Urteil vom Landgericht Köln - 28 O 322/14
Tenor
Die Klage ist zulässig.
1
Zwischenurteil
23
Tatbestand
4Die in Gland (Schweiz) wohnende Klägerin ist die Ehefrau von T2. Sie verlangt von der Beklagten, einer schweizerischen Rundfunkanstalt, Unterlassung der Veröffentlichung von Bildnissen, welche sie beim Besuch ihres Ehemannes im Krankenhaus zeigen. Die Bildnisse, Fotografien und ein Video, werden seitens der Beklagten auf ihrer Internetseite www.anonym.ch unter der im Antrag näher wiedergegebenen URL im Rahmen einer Berichterstattung über die Folgen des von T2 erlittenen Skiunfalles sowie den Umgang der Medien mit diesem Thema veröffentlicht.
5Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Veröffentlichung der sie zeigenden Bildnisse, in die sie nicht eingewilligt habe, einen rechtswidrigen Eingriff in ihr Recht am eigenen Bild darstellte, so dass ihr gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch zustehe. Für die Klage seien deutsche Gerichte in Anwendung von Art. 5 Nr. 3 des Lugano-Übereinkommens von 2007 (LugÜ II) und § 32 ZPO zuständig. Die Wahrscheinlichkeit der Kenntnisnahme von der beanstandeten Veröffentlichungen auf einem schweizerischen Internetportal durch die deutsche Öffentlichkeit und damit auch durch Personen im Bezirk des angerufenen Landgerichts sei aufgrund des bundesweit außerordentlich hohen Bekanntheitsgrades des Ehemannes der Klägerin erheblich höher, als dies aufgrund der bloßen weltweiten Abrufmöglichkeit der beanstandeten Veröffentlichungen der Fall wäre.
6Nachdem die Kammer im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 331 Abs. 3 ZPO am 21.11.2014 im Wege des Versäumnisurteils erkannt hat:
71. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu EUR 10.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an ihrem Vorstand, für jeden Fall der Zuwiderhandlung – zu unterlassen, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die nachfolgenden Bildnisse der Klägerin:
8(Es folgen 3 Bilddarstellungen)
9auf denen diese vor dem Krankenhaus in Grenoble abgebildet ist, zu veröffentlichen/veröffentlichen zu lassen oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen, so wie dies unter http://www.anonym.ch mit der Überschrift "T2s Zustand bleibt kritisch“, sowie unter http://www.anonym.ch, betitelt als "T2 Ehefrau: Lasst uns in Ruhe", und unter http://www.anonym.ch mit dem Titel "T2 wird aus künstlichem Koma geholt", geschehen ist.
102. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu EUR 10.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an ihrem Vorstand, für jeden Fall der Zuwiderhandlung – zu unterlassen, das 1:05 Minuten lange Video, welches in den Sekunden 21 bis 34 sowie 46 bis 50 T1 zeigt, und im Folgenden beispielhaft in Screenshots wieder gegeben ist:
11(Es folgen 6 Videos)
12auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu veröffentlichen/veröffentlichen zu lassen und/oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen, wie dies unter http://www.anonym.ch und dort mit der Überschrift „T2s Familie sagt Danke“ geschehen ist.
133. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.752,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.9.2014 zu zahlen.
144. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
15Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
16und die Beklagte gegen das vorgenannte Versäumnisurteil rechtzeitig Einspruch eingelegt und diesen begründet hat,
17beantragt die Klägerin,
18den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 21.11.2014 zurückzuweisen und der Beklagten die weiteren Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
19Die Beklagte beantragt
20Klageabweisung.
21Vorab beantragt die Beklagte,
22durch Zwischenurteil die Unzulässigkeit des Rechtswegs zu den deutschen Gerichten festzustellen.
23Sie ist der Auffassung, das Landgericht Köln sei international und örtlich unzuständig. Deutsche Gerichte seien für den Streitfall zwischen einer in der Schweiz ansässigen Person deutscher Herkunft und einer mit der Wahrnehmung des öffentlichen Rundfunkauftrages in der Schweiz beauftragten Schweizer Institution wegen einer in der Schweiz erfolgten Berichterstattung nicht zuständig. Die von der Beklagten betriebene Internetseite richte sich nicht an ein deutsches Publikum, auch wenn sie in deutscher Sprache gehalten sei. Abzustellen sei bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet auf den Ort, an dem das schädigende Ereignis einzutreten droht. Dies sei der Ort, an dem sich der Mittelpunkt der Interessen des Verletzten befindet, also dort, wo er seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Lebensmittelpunkt hat, also wohnt und sozial und familiär gebunden ist. Da die Klägerin ihren Wohnort in der Schweiz habe, seien ausschließlich Schweizer Gerichte zur Entscheidung über ihre Klage berufen, die im übrigen auch nach Schweizer Sachrecht zu beurteilen sei.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
25Die Kammer hat gemäß § 280 ZPO angeordnet, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird. Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 26.3.2015 bzw. 7.4.2015 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage im schriftlichen Verfahren erklärt.
26Entscheidungsgründe
27Die Klage ist zulässig; insbesondere ist das Landgericht Köln für das Verfahren international und örtlich zuständig.
28Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bestimmt sich nach § 32 ZPO. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Zur Begründung der Zuständigkeit genügt es, wenn der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich eine im Gerichtsbezirk begangene unerlaubte Handlung ergibt. Begehungsort der deliktischen Handlung ist dabei sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort, so dass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen, oder dort, wo in ein geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde bzw. ein solcher Eingriff droht. Bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Internetveröffentlichungen ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte dann gegeben, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten an der Gestaltung seines Internetauftritts und an einer Berichterstattung andererseits - nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt als dies aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde (vgl. BGH, Urteil vom 2.3.2010, Az.: VI ZR 23/09 – New York Times). Die in Rede stehende Website muss sich dabei nicht gezielt bzw. bestimmungsgemäß auch an deutsche Internetnutzer richten.
29Nach diesen Grundsätzen ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gericht vorliegend zu bejahen. Der entscheidende objektive Inlandsbezug der Berichterstattung liegt vor. Er ergibt sich daraus, dass die Klägerin und ihr Ehemann deutsche Staatsbürger und – nicht erst seit dem Unfall des Ehemannes – Gegenstand überragenden öffentlichen Interesses gerade in ihrem Herkunftsland sind. Aufgrund dessen liegt eine Wahrnehmung des Artikels in Deutschland und damit eine Beeinträchtigung der Klägerin in ihren Interessen durch die vorliegend streitgegenständliche Berichterstattung auch in Deutschland deutlich näher als dies allein aufgrund der weltweiten Abrufbarkeit des in deutscher Sprache gehaltenen Internetangebots der Beklagten der Fall gewesen wäre (so auch Landgericht Frankfurt 2-03 O 247/14, Beschl. vom 11.7.2014).
30Demgegenüber kommt es für die Frage der internationalen Zuständigkeit – möglicherweise anders als für die Frage des maßgeblichen Sachrechts – nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Klägerin in Deutschland einen Wohnsitz unterhält. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.3.2011 (NJW 2011, 2059-2061) kann die Zuständigkeit deutscher Gerichte auch bei Vorliegen eines Wohnsitzes im Inland verneint werden. Nach der Entscheidung vom 8.5.2012 (NJW 2012, 2197-2201) ist Erfolgsort jedenfalls der Ort, an dem der Verletzte seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Das schließt indes nicht aus, dass der tatbestandsmäßige Erfolg der Persönlichkeitsrechtsverletzung – wie nach den allgemeinen vom Bundesgerichtshof definierten Anforderungen – auch an anderen Orten als dem Wohnort eintreten kann.
31Etwas anderes folgt weder aus den von den Parteien zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs noch aus dem Umstand, dass die Beklagte in Wahrnehmung ihres schweizerischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrages handelte. Insoweit kann sie sich zwar in Deutschland – selbstverständlich – auf deutsche Grundrechte berufen, ist jedoch unter der Voraussetzung, dass ihre Handlungen Bezug zu Deutschland in dem oben dargestellten Sinne aufweisen, einer Kontrolle durch die deutsche Gerichtsbarkeit in gleicher Weise unterworfen wie deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten.
32Gemäß § 32 ZPO liegen aufgrund der bundesweiten Bekanntheit der Klägerin und ihres Ehemannes nach den bisherigen Ausführungen auch die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln vor, ohne dass es darauf ankäme, dass der Ehemann der Klägerin aus dem hiesigen Landgerichtsbezirk stammt und in seiner engeren Heimat einen nochmals höheren Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad erreicht.
33Auch die weiteren Prozessvoraussetzungen liegen vor.
34Streitwert: 80.000 Euro
35Rechtsbehelfsbelehrung
36Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
37a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
38b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
39Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
40Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.
41Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
42Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen
- 03 O 247/14 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 331 Versäumnisurteil gegen den Beklagten 1x
- ZPO § 280 Abgesonderte Verhandlung über Zulässigkeit der Klage 1x
- VI ZR 23/09 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 32 Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung 4x