Beschluss vom Landgericht Magdeburg (11. Zivilkammer) - 11 T 78/13
Tenor
Die Beschwerde des Bezirksrevisors wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
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Unter dem 29.11.2012 berichtigte die mit den Aufgaben eines Rechtspflegers (Bd. II, Bl. 1. d.A.) betraute Kostenbeamtin des höheren Dienstes des Amtsgerichts eine Schlusskostenrechnung und setzte die Kosten für das Insolvenzverfahren auf 2.634,09 € fest. Wegen der Einzelheiten wird auf die Abrechnung Bezug genommen.
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Hiergegen wandte sich der Bezirksrevisor mit einer Erinnerung, der die Rechtspflegerin schließlich mit Beschluss vom 24.4.2013 nicht abhalf. Gegen den am 26.4.2013 zugestellten Beschluss wendet sich der Bezirksrevisor mit der am 3.5.2013 eingelegten Beschwerde in der er ausführt, die Kosten seien auf 3.939 € festzusetzen gewesen.
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Zur Begründung verweist er im Wesentlichen darauf, dass der Kostenansatz an sich richtig wäre. Da jedoch eine Nachtragsverteilung angeordnet worden sei, verhalte es sich anders. Die Nachtragsverteilung führe zu einer Verteilung im Sinne des § 200 InsO Die im Rahmen einer Nachtragsverteilung nach § 203 InsO zufließenden Beträge erhöhen die Insolvenzmasse im Sinne des § 58 Abs. 1 GKG, weshalb der im Rahmen der Nachtragsverteilung zusätzlich zugeflossene Betrag, der hier 46.000 € betragen habe, der Insolvenzmasse hinzuzurechnen gewesen sei. Dies wirke sich auf den Gebührenansatz folgender Gebührentatbestände aus:
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Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (KV Nr. 2310, 2311, Anl 1 GKG)
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Durchführung des Insolvenzverfahrens (KV Nr. 2320 bis 2322 Anl 1, KVNr. 2330 bis 2332 Anl. 1 GKK).
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Auch der Faktor 1,5 der KV 2322 komme deshalb nicht in Betracht. Anzusetzen seien 2,5 gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der Berechnung wird auf die Beschwerde des Bezirksrevisors (Bd. II, Bl. 57 d.A) Bezug genommen.
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Mit Beschluss vom 28.5.2013 half das Amtsgericht der Beschwerde nicht ab.
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Das Amtsgericht ist der Auffassung, GKG und Kostenverzeichnis kennen keinen gesonderten Gebührentatbestand für die Nachtragsverteilung. Ohne Gebührentatbestand seien die gerichtlichen Handlungen kostenfrei. Die Anordnung der Nachtragsverteilung könne deshalb keine Gebühr auslösen. Die Nachtragsverteilung selbst sei mit der allgemeinen Verfahrensgebühr abgegolten.
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Es sei nahezu einhellige Meinung, dass die Berechnungsgrundlage der Gerichtskosten und die Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung sich entsprechen. Da die §§ 35 ff sich nur auf den Insolvenzbeschlag beziehen und § 58 GKG sich nach dem Wert richte, den die Insolvenzmasse im Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens habe und eine Wertberichtigung die zeitlich nach Beendigung des Insolvenzverfahrens im GKG nicht vorgesehen sei, könne der Gebührenansatz und die Gebührenhöhe nicht aufgrund einer Nachtragsverteilung geändert werden.
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Wegen der Übrigen Einzelheiten wird auf den Beschluss der Rechtspflegerin Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Beschwerde, die die Kammer nach § 66 Abs. 6 GKG in der Besetzung des Einzelrichters zu entscheiden hat, weil die angegriffene Entscheidung von einem Rechtspfleger stammt, ist unbegründet.
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a) Die Kammer teilt die Auffassung der Rechtspflegerin. Ergänzend ist anzumerken, dass die Insolvenzordnung das Nachtragsverteilungsverfahren allerdings nicht als bloße Fortsetzung eines Insolvenzverfahrens ansieht, weshalb bereits der Wortlaut der einschlägigen Gebührentatbestände, die von „Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ ( KV 2310 und 2311) sowie „Durchführung des Insolvenzverfahrens“ ( KV 2320, 2330) sprechen, es nahelegen, dass es sich bei der Anordnung und Durchführung der Nachtragsverteilung um Handlungen handelt, die nicht von diesen Gebührentatbeständen erfasst werden.
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§ 203 Abs. 2 InsO geht davon aus, dass die Aufhebung eines Insolvenzverfahrens der Anordnung einer Nachtragsverteilung „nicht entgegenstehe“ (§ 203 Abs. 2 InsO). Dementsprechend unterliegt die Nachtragsverteilung nach dem Gesetz gesonderten verfahrensrechtlichen Bestimmungen. Es muss durch Beschluss angeordnet werden, der Insolvenzverwalter muss für das Verfahren neu bestellt werden und der Anordnungsbeschluss ebenfalls öffentlich bekannt gemacht werden. Auch besteht eine Zäsurwirkung, weil das Gesetz für das Insolenzverfahren und das Nachtragsverfahren unterschiedliche Zeitpunkte vorsieht, die für die Beurteilung des Ausschlusses von Massegläubigern erheblich sind ( §§ 206 Nr. 3, 9 InsO, vgl. zum Ganzen auch Kießner in FK-InsO, 6. Aufl. § 206 Rn 9 ).
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b) Entsprechendes gilt für den Wortlaut der Bewertungsvorschrift des § 58 Abs. 1 GKG. Nach der gesetzlichen Anordnung ist der maßgebliche Bewertungszeitpunkt der Zeitpunkt der Beendigung der Durchführung des Insolvenzverfahrens und nicht – auch nicht alternativ - der Zeitpunkt der Anordnung oder Beendigung der Nachtragsverteilung. Eine Hinzurechnung des zugeflossenen Betrages zur Insolvenzmasse scheidet deshalb ebenfalls aus.
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c) Zuzustimmen ist dem Bezirksrevisor allerdings insoweit, als die InsO grundsätzlich davon ausgeht, dass die Nachtragsverteilung gebührenrechtlich relevant sein kann, weil sie Kosten verursacht. Das folgt aus § 203 Abs. 3 Satz 1 InsO, das dem Insolvenzgericht in Bagatellfällen – ein solcher lag hier offensichtlich nicht vor - die Möglichkeit einräumt, dem Schuldner den zur Nachtragsverteilung anstehenden Betrag zu belassen, wenn die Durchführung des Verfahrens auch wegen der Kosten unverhältnismäßig erscheint. Nach der auch von den Streitparteien für zutreffend gehaltenen Annahme, verhält es sich so, dass die Gebühren für die Nachtragsverteilung nicht etwa vom Gesetzgeber vergessen worden sind, sondern durch die allgemeine Verfahrensgebühr der Durchführung des Insolvenzverfahrens bereits als abgegolten anzusehen seien. Es ist deshalb offenkundig, dass die Frage der Wirtschaftlichkeit der Gebühr, die vom Bezirksrevisor jedenfalls inzident aufgeworfen wurde, auch von der sachgerechten Anwendung des § 203 Abs. 3 Satz 1 InsO in Bagatellfällen beeinflusst wird. Die vom Bezirksrevisor inzident thematisierte Frage der Wirtschaftlichkeit, als auch die von der Rechtspflegerin herangezogene Überlegung der einheitlichen Berechnungsgrundlage von Gerichtsgebühren und Verwaltervergütung zeigen, dass es sich bei dem Anliegen des Bezirksrevisors um keine isoliert, als gebührenrechtliches Rechtsproblem des GKG zu behandelnde Fragestellung handeln kann, sondern um eine Frage die in übergreifende rechtstechnische Bezüge eingebettet ist und typischerweise Zurückhaltung verlangt.
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d) Die Anwendung des Gebührensatzes ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Zutreffend hat die Rechtspflegerin KV 2322 angewendet.
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e) Eine grundsätzliche Bedeutung hat die vom Bezirksrevisor aufgeworfene Frage im Übrigen auch nicht (§ 66 Abs. 4 Satz 1 GKG). Die Rechtsauffassung der Rechtspflegerin beachtet die Regeln methodischer Rechtsfindung. Der methodische Ausgangspunkt, wonach Kosten (Gebühren und Auslagen) nur erhoben werden, wenn es im GKG hierfür auch einen Gebührentatbestand gibt, ergibt sich aus § 1 Satz 1 GKG. Dass hieraus der Umkehrschluss gezogen wird, dass sämtliche gerichtlichen Handlungen kostenfrei sind, soweit das Gesetz (einschließlich seines Kostenverzeichnisses oder eines anderen Bundesgesetzes) nichts anderes vorschreibt und ein Analogieverbot begründet, wird soweit ersichtlich nicht ernsthaft bezweifelt ( etwa OLG München 2 Ws 429/85 vom 7.5.195; OLG Karlsruhe Rpfleger 89, 172; vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl. § 1 GKG, Rn 1 ). Auf eine analoge oder entsprechende Anwendung der Gebührenvorschriften stellt die Auffassung des Bezirksrevisors jedoch ab. Das ergibt sich daraus, dass der Bezirksrevisor zur Begründung seiner Auffassung die Rechtsähnlichkeit der Nachtragsverteilung heranzieht. Denn er stellt darauf ab, dass auch das Nachtragsverteilungsverfahren zu einer Schlussverteilung nach § 200 InsO führe.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.
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Einer Anhörung des Kostenschuldners bedurfte es im Übrigen nicht, weil die Entscheidung keinen rechtlichen Nachteil zu seinen Lasten begründet.
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Referenzen
- § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 58 Abs. 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 1 Satz 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 203 Anordnung der Nachtragsverteilung 5x
- § 58 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 66 Abs. 8 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 9 Öffentliche Bekanntmachung 1x
- § 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 206 Ausschluß von Massegläubigern 1x
- 2 Ws 429/85 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 200 Aufhebung des Insolvenzverfahrens 2x
- § 66 Abs. 6 GKG 1x (nicht zugeordnet)