Urteil vom Landgericht Köln - 84 O 249/18
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vollständige schriftliche Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte im geschäftlichen Verkehr in Deutschland Hosen wie nachfolgend eingeblendet
(Es folgt eine Darstellung)
angeboten und/oder beworben und/oder vertrieben hat und zwar insbesondere durch Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem sich je Produktart ergibt:
- Namen und Anschrift der gewerblichen Abnehmer der oben abgebildeten Hosen und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren bzw. an die sie geliefert worden sind; und
- die Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten oben abgebildeten Hosen sowie die Preise, die für diese von ihren Abnehmern bezahlt wurden, sowie die entsprechenden Einstandspreise für die Produkte;
- der Umfang der für die oben abgebildeten Hosen betriebenen Werbung, unter Mitteilung der Werbemedien und ihrer Erscheinungsdaten und Auflagenzahlen, Sendedaten und -reichweiten, Veröffentlichungen im Internet und Zugriffszahlen auf diese Inhalte, sowie vergleichbare Angaben für andere Medien.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die zu erteilenden Auskünfte nach Ziffer I. im Wege der Vorlage sämtlicher Lieferverträge, Auftragsbestätigungen, Rechnungen, Lieferbescheinigungen, Quittungen, jeweils sowohl für den Einkauf als auch für den Verkauf der Ware zu belegen und daraus nach Art einer geordneten Rechnungsaufstellung die in Ziffer I. genannten Auskünfte schlüssig und nachvollziehbar darzulegen.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche durch die Verletzungshandlung gemäß Ziffer I. entstandenen oder zukünftig entstehenden Schäden zu ersetzen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
V. Das Urteil ist hinsichtlich II. und III. gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 15.000,00 € und hinsichtlich der Kosten in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin behauptet, sie sei Alleinimporteurin und ausschließlich Vertriebsberechtigte in Deutschland der Produkte der Marke „Y“ der aus Z. Die X ist ein Modeunternehmen. Die unter der Marke „Y“ angebotenen Damenbekleidungsartikel sollen insbesondere die Zielgruppe „Trendy“ der jungen, 14-29jährigen, modebewussten Damen ansprechen. Hierzu gehören auch Jeansmodelle.
3Die Klägerin trägt hierzu vor: Die „Y“-Jeans würden von der X hergestellt und in Deutschland in den großen und bekannten Bekleidungsgeschäften angeboten (Breuninger, Konen, Ludwig Beck, Engelhorn, Daniels oder Leo’s). Hauptwettbewerber in diesem Bereich seien Hersteller wie G-Star, Diesel, Replay, Tommy Hilfiger, Closed, Cambio, Herrlicher, Pepe Jeans, Drykorn, Levi’s und Scotch & Soda. Das erfolgreichste Jeansmodell der Marke „Y“ sei das Modell „P78A“, dieses werde seit Frühjahr 2010 auch auf dem deutschen Markt angeboten. Weiter würden noch zwei weitere Modelle „P68C“ und „P82D“, die charakteristische Merkmale der „P78A“ aufwiesen, vertrieben; diese seien allerdings jeweils leicht anders geschnitten. „P68C“ sei als SLIM-Modell ausgestaltet (insbesondere für jüngere Käuferinnen), „P82D“ sei ein „MINI BAGGY“-Modell, dessen Beine eine leichte O-Form aufwiesen.
4Wegen der Gestaltung der Jeansmodelle verweist die Kammer auf die vorgelegten Abbildungen sowie die zur Akte gereichten Originalprodukte.
5Die besondere Gestaltung ihrer Jeans beschreibt die Klägerin wie folgt:
6- V-förmige Nähte auf der Vorderseite der Hosenbeine,
7- nicht verdeckte Knopfleiste am Hosenschlitz,
8- zwei fast parallel geschwungene Nähte an den Vordertaschen,
9- Gesäßtaschen aus drei sich überlappenden Teilen,
10- zwei Reihen Doppelnähte auf der Hosenrückseite.
11Sie, die Klägerin, habe in Deutschland das Modell „P78A“ wie folgt abgesetzt:
122010: ca. 2.000 Stück (geschätzt)
132011: ca. 4.000 Stück (geschätzt)
142012: über 26.000 Stück, Umsatz über 1 Mio. EUR
152013: über 195.000 Stück, Umsatz über 8 Mio. EUR
162014: über 407.000 Stück, Umsatz über 16 Mio. EUR
172015: über 308.000 Stück, Umsatz über 12 Mio. EUR
182016: über 215.000 Stück, Umsatz über 8 Mio. EUR
192017: über 200.000 Stück, Umsatz über 7,7 Mio. EUR
20Die „Y“-Jeans hätten in Deutschland eine große Aufmerksamkeit erregt. Zahlreiche Modemagazine hätten hierüber berichtet. Die „Y“-Jeans würden umfangreich beworben. Hierzu trägt die Klägerin im Einzelnen vor.
21Die Beklagte ist Teil des dänischen Unternehmens Bestseller, welches eines der größten europäischen Bekleidungsunternehmen ist.
22Die streitgegenständlichen und im Tenor zu I. abgebildeten Hosen sind im Dezember 2017 von der Amazon EU S.à.r.l. auf deren Internetseite angeboten worden.
23Wegen der Gestaltung der hier in Rede stehenden Jeans verweist die Kammer auf die zur Akte gereichten Abbildungen sowie auf das vorgelegte Originalprodukt.
24Nach einer Abmahnung der Klägerin vom 20.12.2017 erteilte die Amazon EU S.à.r.l. die Auskunft, dass die streitgegenständlichen Hosen von der Beklagten geliefert worden seien. Daraufhin mahnte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 18.01.2018 ab (Anlage K 16). Am 07.02.2018 gab die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab (Anlage K 16). In der Folgezeit entwickelte sich hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz ein Schriftwechsel zwischen den Parteien. Wegen der Einzelheiten verweist die Kammer auf den als Anlagenkonvolut K 17 vorgelegten Schriftwechsel. Eine gütliche Einigung konnte nicht gefunden werden. Die Verhandlungen endeten am 06.09.2018. Am 24.10.2018 hat die Klägerin die vorliegende Klage eingereicht, mit der sie Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung begehrt.
25Die Klägerin sieht in dem Vertrieb des Jeansmodells der Beklagten eine unlautere Nachahmung der „Y“-Jeansmodelle „P78A“, „P68C“ und „P82D“.
26Die Klägerin beantragt,
27wie erkannt;
28hilfsweise: festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin das durch die Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I. Erlangte herauszugeben.
29Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Sie bestreitet, dass die Klägerin Alleinimporteurin und ausschließlich Vertriebsberechtigte in Deutschland der Produkte der Marke „Y“ der X aus Z sei. Es sei auch nicht dargelegt, dass die X-Herstellerin der Jeans sei. Es fehle an der wettbewerblichen Eigenart der Jeans der Klägerin sowie an einer Verletzungshandlung. Es gebe eine Vielzahl von Jeanshosen unterschiedlicher Hersteller, die dieselben Gestaltungsmerkmale aufwiesen wie die Produkte der Klägerin. Hierzu führt die Beklagte im Einzelnen unter Bezugnahme auf das Anlagenkonvolut B 3 aus. Die angegriffene Hose weiche zudem in wesentlichen Gestaltungsmerkmalen deutlich von den Modellen der Klägerin ab, so dass ein abweichender Gesamteindruck entstehe. Der Auskunftsanspruch sei erfüllt. Schließlich erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
33Die Kammer hat die zur Akte gereichten Hosen im Termin zur mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
35Die Klage hat Erfolg.
36Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Auskunftsanspruch sowie dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 9 S. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 3 a) UWG, § 242 BGB zu.
37Im Einzelnen:
38I. Die X ist Herstellerin der „Y“ Jeans.
39Dies hat die Klägerin durch Vorlage von Auszügen aus der Webseite der X(Anlagenkonvolut K 28), von Markenunterlagen (Anlagenkonvolut K 29), nach denen die X Inhaberin der „Y“ Marken ist, sowie durch Vorlage der Originalprodukte mit den entsprechenden eingenähten Etiketten zur Überzeugung der Kammer ausreichend belegt, zumal die Beklagte die Herstellereigenschaft der X in der Klageerwiderung zunächst nicht in Abrede gestellt hatte.
40II. Die Klägerin ist als Alleinvertriebsberechtigte aktivlegitimiert.
41Die Klägerin hat auf Hinweis der Kammer die Vertriebsverträge zwischen der Klägerin und der X für die Jahre 2012 – 2014, 2014 – 2018 und 2019 – 2024 (Anlagen K 25 – K 27) in Auszügen zu den Akten gereicht, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin die alleinige und exklusive Vertriebspartnerin für Artikel der Marke „Y“ der X im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist. Zwar hat sich die X in den Verträgen vorbehalten, ihre bisherigen Direktkunden weiterhin zu beliefern. Bei diesen handelt es sich jedoch um wenige Einzelhändler (zunächst 14, aktuell nur noch 6), die lediglich an Endkunden und nicht an gewerbliche Wiederverkäufer verkaufen (dürfen). Darüber hinaus hat die Klägerin dargelegt, dass diese Direktkunden lediglich das Privileg haben, sich die Ware direkt in Italien bei der X aussuchen zu dürfen. Die Bestellungen werden dann über die Klägerin abgewickelt und auch von ihr an die Direktkunden fakturiert. Die X liefert die Ware zwar direkt an die Direktkunden, stellt diese aber wie jede andere Lieferung der Klägerin in Rechnung. Das Privileg der Direktkunden erklärt sich daher allein aus der vor Abschluss des ersten Vertriebsvertrages zwischen der Klägerin und der X im Jahre 2012 bestehenden Kundenbeziehung der Direktkunden zu der X S.p.A.. Diese Art der Kundenbeziehung von jetzt nur noch 6 Einzelhändlern – die Klägerin beliefert in Deutschland rund 2200 Abnehmer – zu der X S.p.A., die letztendlich über die Klägerin abgewickelt wird, vermag das Alleinvertriebsrecht der Klägerin damit - nicht zuletzt auch aufgrund der nahezu wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit - nicht in Frage zu stellen.
42III. Die Beklagte hat durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Jeanshose § 3 Abs. 1 UWG zuwidergehandelt. Danach sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG handelt gemäß § 4 Nr. 3 a) UWG insbesondere, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Gemäß § 4 Nr. 3 UWG kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 21 - LIKEaBIKE; WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 16 - Sandmalkasten; WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 14 - Regalsystem; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 15 - Einkaufswagen III; OLG Köln, GRUR-RR 2014, 25, 26 f. - Kinderhochstuhl "Sit up", jeweils mwN).
43Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Angebot und der Vertrieb der angegriffenen Jeans der Beklagten als wettbewerbswidrig:
441) Die von der Klägerin unter der Bezeichnung „P78A“, „P68C“ und „P82D“ unter der Marke „Y“ vertriebenen Jeans-Modelle haben wettbewerbliche Eigenart.
45Eine wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 21, juris). Dabei können einzelne Gestaltungsmerkmale in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart verstärken oder begründen, wenn sie den Gesamteindruck des Erzeugnisses bestimmen (BGH, Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 34, juris). In der Rechtsprechung ist weiter anerkannt, dass auch bei Modeerzeugnissen in Ausnahmefällen deren besonders originelle Gestaltung als Hinweis auf die betriebliche Herkunft angesehen werden und eine wettbewerbliche Eigenart unter diesem Gesichtspunkt vorliegen kann. Im Bereich der Mode begründet sich die wettbewerbliche Eigenart in der Regel aufgrund ästhetischer Merkmale. Das ist zum einen der Fall, wenn die – nicht technischen, sondern ästhetischen – Merkmale einer Ware, insbesondere die Gestaltung ihrer äußeren Form sowie das sonstige Design, die Ware so individualisieren, dass der Verbraucher annimmt, so gestaltete Produkte müssten aus derselben betrieblichen Herkunftsstätte stammen. Es genügt zum anderen aber auch, dass das Produkt für ihn spezielle Besonderheiten aufweist, die es von allen anderen unterscheidet. Diese können insbesondere im ästhetischen Bereich in einer überdurchschnittlichen individuellen schöpferischen Gestaltung liegen. In der Regel ist es aber auch gerade hier die Kombination bestimmter einzelner Merkmale, die der Verkehr als Hinweis auf die Herkunft oder auf modische Besonderheiten ansieht (vgl. von Hellfeld in Kirchner/Kirchner-Freis, Handbuch Moderecht, Seite 167 f.; OLG Köln, Urteil vom 14.07.2017 – 6 U 197/16 – S. 16). Anders als bei kurzlebigen Modeneuheiten besteht in einem solchen Fall ein einer zeitlichen Beschränkung nicht von vornherein unterworfener Nachahmungsschutz (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 15.09.2005, Jeans, I ZR 151/02, Rdnr. 24, juris).
46Wenn und soweit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes München vom 04.07.2019 – 29 U 3490/17 – (wohl nicht rechtskräftig) eine abweichende Sicht der Dinge zu entnehmen sein sollte, teilt die Kammer diese nicht.
47Obgleich im Produktbereich der Jeanshosen eine sehr große Vielfalt von verschiedenen Gestaltungen bzw. Designs auf dem Markt existiert, verfügen die in Rede stehenden Jeansmodelle der Klägerin über eine besondere Kombination charakteristischer Merkmale, die sie von einer klassischen Jeansform deutlich abheben und die ihre wettbewerbliche Eigenart begründen. Für das Design der Jeansmodelle der Klägerin sind – wie diese zutreffend dargelegt hat – zahlreiche Gestaltungselemente prägend. So zeichnet sich die Jeanshose durch die V-förmigen Nähte auf der Vorderseite der Hosenbeine, die nicht verdeckte Knopfleiste am Hosenschlitz, zwei fast parallel geschwungene Nähte an den Vordertaschen, Gesäßtaschen aus drei sich überlappenden Teilen und durch zwei Reihen Doppelnähte auf der Hosenrückseite aus. Wenngleich verschiedene der Einzelelemente bei einer Vielzahl von Jeans und auch von anderen Herstellern verwendet werden mögen und bei Jeans gerichtsbekannt eine hohe Musterdichte herrscht, führt diese von der Klägerin gewählte konkrete Kombination der Gestaltungselemente in Zusammenschau mit der – unabhängig von der Richtigkeit der von der Klägerin genannten konkreten Verkaufs- und Umsatzzahlen – jedenfalls weiten Verbreitung der Jeans-Modelle zu einer wettbewerblichen Eigenart.
48Eine Schwächung oder gar ein Verlust dieser wettbewerblichen Eigenart durch die im Produktumfeld vertriebenen Jeansmodelle ist nicht festzustellen. Die von der Beklagten aufgezeigten Jeans des wettbewerblichen Umfeldes mögen zwar teilweise einzelne der charakteristischen Merkmale der von der Klägerin angeführten Jeansmodelle aufweisen, bei diesen sind aber nicht mehrere oder gar alle charakteristischen Gestaltungsmerkmale in der die wettbewerbliche Eigenart der Modelle der Klägerin begründenden Weise miteinander kombiniert. Insoweit kann die Kammer auf die zutreffenden Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 29.01.2019, dort Seiten 6-14, verweisen.
49Soweit die Beklagte – wie auch im Termin zur mündlichen Verhandlung - Jeansmodelle angeführt und präsentiert hat, die u.U. tatsächlich als Nachahmungen der Hosen der Klägerin angesehen werden könnten, sind diese nicht geeignet, die wettbewerbliche Eigenart zu schwächen oder insgesamt in Frage zu stellen.
50Die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts kann verloren gehen, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder seine Merkmale auf Grund der Entwicklung der Verhältnisse auf dem Markt, beispielsweise durch eine Vielzahl von Nachahmungen, nicht mehr geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH, Urteil vom 24.05.2007 – I ZR 104/04, GRUR 2007, 984 – Gartenliege). Der Anspruch aus § 4 Nr. 3 UWG entfällt aber nicht bereits dadurch, dass andere Nachahmer mehr oder weniger gleichzeitig auf den Markt kommen. Andernfalls könnte sich jeder Nachahmer auf die allgemeine Verbreitung der Gestaltungsform durch die anderen Nachahmer berufen und dem betroffenen Hersteller des Originals würde die Möglichkeit der rechtlichen Gegenwehr genommen (BGH, Urteil vom 24.03.2005 – I ZR 131/02, GRUR 2005, 600 – Handtuchklemmen, m.w.N.).
51Darüber hinaus kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf den Vertrieb anderer Nachahmungsprodukte berufen, solange Ansprüche wegen dieser Produkte nicht durch Verwirkung untergegangen sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 18.12.2015 – 6 U 44/15 – Crocs, juris).
52Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Jeanshosen der Klägerin bereits seit langer Zeit auf dem Markt in einem hohen Maß präsent sind, so dass auch nur ein intensiver Vertrieb von ähnlichen Produkten die wettbewerbliche Eigenart schwächen würde (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.12.2014 – 15 U 94/14, MarkenR 2015, 102).
53Die wettbewerbliche Eigenart wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin selbst zahlreiche Jeansmodelle anbietet, bei denen sie die von der Klägerin als charakteristisch bezeichneten Gestaltungsmerkmale, nämlich die V-förmigen Teilungsnähte auf den Oberschenkeln und die sichtbare Knopfleiste am Hosenschlitz, entweder überhaupt nicht oder aber in anderer Kombination verwendet. Insoweit führt dies nicht dazu, dass der Verkehr nicht mehr auf die Herkunft der Produkte schließen könne. Wenn dies der Fall wäre, könnte jeder Modehersteller stets nur ein Modell einer Warenkategorie anbieten, da ja anderenfalls beim Verkehr große Verwirrung und der Verlust der wettbewerblichen Eigenart eintreten würde. Vielmehr wissen die Verbraucher, dass (dieselben) Modehersteller auch völlig anders gestaltete und/oder leicht abgewandelte Modelle vertreiben.
542) Die angegriffene Jeans-Hose der Beklagten stellt eine wettbewerbsrechtlich relevante Nachahmung der Y-Jeans-Modelle „P78A“, „P68C“ und „P82D“ der Klägerin dar.
55Eine nahezu identische Übernahme ist gegeben, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist (BGH, GRUR 2000, 521, 524 – Modulgerüst I; BGH, GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil). Dabei kommt es darauf an, ob gerade die übernommenen Gestaltungsmittel die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts begründen (BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 32 – Handtaschen; BGH, GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil). Eine nachschaffende Übernahme liegt dagegen bereits vor, wenn die Nachahmung wiedererkennbare wesentliche Elemente des Originals aufweist und sich nicht deutlich davon absetzt. Geringfügige Abweichungen vom Original sind unerheblich, solange das Original als Vorbild erkennbar bleibt (OLG Köln, Urteil vom 19.09.2014 – 6 U 7/14 – S. 10; OLG Hamburg, MarkenR 2011, 275, 280 = juris Tz. 55; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 37. Aufl. 2019, § 4 Rn. 3.37).
56Bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den Original und Nachahmung bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln (BGH, GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 32 – Handtaschen; BGH, GRUR 2009, 1069 Tz. 20 – Knoblauchwürste). Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt (BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 34 – Handtaschen; BGH, GRUR 2010, 80 Tz. 41 – LIKEaBIKE; OLG Köln, Urteil vom 19.09.2014 – 6 U 7/14 – S. 10; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 37. Aufl. 2019, § 4 Rn. 3.43). Maßgebend für die Beurteilung von Übereinstimmungen ist der jeweilige Gesamteindruck, den die verschiedenen Erzeugnisse bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln (BGH, GRUR 2002, 629, 632 – Blendsegel). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (z.B. BGH, Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 21, juris).
57Bei der von der Beklagten vertriebenen Jeans wurden nahezu sämtliche charakteristischen gestalterischen Merkmale der Jeans der Klägerin übernommen, was zu einem nahezu identischen Gesamteindruck der angegriffenen Jeans führt. So finden sich auf der Vorderseite sowohl die V-förmigen Nähte als auch die unverdeckte Knopfleiste sowie die doppelte Nahtführung unterhalb der Taschen. Auf der Rückseite wurde die horizontal verlaufende zusätzliche Naht zwischen Gesäßtaschen und Bund übernommen. Soweit die Beklagte auf Unterschiede in der Gestaltung der sich gegenüberstehenden Jeans verweist fallen diese Abweichungen erst bei einem unmittelbaren Vergleich der Hosen auf und verändern den Gesamteindruck nicht. Ebenso führt die – allerdings - abweichende Gestaltung der Gesäßtaschen nicht zu einer anderen Gesamtwirkung. Wie ausgeführt, ist bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten auf den Gesamteindruck abzustellen und zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und dabei regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervortreten.
583) Es liegt auch eine vermeidbare Herkunftstäuschung vor.
59Für die Gefahr einer Herkunftstäuschung reicht es aus, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei dem nachahmenden Produkt um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Herstellers des Originals oder es bestünden zumindest lizenz- oder gesellschaftsrechtliche Beziehungen zu ihm (BGH, NJW-RR 2001, 405, 407 – Messerkennzeichnung; BGH, GRUR 2009, 1073 Tz. 15 – Ausbeinmesser). Das Hervorrufen bloßer Assoziationen an das Originalprodukt reicht nicht aus. Maßgebend ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (oder sonstigen Marktteilnehmers), der sich für das Produkt interessiert (BGH, GRUR 2010, 1125 = WRP 2010, 1465 Tz. 32 – Femur-Teil; OLG Köln, Urteil vom 07.03.2014 – 6 U 160/13).
60Die Jeanshosen der Klägerin verfügen, wie dargelegt, zumindest über eine gewisse Bekanntheit. Der Käufer, der ein Angebot der Beklagten wahrnimmt, wird angesichts der Übereinstimmungen in den prägenden Merkmalen der Jeanshosen davon ausgehen, es handele sich um die ihm bekannte Jeanshose der Klägerin oder jedenfalls solche eines Herstellers, der mit der Klägerin organisatorisch oder geschäftlich verbunden ist. Durch die bestehenden Unterschiede wird die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht beseitigt.
61Die Gefahr einer Herkunftstäuschung wird schließlich auch nicht dadurch vermieden, dass die angegriffenen Jeanshose die Bezeichnung „P“ trägt. Zwar kann die hinreichend sichtbare Anbringung einer Herstellerbezeichnung eine an sich bestehende Verwechslungsgefahr beseitigen (BGH, GRUR 2002, 820, 823 – Bremszangen). Bei „P“ handelt es sich jedoch aus Sicht des Verkehrs nicht eindeutig um eine Herstellerkennzeichnung. „P“ erscheint vielmehr eher als Handelsmarke, welche die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht auszuräumen vermag (vgl.: BGH, GRUR 2009, 1069 Tz. 16 ff. – Knoblauchwürste; BGH, GRUR 2001, 251, 254 - Messerkennzeichnung).
624) Der Beklagten ist auch zuzumuten, durch Umgestaltung ihrer Jeanshose die Gefahr einer Herkunftstäuschung zu vermeiden.
63Es ist einem Unternehmer zwar nicht verwehrt, auf die Verkäuflichkeit seines Erzeugnisses zu achten und dementsprechend die Erwartungen der Abnehmer zu berücksichtigen. Die Angemessenheit ist aber zu verneinen, wenn dem Mitbewerber auch bei gleicher Prioritätensetzung ein hinreichender Spielraum für Abweichungen zur Verfügung steht. Das setzt eine Gesamtabwägung voraus. Ein Indiz dafür ist, wenn abweichende Konkurrenzprodukte mit einem „eigenen Gesicht“ auf dem Markt sind (BGH, GRUR 2002, 86, 90 – Laubhefter; BGH, GRUR 2009, 1073 Tz. 15 – Ausbeinmesser; OLG Köln, Urteil vom 18.10.2013 – 6 U 11/13 – S. 32 f.; Köhler/Bornkamm, UWG 37. Aufl. 2019, § 4 Rn. 3.49). Diese Voraussetzungen sind hier angesichts der in diesem Verfahren vorgetragenen zahlreichen Produkte des wettbewerblichen Umfelds erfüllt.
645) Im Rahmen der bei der Anwendung des § 4 Nr. 3 a) UWG gebotenen Gesamtabwägung ist zu berücksichtigen, dass eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen besteht, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt. Bei einer nahezu identischen Übernahme sind die Anforderungen an die wettbewerbliche Eigenart und an die besonderen wettbewerblichen Umstände geringer als einer nur nachschaffenden Übernahme (BGH, GRUR 2012, 1155 Tz. 16 – Sandmalkasten; OLG Köln, Urteil vom 18.10.2013 - 6 U 11/13 – S. 33). Im vorliegenden Fall trifft eine fast identische Übernahme mit einer durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart zusammen. Die Anforderungen an die besonderen wettbewerblichen Umstände sind daher niedriger anzusetzen, so dass im Gesamtergebnis von einer unlauteren Nachahmung im Sinne des § 4 N. 3 a) UWG auszugehen ist.
656) Die Beklagte hat auch zumindest fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt.
66Bei sorgfältiger Prüfung hätten sie erkennen können und müssen, dass die Klägerin mit nahezu identischen Jeansmodellen seit langem im Markt präsent ist. Sie hätte vor dem Marktzutritt prüfen müssen, ob der Vertrieb der streitgegenständlichen Jeanshose Rechte Dritter verletzt.
67Dass der Klägerin durch die Wettbewerbsverletzung seitens der Beklagten ein Schaden entstanden ist, erscheint nicht ausgeschlossen.
68IV. Die Beklagte hat den geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht erfüllt.
69Zwar hat die Beklagte vorprozessual Vertriebs- und Umsatzzahlen genannt. Der Auskunftsanspruch geht jedoch weiter. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung sämtlicher Auskünfte, welche im Tenor zu II. und im Tenor zu III. tituliert sind. Nur so wird die Klägerin in die Lage versetzt, ihren Schadensersatzanspruch nach einer der drei ihr zur Verfügung stehenden Berechnungsmethoden zu beziffern.
70V. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt.
71Der Lauf der Verjährung war jedenfalls so lange durch Verhandlungen der Parteien im Sinne des § 203 BGB gehemmt, dass die Klage noch innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist eingereicht worden ist.
72Die Kammer verweist auf den von der Beklagten als Anlage B 5 vorgelegten „Zeitstrahl“.
73Unstreitig hat die Klägerin am 10.01.2018 Kenntnis von der Verletzungshandlung erlangt. Die Verhandlungen der Parteien begannen unstreitig am 31.01.2018 und währten zunächst jedenfalls bis zum 20.04.2018, was – so auch die Beklagte – zu einer Hemmung von 80 Tagen führt. Ob nach dem 20.04.2018 für einen gewissen weiteren Zeitraum, in dem die Klägerin trotz Fristablauf nach Treu und Glauben noch eine Rückmeldung der Beklagten erwarten konnte (BGH NJW 1986, 1337; BGH NJW 2009, 1806), eine Hemmung anzunehmen ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist der Lauf der Verjährung ab dem 02.08.2018 (und nicht erst – wie die Beklagte meint – am 23.08.2018) mit der erneuten Kontaktaufnahme der Klägerin (Möglichkeit der außergerichtlichen Einigung), die zu den E-Mails der Beklagten vom 09.08.2018 (Erklärung der Bereitschaft zu Auskunftserteilung), 14.08.2018 (Bitte um Fristverlängerung) und 23.08.2018 (Vergleichsangebot der Beklagten) erneut gehemmt worden, da die Parteien die Vergleichsverhandlungen wieder aufgenommen haben. Diese sind am 06.09.2018 gescheitert. Die Hemmung vom 02.08.2018 bis 06.09.2018 währte 36 Tage, so dass von einer Hemmung von insgesamt 116 Tagen auszugehen ist. Unter Berücksichtigung einer Hemmung von 116 Tagen ist die Klage am 24.10.2018 noch innerhalb der Verjährungsfrist eingereicht worden.
74Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
75Streitwert: 35.000,00 €
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- 6 U 11/13 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- 6 U 7/14 2x (nicht zugeordnet)
- 6 U 160/13 1x (nicht zugeordnet)
- I ZR 124/06 3x (nicht zugeordnet)
- 15 U 94/14 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 Nr. 3 UWG 2x (nicht zugeordnet)
- § 9 S. 1 UWG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 1x
- 6 U 44/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 UWG 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 203 Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen 1x
- I ZR 151/02 1x (nicht zugeordnet)
- 6 U 197/16 1x (nicht zugeordnet)
- I ZR 104/04 1x (nicht zugeordnet)
- I ZR 131/02 1x (nicht zugeordnet)
- 29 U 3490/17 1x (nicht zugeordnet)