Beschluss vom Landgericht Magdeburg (1. Große Strafkammer) - 21 Qs 88/12

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts M vom 12. November 2012 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

Mit seiner Beschwerde begehrt der Angeklagte die Aufhebung des vom Amtsgericht – Schöffengericht –M für den 11. Dezember 2012 anberaumten Hauptverhandlungstermins.

2

Das Amtsgericht hat dem Angeklagten, dem mit zugelassener Anklage der Staatsanwaltschaft M vom 18. September 2012 u. a. eine mit einem Mitangeklagten gemeinschaftlich begangene räuberische Erpressung vorgeworfen wird, mit Beschluss vom 15. Oktober 2012 Rechtsanwalt J F gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO als Verteidiger beigeordnet.

3

Mit Verfügung vom selben Tage, dem Verteidiger des Angeklagten zugestellt am 17. Oktober 2012, übermittelte das Amtgericht M drei mögliche Termine für den Beginn der Hauptverhandlung mit dem Hinweis, dass eine Terminierung am 22. Oktober 2012 erfolge und unverzüglich mitzuteilen sei, an welchem Termin Hinderungsgründe bestünden. Bei den anvisierten Tagen handelt es sich um den 13. November 2012, den 17. November 2012 und den 11. Dezember 2012. Der Verhandlungsbeginn war jeweils für 9.00 Uhr geplant.

4

Mit Telefax vom 19. Oktober 2012, eingegangen bei dem Amtsgericht M am selben Tage, teilte der Verteidiger mit, dass er an den vorgeschlagenen Terminen verhindert sei. Dies versicherte er anwaltlich. Ausführungen dazu, aus welchen Gründen an allen drei Terminen Verhinderungen vorlägen, machte der Verteidiger nicht. Vielmehr schlug er vor, den Beginn der Hauptverhandlung auf den 12. Februar 2013 zu terminieren.

5

Mit Verfügung vom 22. Oktober 2012 beraumte die Vorsitzende des Schöffengerichts, der das Telefax des Verteidigers vom 19. Oktober 2012 erst am 23. Oktober 2012 vorgelegt wurde, Hauptverhandlungstermin auf den 13. November 2012 an.

6

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2012 teilte die Vorsitzende des Schöffengerichts dem Verteidiger mit, dass sein Schreiben nach der Stellungnahmefrist eingegangen sei. Die Ladung sei bereits veranlasst. Auch könne das Gericht aufgrund des Beschleunigungsgebotes nicht erst im Februar 2013 die Hauptverhandlung anberaumen. Zudem gab es dem Verteidiger „bis zum 31.10.2012 die Möglichkeit, den angestrebten Termin zu bestätigen“.

7

Nachdem der Verteidiger die Ladung zur Hauptverhandlung für den 13. November 2012 erhalten hatte, bat er das Gericht mittels Telefax um Aufhebung dieses Termins, da er an diesem Tag um 9.00 Uhr eine Verhandlung vor dem Landgericht Halle wahrzunehmen habe. Wiederum schlug er den 12. Februar 2013 als möglichen Verhandlungstermin vor.

8

Mit Verfügung vom 29. Oktober 2012 teilte die Schöffengerichtsvorsitzende dem Verteidiger mit, dass der Verhandlungstermin nicht aufgehoben werde, woraufhin dieser mit Telefax vom 31. Oktober 2012 erklärte, dass der Angeklagte ausschließlich von ihm verteidigt werden möchte. Weiterhin teilte er mit: „Lediglich vorsorglich wird – um zu verhindern, dass Sie [dem Angeklagten] einen Rechtsanwalt beiordnen, den dieser nicht als Verteidiger wünscht – für den Fall der Entpflichtung meiner Person namens und in Vollmacht des Angeklagten Herr Rechtsanwalt A F [...] benannt. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass [der Angeklagte] nicht weiterhin von mir vertreten werden möchte“.

9

Mit Verfügung vom 5. November 2012 verlegte die Vorsitzende des Schöffengerichts daraufhin den Beginn der Hauptverhandlung auf den 11. Dezember 2012.

10

Mit Telefax vom 9. November 2012 ersuchte der Verteidiger das Gericht abermals um eine Terminsaufhebung. Am 11. Dezember 2012 habe er um 10.00 Uhr einen Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht B und um 13.30 Uhr vor dem Amtsgericht Dessau wahrzunehmen. In beiden Verfahren sei er Pflichtverteidiger.

11

Mit Beschluss vom 12. November 2012 lehnte das Amtsgericht M die Aufhebung des für den 11. Dezember 2012 angesetzten Hauptverhandlungstermins ab. Zur Begründung führte es aus, das Gericht habe den Verteidiger ursprünglich zum 13. November 2012 geladen. Die schriftliche Mitteilung des Verteidigers, er könne diesen Termin nicht wahrnehmen, sei zu spät eingetroffen. Dennoch habe das Gericht auf den Verteidiger Rücksicht genommen und letztlich diesen Termin auf den 11. Dezember 2012 verlegt. Aufgrund des Beschleunigungsgebotes könne das Gericht nicht weiter auf den Verteidiger Rücksicht nehmen. Der vom Verteidiger vorgeschlagene Termin liege im neuen Jahr und dem Verteidiger sei bekannt, dass das Gericht zeitnah verhandele.

12

Gegen den Beschluss hat der Angeklagte mit Telefax seines Verteidigers vom 12. November 2012 Beschwerde mit der Begründung eingelegt, es werde keine Rücksicht auf die Verhinderung des Verteidigers genommen, da der Termin am 11. Dezember 2012 nicht mit diesem abgestimmt gewesen sei. Auch sei das Beschleunigungsgebot bei einer späteren Terminierung nicht verletzt, da es zur Disposition des Angeklagten stehe. Die Entscheidung des Amtsgerichts sei daher ermessensfehlerhaft.

13

Die Vorsitzende des Schöffengerichts hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache über die Staatsanwaltschaft dem Landgericht M vorgelegt.

II.

14

Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Ablehnung des Antrags auf Terminverlegung ist bereits unzulässig.

15

Grundsätzlich unterliegen Entscheidungen des Gerichts, die der Urteilsfällung voraus gehen, gemäß § 305 Satz 1 StPO nicht der Beschwerde. Zu derartigen Entscheidungen zählt auch grundsätzlich die Terminsanberaumung durch den Vorsitzenden. Gegen diese ist aber dann ausnahmsweise das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft, wenn eine in rechtsfehlerhafter Ermessensausübung getroffene Entscheidung für Verfahrensbeteiligte eine besondere selbständige Beschwer bewirkt und die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung infolge fehlerhafter Ermessensausübung evident ist (OLG Naumburg, Beschluss vom 30. September 2008, Az. 1 Ws 544/08; OLG Dresden NJW 2004, 3196 ff.). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

16

Der Beschluss des Amtsgerichts M ist nicht aufgrund rechtsfehlerhafter Ermessensausübung evident rechtswidrig, weil die Schöffengerichtsvorsitzende im konkreten Fall ausnahmsweise ohne weitere Berücksichtigung der vorgetragenen Verhinderung des Verteidigers im Rahmen der Ermessensentscheidung allgemein auf das Beschleunigungsgebot verweisen durfte.

17

Im Ausgangspunkt ist der Vorsitzende bei der Terminsbestimmung nach § 213 StPO nicht gehalten, eine von ihm beabsichtigte Hauptverhandlungsterminierung zuvor mit dem Verteidiger abzustimmen, da eine dahingehende Rechtsvorschrift nicht besteht. Der Vorsitzende hat allerdings die Pflicht, bei der Anberaumung von Terminen auf Verteidigerbelange im Rahmen der ihm obliegenden Ermessensentscheidung Rücksicht zu nehmen (OLG Hamburg StV 1995, 11). Dabei hat er das staatliche Interesse an der reibungslosen und beschleunigten Durchführung des Strafverfahrens und das Interesse des Angeklagten, sich in der Hauptverhandlung des Beistands gerade eines von ihm gewählten und sein besonderes Vertrauen genießenden Verteidigers bedienen zu können, in einen angemessenen Ausgleich zu bringen (OLG Dresden, NJW 2004, 3196 [3197]). Diesem Erfordernis wird der Vorsitzende regelmäßig nur gerecht, wenn er im Rahmen der Abwägung sämtliche relevanten Gesichtspunkte in seine Entscheidung einstellt und rechtsfehlerfrei gegeneinander abwägt (OLG Naumburg, Beschlüsse vom 26. August 2011, Az. 1 Ws 649/11, und 9. Juli 2012, Az. 1 Ws 258/12).

18

Dieser Pflicht des Vorsitzenden steht aber eine korrespondierende Pflicht des Angeklagten gegenüber, seine Belange zu einem Zeitpunkt und in einer Ausführlichkeit geltend zu machen, die es dem Vorsitzenden auch ermöglicht, unter Abwägung der verschiedenen rechtlich geschützten Interessen darüber zu entscheiden, ob der geltend gemachte, in der Sphäre des Angeklagten liegende Grund sich auf die Terminierung auswirken muss (LG M StraFo 1997, 112 [113]; Brandenburgisches Oberlandesgericht OLG-NL 1996, 71 [72]). Wird ein Verlegungsantrag nur allgemein mit einer Verhinderung oder pauschal begründet, genügt ausnahmsweise für die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung auch eine lediglich formelhafte Wendung (LG Frankfurt/M. StV 2004, 420; kritisch hierzu Jäger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2009, § 213 Rdnr. 10), da der Vorsitzende ohne Rechtsverstoß davon ausgehen kann, dass der bereits angeordneten Terminierung wesentliche Belange nicht entgegen stehen (LG M StraFo 1997, 112 [113]). So liegt der Fall hier.

19

Mit Telefax vom 19. Oktober 2012 teilte der Verteidiger nur pauschal mit, an allen drei vom Gericht vorgeschlagenen Terminen „verhindert“ zu sein. Diese Mitteilung versetzt die Vorsitzende des Schöffengerichts nicht im Ansatz in die Lage, berechtigte Belange des Angeklagten in ihre Ermessensentscheidung einstellen zu können.

20

Auch nachdem die Schöffengerichtsvorsitzende entgegen ihrer ursprünglichen Planung den zunächst für den 13. November 2011 anberaumten Hauptverhandlungstermin auf den 11. Dezember 2011 – ein bereits am 15. Oktober als möglicher Verhandlungstermin mitgeteiltes Datum – verlegte, teilte der Verteidiger mit Telefax vom 9. November 2012 lediglich mit, dass er an diesem Tag um 10.00 Uhr einen Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht B und um 13.30 Uhr vor dem Amtsgericht Dessau, jeweils als Pflichtverteidiger, wahrnehmen müsse. Dies genügt der Mitteilungspflicht des Angeklagten nicht. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, konkret darzustellen, ob die Terminsabstimmung mit dem Amtsgericht B und dem Amtsgericht Dessau jeweils bereits vor dem 17. Oktober 2012 erfolgte (vgl. zu diesem Erfordernis LG M a.a.O.; allgemein zum Umfang des zu fordernden Verteidigervortrags Krumm, StV 2012, 177 ff.).

21

Denn seit diesem Tag hatte der Verteidiger Kenntnis von der Verhandlungsplanung des Amtsgerichts. Auch wäre mitzuteilen gewesen, aus welchen Gründen die vom Verteidiger anderweitig wahrzunehmenden Termine eine höhere Bedeutung haben als die Verteidigung gegen den Vorwurf einer räuberischen Erpressung im hiesigen Verfahren, bei der auch Rücksicht auf die Belange des Mitangeklagten sowie dessen Verteidiger genommen werden muss (vgl. zu diesen Anforderungen Brandenburgisches Oberlandesgericht a. a. O.). Da derartige Mitteilungen unterblieben, war es der Schöffengerichtsvorsitzende gar nicht möglich, über einen pauschalen Verweis auf das allgemein geltende Beschleunigungsgebot hinaus Ermessenserwägungen anzustellen und die Verhinderung des Verteidigers adäquat in ihre Ermessensentscheidung einzubeziehen. Ob das Beschleunigungsgebot, mit welchem das Amtsgericht die Ablehnung der Terminsverlegung im Wesentlichen begründet hat, zur Disposition des Angeklagten steht, ist jedenfalls für die Ermessensentscheidung des Gerichts im Rahmen der Terminierung ohne Belang. Wäre dies anders, so könnte die Verteidigung jeden anberaumten Termin mit dem Hinweis hinauszögern, der Angeklagte bestehe nicht auf einer „zeitnahen“ Verhandlung.

22

Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Amtsgerichts ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass das Gericht nach den Gründen des angefochtenen Beschlusses davon ausgegangen ist, das Vorbringen des Verteidigers vom 19. Oktober 2012 aufgrund dessen vermeintlicher Verspätung nicht berücksichtigen zu müssen. Zwar fällt es, wie der Verteidigung zuzugeben ist, in die Sphäre des Gerichts, wenn ein Telefax erst verspätet in die zuständige Abteilung geleitet wird, obgleich es rechtzeitig in der Verwaltung des Gerichts eintrifft. Der Inhalt des Schreibens war aber ebenso wie die nachfolgenden Mitteilungen des Verteidigers aufgrund der lediglich pauschalen Ausführungen ohnehin nicht geeignet, die Ermessensentscheidung des Amtsgerichts zu beeinflussen.

23

Darüber hinaus besteht auch keine besondere selbständige Beschwer für den Angeklagten. Eine solche liegt vor, wenn unschwer vermeidbar das Recht des Angeklagten beeinträchtigt wird, sich des Beistandes eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen (OLG Naumburg, Beschluss vom 2. Juli 2009, Az. 1 Ws 390/09). Von einem unschwer vermeidbaren Eingriff in das Recht des Angeklagten kann aber dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn die beabsichtigte Terminierung des Vorsitzenden, welche nach § 213 StPO grundsätzlich ihm allein zusteht, durch den Verteidiger gänzlich nivelliert wird. Denn auch unter Berücksichtigung der Bedeutung eines bestehenden Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger (vgl. Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK) kann von dem Vorsitzenden nicht verlangt werden, dem Verteidiger nicht nur Einfluss auf die Terminsanberaumung zu gewähren, sondern diesem gleichsam die Möglichkeit zuzugestehen, dem Gericht eigene Terminsvorstellungen dadurch aufzuzwingen, dass er sich selbst für eine Hauptverhandlung nur an von ihm ausgewählten Tagen bereit hält. Kommt der Verteidiger – wie hier – nicht von sich aus mit Ausweichterminen auf das Gericht zu, die in zeitlicher Hinsicht den Vorstellungen des Vorsitzenden jedenfalls entgegen kommen, muss von einem Scheitern der Terminsabstimmung ausgegangen werden, bei der eine Beeinträchtigung des Rechts des Angeklagten, sich eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen, für das Gericht nicht mehr unschwer vermeidbar ist.

24

Der Verteidiger hat zunächst mit einem pauschalen Verweis auf seine Verhinderung den Vorschlag eines einzigen Ausweichtermins verbunden, welcher zudem zwei Monate nach dem spätesten vom Amtsgericht M ins Auge gefassten Termin lag. Schon in diesem Moment durfte die Vorsitzende des Schöffengerichts von einem Scheitern der Terminsabstimmung ausgehen, so dass eine Terminierung an den mit Verfügung vom 15. Oktober 2012 mitgeteilten Daten ohne weiteres zulässig war.

25

Auch im weiteren Verlauf hat der Verteidiger stets lediglich den 12. Februar 2012 als möglichen Verhandlungstermin benannt. Warum andere Termine für ihn nicht in Frage kommen, hat er nicht dargetan. Erst als das Amtsgericht M zunächst auf den 13. November 2012 und dann auf den 11. Dezember 2012 terminiert hat, hat der Verteidiger jeweils erst nachträglich mitgeteilt, an diesen Tagen anderweitige Mandate wahrnehmen zu müssen. Warum er diese Mandate nicht bereits in seinem Telefax vom 19. Oktober mitgeteilt hat, bleibt offen.

26

Zu berücksichtigen ist im konkreten Fall im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK auch, dass der Verteidiger des Angeklagten eingeräumt hat, eine Verteidigung durch Rechtsanwalt A F sei denkbar, soweit es zu seiner Abbestellung käme. Zwar hat er zugleich betont, dass dies nicht bedeute, der Angeklagte wolle nicht weiterhin von ihm verteidigt werden. Der Umstand der Erwähnung einer „Notoption“ allein zeigt aber, dass der Angeklagte jedenfalls auch Vertrauen zu dem benannten Rechtsanwalt A F hat.

27

Das Schöffengericht ist deshalb nicht gehindert, den anberaumten Hauptverhandlungstermin bei Auswechslung des bestellten Verteidigers durchzuführen.


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