Beschluss vom Landgericht Karlsruhe - 11 T 419/12; 11 T 420/12

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts Singen vom 31.10.2012 – Az. 7 C 50/12 – im Kostenpunkt aufgehoben und unter Aufrechterhaltung der Ziffer 4 des Beschlusses wie folgt abgeändert:

1. Zur Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft ... wird im Wege der einstweiligen Verfügung auf die Dauer von zwei Jahren – vorbehaltlich einer Neuwahl eines Verwalters durch die Wohnungseigentümer – die bestellt.

Die Verwaltervergütung je Einheit/Monat, zuzüglich Mehrwertsteuer (inklusive Erstellung der Steuerbescheinigung) beträgt – vorbehaltlich einer einvernehmlichen Abänderung – für Wohneinheiten 18,50 EUR und für Garagen/Stellplätze 3,20 EUR.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegner.

Auf die Streitwertbeschwerde wird der Streitwert für die erste Instanz in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 31.10.2012 in Ziffer 3 auf 4.440, 00 EUR festgesetzt.

Der Beschwerdewert wird auf 4.440, 00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Mit Faxschreiben vom 9.10.2012 beantragten die Antragsteller zu 1 und 2, denen sich die Antragsteller zu 3 und 4 später anschlossen, die gerichtliche Einsetzung einer Notverwaltung für die streitgegenständliche Wohnungseigentümergemeinschaft. Mit Urteil der Kammer vom 7.8.2012 (Az. 11 S 180/11) waren zuvor die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Bestellung der vorherigen Verwaltung für ungültig erklärt worden. Seitdem hat die Gemeinschaft keinen Verwalter. Nach § 14 Abs. 2 der Teilungserklärung können Eigentümerversammlungen nur durch den Verwalter einberufen werden. Die Einberufung zu einer Eigentümerversammlung durch den Verwaltungsbeirat vom 28.8.2012 für den 14.9.2012 mit dem Gegenstand der Neubestellung einer Verwaltung haben die Antragsgegner im Verfahren Az. 7 C 39/12 vor dem Amtsgericht Singen angegriffen, welches den hier streitgegenständlichen Antrag mit Verfügung vom 17.10.2012 abgetrennt hat.
Mit Verfügung vom 17.10.2012 wies das Amtsgericht die Antragsteller u. a. auf die Notwendigkeit der Substantiierung und Glaubhaftmachung hinsichtlich der Verwalterübernahme, deren Bereitschaftserklärung und Konditionen und der Nichtgeltung des Amtsermittlungsgrundsatzes hin. Mit Schreiben vom 18.10.2012 lehnten die Antragsteller zu 1 und 2 den Amtsrichter als befangen ab. Mit Schriftsatz vom 22.10.2012 beantragten sie die Verbindung des Verfahrens zu dem Verfahren Az. 7 C 24/12.
Unstreitig ging bereits im Oktober 2012 das Heizöl für die Gemeinschaft zu Neige.
Ein weiterer Wohnungseigentümer zeigte am 18.10.2012 unter dem Az. 7 C 39/12 die Bereitschaft der ... (im Folgenden ...) zur Übernahme der Verwaltung an.
Mit Verfügung vom 25.10.2012 wies der Vertreter des Amtsrichters die Antragsteller erneut auf ihre Substantiierungspflicht hin; auf die Verfügung AS 337 wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 24.10.2012 legte der weitere Wohnungseigentümer das Angebot der ... auf Verwaltungsübernahme (AS 345 ff.) dem Gericht vor.
Mit Beschluss vom 31.10.2012 wies der Vertreter des abgelehnten Amtsrichters den Antrag auf Einsetzung einer Notverwaltung zurück, setzte den Streitwert auf 6.142,00 EUR fest und lehnte die Verbindung des Verfahrens zu dem Rechtsstreit 7 C 24/12 ab (AS 367 ff.). Der zulässige Antrag auf gerichtliche Einsetzung eines Notverwalters sei mangels Darlegung und Glaubhaftmachung einer zur Übernahme bereiten Verwaltung und deren Konditionen unbegründet. Für die Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses verwiesen.
Gegen den am 2.11.2012 zugestellten Beschluss legten die Antragsteller zu 1 und 2 am 5.11.2012 sofortige Beschwerde und Streitwertbeschwerde ein und rügten u. a., dass der weitere Wohnungseigentümer sachgemäß hätte beteiligt werden müssen und die Notverwaltungsbereitschaft der ... vorliege. Die ... erklärte mit Schreiben vom 5.11.2012 dem Gericht gegenüber ihre Übernahmebereitschaft.
Das Amtsgericht half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 5.11.2012 nicht ab und legte sie der Kammer mit Akten zur Entscheidung vor.
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Die Kammer gewährte den Antragsgegnern rechtliches Gehör.
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Im Übrigen wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
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Die gemäß §§ 937 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, soweit es um die gerichtliche Einsetzung einer Notverwaltung geht. Dabei ist das Beschwerdegericht trotz des Verfahrensmangels, dass hier entgegen § 47 Abs. 1 ZPO der abgelehnte Richter nicht selbst entschieden hat (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 42 Rn. 7), angesichts der besonderen Eilbedürftigkeit zur Entscheidung in der Sache berufen; auch bei einem wesentlichen Verfahrensmangel muss nicht zurückverwiesen werden (Ball in Musielak, ZPO, 9. Aufl., § 572 Rn. 16; Heßler in Zöller a. a. O. § 572 Rn. 27).
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Das Gericht ist nach § 21 Abs. 4, Abs. 8 WEG befugt, auf den Antrag eines Wohnungseigentümers hin einen Verwalter für das gemeinschaftliche Eigentum – bei Vorliegen der Voraussetzungen auch im Wege der einstweiligen Verfügung – zu bestimmen (BGH V ZR 146/10, NJW 2011, 3025; vorhergehend LG Köln 29 S 208/09, zitiert nach juris; Suilmann in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 21 Rn. 158; Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 21 Rn. 193).
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Dabei hat das Amtsgericht jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Grundlagen der Ermessensentscheidung nach dem Verhandlungsgrundsatz von den Parteien vorzutragen sind; der Kläger muss grundsätzlich das Gericht durch detaillierten Sachvortrag in die Lage versetzen, nach billigem Ermessen zu entscheiden, d. h. einen geeigneten Verwalter zu bestellen. Das Gericht braucht nicht selbst einen geeigneten Verwalter und die Vertragskonditionen zu ermitteln, sondern muss nur auf entsprechenden Tatsachenvortrag der Parteien hinwirken; auch muss die Zustimmung der Vorgeschlagenen zur Übernahme des Verwalteramtes und den Konditionen vorliegen (Merle a. a. O. § 26 Rn. 164, § 21 Rn. 188). Diesen Voraussetzungen waren die Antragsteller zunächst nicht hinreichend nachgekommen, weshalb die Ablehnung des Antrags mit Beschluss vom 31.10.2012 nach mehrfachen Hinweisen zunächst zu Recht erging.
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Mit ihrer sofortigen Beschwerde haben sich die Antragsteller jedoch auf das Angebot der ... berufen, die dem Gericht gegenüber auch ihre Bereitschaft erklärte und die Vertragskonditionen darlegte, über die auch Einigkeit besteht, da der weitere Wohnungseigentümer auf Beklagtenseite diesen Vortrag brachte und die Antragsteller sich nunmehr ebenfalls ausdrücklich auf die Bereitschaft der ... zu diesen Konditionen berufen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist daher nunmehr von einem gerade noch hinreichend substantiierten Vortrag dazu auszugehen. Dabei ist angesichts der gerichtsbekannt äußerst zerstrittenen Wohnungseigentümergemeinschaft und der Kommentierung von Merle a. a. O. § 26 Rn. 261 (Benennung "einer oder mehrerer" als Verwalter geeignete Personen) davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall die substantiierte Benennung einer zur Übernahme bereiten Verwaltung ausreicht.
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Voraussetzung der Ermessensentscheidung nach § 21 Abs. 8 WEG ist grundsätzlich, dass die Wohnungseigentümer eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme, wozu eine Verwalterbestellung grundsätzlich gehört, nicht treffen. Bisher ist kein Beschluss über die Bestellung einer Verwaltung gefasst worden. Grundsätzlich besteht ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller jedoch nur, wenn sie zuvor vergeblich versucht haben, die Wohnungseigentümer zu einem entsprechenden Beschluss zu bewegen. Doch besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass die Eigentümergemeinschaft untereinander, wie bereits erwähnt, äußerst zerstritten ist. Es kann deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass ein Antrag der Antragsteller nicht die erforderliche Mehrheit finden würde. Die Befassung der Eigentümerversammlung wäre daher eine unnötige Förmelei. In solchen Fällen ist die Anrufung des Gerichts auch ohne vorherige Befassung der Eigentümerversammlung möglich (OLG München 32 Wx 115/06, ZWE 2007, 164, zitiert nach juris Rn. 7, dort m. w. N.).
17 
Die Voraussetzungen für eine Notverwalterbestellung im Rahmen einer einstweiligen Verfügung sind ebenfalls gegeben, § 940 ZPO. Insbesondere ist ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht, da eine unmittelbare Gefahr für das gemeinschaftliche Eigentum darin liegt, dass unstreitig bereits im Oktober der Heizölbestand zur Neige ging und die kalte Jahreszeit angebrochen ist, so dass dringender Handlungsbedarf besteht. Angesichts der Zerstrittenheit der Gemeinschaft und der daraus folgenden Schwierigkeit bei der Neubestellung einer Verwaltung war es vorliegend auch nicht ausreichend, gerichtlicherseits lediglich eine Neuwahl in die Wege zu leiten.
18 
Die Bestellungszeit von zwei Jahren erscheint vorliegend angesichts der Zerstrittenheit als notwendig, um eine verwalterlose Zeit zu vermeiden (vgl. Merle a. a. O. § 26 Rn. 266). Die gerichtliche Verwalterbestellung steht dabei jedoch ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass sich die Eigentümer in einer Eigentümerversammlung selbst auf einen geeigneten Verwalter verständigen können, was jederzeit auch schon vor Ablauf der zwei Jahre möglich ist (vgl. LG Köln a. a. O. nach juris Rn. 37).
19 
Ein Rechtsmittel gegen die angeordnete Verfahrenstrennung nach § 145 Abs. 1 ZPO oder die Ablehnung eines Verbindungsantrags sieht das Gesetz dagegen nicht vor (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 145 Rn. 6 a). Ein Ermessensfehlgebrauch ist nicht ersichtlich; auf die Begründung des Beschlusses vom 31.10.2012, dort S. 4, und die dienstliche Stellungnahme vom 24.10.2012 (AS 327), wird verwiesen. Der angegriffene Beschluss wurde daher in Ziffer 4 aufrechterhalten.
20 
Die Streitwertbeschwerde hat ebenfalls Erfolg. Nach der vom Amtsgericht grundsätzlich zu Recht herangezogenen Entscheidung des OLG Stuttgart (ZMR 2003, 782) richtet sich der Geschäftswert des Notverwalter-Bestellungsverfahrens nicht nach der Dauer der Notverwaltung, sondern ist nach der geschuldeten Verwaltervergütung für ein Jahr zu bemessen. Das Amtsgericht ist auch zu Recht von der Vergütung gemäß Angebot der ... von 18,50 EUR je Wohneinheit ausgegangen. Der Einwand der Antragsteller, dass der Verwaltervertrag mit der ... (Anlage 3 zum Beschwerdeschriftsatz vom 2.11.2012) eine Vergütung von nur 15,50 EUR vorsah, ist mangels Gültigkeit im Rahmen der hier streitgegenständlichen Notverwaltung nicht maßgeblich. Die Jahresvergütung von 18.426,00 EUR ist jedoch gemäß § 49 a GKG anzusetzen; der Streitwert beträgt nicht pauschal ein Drittel davon, sondern zunächst gemäß § 49 a Abs. 1 Satz 1 GKG 50 %, mithin 9.213,00 EUR. Gemäß § 49 a Abs. 1 Satz 2 GKG darf jedoch das Fünffache des Interesses der Antragsteller nicht überschritten werden. Das Einzelinteresse der Antragsteller mit ihren insgesamt vier Wohneinheiten beläuft sich auf 888,00 EUR (18,50 EUR x 4 x 12), das Fünffache ihres Interesses mithin auf 4.440,00 EUR. Dies stellt mithin den richtigen Streitwert dar.
21 
Das Verfahren der Streitwertbeschwerde ist gebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG), Kosten werden insofern nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 Satz 2 GKG).

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