Urteil vom Landgericht Kiel (17. Zivilkammer) - 17 O 229/10

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der pp GmbH (im Folgenden: GmbH) die Zahlung von Mietzins für ein Gewerbegrundstück.

2

Der Kläger war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der GmbH. Mit Vertrag vom 01.07.2003 vermietete er der GmbH ein in seinem Eigentum bestehendes Gewerbegrundstück in der pp in pp zu einem monatlichen Mietzins von 14.227,40 €.

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Einschließlich Juni 2007 zahlte die GmbH die Miete stets vollständig.

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Am 22.06.2010 stellte die GmbH Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Amtsgericht pp bestimmte den Beklagten mit Beschluss vom selben Tag zum vorläufigen Insolvenzverwalter.

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Ab Juli 2010 erfolgten keine Mietzinszahlungen mehr an den Kläger.

6

Mit Beschluss vom 01.09.2010 eröffnete das Amtsgericht pp das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.

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Mit Schreiben vom 08.09.2010 kündigte der Beklagte in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter den zwischen dem Kläger und der GmbH abgeschlossenen Mietvertrag zum 31.12.2010, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Daraufhin forderte der Kläger den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 10.09.2010 auf, die laufende Miete ab 01.09.2010 zu zahlen, und erklärte, dass er sein Vermieterpfandrecht geltend mache. Der Beklagte antwortete mit Schreiben vom 01.10.2010 und teilte mit, dass er die Ansprüche nicht erfüllen werde. Für den Fall, dass die Mietzinsansprüche Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO seien, erklärte er die Aufrechnung mit Gegenansprüchen aus Insolvenzanfechtung.

8

Mit Vorliegender Klage begehrt der Kläger Zahlung des Mietzinses für die Monate September bis November 2010 sowie die Feststellung, dass ihm bezüglich der Mietzinsansprüche für die Monate Juli und August 2010 ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus seinem Vermieterpfandrecht zustehe.

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Der Beklagte hat hilfsweise in Höhe der Klagforderung die Aufrechnung mit Gegenansprüchen erklärt.

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Der Kläger ist der Ansicht, dass es sich bei seinem Anspruch auf Mietzinszahlung um eine Masseforderung im Sinne von § 55 Abs.1 Nr.2 InsO handele, die vorab zu befriedigen sei. § 39 InsO, der nachrangige Forderungen regele, sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da die Nutzungsüberlassung gerade keine gleichgestellte Forderung im Sinne von § 39 Abs.1 Nr.5 InsO sei. Vielmehr beinhaltet der neu eingeführte § 135 Abs.3 InsO die abschließende Regelung zur Behandlung von Nutzungsüberlassungen durch Gesellschafter.

11

Da er ein Vermieterpfandrecht an den von der GmbH eingebrachten Gegenständen habe, stehe ihm für die Monate Juli und August 2010 ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus den dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Gegenständen zu.

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Der Kläger beantragt,

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1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 42.682,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 14.227,40 € seit dem 04.09.2010, auf weitere 14.227,40 € seit dem 06.10.2010 und auf weitere 14.227,40 € seit dem 04.11.2010 zu zahlen,

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2. festzustellen, dass er einen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus allen von der pp GmbH vor dem 22.06.2010 in die in der Anlage K 2 hell markierten Räumlichkeiten der Gewerbeimmobilie in der pp eingebrachten Gegenstände für seine Forderung auf Zahlung von Miete für die Monate Juli und August 2010 in Höhe von jeweils 14.227,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 14.227,40 € seit dem 06.07.2010 und auf weitere 14.227,40 € seit dem 05.08.2010 hat.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte ist der Ansicht, dass es sich bei dem Anspruch auf Zahlung des Mietzinses für die Monate September bis November 2010 um nachrangige Insolvenzforderungen gemäß § 39 Abs.1 Nr.5 InsO handele. Denn die Nutzungsüberlassung eines Mietgegenstandes an die Gesellschaft stelle eine Rechtshandlung dar, die einem von dem Gesellschafter an die Gesellschaft ausgereichten Darlehen wirtschaftlich entspreche.

18

Sollten die Mietzinsansprüche des Klägers dennoch als Masseverbindlichkeit eingeordnet werden, so stehe ihnen der Einwand der Aufrechnung gegenüber. Denn gegenüber dem Kläger beständen Forderungen aus Anfechtungsansprüchen, da die Mietzinszahlungen der GmbH für die Zeit bis einschließlich Juni 2010 gemäß § 135 Abs.1 Nr.2 InsO anfechtbar seien. Auch bei dem Anspruch auf Zahlung des Mietzinses für die Monate Juli und August 2010 handele es sich um eine nachrangige Insolvenzforderung, deren pfandrechtliche Sicherung kein Absonderungsrecht begründen könne.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gegenseitig gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig aber nicht begründet.

21

Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Auszahlung des Mietzinses für die Monate September bis November 2010 in Höhe von insgesamt 42.682,20 € nicht zu.

22

Allerdings bestand das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und der GmbH gemäß § 108 Abs.1 InsO nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort und konnte von dem Beklagten nur mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten gekündigt werden. Da es bei einem Mietvertrag um einen gegenseitigen Vertrag handelt, sind Mietzinsansprüche für die Fortdauer des Mietvertrages gemäß § 55 Abs.1 Nr.2 InsO grundsätzlich Masseverbindlichkeiten, die vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen sind. Im vorliegenden Fall finden aber die Vorschriften der §§ 53, 55 InsO keine Anwendung, weil der Mietvertrag nicht zwischen der GmbH und einem Dritten geschlossen worden war, sondern mit dem Kläger und damit mit dem Gesellschafter der GmbH. Deswegen handelt es sich bei den vom Kläger geltend gemachten Mietzinsforderungen um nachrangige Insolvenzforderungen nach § 39 Abs.1 Nr.5 InsO, die nicht im Wege der Zahlungsklage gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden können.

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§ 39 Abs.1 Nr.5 InsO regelt, dass Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, nachrangige Insolvenzforderungen sind. Diese Vorschrift geht bei einem gegenseitigen Vertrag zwischen Gesellschafter und Insolvenzschuldner, der einen Gesellschafterdarlehen oder eine gleichgestellte Forderung zum Gegenstand hat, der Regelung des § 55 Abs.1 Nr.2 InsO vor.

24

Bei der Forderung des Klägers auf Zahlung des Mietzinses für die Monate September bis November 2010 handelt es sich um eine Forderung, die einer Forderung des Gesellschafters auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens wirtschaftlich entspricht. Denn die durch den Gesellschafter gewährte Nutzungsüberlassung eines Gewerbegrundstücks gegen Mietzahlung steht wirtschaftlich betrachtet der Gewährung eines Darlehns an die Gesellschaft gleich. Diese wirtschaftliche Vergleichbarkeit von Darlehen und Gebrauchsüberlassung war vor Erlass des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 (MoMiG) ganz überwiegend anerkannt (vgl. BGHZ 109, 55 ff.).Die unterschiedliche dingliche Zuordnung bei Darlehen und Gebrauchsüberlassung sowie die rechtlichen Unterschiede spielten dabei keine Rolle, da nach der bis zum 30.10.2008 geltenden Regelung des § 32 a Abs.3 GmbHG lediglich eine wirtschaftliche Entsprechung erforderlich war. Der § 39 Abs.1 Nr.5 InsO ersetzt durch das Gesetz vom 23.10.2008 den sachlichen Anwendungsbereich des hierdurch weggefallenen § 32 a Abs. 2 GmbHG. Nach der alten Rechtslage wurden Forderungen dann als nachrangige Insolvenzforderungen behandelt, wenn das Gesellschafterdarlehen eigenkapitalersetzenden Charakter hatte. Mit dem MoMiG wurde die Rechtsfigur des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens aus dem Gesetz herausgenommen und auf Gesellschafterdarlehen als solche erweitert.

25

Da die neu eingeführte Vorschrift des § 39 Abs.1 Nr 5 InsO den Wortlaut des § 32 a Abs.3 S.1 GmbHG in sachlicher Hinsicht übernommen hat, ist diese Vorschrift in demselben Sinne auszulegen. Als nachrangige Forderung sind daher auch weiter Ansprüche aus Nutzungsüberlassungen des Gesellschafters anzusehen (vgl. Braun, InsO, § 39 Nr. Rn.15; Henkel, ZInsO 2010, 2209, 2211; Marotzke, ZInsO 2008, 1281, 1284).

26

Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, dass § 39 Abs.1 Nr 5 InsO schon deswegen nicht eingreife, weil die Vorschrift des § 135 Abs.3 InsO eine abschließende Regelung für Nutzungsüberlassungen enthalte, kann dem nicht gefolgt werden. Denn der Gesetzgeber wollte durch die Schaffung des § 135 Abs.3 InsO verhindern, dass dem Unternehmen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die für eine Betriebsfortführung notwendigen Gegenstände durch den Gesellschafter entzogen werden können. Es handelt sich bei der Vorschrift – obwohl sie im Abschnitt „Insolvenzanfechtung“ steht – nicht um eine anfechtungsrechtliche Bestimmung, sondern um eine die §§ 103 f. InsO ergänzende Vorschrift. Daraus folgt, dass § 135 Abs.3 InsO in den Fällen, in denen das Mietverhältnis schon nach § 108 Abs.1 InsO nach Eröffnung fortbesteht, nicht anwendbar sein kann, weil der Gesellschafter die Herausgabe des Nutzungsobjektes in diesem Fall gar nicht beanspruchen kann. § 135 Abs.3 InsO soll den Fall regeln, dass der Nutzungsüberlassungsvertrag nach Insolvenzeröffnung nicht mehr fortbesteht, weil er durch den Gesellschafter gekündigt wurde, oder aus einem anderen Grund vor Ablauf eines Jahres nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet. Die Vorschrift ermöglicht dem Insolvenzverwalter dann für die Dauer eines Jahres, den fälligen Aussonderungsanspruch des Gesellschafters zu sperren und der Gesellschaft zu einer weiteren Nutzungszeit zu verhelfen. Voraussetzung der Anwendbarkeit ist darüber hinaus, dass der Insolvenzverwalter ein fortbestehendes Interesse hat, die überlassene Sache zu nutzen, weil diese für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist (vgl. Marotzke, ZInsO 2008, 1281, 1283).

27

Der Mietvertrag zwischen dem Kläger und der GmbH bestand nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 108 Abs.1 InsO fort. Da dem Kläger kein fälliger Herausgabeanspruch zustand, sind die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschrift des § 135 Abs.3 Nr.1 nicht gegeben, so dass auch kein Ausgleichsanspruch nach § 135 Abs.3 S.2 InsO besteht. Eine isolierte Entschädigung nach § 135 Abs.3 S.2 InsO kommt nach dem Wortlaut, der in deutlichem Bezug zu Satz 1 des Absatzes steht, nicht in Betracht.

28

Darüber hinaus wäre eine solche isolierte Anwendung der Vorschrift in Anbetracht der Regelungen der §§ 103 ff. InsO systemwidrig.

29

Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass ihm hinsichtlich der Mietzinsansprüche für die Monate Juli und August 2010 ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus seinem Vermieterpfandrecht zustehe, ist ein Feststellungsinteresse § 256 Abs. 1 ZPO zwar zu bejahen. Die Klage ist aber ebenfalls unbegründet, da ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung nicht besteht.

30

Allerdings hat der Vermieter für seine Forderung aus dem Mietverhältnis gemäß § 578 Abs.1, 562 BGB ein gesetzliches Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters; dieses gesetzliche Pfandrecht berechtigt ihn im Falle der Insolvenz des Mieters nach § 50 Abs.1 InsO grundsätzlich zur abgesonderten Befriedigung aus dem Pfandgegenstand.

31

Dem Kläger steht dieses Absonderungsrecht jedoch vorliegend nicht zu. Denn die Mietzinsforderung für die Monate Juli und August 2010 aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind ebenfalls nachrangige Insolvenzforderungen im Sinne des § 39 Abs.1 Nr.5 InsO. Die durch den Gesellschafter gewährte Nutzungsüberlassung auf Zeit steht – wie oben bereits dargelegt – wirtschaftlich betrachtet auch in der Zeit vor Verfahrenseröffnung der Gewährung eines Darlehens gleich. Dies hat zur Folge, dass auch die Ansprüche aus dem Pfandrecht lediglich nachrangig zu befriedigen sind. Denn nach der Systematik der insolvenzrechtlichen Vorschriften kann eine Sicherheit bzw. ein Pfandrecht für eine nachrangige Forderung nicht zu einer vorrangigen Befriedigung im Rahmen eines Absonderungsrechtes berechtigen.

32

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 91 ZPO.

33

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.


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