Urteil vom Landgericht Mannheim - 7 O 373/03

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin berechtigt ist, ohne Zustimmung des Beklagten die im folgenden abgebildeten 24 Glasfenster, die den Entwürfen von ... entsprechen, in das umlaufende Fensterband der ..., einzubauen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

 
Die Klägerin ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts Eigentümerin der von der ... genutzten ... in der ... in .... Das Kirchengebäude wurde zusammen mit den umstehenden Gebäuden vom Beklagten in den Jahren 1966 und 1967 als Architekt geplant und zwischen 1968 und 1970 nach seinen Plänen gebaut.
Seit November 2000 plant die ... zusammen mit der Klägerin, in das umlaufende Fensterband der ... vor die bestehende Klarsichtverglasung zusätzlich 24 farbige Kirchenfenster nach den Entwürfen eines englischen Künstlers von innen her in die vorhandenen Fensterrahmen einzusetzen.
Nachdem ein Musterfenster des Künstlers in der Kirche eingebaut worden war, hat sich der Beklagte unter Berufung auf sein Urheberrecht endgültig gegen die Änderung der Fenster in der geplanten Form ausgesprochen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die geplante Fenstergestaltung auch ohne Zustimmung des Beklagten durchführen zu dürfen. Eine Beteiligung des Beklagten sei unnötig, da es bereits an einem urheberrechtsfähigen Bauwerk fehle. Die streitgegenständliche Kirche weise die typischen Gestaltungsmerkmale und Stilelemente von Mehrzweckhallen aus den 60er Jahren auf. Zudem sei das erforderliche Maß an Individualität auch deshalb nicht erreicht, weil die individuell-gestalterische Planung des Architekten durch Vorgaben des Auftraggebers sehr begrenzt gewesen sei. Jedenfalls sei die angestrebte Änderung aufgrund einer Interessenabwägung gemäß § 39 Abs. 2 UrhG zulässig, da die Interessen der Eigentümer im konkreten Fall die Interessen des Beklagten überwiegen. Dabei beruft sich die Klägerin auf ein generelles Bedürfnis der Gemeinden, ihre Gotteshäuser wieder sakraler zu gestalten. Zudem müsse die Orgel vor direktem Lichteinfall geschützt werden, um ihre Funktionstüchtigkeit zu erhalten.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, ohne Zustimmung des Beklagten 24 Glasfenster, die den als Anlage K1 vorgelegten Entwürfen von ... entsprechen, in das umlaufende Fensterband der ..., ..., ..., einzubauen,
hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, seine Zustimmung zum Einbau von 24 Glasfenstern, die den als Anlage K1 vorgelegten Entwürfen von ... entsprechen, in das umlaufende Fensterband der ..., ..., ..., zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Der Beklagte hält die von ihm geplante Kirche für urheberrechtsfähig, da sich die Planung und Gestaltung des Kirchenraums bei Weitem deutlich aus der Masse des alltäglichen Bauschaffens heraushebe. Des weiteren ist der Beklagte der Auffassung, eine Interessenabwägung im Sinne des § 39 Abs. 2 UrhG führe im vorliegenden Fall nicht dazu, dass die Klägerin zur angestrebten Änderung berechtigt sei. Die Klägerin berufe sich in Wahrheit ausschließlich auf ästhetische Interessen, die im Rahmen einer Interessensabwägung nicht berücksichtigungsfähig seien. Zudem würden die neuen Fenster den hellen Raum zu einem dumpfen, dämmrigen Raum führen und eine Verfälschung der natürlichen Farben bewirken.
12 
Die Kammer hat Beweis durch Augenschein in der ... erhoben. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme im Protokoll vom 20.04.2004 wird verwiesen. Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird zudem auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll mündlichen Verhandlung vom 06.02.2004 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Die Klage ist zulässig. Nachdem der Beklagte mitgeteilt hat, dem Vorhaben der Klägerin aufgrund seiner Rechte als Architekt entgegenzutreten, besteht für die Klägerin ein Feststellungsinteresse. Die Klage ist auch begründet. Zwar handelt es sich bei der ... um ein urheberschutzrechtsfähiges Werk (I.), die angestrebte Änderung des Werkes ist jedoch zulässig, da der Urheber gemäß § 39 Abs. 2 UrhG seine Einwilligung zur Änderung nach Treu und Glauben nicht versagen kann (II.).
14 
I. Der Beklagte kann sich grundsätzlich auf sein Urheberrecht berufen, da es sich bei der von ihm gestalteten ... um ein urheberrechtsfähiges Werk der Baukunst gemäß § 2 Nr. 4 UrhG handelt. Der Architekt eines Bauwerks genießt urheberrechtlichen Schutz, wenn sein Werk eine persönliche geistige Schöpfung darstellt. Dafür muss ein Maß an Individualität erkennbar sein, durch die das Bauwerk sich nicht nur als Ergebnis handwerklichen oder routinemäßigen Schaffens darstellt, sondern aus der Masse alltäglichen Bauschaffens herausragt. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass diese Vorgaben im vorliegenden Fall erfüllt sind, selbst wenn man unterstellt, dass dem Beklagten bei der Planung gewisse Vorgaben gemacht wurden.
15 
Bei einer Kirche handelt es sich nicht um einen reinen Zweckbau. Das Kirchengebäude, das ursprünglich ohne Glockenturm gebaut wurde, hebt sich aus architektonischer Sicht zudem von anderen bekannten Gotteshäusern ab. Der Architekt hat einen sowohl von außen als auch von innen auf den ersten Eindruck hin schlicht wirkenden Bau geschaffen, der aus einem quadratischen, rundum geschlossen und acht Meter hohen Raum besteht, in den von außen Licht ausschließlich durch ein unterhalb der Decke rundum verlaufendes Fensterband von ca. 1,40 m Höhe einfällt. Bereits diese konkrete Gestaltung des Kirchenraumes, die durch Planungen der Auftraggeber so nicht vorgegebenen waren, stellen eine geistige Schöpfung mit der notwendigen Gestaltungshöhe dar. Hinzu kommen die Ausgestaltung des Innenraums mit einem in dieser Form in Kirchen nicht typischen ununterbrochenen Umlauf und die Verwendung großflächiger ungeschmückter Betonteile als Innenwand. Dadurch erhält der Raum einen nüchternen und auf die Mitte des Raumes ausgerichteten Gesamteindruck.
16 
Dem Gericht ist nicht bekannt, dass die verwendeten Gestaltungsmerkmale beim Kirchenbau üblich waren. Auch die Klägerin trägt insoweit nichts vor. Nicht entscheidend ist, ob die verwendeten Gestaltungsmerkmale bei Hallen und Mehrzweckgebäuden in der Zeit des Baus der Kirche üblich waren. Abgesehen davon, dass die Klägerin diese These nicht weiter substantiiert, war der Beklagte damit beauftragt, einen Kirchenraum zu gestalten. Selbst wenn dieser Raum in der ursprünglichen Planung auch für andere Funktionen genutzt werden sollte, stand im Mittelpunkt unstreitig die Schaffung eines Gotteshauses. Sollte der Beklagte für diese Gestaltung auf typische Gestaltungsmerkmale von Bauwerken anderer Zweckbestimmung genommen haben, könnte auch gerade in diesem Transfer die schöpferische Leistung des Architekten liegen.
17 
II. Bei der geplanten Verwendung farblich gestalteter Fenster handelt es sich um eine Änderung des Werkes, die gemäß § 39 Abs. 1 UrhG grundsätzlich nicht gegen den Willen des Urhebers, hier also des Beklagten, durchgeführt werden kann. § 39 UrhG bezieht sich seinem Wortlaut nach zwar nur auf das Verhältnis von Urheber und Werknutzungsberechtigten. Das Änderungsverbot wird vom Gesetz jedoch auch im Verhältnis zu Dritten, insbesondere zum Eigentümer, stillschweigend vorausgesetzt (BGH GRUR 1982, 107, 109 - Kirchen-Innenraumgestaltung).
18 
Dabei kann offen bleiben, ob es sich um eine Änderung der Substanz handelt, wenn die alten Fenster nicht ersetzt werden, sondern die farblich gestalteten Fenster vor die ursprünglichen Fenster gesetzt werden. Denn jedenfalls im Innenraum der Kirche wird das Fensterband dann nur noch durch die neuen Fenster geprägt, die bisherige individuelle Gestaltung wird geändert (vgl. Spautz in Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 39 Rn. 4; vgl. auch BGH GRUR 1982, 107, 109f. - Kirchen-Innenraumgestaltung).
19 
Die Verwendung der farbigen Fenster ist jedoch gemäß § 39 Abs. 2 UrhG zulässig. Diese Vorschrift findet im Ergebnis auch zwischen Urheber und Eigentümer des Werkes Anwendung. Zwar findet die Sachherrschaft des Eigentümers dort ihre Grenzen, wo sie Urheberrechte verletzt, was zur Folge hat, dass auch der Eigentümer des Werkoriginals grundsätzlich keine in das fremde Urheberrecht eingreifenden Änderungen an dem ihm gehörenden Original vornehmen darf (so schon RGZ 79, 379, 400 - Fresko-Malerei). Umgekehrt kann aber auch der Urheber sein Urheberrecht nur unbeschadet der Eigentumsrechts ausüben. Ihm bleibt zwar sein Urheberrecht mit allen daraus fließenden Berechtigungen grundsätzlich erhalten. Gleichwohl kann er sie gegenüber dem Werkeigentümer, auch soweit dieser keinerlei urheberrechtliche Nutzungsrechte erworben hat, nicht schrankenlos ausüben. Er hat vielmehr das Eigentumsrecht und die daraus fließenden Interessen des Eigentümers zu achten (BGH GRUR 1974, 675, 676 - Schulerweiterung).
20 
Die Kammer ist im Ergebnis zu der Entscheidung gelangt, dass bei der notwendigen Interessensabwägung im Rahmen des § 39 Abs. 2 UrhG zwischen den Interessen des Urhebers einerseits und den Interessen der Eigentümerin andererseits die Interessen der Eigentümerin überwiegen, so dass der Beklagte, obwohl in sein Urheberrecht eingegriffen wird, die geplante Änderung nicht verhindern kann. Dabei geht das Gericht im Grundsatz davon aus, dass bei der Beurteilung nach Treu und Glauben eine Interessenabwägung stattzufinden hat, wobei die Belange des Urhebers im Rahmen der konkreten Einzelfallprüfung den Vorrang haben (vgl. Spautz in Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 39 Rn. 10).
21 
Zu Gunsten des Urhebers hat die Kammer im konkreten Fall vor allem eine relativ hohe schöpferische Eigenart berücksichtigt. Zu Gunsten der Klägerin sind die von ihr geltend gemachten sakralen und liturgischen Interessen zu berücksichtigen. Kein berücksichtigungsfähiges Interesse der Eigentümerin stellt dagegen der Schutz der Orgel dar. Ein solcher Schutz könnte auch auf anderem Wege (z.B. mit entsprechenden Spezialfenstern) erreicht werden, der nicht in gleichen Maße in das Urheberrecht des Beklagten eingreifen würden.
22 
Die Klägerin und die ... wünschten sich, der gefestigten sakralen Zweckbestimmung der Kirche Rechnung zu tragen und dies in der angemessenen Gestaltung der Kirchenfenster zum Ausdruck zu bringen. Dabei folgt die Klägerin einem allgemeinen Trend, der auch durch die vorgelegten Unterlagen (insbesondere Anlagen K 31ff) dokumentiert wird. Im Gegensatz zu einer Entwicklung in den 60er Jahren besteht danach heute der vermehrte Wunsch, eher schlicht gehaltene Gottesdiensträume nachträglich zu „sakralisieren“ und damit nach außen als Kirche deutlicher kenntlich zu machen. Die Klägerin verbindet damit zudem die Hoffnung, die Räumlichkeiten für die Gemeinde - beispielsweise auch als Ort für Trauungen - insgesamt attraktiver zu gestalten. Das Gericht prüft nicht, ob die von der Klägerin angestrebte Veränderung des Erscheinungsbildes die darin gesetzten Hoffnungen erfüllt. Grundsätzlich muss es dem Eigentümer vorbehalten bleiben, den von ihm angestrebten Zweck durch Mittel seiner Wahl umzusetzen. Ausreichend ist insoweit, dass das Mittel generell geeignet erscheint, den Zweck zu fördern.
23 
Der Wunsch der Klägerin, den Kirchenraum durch farbige Fenster sakraler zu gestalten, geht über ein rein ästhetisches Interesse, das in der Abwägung nicht berücksichtigt werden dürfte (vgl. BGH GRUR 1999, 230, 232 - Treppenhausgestaltung), hinaus und ist damit ein berücksichtigungsfähiges Abwägungsbelang. Religiöse und liturgische Bedürfnisse der Gemeindemitglieder haben zudem nicht ohne weiteres hinter dem Interesse des Urhebers an einer Erhaltung des von ihm geschaffenen Zustandes zurückzutreten (vgl. OLG Karlsruhe Az. 6 U 132/02).
24 
Im Ergebnis hat die Kammer bei ihrer Abwägung zu Gunsten der Interessen der Eigentümerin sich zum einen davon leiten lassen, dass es sich bei dem zu beurteilenden Werk um einen Bau mit einer konkreten Zweckbestimmung handelt, die dem Urheber auch bekannt war. Wenn diese Zweckbestimmung wegen einer Änderung der allgemeinen Auffassung nicht mehr in gleicher Weise möglich ist, bzw. von den betroffenen Gemeindegliedern nicht mehr ihren subjektiven Bedürfnissen entspricht, so dass sie sich dem Bau und dadurch auch der Gemeinde abwenden, hat das Interesse der Eigentümerin nach Änderung ein größeres Gewicht, als wenn ein urheberrechtsfähiges Kunstwerk ohne konkrete Funktion betroffen wäre.
25 
Auf der anderen Seite hat die Kammer berücksichtigt, dass die geplanten Änderungen nicht so weit gehen, dass sie zu einer Entstellung des Werkes oder auch nur zu einer Veränderung des Werks in seinen wesentlichen Zügen und in seinem wesentlichen künstlerischen Aussagegehalt führen würde. Zwar teilt die Kammer die unbestrittene Ansicht des Beklagten, dass die farbigen Fenster den Charakter des Raumes verändern. Diese Änderung ist jedoch nach Auffassung der Kammer nicht so weitgehend, dass die wesentlichen Züge des Werks betroffen sind. Der Augenschein hat ergeben, dass sich das Werk von außen - jedenfalls bei Tageslicht - nicht entscheidend ändert. Das Musterfenster war aufgrund der außen befindlichen alten Glasscheibe aufgrund der Reflexwirkung nur schwer erkennbar und beeinträchtigt den Gesamteindruck nicht, den das Bauwerk auch im Zusammenspiel mit den umstehenden ebenfalls vom Beklagten geplanten Gebäuden vermittelt.
26 
Nur die Änderung des Charakters im Inneren des Kirchenraumes könnte deshalb eine maßgebliche Änderung des Werkes darstellen. Dabei hat das Gericht jedoch zu berücksichtigen, dass die besondere Architektur zwar auch, aber nicht ausschließlich durch das Fensterband geprägt wird. Ein entscheidendes Stilelement stellt der niedrige Umgang dar, der die Raumgrenzen wie bei einem Seitenschiff nach außen verschiebt und in dem eine Bank rund um den Raum geführt wird. Des weiteren zeichnet sich die gewählte Gestaltung dadurch aus, dass Kanzel und Altar nicht fest im Raum verankert sind, so dass der Gemeinde die Möglichkeit gegeben wird, sich um den Altar zu versammeln, dieser also unterstützt durch die gewählte Architektur das Zentrum des Raumes einnehmen kann. Diese, den Gesamteindruck der Kirche mitprägenden, Stilelemente werden von der geplanten Veränderung nicht unmittelbar betroffen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Grundkonstellation, nämlich der ausschließliche Lichteinfall durch ein ca. 1,40 m hohes und rundlaufendes Fensterband direkt unterhalb der Decke nicht geändert wird. Die Kammer konnte beim Augenschein feststellen, dass auch durch die beabsichtigte Verglasung bedingt durch die relativ hellen Farben ein immer noch erheblicher Lichteinfall möglich ist. Auch die um das Gebäude befindlichen Bäume können - wenn auch nur schemenhaft - weiterhin wahrgenommen werden.
27 
Zwar folgt die Kammer dem Beklagten im Ausgangspunkt in seiner Argumentation, dass die Kirche in besonderer Weise durch das Fensterband geprägt wird und sich der Eindruck mit den bemalten Fenstern gegenüber dem bisherigen Eindruck verändert. Die Kammer hält diese Änderung aufgrund der durchgeführten Interessensabwägung aus den oben genannten Gründen für einen Eingriff in das Urheberrecht, dem der Beklagte aufgrund der überwiegenden Interessen der Klägerin nach Treu und Glauben noch zustimmen muss.
28 
III. Die Kostenentscheidung folgt § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit, die sich auf die Prozesskosten bezieht, beruht auf § 709 ZPO.

Gründe

 
13 
Die Klage ist zulässig. Nachdem der Beklagte mitgeteilt hat, dem Vorhaben der Klägerin aufgrund seiner Rechte als Architekt entgegenzutreten, besteht für die Klägerin ein Feststellungsinteresse. Die Klage ist auch begründet. Zwar handelt es sich bei der ... um ein urheberschutzrechtsfähiges Werk (I.), die angestrebte Änderung des Werkes ist jedoch zulässig, da der Urheber gemäß § 39 Abs. 2 UrhG seine Einwilligung zur Änderung nach Treu und Glauben nicht versagen kann (II.).
14 
I. Der Beklagte kann sich grundsätzlich auf sein Urheberrecht berufen, da es sich bei der von ihm gestalteten ... um ein urheberrechtsfähiges Werk der Baukunst gemäß § 2 Nr. 4 UrhG handelt. Der Architekt eines Bauwerks genießt urheberrechtlichen Schutz, wenn sein Werk eine persönliche geistige Schöpfung darstellt. Dafür muss ein Maß an Individualität erkennbar sein, durch die das Bauwerk sich nicht nur als Ergebnis handwerklichen oder routinemäßigen Schaffens darstellt, sondern aus der Masse alltäglichen Bauschaffens herausragt. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass diese Vorgaben im vorliegenden Fall erfüllt sind, selbst wenn man unterstellt, dass dem Beklagten bei der Planung gewisse Vorgaben gemacht wurden.
15 
Bei einer Kirche handelt es sich nicht um einen reinen Zweckbau. Das Kirchengebäude, das ursprünglich ohne Glockenturm gebaut wurde, hebt sich aus architektonischer Sicht zudem von anderen bekannten Gotteshäusern ab. Der Architekt hat einen sowohl von außen als auch von innen auf den ersten Eindruck hin schlicht wirkenden Bau geschaffen, der aus einem quadratischen, rundum geschlossen und acht Meter hohen Raum besteht, in den von außen Licht ausschließlich durch ein unterhalb der Decke rundum verlaufendes Fensterband von ca. 1,40 m Höhe einfällt. Bereits diese konkrete Gestaltung des Kirchenraumes, die durch Planungen der Auftraggeber so nicht vorgegebenen waren, stellen eine geistige Schöpfung mit der notwendigen Gestaltungshöhe dar. Hinzu kommen die Ausgestaltung des Innenraums mit einem in dieser Form in Kirchen nicht typischen ununterbrochenen Umlauf und die Verwendung großflächiger ungeschmückter Betonteile als Innenwand. Dadurch erhält der Raum einen nüchternen und auf die Mitte des Raumes ausgerichteten Gesamteindruck.
16 
Dem Gericht ist nicht bekannt, dass die verwendeten Gestaltungsmerkmale beim Kirchenbau üblich waren. Auch die Klägerin trägt insoweit nichts vor. Nicht entscheidend ist, ob die verwendeten Gestaltungsmerkmale bei Hallen und Mehrzweckgebäuden in der Zeit des Baus der Kirche üblich waren. Abgesehen davon, dass die Klägerin diese These nicht weiter substantiiert, war der Beklagte damit beauftragt, einen Kirchenraum zu gestalten. Selbst wenn dieser Raum in der ursprünglichen Planung auch für andere Funktionen genutzt werden sollte, stand im Mittelpunkt unstreitig die Schaffung eines Gotteshauses. Sollte der Beklagte für diese Gestaltung auf typische Gestaltungsmerkmale von Bauwerken anderer Zweckbestimmung genommen haben, könnte auch gerade in diesem Transfer die schöpferische Leistung des Architekten liegen.
17 
II. Bei der geplanten Verwendung farblich gestalteter Fenster handelt es sich um eine Änderung des Werkes, die gemäß § 39 Abs. 1 UrhG grundsätzlich nicht gegen den Willen des Urhebers, hier also des Beklagten, durchgeführt werden kann. § 39 UrhG bezieht sich seinem Wortlaut nach zwar nur auf das Verhältnis von Urheber und Werknutzungsberechtigten. Das Änderungsverbot wird vom Gesetz jedoch auch im Verhältnis zu Dritten, insbesondere zum Eigentümer, stillschweigend vorausgesetzt (BGH GRUR 1982, 107, 109 - Kirchen-Innenraumgestaltung).
18 
Dabei kann offen bleiben, ob es sich um eine Änderung der Substanz handelt, wenn die alten Fenster nicht ersetzt werden, sondern die farblich gestalteten Fenster vor die ursprünglichen Fenster gesetzt werden. Denn jedenfalls im Innenraum der Kirche wird das Fensterband dann nur noch durch die neuen Fenster geprägt, die bisherige individuelle Gestaltung wird geändert (vgl. Spautz in Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 39 Rn. 4; vgl. auch BGH GRUR 1982, 107, 109f. - Kirchen-Innenraumgestaltung).
19 
Die Verwendung der farbigen Fenster ist jedoch gemäß § 39 Abs. 2 UrhG zulässig. Diese Vorschrift findet im Ergebnis auch zwischen Urheber und Eigentümer des Werkes Anwendung. Zwar findet die Sachherrschaft des Eigentümers dort ihre Grenzen, wo sie Urheberrechte verletzt, was zur Folge hat, dass auch der Eigentümer des Werkoriginals grundsätzlich keine in das fremde Urheberrecht eingreifenden Änderungen an dem ihm gehörenden Original vornehmen darf (so schon RGZ 79, 379, 400 - Fresko-Malerei). Umgekehrt kann aber auch der Urheber sein Urheberrecht nur unbeschadet der Eigentumsrechts ausüben. Ihm bleibt zwar sein Urheberrecht mit allen daraus fließenden Berechtigungen grundsätzlich erhalten. Gleichwohl kann er sie gegenüber dem Werkeigentümer, auch soweit dieser keinerlei urheberrechtliche Nutzungsrechte erworben hat, nicht schrankenlos ausüben. Er hat vielmehr das Eigentumsrecht und die daraus fließenden Interessen des Eigentümers zu achten (BGH GRUR 1974, 675, 676 - Schulerweiterung).
20 
Die Kammer ist im Ergebnis zu der Entscheidung gelangt, dass bei der notwendigen Interessensabwägung im Rahmen des § 39 Abs. 2 UrhG zwischen den Interessen des Urhebers einerseits und den Interessen der Eigentümerin andererseits die Interessen der Eigentümerin überwiegen, so dass der Beklagte, obwohl in sein Urheberrecht eingegriffen wird, die geplante Änderung nicht verhindern kann. Dabei geht das Gericht im Grundsatz davon aus, dass bei der Beurteilung nach Treu und Glauben eine Interessenabwägung stattzufinden hat, wobei die Belange des Urhebers im Rahmen der konkreten Einzelfallprüfung den Vorrang haben (vgl. Spautz in Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 39 Rn. 10).
21 
Zu Gunsten des Urhebers hat die Kammer im konkreten Fall vor allem eine relativ hohe schöpferische Eigenart berücksichtigt. Zu Gunsten der Klägerin sind die von ihr geltend gemachten sakralen und liturgischen Interessen zu berücksichtigen. Kein berücksichtigungsfähiges Interesse der Eigentümerin stellt dagegen der Schutz der Orgel dar. Ein solcher Schutz könnte auch auf anderem Wege (z.B. mit entsprechenden Spezialfenstern) erreicht werden, der nicht in gleichen Maße in das Urheberrecht des Beklagten eingreifen würden.
22 
Die Klägerin und die ... wünschten sich, der gefestigten sakralen Zweckbestimmung der Kirche Rechnung zu tragen und dies in der angemessenen Gestaltung der Kirchenfenster zum Ausdruck zu bringen. Dabei folgt die Klägerin einem allgemeinen Trend, der auch durch die vorgelegten Unterlagen (insbesondere Anlagen K 31ff) dokumentiert wird. Im Gegensatz zu einer Entwicklung in den 60er Jahren besteht danach heute der vermehrte Wunsch, eher schlicht gehaltene Gottesdiensträume nachträglich zu „sakralisieren“ und damit nach außen als Kirche deutlicher kenntlich zu machen. Die Klägerin verbindet damit zudem die Hoffnung, die Räumlichkeiten für die Gemeinde - beispielsweise auch als Ort für Trauungen - insgesamt attraktiver zu gestalten. Das Gericht prüft nicht, ob die von der Klägerin angestrebte Veränderung des Erscheinungsbildes die darin gesetzten Hoffnungen erfüllt. Grundsätzlich muss es dem Eigentümer vorbehalten bleiben, den von ihm angestrebten Zweck durch Mittel seiner Wahl umzusetzen. Ausreichend ist insoweit, dass das Mittel generell geeignet erscheint, den Zweck zu fördern.
23 
Der Wunsch der Klägerin, den Kirchenraum durch farbige Fenster sakraler zu gestalten, geht über ein rein ästhetisches Interesse, das in der Abwägung nicht berücksichtigt werden dürfte (vgl. BGH GRUR 1999, 230, 232 - Treppenhausgestaltung), hinaus und ist damit ein berücksichtigungsfähiges Abwägungsbelang. Religiöse und liturgische Bedürfnisse der Gemeindemitglieder haben zudem nicht ohne weiteres hinter dem Interesse des Urhebers an einer Erhaltung des von ihm geschaffenen Zustandes zurückzutreten (vgl. OLG Karlsruhe Az. 6 U 132/02).
24 
Im Ergebnis hat die Kammer bei ihrer Abwägung zu Gunsten der Interessen der Eigentümerin sich zum einen davon leiten lassen, dass es sich bei dem zu beurteilenden Werk um einen Bau mit einer konkreten Zweckbestimmung handelt, die dem Urheber auch bekannt war. Wenn diese Zweckbestimmung wegen einer Änderung der allgemeinen Auffassung nicht mehr in gleicher Weise möglich ist, bzw. von den betroffenen Gemeindegliedern nicht mehr ihren subjektiven Bedürfnissen entspricht, so dass sie sich dem Bau und dadurch auch der Gemeinde abwenden, hat das Interesse der Eigentümerin nach Änderung ein größeres Gewicht, als wenn ein urheberrechtsfähiges Kunstwerk ohne konkrete Funktion betroffen wäre.
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Auf der anderen Seite hat die Kammer berücksichtigt, dass die geplanten Änderungen nicht so weit gehen, dass sie zu einer Entstellung des Werkes oder auch nur zu einer Veränderung des Werks in seinen wesentlichen Zügen und in seinem wesentlichen künstlerischen Aussagegehalt führen würde. Zwar teilt die Kammer die unbestrittene Ansicht des Beklagten, dass die farbigen Fenster den Charakter des Raumes verändern. Diese Änderung ist jedoch nach Auffassung der Kammer nicht so weitgehend, dass die wesentlichen Züge des Werks betroffen sind. Der Augenschein hat ergeben, dass sich das Werk von außen - jedenfalls bei Tageslicht - nicht entscheidend ändert. Das Musterfenster war aufgrund der außen befindlichen alten Glasscheibe aufgrund der Reflexwirkung nur schwer erkennbar und beeinträchtigt den Gesamteindruck nicht, den das Bauwerk auch im Zusammenspiel mit den umstehenden ebenfalls vom Beklagten geplanten Gebäuden vermittelt.
26 
Nur die Änderung des Charakters im Inneren des Kirchenraumes könnte deshalb eine maßgebliche Änderung des Werkes darstellen. Dabei hat das Gericht jedoch zu berücksichtigen, dass die besondere Architektur zwar auch, aber nicht ausschließlich durch das Fensterband geprägt wird. Ein entscheidendes Stilelement stellt der niedrige Umgang dar, der die Raumgrenzen wie bei einem Seitenschiff nach außen verschiebt und in dem eine Bank rund um den Raum geführt wird. Des weiteren zeichnet sich die gewählte Gestaltung dadurch aus, dass Kanzel und Altar nicht fest im Raum verankert sind, so dass der Gemeinde die Möglichkeit gegeben wird, sich um den Altar zu versammeln, dieser also unterstützt durch die gewählte Architektur das Zentrum des Raumes einnehmen kann. Diese, den Gesamteindruck der Kirche mitprägenden, Stilelemente werden von der geplanten Veränderung nicht unmittelbar betroffen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Grundkonstellation, nämlich der ausschließliche Lichteinfall durch ein ca. 1,40 m hohes und rundlaufendes Fensterband direkt unterhalb der Decke nicht geändert wird. Die Kammer konnte beim Augenschein feststellen, dass auch durch die beabsichtigte Verglasung bedingt durch die relativ hellen Farben ein immer noch erheblicher Lichteinfall möglich ist. Auch die um das Gebäude befindlichen Bäume können - wenn auch nur schemenhaft - weiterhin wahrgenommen werden.
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Zwar folgt die Kammer dem Beklagten im Ausgangspunkt in seiner Argumentation, dass die Kirche in besonderer Weise durch das Fensterband geprägt wird und sich der Eindruck mit den bemalten Fenstern gegenüber dem bisherigen Eindruck verändert. Die Kammer hält diese Änderung aufgrund der durchgeführten Interessensabwägung aus den oben genannten Gründen für einen Eingriff in das Urheberrecht, dem der Beklagte aufgrund der überwiegenden Interessen der Klägerin nach Treu und Glauben noch zustimmen muss.
28 
III. Die Kostenentscheidung folgt § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit, die sich auf die Prozesskosten bezieht, beruht auf § 709 ZPO.

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