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| Die Parteien sind die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft ... in ... und streiten über die Gültigkeit von Beschlüssen, die in der Eigentümerversammlung am 17. Februar 2014 gefasst wurden. Der Kläger ist der Sohn des Beklagten. Es bestehen drei Miteigentumsanteile, jeweils verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung, von denen der Kläger eine Wohnung mit einem Miteigentumsanteil von 333/1000 hält. Die beiden anderen Miteigentumsanteile verbunden mit den übrigen Wohnungen gehören dem Beklagten. Der Beklagte ist auch der Verwalter der Gemeinschaft. Gemäß § 6 Ziffer 4 der Teilungserklärung vom 4. August 1980 (Akten erster Instanz Seite 16) gilt bei Abstimmungen in der Eigentümerversammlung das Objektprinzip; jeder Wohnung kommt eine Stimme zu. Regelungen zur Zulässigkeit der Vertretung von Mitgliedern in den Eigentümerversammlungen enthält die Teilungserklärung nicht. |
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| In der Eigentümerversammlung am 17. Februar 2014 erschienen die Parteien sowie die Ehefrau des Beklagten und sein anderer Sohn. Der Beklagte trat darin als Verwalter und Versammlungsleiter auf, seine Ehefrau und sein anderer Sohn als seine bevollmächtigten Vertreter für seine beiden Eigentumseinheiten. Der Kläger verließ die Versammlung noch vor der Abstimmung über den ersten Beschluss wieder. Zum Ablauf der Versammlung wird auf das Protokoll (Akten erster Instanz Seite 85 ff.) verwiesen. |
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| Der Kläger ficht sämtliche in der Versammlung gefassten Beschlüsse an und rügt im Wesentlichen die Verletzung des Gebots der Nichtöffentlichkeit. Der Beklagte habe nicht seine Ehefrau und seinen anderen Sohn als seine Vertreter auftreten und teilnehmen lassen dürfen. Daneben rügt er auch materielle Fehler der Beschlüsse. Auf seine Schriftsätze wird verwiesen. |
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| Das Amtsgericht gab in dem angegriffenen Urteil der Anfechtungsklage weit überwiegend statt und sah den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit verletzt. Durch die Bevollmächtigung zweier Vertreter für jede Eigentumseinheit komme es zu einer unzulässigen Verdopplung der Mitgliedschaftsrechte. Zudem entstehe dadurch die Möglichkeit, dass beide Vertreter unterschiedlich abstimmen, während jeder Eigentümer anerkanntermaßen seine Stimmen nur einheitlich abgeben dürfe. |
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| Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten, der weiterhin die vollständige Abweisung der Klage beantragt. Nach dem vereinbarten Objektprinzip komme jeder Eigentumseinheit eine Stimme zu, es gebe daher keine Verdopplung der Stimmrechte. Die Gefahr unterschiedlicher Stimmabgabe sei lediglich hypothetisch gewesen und tatsächlich durch seine Vorgaben ausgeschlossen gewesen. Dazu hätte das Amtsgericht ihn anhören müssen. |
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| Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hebt hervor, dass das Amtsgericht zu Recht eine Verdopplung der Mitwirkungsrechte, nicht der Stimmrechte, für unzulässig gehalten habe. |
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| Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht die in der Eigentümerversammlung am 17. Februar 2014 gefassten Beschlüsse schon wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Nichtöffentlichkeit für ungültig erklärt. Der Beklagte hätte nicht zusammen mit seinen Bevollmächtigten an der Versammlung teilnehmen dürfen. |
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| 1. Gemäß § 23 Absatz 1 WEG erfolgt die Willensbildung der Gemeinschaft in der "Versammlung der Wohnungseigentümer". Daraus folgt, dass Personen, die nicht Wohnungseigentümer sind, grundsätzlich nicht teilnahmeberechtigt sind. Die Versammlung ist also nicht öffentlich (BGH, Beschluss vom 29. Januar 1993 - V ZB 24/92 BGHZ 121, 236; Bärmann/Merle WEG 12. Auflage 2013 § 24 Rn. 73). Die Nichtöffentlichkeit dient dem Zweck, die Eigentümerversammlung von fremdem Einfluss freizuhalten. Die Wohnungseigentümer sollen in ihrer Versammlung auftretende Meinungsverschiedenheiten grundsätzlich allein unter sich austragen. Außenstehende Dritte sollen nicht auf den Ablauf der Versammlung und dadurch womöglich auf die Meinungsbildung der Wohnungseigentümer Einfluss nehmen können (OLG Köln, Beschluss vom 22. Juni 2009 - 16 Wx 266/08 - NJW 2009, 3245; Urteil der Kammer vom 27. Juli 2010 - 11 S 70/09 - ZMR 2013, 469; MünchKommBGB/Engelhardt, 6. Auflage 2013, § 24 WEG Rn. 22; Scheff/Schmidt, MDR 2010, 186). |
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| a. Allerdings dürfen sich die Wohnungseigentümer durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, sofern diese Möglichkeit in der Teilungserklärung oder durch andere Vereinbarung zwischen den Wohnungseigentümern nicht beschränkt worden ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. Januar 2005 - 20 W 30/04 -, juris; LG Köln, Urteil vom 27. September 2012 - 29 S 61/12 - ZMR 2013, 218; Jennißen/Schultzky WEG 4. Auflage 2015 § 24 Rn. 78 und § 25 Rn. 60). Im vorliegenden Fall gab es keine Einschränkung des Rechts zur Bevollmächtigung in der Teilungserklärung oder in einer anderen Vereinbarung zwischen den Parteien. Der Beklagte durfte daher im Grundsatz einen Vertreter zur Versammlung schicken. Ob er für seine beiden Eigentumseinheiten auch jeweils einen Vertreter entsenden durfte, muss hier nicht entschieden werden. |
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| b. Denn der Verstoß gegen das Gebot der Nichtöffentlichkeit ergibt sich daraus, dass der Beklagte neben seinen Vertretern selbst an der Versammlung teilgenommen hat. Das Gebot der Nichtöffentlichkeit der Versammlung soll sicherstellen, dass die Wohnungseigentümer ihre Meinungsunterschiede unter sich austragen, und trägt damit auch den Gedanken eines Gebots der Waffengleichheit in sich (MünchKommBGB/Engelhardt, 6. Auflage 2013, § 24 WEG Rn. 23). Kein Mitglied der Gemeinschaft soll sich durch die Präsenz von Begleitern unterstützen oder seinem Auftreten mehr Gewicht verleihen lassen. Daraus folgt, dass der Eigentümer, der sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt, nicht selbst an der Eigentümerversammlung teilnehmen darf (Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten WEG 11. Auflage 2015 § 24 Rn. 43). Tut er es gleichwohl, wird sein Bevollmächtigter zum grundsätzlich nicht teilnahmeberechtigten Dritten (LG Köln, Beschluss vom 8. Januar 2013 - 29 S 183/12 - ZMR 2013, 378; Jennißen/Schultzky WEG 4. Auflage 2015 § 24 Rn. 78). Ließe man den Vertretenen und den Vertreter zugleich teilnehmen, wäre dies eine Umgehung des Verbots, Begleiter in die Versammlung mitzunehmen (Schmid, ZWE 2012, 480, 481). |
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| c. Dies gilt auch im vorliegenden Fall, in dem der Beklagte als Verwalter und Versammlungsleiter in der Eigentümerversammlung auftrat. Die Einnahme dieser Rolle ist kein rechtfertigender Grund dafür, sich als Eigentümer vertreten zu lassen. Die Rolle macht es ihm nicht unmöglich, zugleich als Eigentümer seine eigenen Interessen zu vertreten. |
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| 2. Dieser formelle Fehler des Verstoßes gegen das Gebot der Nichtöffentlichkeit ist auch ursächlich für die Beschlussfassung geworden. Allerdings sind bei einem Verstoß gegen die formellen Anforderungen einer ordnungsmäßigen Eigentümerversammlung die darin gefassten Beschlüsse nicht in jedem Fall anfechtbar, sondern nur, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Fehler auf die Beschlussfassung ausgewirkt hat (Palandt/Bassenge BGB 74. Auflage 2015 § 23 WEG Rn. 20; Reichel-Scherer in: jurisPK-BGB 7. Auflage 2014 § 23 Rn. 181). Die Kausalität wird widerleglich vermutet; sie fehlt nur, wenn feststeht, dass der betreffende Beschluss bei ordnungsgemäßer Einladung aller Mitglieder ebenso gefasst worden wäre, wobei die materielle Feststellungslast bei den Mitgliedern liegt, die den Beschluss verteidigen und für gültig halten, also beim Beklagten (LG München I, Urteil vom 28. Juni 2012 - 36 S 17241/11 - ZMR 2012, 819 und Urteil vom 6. November 2014 - 36 S 25536/13 WEG -, juris; Urteil der Kammer vom 15. Juli 2014 - 11 S 101/12). Diese Kausalitätsvermutung kann nur durch den Nachweis widerlegt werden, dass der Beschluss mit Sicherheit - nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit - auch ohne den Verstoß inhaltsgleich gefasst worden wäre (OLG Hamburg, Beschluss vom 21. Juni 2006 - 2 Wx 33/05 - 2MR 2006, 704; Jennißen/Schultzky WEG 4. Auflage 2015 § 23 Rn. 175). Denn es ist zu berücksichtigen, dass die Versammlung das Teilnahmerecht beeinträchtigt hat und dies einen schweren Eingriff in den Kernbereich der mitgliedschaftlichen Rechte darstellt. Es darf nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Versammlung auch bei Einhaltung des Gebots der Nichtöffentlichkeit ebenso entschieden hätte. Das Abstimmungsverhalten kann auch durch die vorhergehende Diskussion beeinflusst werden. An die Widerlegung der Kausalitätsvermutung sind folglich hohe Anforderungen zu stellen (OLG Hamburg a.a.O.; Urteil der Kammer vom 21. Februar 2012 - 11 S 46/11 - ZWE 2013, 36; Urteil der Kammer vom 31. März 2015 - 11 S 104/14). Eine solche Ausnahmesituation, in der mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Versammlung auch bei Wahrung der formellen Anforderungen an eine Eigentümerversammlung ebenso abgestimmt hätte, ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Beklagte hat gerade die Unterstützung durch seine Ehefrau und seinen anderen Sohn gesucht. Es ist nicht auszuschließen, dass die Beschlüsse anders gefasst worden wären, wenn sich der Beklagte allein mit dem Kläger hätte auseinandersetzen müssen. |
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| Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil die Kammer die Revision gegen das Urteil nicht zulässt und die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde gesetzlich ausgeschlossen ist (§ 62 Absatz 2 WEG). |
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| Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO). |
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