedoch zu einer sachwidrigen und damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der rentenfernen Versicherten, die vom weiten Handlungsspielraum der Tarifvertragsparteien nicht mehr gedeckt sei. Gesamtversorgungsfähige Zeit und Pflichtversicherungsjahre könnten deutlich voneinander abweichen. Während beispielsweise zur gesamtversorgungsfähigen Zeit insbesondere als beitragsfreie Zeiten auch nach dem vollendeten 17. Lebensjahr zurückgelegte Schul-, Fachschul- und Hochschulzeiten, ferner berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen mit (bei Halbanrechnung) bis zu vier Jahren berücksichtigt worden seien (vgl. §§ 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F., 54 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4, 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI), zählten die genannten Zeiten nicht zu den Pflichtversicherungsjahren im Sinne von § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG. Arbeitnehmer mit längeren Ausbildungszeiten, wie etwa Akademiker, könnten 44,44 Pflichtversicherungsjahre überhaupt nicht erreichen und müssten deshalb überproportionale Abschläge hinnehmen. Beispielsweise betrage bei einem Arbeitnehmer, der nach Abschluss seines Studiums mit Vollendung des 28. Lebensjahres in den öffentlichen Dienst eintrat und am 31. Dezember 2001 das 54. Lebensjahr erreicht hatte, der maßgebliche Prozentsatz nach § 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, § 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG 58,50% (= 26 x 2,25%). Dagegen würde sich der Unverfallbarkeitsfaktor nach § 2 Abs. 1 BetrAVG auf 70,27% (26/37) belaufen. Neben Akademikern seien aber auch all diejenigen betroffen, die aufgrund besonderer Anforderungen eines Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst, etwa einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder eines Meisterbriefes in einem handwerklichen Beruf, erst später in den öffentlichen Dienst eintreten. Weder das Modell der Standardrente eines Durchschnittsverdieners in der gesetzlichen Rentenversicherung noch das bei der Berechnung der anzurechnenden Sozialversicherungsrente nach § 79 Abs. 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. f BetrAVG anzuwendende Näherungsverfahren lieferten stichhaltige Argumente dafür, den maßgeblichen Prozentsatz unter Berücksichtigung der gesamtversorgungsfähigen Zeit von 44,44 Jahren zu bestimmen und ihn dann lediglich mit der Zahl der erreichten Pflichtversicherungsjahre zu multiplizieren, obwohl diese in aller Regel niedriger sei als die erreichte gesamtversorgungsfähige Dienstzeit. Wegen der zu verzeichnenden Systembrüche und Ungereimtheiten könne aber die Höhe der Versorgungsquote allein mit den Besonderheiten des Versorgungssystems des öffentlichen Dienstes und einem Recht zur Standardisierung nicht gerechtfertigt werden.
36 
Der Senat sei nicht gehalten gewesen, die Verfassungsmäßigkeit des § 18 Abs. 2 BetrAVG im Wege der Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Denn er habe nicht die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen, sondern allein der im Tarifvertrag und in der Satzung der Beklagten getroffenen Regelung zu überprüfen gehabt.
37 
Die dargelegte Verfassungswidrigkeit und die sich daraus ergebende Unwirksamkeit dieser Detailregelung des Tarifvertrages vom 1. März 2002 und der neuen Satzung der Beklagten änderten an der Wirksamkeit der Systemumstellung als solcher nichts. Unwirksam sei lediglich die in den §§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 BetrAVG für die rentenfernen Versicherten getroffene Übergangsregelung, was zur Folge habe, dass die der klagenden Partei erteilte Startgutschrift einer ausreichenden rechtlichen Grundlage entbehre. Sie lege damit den Wert der von der klagenden Partei bis zum Umstellungsstichtag erdienten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu leistende Rente nicht verbindlich fest.
38 
Bei Abwägung der geschützten Interessen der Tarifpartner einerseits und der Versicherten andererseits gebiete der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz jedenfalls derzeit noch keine gerichtlichen Übergangsregelungen, weil zum einen das Interesse an alsbaldiger Klärung bei rentenfernen Versicherten weniger schwer wiege als bei rentennahen Versicherten oder Rentenempfängern. Zum anderen sei es zulässig, dass die Gerichte sich mit Rücksicht auf Art. 9 Abs. 3 GG einer ersatzweisen Regelung enthielten, soweit - wie hier - eine Neuregelung durch die Tarifvertragsparteien in absehbarer Zeit zu erwarten sei. Mit Blick auf Art. 9 Abs. 3 GG sei es den Tarifvertragsparteien vorzubehalten, für welche Lösungen sie sich entscheiden.
39 
Diese Rechtsprechung (a.a.O.) ist auf den vorliegenden Fall ohne Weiteres übertragbar: Der Kläger hat zwar keine Startgutschrift für eine rentenferne Person, sondern eine solche für eine beitragsfrei versicherte Person erhalten; § 18 Abs. 2 BetrAVG und damit ein Versorgungssatz von 2,25% für jedes Jahr der Pflichtversicherung hat aber auch im konkreten Fall Anwendung gefunden und das Ergebnis der Rentenberechnung maßgeblich beeinflusst (vgl. I 115).
40 
Die entsprechend bereits früher geäußerte Auffassung der Kammer zur Behandlung der Startgutschriften der beitragsfrei Versicherten (vgl. nur LG Karlsruhe, Urteil vom 19. September 2008 - 6 O 326/07 -, LG Karlsruhe, Urteil vom 28. November 2008 - 6 O 234/04 - (jeweils veröffentlicht in Juris)) ist mittlerweile auch durch das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigt worden (vgl. Urteil vom 21. April 2009 - 12 U 245/08 - (bislang nicht veröffentlicht), nicht rechtskräftig (Revision bei dem Bundesgerichtshof unter dem Az. IV ZR 99/09 anhängig)), wobei das Oberlandesgericht Karlsruhe zum einen betont hat, dass § 18 BetrAVG einen anderen Regelungsgehalt als § 80 VBLS habe - weshalb die Ansicht der Beklagten, hier werde nur die gesetzliche Regelung in Bezug genommen, nicht überzeuge -, und es zum anderen hervorgehoben hat, dass § 80 VBLS schon wegen Intransparenz gemäß §§ 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1, Abs. 3 Satz 2, 310 Abs. 4 Satz 3 unwirksam sei.
41 
Zur Abgrenzung der Fallgestaltungen sei noch ergänzend erwähnt, dass der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 28. März 2007 - IV ZR 145/06 - (Rz. 9, VersR 2007, 1214 f.) lediglich die eingeschränkte Dynamisierung nach § 80 S. 2 VBLS a.F. gebilligt hat, im Übrigen jedoch keine Aussage zur Rechtmäßigkeit des § 80 VBLS n.F. getroffen hat.
42 
In einer Entscheidung vom 15. Februar 2008 - 6 S 15/07 - (veröffentlicht bei Juris) hat die erkennende Kammer die dort angewandte Berechnung der Startgutschrift nach § 80 VBLS n.F. i.V.m. § 44 VBLS a.F. gebilligt. Im Gegensatz dazu finden hier aber die Vorschriften über unverfallbare Anwartschaften im Sinne des § 18 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BetrAVG n.F. Anwendung.
43 
Nachdem der Kläger mit seinem Hauptantrag Ziffer 1 hier nicht nur die Startgutschrift, sondern zugleich die auf der Startgutschrift beruhende Verrentungsmitteilung der Beklagten angegriffen hat, konnte die Kammer in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Karlsruhe (vgl. Urteil vom 19. Juni 2008 - 12 U 4/08 -, OLGR Karlsruhe 2008, 671-672) einheitlich die Unverbindlichkeit der dem Kläger erteilten Startgutschrift sowie auch der darauf beruhenden Rentenmitteilung der Beklagten feststellen (so auch schon LG Karlsruhe, Urteil vom 24. Oktober 2008 - 6 S 17/08 - (veröffentlicht in Juris) und LG Karlsruhe, Urteil vom 12. Dezember 2008 - 6 O 175/08 - (nicht veröffentlicht)).
44 
Alle weiteren Anträge hat der Kläger von Anfang an (vgl. I 3, II 19 f., 57) ausdrücklich lediglich hilfsweise - d.h. nur für den Fall, dass der Hauptantrag nicht schon begründet sein sollte - gestellt. Auf sie ist hier nicht näher einzugehen, eben weil der Hauptantrag vollumfänglich begründet ist.
45 
Der Berufung des Klägers war daher voll stattzugeben.
III.
46 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
47 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
48 
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen.

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