Urteil vom Landgericht Münster - 010 O 451/10
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d
2Die Kläger sind Steuerberater. Sie nehmen das beklagte Land aus abgetretenem Recht ihrer Mandanten D., N. und T. I. auf Erstattung der diesen durch ihre steuerberatende Tätigkeit entstandenen Kosten im Rahmen von Einspruchsverfahren in Anspruch.
3Im Jahr 2002 schenkten die Eheleute I. ihren Enkeln, den oben genannten Zedenten, jeweils 1/3 ihrer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, der T1. GmbH. Noch vor Abschluss des Schenkungsvertrages hatten die Eheleute I. einen Betrag von 2.250.000,-- € in die GmbH eingebracht.
4Über die Schenkung wurden Schenkungssteuererklärungen abgegeben, in denen für die Ermittlung des Anteilswertes bei neu begründeten oder im Aufbau befindlichen Kapitalgesellschaften das Nennkapital der Gesellschaft herangezogen wurde. Die Schenkungen wurden mit Steuerbescheiden vom 03.02.2003 bzw. 31.05.2005 entsprechend den abgegebenen Steuererklärungen veranlagt.
5Unter dem 06.12.2007 erließ das Finanzamt N. für die Zedenten jeweils zwei gleichlautende Steuerbescheide, in denen die zu zahlende Schenkungssteuer jeweils in Höhe von 56.235,-- € festgesetzt wurde. Ausweislich der Begründung der Bescheide wurde angeführt, dass in Abweichung von den Steuerbescheiden vom 03.02.2003 bzw. 31.05.2005 jeweils „1/6 des Wertdepots“, welches von den Eheleuten I. in die Gesellschaft eingebracht worden sei, Grundlage der Besteuerung darstelle.
6Gegen die geänderten Schenkungssteuerbescheide vom 06.12.2007 legten die Kläger im Auftrag der Zedentin unter dem 02.01.2008 Einspruch ein. Die Einsprüche wurden begründet. Es kam zu Telefonaten mit dem zuständigen Finanzamtsmitarbeiter, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist.
7Mit Bescheiden vom 26.09.2009 hob das Finanzamt die angefochtenen sechs Schenkungssteuerbescheide auf.
8Am 25.05.2009 traten die Zedenten ihre vermeintlichen gegen das beklagte Land gerichteten Amtshaftungsansprüche auf Erstattung der Kosten, die ihm durch die Tätigkeit der Kläger im Einspruchsverfahren entstanden sind, an diese ab. Die Kläger machen Steuerberater-Honorarforderungen in Höhe von 24.340,26 € geltend. Im Hinblick auf die Einzelheiten der Honorarberechnung wird auf die Rechnungen Anlage K 5 verwiesen.
9Die Kläger behaupten, die Angelegenheit sei mit dem Zeugen M. beim Finanzamt N. in zwei Telefonaten intensiv erörtert worden, insbesondere am 06.10.2008.
10Die Kläger beantragen,
11das beklagte Land zu verurteilen, an die Kläger 24.340,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 sowie als Verzugsschaden vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.117,60 € zu zahlen.
12Das beklagte Land beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Das beklagte Land ist der Ansicht, es bestehe schon keine schuldhafte Amtspflichtverletzung. Die Annahme einer mittelbaren Schenkung sei vertretbar gewesen, da die Mehrung des Vermögens bei der Gesellschaft in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Übertragung der Gesellschaftsanteile gestanden hätte. Die von den Klägern gerügte unterbliebene Anhörung der Zedenten hätte in der Sache nichts geändert, selbst wenn sie erfolgt wäre.
15Im Übrigen sei die gebührenrechtliche Abrechnung unzutreffend. Die Geschäftsgebühr sei mit 20/10 einer vollen Gebühr übersetzt. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen.
16Im Hinblick auf die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die Klage ist nicht begründet. Den Klägern steht ein Zahlungsanspruch gegen das beklagte Land nicht zu, da den Zedenten ein Schadensersatzanspruch gegen das beklagte Land nicht zustand, den diese hätten abtreten können.
19Zwar geht die Kammer grundsätzlich von einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des sachbearbeitenden Finanzbeamten bei Erlass der streitgegenständlichen Steuerbescheide vom 06.12.2007 aus. Der offensichtliche Eintritt der Festsetzungsverjährung, der eine nachträglich Abänderung der Steuerbescheide vom 03.02.2003 bzw. 31.05.2005 ausschloss, hätte von Amts wegen berücksichtigt werden müssen. Ob und in welcher Höhe den Zedenten dadurch ein Schaden entstanden ist, kann im vorliegenden Fall jedoch dahinstehen. Denn die Kammer vertritt in Abweichung von der wohl herrschenden Rechtsansicht die Ansicht, dass aus schuldhaften Amtspflichtverletzungen durch Beamte der Finanzämter, die auf einen Einspruch der Steuerpflichtigen hin korrigiert werden, keine Amtshaftungsansprüche resultieren.
20Die Frage, ob ein im Einspruchsverfahren obsiegender Steuerpflichtiger einen Anspruch auf Erstattung seiner Auslagen aufgrund einer Amtspflichtverletzung des tätig gewordenen Steuerbeamten geltend machen kann ist streitig (Nachweise bei Rüßgen in Klein, Kommentar zur AO, 10. Auflage 2009, § 32 Anm. 9). Zwar ist nach herrschender Meinung ein Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung aus § 839 BGB, Art. 34 GG nicht ausgeschlossen, da die Tatsache, dass nach der Abgabenordnung ein Anspruch auf Erstattung der Auslagen nicht gewährt wird, ohne Bedeutung sein soll für einen Anspruch auf Ersatz solcher Kosten aus Staatshaftung (seit BGH, Urteil vom 6.2.1975 Aktenzeichen III ZR 149/72, juris; Anschluss: OLG München Urteil vom 28.9.1995 95,1 U 2954/95; OLG Koblenz 17.7.2002 1U1588/01 mit weiteren Nachweisen, jeweils veröffentlicht bei juris).
21Diese Ansicht ist jedoch unzutreffend. Das Gericht schließt sich der Gegenmeinung an. Eine Anspruchsgrundlage im Steuerrecht, aus dem sich ein Erstattungsanspruch ergeben könnte, existiert nicht. Der Gesetzgeber hat vielmehr in der Abgabenordnung bewusst keine Regelung zu Erstattung der Kosten im Einspruchsverfahren betroffen. Ausnahmen hat er dagegen z.B. in § 77 Einkommensteuergesetz für den Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung getroffen und in § 408 Abgabenordnung bezüglich Auslagen eines im Steuerstrafverfahren tätigen Steuerberaters geschaffen. In der Finanzgerichtsordnung findet sich in § 139 Abs. 3 die ausdrückliche Regelung, dass selbst im finanzgerichtlichen Verfahren nur in bestimmten Fällen die Gebühren und Auslagen des Vorverfahrens erstattungsfähig sind, nämlich wenn das Gericht Beziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt.
22Staatshaftungsrechtlich hat der Gesetzgeber in § 839 Abs. 3 BGB dem Bürger die Pflicht auferlegt, eventuellen Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, bevor er Schadensersatzansprüche gegen dem Staat geltend machen kann. Es wäre systemwidrig, wenn die Kosten des Rechtsmittels, dessen Durchführung Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch darstellt, selbst einen erstattungsfähigen Schaden darstellen würden. Der Sinn der Regelung, die Allgemeinheit vor Kosten des Einzelnen zu schützen, die diesen durch die Einlegung eines Rechtsmittels gegen schuldhafte Amtspflichtverletzungen treffen, würde verfehlt. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die in § 839 Abs. 3 BGB erfolgte Auferlegung der Verpflichtung, ein Rechtsmittel einzulegen (und die damit verbundenen Kosten zu tragen!), den betroffenen Bürger verfassungswidrig über Gebühr belasten würde. Die Regelung ist wirksam, so dass es auch keinen denkbaren Schadensersatzanspruch der Zedenten aus Amtspflichtverletzung gegen das beklagte Land gibt.
23Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich
24Wird die Angelegenheit mit dem Rechtsbehelfsverfahren beendet, ist für eine Kostenerstattung kein Raum (ebenso Eckert, Steuerberatergebührenverordnung 4. Auflage 2003 § 40 Anm. 7; zweifelnd auch der Richter am Bundesfinanzhof Rüßgen in Klein a.a.O. mit weiteren Nachweisen zu der hier vertretenen Auffassung).
25Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91,709 ZPO.
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