Beschluss vom Landgericht Magdeburg - 2 S 45/18

Tenor

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Aschersleben vom 30.01.2018 als offensichtlich unbegründet gem. § 522 Abs. 2 ZPO mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

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Gründe

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Die zulässige Berufung des Beklagten ist offensichtlich unbegründet.

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Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht den Beklagten zur Leistung von Regress wegen von der Klägerin ausgeglichener Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall verurteilt. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung verfangen nicht.

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Im Ausgangspunkt nimmt das Berufungsgericht Bezug auf die angefochtene Entscheidung. Das Berufungsgericht teilt die dortigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen.

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Soweit der Berufungsführer die Tatsachenfeststellung des Amtsgerichts angreift, ist das Berufungsgericht an diese nach § 529 Abs. 1 ZPO gebunden, da an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen. Das Amtsgericht ist zunächst auf Grundlage sachverständiger Beratung zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte seine Obliegenheiten nach den vertraglichen Bestimmungen vorsätzlich dadurch verletzt hat, dass er den Ereignisort in Kenntnis des Unfalls verlassen hat. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts lässt keinen Fehler erkennen. Sie ist ausführlich, sorgfältig, frei von inneren Widersprüchen und steht im Einklang mit den Feststellungen des Sachverständigen. Diese Feststellungen des Sachverständigen ihrerseits begegnen entgegen der Auffassung der Berufung ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Der Sachverständige gelangt aufgrund seiner Untersuchungen zu dem Schluss, dass der Unfall für den Beklagten sowohl visuell, als auch akustisch und insbesondere taktil und vestibulär wahrnehmbar gewesen sei. Das Berufungsgericht hat die Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten nachvollzogen. Sie erweisen sich als in sich widerspruchsfrei und plausibel. Es ist für das Berufungsgericht insbesondere angesichts der ganz erheblichen Schäden an der Fahrerseite des Unfallfahrzeugs auch kaum vorstellbar, dass der Beklagte von einem Anstoß nichts bemerkt haben will. Insoweit drängt sich aus dem Gesamtzusammenhang seiner Einlassung auf, dass es sich lediglich um eine Schutzbehauptung handelt. Denn selbst wenn der Beklagte aufgrund des behaupteten Sekundenschlafs die gegenständliche Kollision nicht bemerkt hätte, so hätten ihm die Unfallschäden an seinem Fahrzeug jedenfalls beim Aussteigen auffallen müssen. Auch dies nimmt der Beklagte jedoch in Abrede. Eine solche fehlende Wahrnehmung ist nicht nachvollziehbar. Die aus den Lichtbildern des Gutachtens ersichtlichen Schäden sind so eindrucksvoll, dass sie zweifellos auch bei einem nur flüchtigen Blick auf den PKW beim Aussteigen ohne Weiteres aufgefallen wären. Es herrschte bei Fahrtbeendigung Tageslicht. Zudem hat der Sachverständige – naheliegend – ausgeführt, dass die Fahrertür aufgrund der Schäden geklemmt haben müsse und beim Öffnen erhebliche ungewöhnliche Geräusche verursacht habe. Es ist fernliegend, dass dem Beklagten dies alles nicht aufgefallen sein soll.

5

Im Übrigen kann die vermeintlich fehlende Wahrnehmung der Kollision zum Unfallzeitpunkt auch deshalb nicht mit einem Sekundenschlaf erklärt werden, weil ein solcher Zustand auszuschließen ist. Wie der technische Sachverständige ausgeführt hat, zeigt die Spurenlage, dass vor dem Anprall an die Leitplanke eine Bremsung verbunden mit der Lenkausweichbewegung vorgenommen wurde. Dies zeigt wiederum, dass der Fahrer im wachen Zustand versucht hatte, die Kollision zu verhindern. Soweit der Beklagte meint, dies alles könne auch im Schlafzustand ungezielt erfolgt sein, hält die Kammer dies für fernliegend. Dann hätte der Beklagte nämlich im Schlaf unwillkürlich in der gleichen Weise reagieren müssen, wie ein wacher Fahrer. Eine solche Zufälligkeit vermag das Berufungsgericht nicht als realistisch anzusehen.

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Der Einholung eines ergänzenden medizinischen Sachverständigengutachtens zur Wahrnehmungsfähigkeit des Beklagten, war nicht veranlasst. Der Beklagte trägt schon keine Umstände vor, die in seinem Fall aus gesundheitlicher Sicht darauf schließen lassen, dass er gegebenenfalls altersbedingt den Anstoß nicht bemerkt haben will. Allein sein Lebensalter von 62 Jahren gibt hierfür keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte. Es ist allgemeinkundig, dass auch Menschen im Alter des Beklagten in der Regel in der Lage sind, sowohl Kollisionen ihres Fahrzeugs mit Hindernissen wahrzunehmen, als auch erhebliche Unfallschäden beim Aussteigen zu erkennen.

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Ob der Beklagte zum Unfallzeitpunkt unter Alkoholeinfluss stand, ist im Ergebnis unerheblich. Entsprechenden Beweisangeboten der Beklagtenseite war daher nicht mehr nachzugehen. Denn allein wegen des vorsätzlichen Entfernens vom Unfallort und des damit einhergehenden Verstoßes gegen vertragliche Obliegenheiten ist die Klägerin im Ergebnis leistungsfrei geworden. Einen Kausalitätsgegenbeweis i.S.d. § 28 Abs. 3 S. 1 VVG kann der Beklagte nicht führen, weil keine objektiven Feststellungen mehr dazu getroffen werden können, ob der Beklagte als Versicherungsnehmer bei dem Unfall unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand. Allenfalls könnten Zeugen zu ihren Wahrnehmungen befragt werden. Eine solche Beweisaufnahme stünde jedoch nicht dem Aussagewert einer Blutanalyse im unmittelbaren zeitlichen Nachgang zum Unfallgeschehen gleich. Eine Blutanalyse hätte bei Eintreffen von Polizeibeamten am Unfallort veranlasst werden können (vgl. zum Ganzen OLG Frankfurt vom 02.04.2015, Aktenzeichen: 14 U 208/14; zitiert nach juris). Die Veranlassung einer entsprechenden Blutuntersuchung durch die Polizei hätte auch nahegelegen, da - wie die Klägerin zu Recht ausführt - das Unfallgeschehen die Besonderheit aufweist, dass das Beklagtenfahrzeug auf gerader Strecke bei guten Sichtverhältnissen in die Leitplanke geraten war. Der Einfluss berauschender Mittel ist bei dieser Sachlage durchaus naheliegend.

8

Da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung der Kammer nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, beabsichtigt die Kammer, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.


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