Urteil vom Landgericht Magdeburg (11. Zivilkammer) - 11 O 1200/12 (302)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Parteien streiten um Verpflichtungen aus einem Bierlieferungsvertrag. Die Parteien schlossen am 23./28.05.2008 einen Gastronomie-Partnerschaftsvertrag, wobei die Klägerin das Vertragsformular zur Verfügung stellte und vorgefertigte Textbausteine in dem Vertrag verwendete. Der Vertrag betraf die Absatzstätte „T“ in der L 1 in M. Die Laufzeit des Vertrages begann am 01.06.2008 und sollte am 28.02.2014 enden. Im Einzelnen enthielt der Vertrag folgende Regelungen:

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Gemäß Ziff. II., 1. überließ die Klägerin dem Beklagten für die Dauer des Vertrages 10 Windschutzelemente aus pulverbeschichtetem Aluminium, oben mit Sicherheitsglas, unten mit Hartkunststoffplatte zur Nutzung in der Gaststätte. Der Nettoanschaffungswert der 10 Windschutzelemente war mit 4.840,-- € beziffert. Die Windschutzelemente verblieben während und nach Ende des Vertrages im Eigentum der Klägerin. Etwaige Reparaturen musste der Beklagte auf seine Kosten vornehmen. Gemäß Ziff. IV. des Vertrages verpflichtete sich der Beklagte, während der Laufzeit des Vertrages die Gaststätte fortlaufend unter Berücksichtigung ortsüblicher Ruhetage und Betriebsferien zu betreiben oder betreiben zu lassen und in der Gaststätte ausschließlich und ununterbrochen die von der Klägerin hergestellten und/oder vertriebenen Vertragsbiere zu beziehen und auszuschenken. Diese sind im Einzelnen unter Ziff. IV., 1. bezeichnet. Gemäß Ziff. IV., 2. verpflichtete sich der Beklagte, jährlich mindestens 70 Hektoliter Vertragsbier im Fass unter Anrechnung von Flaschenbier mit 30 % abzunehmen. Bei Unterschreitung der Bezugsmenge war die Klägerin gem. Ziff. IV., 3. unabhängig von einem Verschulden des Beklagten berechtigt, für den Minderbezug eine Ausgleichszahlung von 15,-- € zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer pro Hektoliter Vertragsbier zu verlangen. Der Anspruch auf Ausgleich des Minderbezuges sollte entfallen, wenn die Klägerin wegen Mindermengen Schadensersatz geltend macht. Für den Fall, dass der Beklagte Mehrmengen bezieht, war vertraglich vorgesehen, dass er pro mehr bezogenen Hektoliter Vertragsbier einen Bonus von 15,-- € zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer erhält. Gemäß Ziff. II., 2. des Vertrages gewährte die Klägerin dem Beklagten für jeden in die Gaststätte gelieferten und bezahlten Hektoliter Flaschenbier (aus dem vertraglich festgeschriebenen Sortiment) eine Rückvergütung von 5,-- € zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer. Nach Ziff. IV., 9. war der Beklagte verpflichtet, die der Bezugsverpflichtung unterliegenden Produkte auf dem gemeinsam vereinbarten Wege „– zurzeit S GmbH D, S 49, ... D-R –„ zu beziehen. Nur bei „erheblichen Gründen“ war die Vereinbarung einer Änderung des Lieferweges möglich. Nach Ziff. V. des Vertrages war der Beklagte verpflichtet, das im Eigentum der Klägerin stehende Inventar auf seine Kosten zum Neuwert gegen Sachschäden aller Art zu versichern.

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In Ziff. VI. war die Schadensersatzverpflichtung geregelt:

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Soweit der Beklagte schuldhaft gegen seine Vertragspflichten verstößt, war die Klägerin berechtigt, für jeden hierdurch entgangenen und im Falle der außerordentlichen Kündigung zukünftig entgehenden Hektoliter Vertragsgetränk einen pauschalierten Schadensersatz i.H.v. 60,-- € zu verlangen. Der Nachweis eines höheren konkreten Schadens blieb ihr vorbehalten. Berechnungsgrundlage für den Schadensersatzanspruch war nach Wahl der Klägerin die vereinbarte Bezugsmenge oder der durchschnittliche Getränkebezug der letzten 3 Jahre vor der Kündigung, bei kürzerer Bezugsdauer der durchschnittliche Bezug dieses Zeitraums. Für den Fall des Schadensersatzes, betreffend die gesamte Laufzeit des Vertrages, war in Ziff. 6 ebenfalls zugunsten des Beklagten eine Abzinsung zu einem Jahreszinssatz von 5,5 % vereinbart wegen entgangener zukünftiger Getränkelieferungen.

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In Ziff. IX. war die Kündigung des Vertrages geregelt, unter Ziff. II. insbesondere das fristlose Kündigungsrecht und der Anspruch auf Schadensersatz der Klägerin. Unter Ziff. 4. hieß es, dass der Beklagte verpflichtet sei, die ihm überlassenen Gegenstände unverzüglich zurückzugeben, sobald der Vertrag durch Kündigung ende. Dabei war die Klägerin berechtigt, anstatt der Rückgabe der überlassenen Gegenstände die anteiligen Anschaffungskosten gegen Übereignung der Gegenstände an den Kunden zu verlangen. Die Anschaffungskosten sollten sich anteilig für jeden Monat der vertragsgemäßen Nutzung um einen Betrag von 67,22 € vermindern.

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In Ziff. XI. gestattete die Klägerin dem Beklagten, bis zum 28.02.2011 den Mitbezug von Bier Pilsener Brauart der Marke V und Weizenbier der Marke M W. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 7 – 14 d.A. Bezug genommen.

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Der streitgegenständliche Vertrag folgte auf einen Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag, den der Beklagte am 06./07.02.2001 mit der L Brauhaus zu R GmbH geschlossen hatte. Letztere gehört ebenfalls zur R Gruppe. Dieser Vertrag wurde ebenfalls für die Gaststätte „T“ in der L in M geschlossen. Damals gewährte die Brauerei dem Beklagten ein Darlehen von 60.000,-- DM, das in monatlichen Raten von 714,-- DM zurückzuführen war. Als Gegenleistung für die Darlehensgewährung verpflichtete sich der Beklagte, in der Gaststätte Fass- und Flaschenbier der Brauerei auszuschenken. Auch damals vereinbarten die Vertragsparteien eine Mindestabsatzmenge von 70 Hektoliter Fass- und/oder Flaschenbier. Der damalige Vertrag hatte eine Laufzeit vom 01.03.2001 bis zum 28.02.2011. Im Jahre 2005 unterschritt der Beklagte erstmals die vertraglich vereinbarte Mindestbezugsmenge, denn er nahm nur 69,90 Hektoliter ab. Im Jahre 2006 belief sich die Abnahmemenge auf nur noch 50,24 Hektoliter. Die damaligen Vertragsparteien beendeten den Vertrag vorzeitig am 23.05.2008. In der Beendigungsvereinbarung (Bl. 108 d.A.) hieß es, dass die Beendigung unter der Bedingung stehe, dass der Beklagte und die R Gruppe KG einen Gastronomiepartnerschaftsvertrag rechtswirksam schließen.

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Von der im streitgegenständlichen Vertrag vereinbarten Rückvergütung für den Bezug von Flaschenbier erzielte der Beklagte im Februar 2009 einen „Erlös“ von 0,35 € netto, per 15.07.2009 weitere 0,35 € netto. Zu einer weiteren Rückvergütung für Flaschenbier oder aber einer Bonuszahlung für die Mehrabnahme von Vertragsbier kam es nicht.

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Im März 2011 stellte die Klägerin fest, dass der Beklagte Produkte der I bezieht und ausschenkt. Sie wies den Beklagten hierauf hin, der im Gegenzug am 11.07.2011 erklärte, den Bezug der klägerischen Produkte wieder aufzunehmen. Gleichwohl bezog er in der Folgezeit weiter „Fremdprodukte“. In der Zeit von März bis Dezember 2011 nahm der Beklagte lediglich 2,13 Hektoliter Vertragsbier ab. Deswegen mahnte die Klägerin am 16.01.2012 den Beklagten ab und verlangte erneut, den Fremdbezug zu stoppen, jedoch erfolglos. Am 22.03.2012 erklärte sie die fristlose Kündigung des Vertrages. Darüber hinaus verlangte sie Schadensersatz i.H.v. 13.827,08 € und forderte den Beklagten zur Zahlung bis 05.04.2012 auf, jedoch verglich.

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Mit der Klage verlangt die Klägerin zum einen den Anspruch auf den vertraglich vereinbarten Ablösebetrag für die Windschutzelemente. Hierzu hat sie von den Anschaffungskosten i.H.v. 4.840,-- € netto den in Ziff. IX., 4. vereinbarten monatlichen Rückvergütungsbetrag für den Zeitraum März 2008 bis Februar 2011 i.H.v. insgesamt 2.218,26 € netto abgezogen. Daraus ergibt sich eine Nettosumme von 2.621,74 €, zzgl. Mehrwertsteuer sind es 3.119,87 €.

11

Darüber hinaus verlangt sie Schadensersatz vor dem Hintergrund, dass der Beklagte Bier von Mitbewerbern bezogen hat. Diesen berechnet sie anhand von Ziffern VI. und IX. des Vertrages mit einer Summe von 12.472,20 €, abzüglich der vertraglich vereinbarten Abzinsung von 5,5 % p.a., so dass 10.707,15 € verbleiben.

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Die Klägerin meint, der Beklagte befinde sich seit 06.04.2012 mit der verlangten Zahlung in Verzug.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten zu verteilen, an die Klägerin 13.827,02 € nebst Zinsen i.H.v. 8 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 06.04.2012 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Meinung, der Gastronomie-Partnerschaftsvertrag sei wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Er meint ferner, der Vertrag enthalte allgemeine Geschäftsbedingungen, die unzulässige Klauseln darstellen. So werde der Beklagte durch die lange Vertragsdauer, die hohe Absatz-Mindestmenge, die Verpflichtung zur Ausgleichszahlung, die Schadensersatzklausel in Ziff. VI. sowie die Nebensortimentsverpflichtung unangemessen benachteiligt; im Ergebnis liege ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor.

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Der Beklagte behauptet, der Klägerin am 11.07.2011 Probleme mit dem Getränkebezug von der S GmbH mitgeteilt zu haben und insbesondere den Wunsch nach einem anderen Lieferanten geäußert zu haben; hierauf habe die Klägerin jedoch nicht reagiert. Er ist der Auffassung, die vertraglich vereinbarte Mindestbezugsmenge von 70 Hektolitern pro Jahr sei zu hoch; dies habe sich auch in der geschäftlichen Entwicklung des Vorgängervertrages gezeigt. Er vertritt die Auffassung, die Klägerin habe keinen Grund für die fristlose Kündigung gehabt, und die von ihr geltend gemachten Forderungen seien unangemessen. In diesem Zusammenhang bestreitet er die Fehlmenge, die die Klägerin zur Grundlage ihres Schadensersatzanspruchs wegen des Bezuges von Fremdbier macht. Er meint ferner, der vertraglich vereinbarte Abzinsungssatz von 5,5 % sei unangemessen niedrig.

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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Betrages.

22

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht für den geltend gemachten Ablösebetrag i.H.v. 3.119,87 €. Der diesem Anspruch zugrunde liegende Vertrag ist wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

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Inwieweit die Bestimmungen des streitgegenständlichen Vertrages gegen §§ 307 ff. BGB verstoßen, kann dahinstehen. Zwar sind die §§ 307 ff. BGB grundsätzlich vorrangig vor § 138 BGB zu prüfen. Ob es sich bei dem Vertrag um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist zwischen den Parteien streitig. Dafür spricht, dass der Gastronomie-Partnerschaftsvertrag unstreitig von der Klägerin gestellt wurde und sie mehrere Textbausteine verwendete, die für eine mehrfache Verwendung geeignet sind. Dagegen spricht die Behauptung der Klägerin, die Laufzeit, der Umfang der klägerischen Leistungen, die Mindestabnahmemenge sowie die Höhe und die Voraussetzungen der Rückvergütung, der Malus- und Bonuszahlungen sowie des pauschalierten Schadensersatzes seien konkret ausgehandelt worden. Das Gericht war jedoch nicht gehalten, dem Beweisangebot der Klägerin (Zeuge H...) nachzugehen, weil unabhängig von der Frage, ob es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, der Vertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft sittenwidrig ist. Zwischen Leistung und Gegenleistung besteht objektiv ein auffälliges Missverhältnis, und die Klägerin hat die wirtschaftliche schwächere Position des Beklagten ausgenutzt. Bei einem Bierlieferungsvertrag kommt die Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten insbesondere in Betracht, wenn er die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirtes in unvertretbarer Weise einengt und diesen dadurch in eine mit den Anschauungen des redlichen geschäftlichen Verkehrs nicht mehr zu vertretende Abhängigkeit von dem Bierlieferanten bringt (BGH MDR 1987, 490 f.). Dabei kann sich die Gesamtnichtigkeit auch daraus ergeben, dass mehrere - isoliert betrachtet noch nicht unbillige - Vertragsbedingungen in ihrer Gesamtheit zu einer wirtschaftlichen Knebelung des Gastwirtes führen (BGH NJW 1983, 159 ff.) So liegt es hier:

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Der Beklagte war durch die vertraglichen Bestimmungen insgesamt in unzumutbarer Weise in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfähigkeit eingeengt. Die Vertragsdauer allein, die vom 01.06.2008 bis 28.02.2014 5 Jahre und 9 Monate betrug, ist nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden grundsätzlich Laufzeiten bis zu 15 Jahren, im Einzelfall sogar bis zu 20 Jahren zugelassen (BGHZ 74, 293; NJW 1979, 865). Im Zusammenwirken mit den übrigen Vertragsklauseln lässt sich jedoch ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung feststellen. Bei der Beurteilung dieser Frage ist eine zusammenfassende Würdigung des Vertrages vom 23./28.05.2008 und der vertraglichen Beziehung des Beklagten zur Klägerin aus dem alten Vertrag zu berücksichtigen. Der streitgegenständliche Vertrag kam zustande, nachdem die Parteien über den vorangegangenen Vertrag eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen hatten. Dem war vorausgegangen, dass der Beklagte gemeinsam mit seiner damaligen Vertragspartnerin bereits aus dem alten Vertrag die Verpflichtung zur Mindestbezugsmenge von Vertragsbier in den Jahren 2005 und 2006 nicht mehr erfüllen konnte. Unstreitig hatte der Beklagte im Jahre 2005 69,90 Hektoliter, im Jahre 2006 nur 50,24 Hektoliter abgenommen. Insofern war der Klägerin bewusst, dass der Beklagte schon zum Ende des alten Vertrages Schwierigkeiten hatte, die vertraglich vereinbarte Mindestbezugsmenge einzuhalten. Dass sich dies mit dem neuen Vertrag zugunsten des Beklagten ändern würde, war nicht ohne Weiteres anzunehmen.

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Gerade deswegen war die im streitgegenständlichen Vertrag wieder vereinbarte Mindestbezugsmenge von 70 Hektolitern Vertragsbier von Anfang an geeignet, ihn in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit einzuschränken.

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Dazu kommt, dass dem Beklagten während der vereinbarten Laufzeit der Bierbezugsverpflichtung die Aufgabe der Gaststätte praktisch verwehrt war. Denn er war verpflichtet, die Gaststätte fortlaufend unter Berücksichtigung ortsüblicher Ruhetage und Betriebsferien betreiben.

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Die Verpflichtung, lediglich das Vertragsbier der Klägerin zu beziehen, und zwar auf dem vertraglich vereinbarten Wege - im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über die S GmbH D -, hat den Beklagten zusätzlich in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Auch bezüglich der Gestaltung des Nebensortiments war die Klägerin und nicht der Beklagte entscheidungsbefugt. Zu Lasten des Beklagten geht ebenfalls die vertragliche Verpflichtung, an die Klägerin unabhängig von einem Verschulden bei Unterschreiten der Mindestbezugsmenge zum Schadensersatz verpflichtet zu sein, gem. Ziff. IV. 3. des Vertrages. Dazu kommt die Schadensersatzverpflichtung nach Ziff. VI. des Vertrages, die zwar an ein Verschulden geknüpft ist, jedoch dem Beklagten im Falle der außerordentlichen Kündigung bis zum Ende der Vertragslaufzeit einen pauschalierten Schadensersatz i.H.v. 60,-- € pro entgehendem Hektoliter Vertragsgetränk aufbürdet.

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Diesen zu Lasten des Beklagten ausschlagenden Verpflichtungen stehen keine Gegenleistungen der Klägerin gegenüber, die in der Gesamtschau zu einem ausgewogenen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung führen würden. Dabei ist nicht zu verkennen, dass der Beklagte selbst erfahrener Gastronom ist, da er jedenfalls unter vertraglicher Bindung an die Klägerin seit dem Jahre 2001 die Gaststätte „T“ in M betreibt. Er ist mithin nicht einer geschäftlich unerfahrenen Person oder einem Existenzgründer gleichzustellen, der von vornherein einem mächtigen Vertragspartner unterlegen ist. Gleichwohl sind die von der Klägerin zu erbringenden Gegenleistungen nicht ausreichend:

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Die Überlassung von 10 Windschutzelementen stellt keinen wirtschaftlichen Gegenwert für die Verpflichtungen des Beklagten dar. Nach dem Vertrag waren die Windschutzelemente dem Beklagten lediglich zur Nutzung überlassen und blieben im Eigentum der Klägerin. Dem Beklagten oblag jedoch die Instandhaltung der Windschutzelemente und die Versicherung des Inventars. Darüber hinaus hatte sich die Klägerin vorbehalten, anstatt der Rückgabe des Inventars die anteiligen Anschaffungskosten gegen Übereignung der Gegenstände an den Beklagten zu verlangen (Ziff. IX., 4.). Dabei sollten sich die Anschaffungskosten anteilig für jeden Monat der vertragsmäßigen Nutzung um 67,22 € reduzieren. Im Ergebnis konnte der Beklagte nicht davon ausgehen, in Gestalt der Windschutzelemente einen nennenswerten Gegenwert zu erhalten.

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Auch aus der dem Beklagten versprochenen Rückvergütung für Flaschenbier (Ziff. II., 2.) ergab sich für den Beklagten kein wirtschaftlich messbarer Vorteil. Wie die tatsächliche Entwicklung zeigte, erhielt der Beklagte für Februar 2009 und im Juli 2009 eine Rückvergütung i.H.v. jeweils 0,35 € netto, mehr nicht. Einen Ausgleichsanspruch für Mehrbezug konnte der Beklagte erwartungsgemäß nicht erzielen. Insofern war die in Ziff. IV., 3. vereinbarte Bonuszahlung für den Beklagten wertlos. Dies war angesichts der geschäftsmäßigen Entwicklung des Gaststättenbetriebs aus dem vorangegangenen Vertrag für die Klägerin auch von Anfang an absehbar. Stattdessen musste der Beklagte für die Jahre 2008 bis 2010 Malus-Zahlungen von insgesamt mehr als 1000,-- € an die Klägerin zahlen.

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Schließlich stellt auch der dem Beklagten gem. Ziff. XI. des Vertrages gestattete Getränkebezug der Marken V und M W bis zum 28.02.2011 kein ausgleichendes Gegengewicht zu den Verpflichtungen des Beklagten dar. Denn die Gestattung ließ die Mindestbezugsverpflichtung und die übrigen vertraglichen Bestimmungen zum Bezug des Vertragsbieres unberührt. Im Ergebnis fallen die vertraglich zugesicherten Leistungen der Klägerin wirtschaftlich nicht ins Gewicht. Das dargestellte wirtschaftliche Ungleichgewicht indiziert zugleich das subjektive Element der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB. Denn aus dem Vertragsschluss selbst und seiner Vorgeschichte wird deutlich, dass die Klägerin die schwächere Position des Beklagten bewusst ausgenutzt bzw. sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der Beklagte nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat (vgl. Landgericht Köln, Aktenzeichen: 21 O 95/10, zitiert in juris).

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Eine andere Anspruchsgrundlage für den Anspruch auf den Ablösebetrag i.H.v. 3.119,87 € besteht nicht.

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Die Klage ist ebenfalls unbegründet, sofern die Klägerin Schadensersatz i.H.v. 10.707,15 € begehrt. Denn auch insoweit ist Grundlage für den Anspruch der streitgegenständliche Vertrag, da die Klägerin der Auffassung ist, der Beklagte habe seine vertraglichen Verpflichtungen aus dem Schuldverhältnis verletzt (§ 280 BGB).

34

Andere Anspruchsgrundlagen für den verlangten Schadensersatz sind nicht gegeben. Insbesondere kann sich die Klägerin nicht auf § 823 BGB stützen, da dieser reine Vermögensschäden nicht schützt.

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Mangels begründeter Hauptforderung hat die Klägerin auch keinen Zinsanspruch.

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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen für die Kosten auf § 91 Abs. 1, für die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 2 ZPO.

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Streitwert: 13.827,02 € (§ 48 Abs. 1 GKG).


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