Urteil vom Landgericht Köln - 21 O 75/20
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Verfügungskläger zu je 50 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungskläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, es sei denn, der Verfügungsbeklagte leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Bei den Verfügungsklägern handelt es sich um Boxmanager sowie um Boxveranstalter, die mehrere Berufsboxer betreuen. Der Verfügungsbeklagte ist seit 2011 Berufsboxer.
3Der Verfügungskläger zu 1) wurde über den Cousin des Verfügungsbeklagten auf diesen im Jahr 2017 aufmerksam. Daraufhin beobachtete der Verfügungsbeklagte die boxerischen Qualitäten des Verfügungsbeklagten bei einem Besuch in Düren. In der Folgezeit betreute der Verfügungskläger zu 1) einige Kämpfe des Verfügungsbeklagten, ohne dass ein schriftlicher Vertrag vorlag. Circa eine Woche vor dem 28.01.2019 übergab der Verfügungskläger zu 1) dem Verfügungsbeklagten einen Vertragsentwurf betreffend den Abschluss einer Sportmanagement- und Vermarktungsvereinbarung. Nach circa einer Woche trafen sich die Parteien zur Vertragsunterzeichnung. Vor der Vertragsunterzeichnung äußerte der Verfügungsbeklagte zu Ziffern 5.4 (Abs. 1), 7.1, 7.4 und 16 Änderungswünsche, die er dann in den Vertrag handschriftlich einfügte. Ferner unterhielten sich die Vertragsparteien über die Regelungen in Ziffer 5.1 und 5.4 und nahmen nach dem Gespräch handschriftliche Änderungen vor. Die Einfügung in die Textlücke in Ziffer 5.4. nahm der Verfügungsbeklagte vor. In Ziffer 5.4. (Abs. 2) ist geregelt, dass der Boxer bei der T & Co KG fest eingestellt ist und Gehalt von monatlich 1.500,- € zzgl MwSt netto erhält. Der Vertragsentwurf enthielt unter Ziffer 1 u.a. eine Passage, in der es u.a. wie folgt heißt: „ Der Boxer versichert mit seiner Unterschrift, dass er sich hat beraten lassen und dass er den Vertragstext vollständig verstanden und aus freien Stücken unterschrieben hat.“ Unter Ziffer 11 finden sich Regelungen über eine 3 jährige Laufzeit mit Verlängerungsoption um drei Jahre für die Verfügungskläger. In Ziffer 11.7 ist u.a. geregelt, dass eine Kündigung gemäß § 627 BGB ausgeschlossen ist. In Ziffer 3.1. ist eine exklusive Vollmachtserteilung des Verfügungsbeklagten an die Verfügungskläger zur Vermittlung und Vermarktung und Abschluss von Kampfverträgen / Einzelvermarktungsverträgen mit Dritten geregelt.
4Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages sowie der o.g. Änderungen und Einfügungen wird auf die Kopie des Vertrages (Anlage 1) verwiesen.
5Am 28.01.2019, dem Tag der v.g. Unterredung, unterschrieben die Verfügungskläger und der Verfügungsbeklagte den Vertrag. Der Verfügungsbeklagte erhielt in der Folge monatlich 1.500,- € von der T & Co KG, die vom Verfügungskläger zu 2) geführt wird. Hintergrund der Regelung war, dem Verfügungsbeklagten ein festes Einkommen zu gewähren, damit sich dieser ganz auf seine Trainingseinheiten und Boxkämpfe vorbereiten könne.
6Im Sommer 2019 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien. Mit Schreiben vom 27.01.2020 erklärte der Verfügungsbeklagte die Kündigung der Sportmanagement- und Vermarktungsvereinbarung und stützte die Kündigung auf § 627 BGB.
7Der Verfügungsbeklagte schloss einen Vertrag mit der Firma B & Events GmbH & Co KG und beabsichtigt, am 21.03.2020 für diese Firma bei einem Boxkampf anzutreten.
8Die Verfügungskläger sind der Ansicht, dass es sich bei den vertraglichen Regelungen, insbesondere bei der Regelung in Ziffer 11.7 nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen (nachfolgend auch AGB genannt) handele. Hierzu behaupten sie, dass sie dem Verfügungsbeklagten die Möglichkeit eingeräumt haben, auf den Vertrag Einfluss zu nehmen. Dem Verfügungsbeklagten habe es frei gestanden, den Vertragsinhalt mitzugestalten und eigene Interessen einfließen zu lassen. Der Verfügungsbeklagte habe vor Vertragsunterzeichnung anwaltliche Beratung in Anspruch genommen. Zum Termin zur Vertragsunterzeichnung habe der Verfügungsbeklagte ein eigenes Dokument mitgebracht, welches seine sämtlichen persönlichen Änderungswünsche enthalten habe. Der Verfügungsbeklagte sei Unternehmer und es müsse insbesondere aufgrund in Anspruch genommener anwaltlicher Beratung davon ausgegangen werden, dass dieser Allgemeine Geschäftsbedingungen gegenüber den Verfügungsklägern verwendet und gestellt habe. Eine dreijährige Vertragsbindung mit Verlängerungsoption sei angemessen, denn Förderung und Zielerreichung würden nicht in kürzester Zeit stattfinden, sondern einen fortlaufen Prozess mit enormen Investitionen darstellen. Sie sind im Übrigen der Ansicht, dass § 627 BGB schon keine Anwendung finde, da der Vertrag gemäß Ziffer 11.1. auf die Dauer von 3 Jahren abgeschlossen sei. Ferner sei auch zu beachten, dass das Arbeitsverhältnis mit dem in Rede stehenden Vertrag habe stehen und fallen sollen.
9Die Verfügungskläger beantragen
10dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen
111. ohne die vorherige Zustimmung der Verfügungskläger selbständig oder durch Dritte Verträge anzubieten, zu verhandeln, abzuschließen und/oder derartige Verträge zu erfüllen, die Dritten das Recht einräumen, während der Laufzeit der mit den Verfügungsklägern bestehenden Sportmanagement- und Vermarktungsvereinbarung bis zum 28.01.2022 Boxkämpfe des Verfügungsbeklagten zu vermitteln und/oder zu veranstalten;
122. bis zum 28.01.2022 Boxkämpfe zu bestreiten, die nicht von den Verfügungsklägern vermittelt oder ohne vorherige Zustimmung der Verfügungskläger von dem Verfügungsbeklagten oder von einem Dritten für den Verfügungsbeklagten vereinbart worden sind.
13Der Verfügungsbeklagte beantragt,
14die Anträge abzuweisen.
15Der Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, dass er den Vertrag wirksam gemäß § 627 BGB gekündigt habe. Er habe nicht über den Vertragsinhalt verhandelt, sondern diesen zur Durchsicht mitbekommen. Er habe den Vertrag ohne anwaltliche Beratung gelesen. Außer den o.g. Änderungswünschen sei nicht über die vertraglichen Passagen gesprochen worden. Da es sich um AGB handele, sei der Ausschluss des § 627 BGB im Vertrag unwirksam.
16Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 10.02.2020 durch Vernehmung des Verfügungsbeklagten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 10.03.2020 verwiesen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zur Gerichtsakte gereichten Unterlagen sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.
18Entscheidungsgründe
19Der zulässige Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist unbegründet.
20Der Verfügungsbeklagte hat die mit den Verfügungsklägern bestehende Sportmanagement- und Vermarktungsvereinbarung vom 28.01.2019 wirksam gekündigt.
21Die Kündigung ist jedenfalls nach § 627 BGB wirksam. Diese Norm ist anwendbar.
22Bei der von den Parteien geschlossenen Sportmanagement- und Vermarktungsvereinbarung handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichen Elementen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein gemischter Vertrag dem Recht desjenigen Vertragstyps zu unterstellen, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Rechtsgeschäfts liegt. Hierbei kommt es nicht auf die von den Vertragspartnern gewählte Benennung, sondern die inhaltliche Ausgestaltung des Vertrags bzw. den tatsächlichen Inhalt der wechselseitigen Rechte und Pflichten an ( BGH NJW 2010, 150 Rn.16 ). Dies ist hier der dienstvertragliche Teil. Ziff.1 S.3 des Vertrages sieht eine umfassende Betreuung des Boxers durch die Verfügungskläger vor, also eine fortdauernde Dienstleistung. Ziff. 2 - 4 regeln die Vermittlungsleistungen der Verfügungskläger hinsichtlich der Vermittlung von Kampfverträgen und Einzelvermarktungsverträgen und die flankierenden Auftragserteilungen und Vollmachten. Auch hierbei handelt es sich um Dienstleistungen, die die Verfügungskläger zu erbringen haben. Die an die Verfügungskläger zu zahlende Vergütung wird gemäß Ziff. 7 als Provision für die Vermittlung von Kampfverträgen und Einzelvermarktungsverträgen geschuldet, also als Gegenleistung für eine Tätigkeit, nicht für die Organisation einer Veranstaltung. Diese wird gemäß Ziff. 10.5 S. 4 gerade nicht geschuldet. Die eigene Veranstaltung von Boxkämpfen durch die Verfügungskläger ist in Ziff. 5 zwar vorgesehen, wird in Ziff. 7.1 S. 2 aber wie ein Ausnahmetatbestand formuliert, in dem es heißt, dass die Verfügungskläger „auch“ in diesem Falle Anspruch auf Vermittlungsprovision haben. Schließlich stellt es ein Indiz für die Einordnung als Dienstvertrag dar, dass der Vertrag als „Sportmanagement- und Vermarktungsvereinbarung“ bezeichnet ist – die eigene Veranstaltung von Boxkämpfen in dieser Bezeichnung also keinerlei Niederschlag gefunden hat – und dass es für notwendig befunden worden ist, die Bestimmung des § 627 BGB auszuschließen, die nur bei Dienstverträgen Anwendung findet. Daran ändert auch die Regelung in Ziffer 11.7. S. 1 nichts. Zwar heißt es dort, dass die Parteien einander keine konkreten Dienstverpflichtungen zu erbringen haben. Dieser Satz ist aber letztlich „nichtssagend“, da er nicht die Dienstleistungsverpflichtungen, die an verschiedene Stellen des Vertrages genannt sind, in Abrede stellen kann. Im Übrigen lebt die Vereinbarung davon, dass die Verfügungskläger sich um eine Vermarktung des Verfügungsbeklagten bemühen sollen, der im Gegenzug den Verfügungsklägern in Ziffer 3 exklusiv die Vermarktungsrechte einräumt. Hinzu kommt, dass die Regelung in Ziffer 11.7 S. 2 zeigt, dass die Parteien selbst davon ausgegangen sind, dass die Regelung in Satz 1 nicht so gemeint ist, dass überhaupt keine Dienstleistungen, insbesondere der Verfügungskläger, geschuldet sind.
23Dass gleichzeitig offenbar auch ein Arbeitsverhältnis, allerdings ohne Arbeitsverpflichtung des Verfügungsbeklagten vereinbart ist, ändert an der dienstvertraglichen Einordnung nichts. Dieses Arbeitsverhältnis wurde nur „pro forma“ als solches bezeichnet. Letztlich, da sind sich die Parteien einig, ging es darum, über dieses formale „Vertragsvehikel“ dem Verfügungsbeklagten eine monatliche Grundversorgung zukommen zu lassen, damit dieser vernünftig trainieren kann, ohne sich Sorgen über die Bezahlung seiner laufenden Verpflichtungen machen zu müssen.
24Dienstverpflichtet sind die Verfügungskläger.
25Die von den Verfügungsklägern zu leistenden Dienste sind solche höherer Art im Sinne des § 627 BGB (vgl. OLG Hamburg Urteil vom 28.03.2012, Az.: 8 U 103/11)
26Die Verfügungskläger haben die umfassende Betreuung des Verfügungsbeklagten übernommen und sich hierfür Exklusivität zusichern lassen. Der Verfügungsbeklagte hat ihnen für die Vermittlung von Boxkämpfen sogar eine unwiderrufliche Vollmacht gegeben (Ziff. 3.1). Der Verfügungsbeklagte hat damit seine gesamte berufliche Existenz in die Hände der Verfügungskläger gelegt. Dass dies nur aufgrund besonderen Vertrauens geschehen sein kann, kann keinem ernsthaften Zweifel unterliegen.
27Es handelt sich auch nicht um ein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen seitens der Verfügungskläger. Die Verfügungskläger erhalten nur Provision. Ferner besteht eine Laufzeit von 3 Jahren mit entsprechender Verlängerungsoption, was dem Vertrag nicht das Gepräge eines dauernden Dienstverhältnisses gibt.
28Der Ausschluss des Kündigungsrechts gemäß § 627 BGB in Ziffer 11.7 des Vertrages ist unwirksam, da er AGB-widrig gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist.
29Ziff. 11.7 des Vertrages ist eine von den Verfügungsklägern verwendete AGB-Klausel gemäß § 305 Abs. 1 BGB. Nach dieser Bestimmung sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.
30Der Vertragsentwurf stammt von den Verfügungsklägern. Die dortigen Regelungen sind erkennbar als vorformulierte Klauseln gestaltet, die auf eine Vielzahl von Fällen Anwendung finden sollen. Die Verfügungskläger betreuen nach eigenem Vortrag mehrere Berufsboxer. Dass es sich bei dem unterschriebenen Vertrag um AGB des Verfügungsbeklagten handeln soll, also eigene gestellte vorformulierte Klauseln, hat der Verfügungskläger zu 1) entgegen dem Vortrag im Schriftsatz vom 10.03.2020 im Rahmen seiner Anhörung nicht bestätigt. Er hat dargelegt, dass das Vertragswerk von den Verfügungsklägern stamme und dem Verfügungsbeklagten zur Durchsicht gegeben worden sei. Die Änderungswünsche seien umgesetzt worden.
31Wenn ein Vertrag formularmäßig aufgemacht ist und nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt ist, spricht bereits dies für AGB (BGH NJW 09, 3717 Rn. 42). So liegt der Fall hier.
32Die Verfügungskläger sind als Verwender der Klausel Ziff. 11.7 auch im unternehmerischen Verkehr darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass die Klausel ausgehandelt worden ist (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 305 Rn. 23 m.w.N.). Das ist ihnen nicht gelungen.
33„Aushandeln“ i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB bedeutet mehr als Verhandeln. Es genügt nicht, dass das gestellte Formular dem Verhandlungspartner bekannt ist und nicht auf Bedenken stößt, dass der Inhalt lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen der Parteien entspricht. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann vielmehr nur gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den „gesetzesfremden Kerngehalt“, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (BGH NJW 2000, 1110, 1111 für einen Vertrag zwischen Unternehmern). Der bloße Hinweis auf eine belastende Klausel genügt nicht (Nachweise bei Palandt- Grüneberg a.a.O. Rn. 20). Das Aushandeln einzelner Vertragsbestimmungen ändert grundsätzlich nichts daran, dass andere AGB sein können (Palandt- Grüneberg a.a.O. Rn. 18 m.w.N.).
34Nach diesen Maßstäben der Rechtsprechung liegt kein Aushandeln vor. Es kann dahinstehen, ob der Vortrag der Verfügungskläger überhaupt ausreichend ist, um von einem Aushandeln im vorgenannten Sinne zu sprechen. Jedenfalls sind die Verfügungskläger beweisfällig für ein Aushandeln geblieben.
35Schon die Anhörung des Verfügungsklägers zu 1), die zwar kein Beweismittel ist, aber im Rahmen der Überzeugungsbildung des Gerichts im Rahmen von § 286 ZPO berücksichtigt werden darf, hat nicht zur Überzeugung des Gerichts von einem „Aushandeln“ geführt. Der Verfügungskläger zu 1) hat dargelegt, dass er dem Verfügungsbeklagten den Vertragsentwurf zur Überprüfung gegeben habe. Dieser habe gesagt, dass er sich anwaltlich beraten lassen werde. Der Verfügungsbeklagte sei dann wiedergekommen und habe seine Änderungswünsche vorgetragen, die dann auch eingearbeitet worden seien. Im Übrigen habe man nicht über den Vertrag geredet. Die Vertragsdauer von drei Jahren sei zwischen den Vertragsparteien völlig klar gewesen. Wenn der Verfügungsbeklagte gesagt hätte, dass der § 627 BGB im Vertrag bleiben soll, dann hätten sie das sicher diskutiert.
36Dieser Vortrag stützt nicht überzeugend die behauptete Tatsache, dass die Klausel mit dem Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit nach § 627 BGB ausgehandelt worden und gerade diese Klausel zur Disposition gestellt worden ist. Über diese Klausel wurde nach der Darlegung des Verfügungsklägers zu 1) nicht gesprochen. Selbst wenn andere Klauseln ausgehandelt worden sein sollten entsprechend den Änderungswünschen des Verfügungsbeklagten, dann hat das Gericht keine Überzeugung dahingehend gewinnen können, dass auch über Ziff 11.7 verhandelt worden ist. In einem Vertragsverhältnis über Dienste höherer Art, in dem der eine Teil – hier der Kläger – seine berufliche Existenz weitgehend in die Hände seines Vertragspartners legt, stellt die Möglichkeit zur fristlosen Kündigung bei Vertrauensverlust eine der wichtigsten gesetzlichen Schutznormen dar. Dementsprechend sind für die Darlegung und Überzeugung eines individuellen Aushandelns hohe Anforderungen zu stellen (OLG Hamburg a.a.O.).
37Der Darlegung des Verfügungsklägers zu 1), dass man über den Verbleib der Reglung des § 627 BGB hätte diskutieren können, reicht nicht. Es erscheint auch kaum nachvollziehbar, dass sich die Verfügungskläger auf einen Verbleib des § 627 BGB im Vertrag eingelassen oder dies ernsthaft diskutiert hätten. Dagegen spricht schon, dass es den Verfügungsklägern nach ihrem eigenen Vortrag darum gegangen ist, den Verfügungsbeklagten eine gewisse Zeit begleiten und vermarkten zu können, da sie hohe Investitionen gehabt hätten. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht nachvollziehbar, dass sie sich dann auf ernsthafte Verhandlungen über ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Verfügungsbeklagten eingelassen hätten.
38Auch die Vernehmung des Verfügungsbeklagten -auf Antrag der Verfügungskläger- hat dem Gericht nicht die notwendige Überzeugung vermitteln können, dass Ziffer 11.7 des Vertrages individuell ausgehandelt worden ist. Dies hat der Verfügungsbeklagte nicht bestätigt. Er hat nicht bekundet, dass über diese Regelung gesprochen wurde. Damit sind die Verfügungskläger beweisfällig geblieben.
39Ob und inwieweit sich der Verfügungsbeklagte vor Vertragsabschluss hat beraten lassen, was er mit seiner Unterschrift entsprechend der Präambelregelung bestätigt hat, kann dahinstehen, weil es darauf für die Frage, ob die Vertragspassage ausgehandelt wurde, nicht ankommt. Ein Vertragspartner kann auch nach Beratung AGBs der Gegenseite akzeptieren, ohne darüber zu verhandeln.
40Der formularmäßige Ausschluss des Kündigungsrechts nach § 627 BGB in Ziff. 11.7 des Vertrages ist vorliegend wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da er mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar.
41Nach der Rechtsprechung des BGH ist der formularmäßige Ausschluss von § 627 BGB wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich unwirksam, und zwar auch im Verkehr mit Kaufleuten (BGH, Urteil v. 11.2.2010 zum Aktz. IX ZR 114/09, Rn. 26, zitiert nach juris). Ob Ausnahmen anzuerkennen sind, hat der BGH bisher offen gelassen (a.a.O. Rn. 27).
42Auch im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob der formularmäßige Ausschluss schon an sich unwirksam ist. Denn der Ausschluss verstößt jedenfalls in Hinblick auf die Zeitdauer, für die er vorliegend erfolgt ist, gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. dazu in einem ähnlich gelagerten Fall OLG Hamburg a.a.O.).
43Hierbei ist für die Beurteilung der Wirksamkeit des Ausschlusses nicht nur die dreijährige Laufzeit nach Ziff. 11.1 zu berücksichtigen, sondern auch die dort genannten Verlängerungstatbestände und die Verlängerungsoption von weiteren drei Jahren in Ziff. 11.2. Für die Beurteilung der Angemessenheit des Ausschlusses von § 627 BGB in Ziff. 11.7 ist jedoch die nach dem Vertrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mögliche Gesamtdauer zu Grunde zu legen (OLG Hamburg, a.a.O.; vgl. BGH NJW 2000, 1110, 1112 für die Inhaltskontrolle einer formularmäßigen Verlängerungsoption).
44Zunächst ist schon aufgrund der einseitigen Verlängerungsoption der Beklagten von einer mindestens sechsjährigen möglichen Vertragsdauer auszugehen. Sodann können sich sowohl während der dreijährigen Grundlaufzeit als auch während der Verlängerungszeit weitere Verlängerungen ergeben.
45Nach Ziff. 11.1 verlängert sich für den Fall, dass der Boxer aufgrund von Krankheit, Wehrpflicht oder sonstiger vergleichbarer Umstände über einen längeren Zeitraum nicht zur Verfügung steht, der Vertrag jeweils um diesen Zeitraum. Jedenfalls der Tatbestand der Krankheit dürfte bei einem so gefährlichen Sport wie Profiboxen leicht eintreten können (vgl. OLG Hamburg a.a.O.). Da ein eigenes Kündigungsrecht des Boxers für diesen Fall selbst bei dauerhafter Krankheit nicht besteht, kann eine Erkrankung zu einer erheblichen Verlängerung bereits der Grundlaufzeit von drei Jahren führen. Daran ändert nichts, dass die vertraglichen Verpflichtungen zeitweise ruhen (Ziff. 11.5.). Die mögliche Verlängerung durch die in diesem Passus genannten Tatbestände ist weder auf eine Höchstdauer begrenzt noch ist ausgeschlossen, dass die Tatbestände mehrmals zu einer Verlängerung führen können.
46Nach Ziff. 11.1 ist eine Verlängerung der Laufzeit vorgesehen, wenn der Boxer einen Boxkampf aus Gründen, die nicht von der Beklagten zu vertreten sind, nicht bestreitet. In diesem Fall verlängert sich der Vertrag bis zur Nachholung des Boxkampfes. Auch der Eintritt dieses Falles erscheint durchaus realistisch, etwa wenn einer der beiden Boxkämpfer erkrankt oder aus anderen Gründen den Kampf absagt (vgl. OLG Hamburg a.a.O.). Da die Klausel nicht verlangt, dass der Boxer das Nichtbestreiten des Kampfes zu vertreten hat, würde z.B. auch eine Erkrankung oder Absage des Gegners zu einer Verlängerung führen können. Auch dieser Verlängerungstatbestand ist nicht durch eine Höchstdauer begrenzt und kann mehrfach verwirklicht werden.
47Unter Berücksichtigung einer sechsjährigen Vertragslaufzeit sowie der genannten Verlängerungstatbestände kann sich der Kündigungsausschluss nach § 627 BGB und die exklusive Bindung des Boxers an die Beklagte über einen ganz erheblichen Teil der aktiven Laufbahn eines Profiboxers erstrecken (vgl. OLG Hamburg a.a.O.). Selbst wenn die Aufbauleistung der Beklagten ebenfalls zu würdigen ist, ist ein so langdauernder Ausschluss dieses wichtigen Kündigungsrechts jedenfalls durch AGB nicht möglich und verstößt – auch unter Berücksichtigung des Grundrechts des Profiboxers aus Art 12 GG – gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. OLG Hamburg a.a.O.)
48Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.
49Streitwert: 8.300,- €
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Referenzen
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 286 Freie Beweiswürdigung 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- 8 U 103/11 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- IX ZR 114/09 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 627 Fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung 9x