Endurteil vom Landgericht Nürnberg-Fürth - 19 O 1360/18

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 14.534,82 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klagepartei begehrt von der Beklagten Zahlung von Schadenersatz zuzüglich Zinsen aufgrund des von der Europäischen Kommission mit Beschluss vom 19. Juli 2016 (AT.39824 - Trucks, bekannt gegeben unter dem Aktenzeichen C(2016) 4673; nachfolgend: Kommissionsentscheidung) festgestellten sogenannten „Lkw-Kartells“.

Die Klagepartei ist ein mittelständiges Unternehmen im Bereich . Bei der Be klagten handelt es sich um einen weltweit tätigen Automobilkonzern, der Personenkraftwagen und Nutzfahrzeuge, darunter Lastkraftwagen und deren Komponenten, entwickelt, produziert und vermarktet.

Die Beklagte beteiligte sich im Zeitraum zwischen dem 17.01.1997 und dem 18.01.2011 mit anderen europäischen Herstellern von Lastkraftwagen an Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, wie sie Gegenstand der Feststellungen der Kommission in der Kommissionsentscheidung vom 19.07.2016 sind, deren Adressatinnen sowohl die Herstellerin der streitgegenständlichen Lkws als auch die Beklagte sind. Die kollusiven Kontakte zwischen den Adressatinnen der Kommissionsentscheidung fanden von 1997 bis 2010 in Form regelmäßiger Treffen statt und umfassten auch Kontakte über E-Mail und Telefon. Die Hauptverwaltungen der Adressatinnen waren bis 2004 direkt an den Gesprächen über Preise, Preiserhöhungen und die Einführung von neuen Emissionsnormen beteiligt. Spätestens ab August 2002 liefen die Gespräche über deutsche Tochtergesellschaften, die an ihre Hauptverwaltungen berichteten. Die Absprachen umfassten Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen mit dem Ziel, die Bruttopreise im Europäischen Wirtschaftsraum zu koordinieren, sowie über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien nach den Abgasnormen Euro 3 bis Euro 6. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird vollumfänglich auf die Kommissionsentscheidung Bezug genommen wird (vgl. die als Anlage GL 2 vorgelegte „provisional nonconfidential version“ in englischer Sprache; deutschsprachige Zitate im Folgenden entstammen der ebenfalls in Anlage GL 2 vorgelegten beglaubigten Übersetzung).

Die Klägerin behauptet, zwei Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 18 t des Herstellers Renault erworben zu haben. Im Einzelnen handle es sich um folgende Erwerbsvorgänge:

Nr.

FIN:

Fahrzeugtyp

Rechnungsda tum:

Kaufpreis netto:

1

...93

Renault Premium

320.18D (Anlage K2)

10.09.2008

110.700,00 €

2

...31

Renault HR

420.26 (Anlagen K3)

13.06.2005

132.935,89 €

Die Klägerin behauptet, dass die streitgegenständlichen Fahrzeuge über die H. GmbH an die S. GmbH bzw. die D1. L. GmbH veräußert worden seien. Die Fa. H. GmbH sei eine Tochtergesellschaft der Renault Trucks SAS. Das Fahrzeug Nr. 1 sei von der Klägerin über die S. GmbH geleast worden. Der Anschaffungspreis sei im Rahmen des Leasingvertrages ausgewiesen. Das Fahrzeug Nr. 2 sei zunächst über die Disko Leasing mit Vertrag vom 24.04.2001 geleast worden, im Anschluss sei das Fahrzeug von der Klägerin im Wege des Mietkaufs erworben worden.

Die Klagepartei behauptet, dass sie aufgrund der in der Kommissionsentscheidung festgestellten Verhaltensweisen für das Fahrzeug Nr. 1 7.527,34 € und für das Fahrzeug Nr. 2 7.007,49 € zu viel gezahlt habe. Darüber hinaus habe die Klagepartei für die Erstellung eines Gutachtens zur Schadenshöhe und für die außergerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten 669,00 € aufgewendet.

Die Klagepartei ist der Ansicht, die streitgegenständlichen Erwerbe der Fahrzeuge seien von den durch die Kommissionsentscheidung bindend festgestellten unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen betroffen. Ihr sei daher durch den Erwerb der vorgenannte Schaden wegen kartellbedingt überhöhter Preise entstanden. Soweit man die preissteigernde Wirkung des Lkw-Kartells nicht bereits aufgrund der Kommissionsentscheidung als bindend festgestellt ansähe, stritten jedenfalls ein Anscheinsbeweis und eine tatsächliche Vermutung für die allgemein preissteigernde Wirkung von Kartellen.

Die Kommission habe nicht nur einen wettbewerbsunschädlichen Informationsaustausch über Bruttolistenpreise festgestellt, sondern vielmehr eine komplexe und vielgestaltige Zuwiderhandlung gegen europäisches Primärrecht. Aus dem Wortlaut der Entscheidung ergebe sich eindeutig, dass es nicht lediglich einen Informationsaustausch gegeben habe, sondern dieser vielmehr zusätzlich zu der Koordinierung und Abstimmung der Brutto-Listenpreise erfolgt sei.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 13.02.2020 mehrere Anträge nach § 89b GWB, § 142 ZPO gestellt, mit denen die Vorlage von Dokumenten durch die EU-Kommission (GD Wettbewerb), die Beklagte und die Streithelferinnen angeordnet werden sollten. Hinsichtlich des Inhalts der Anträge wird auf den Schriftsatz vom 13.02.2020 (vgl. Bl. 300 f. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.534,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag von

(1) 7.527,34 € seit dem 01.09.2008,

(2) 7.007,49 € seit dem 01.07.2007, zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die vorgerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung und Gutachterkosten in Höhe von 669,00 € zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Die Beklagte erhebt hinsichtlich der streitgegenständlichen Ansprüche die Einrede der Verjährung.

Die Beklagte meint, das mit der Kommissionsentscheidung vom 19.07.2016 sanktionierte Verhalten habe keine wettbewerbsbeschränkende Wirkung aufgewiesen; jedenfalls sei dies von der Kommission in der Entscheidung nicht bindend festgestellt worden. Die Klage sei schon deshalb abzuweisen, weil die Kartellbetroffenheit der streitgegenständlichen Erwerbsvorgänge, für die nach der „Schienenkartell-Entscheidung“ des BGH kein Anscheinsbeweis anzunehmen sei, nicht dargelegt, geschweige denn bewiesen sei. Bei einem bloßen Informationsaustausch der Kartellanten sei in dieser Hinsicht keine tatsächliche Vermutung für die Kartellbetroffenheit gegeben. Die Klagepartei sei auch nicht durch die sanktionierten Verhaltensweisen geschädigt worden.

Die Streithelferinnen behaupten, die H. GmbH sei ein nicht mit den Streithelferinnen verbundenes, sondern ein von ihnen unabhängiges Unternehmen.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2019 (Bl. 174 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Kammer hat mit Verfügung vom 26. September 2019 hinsichtlich der Problematik der Kartellbetroffenheit einen rechtlichen Hinweis erteilt (wegen der Einzelheiten wird auf die Verfügung vom 26. September 2019, Bl. 181 d. A., Bezug genommen).

Die Kammer hat keinen Beweis erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist sachlich und örtlich zuständig.

II.

Die Klage ist unbegründet, da von der Klagepartei nicht hinreichend dargelegt wurde, dass die aufgeführten Beschaffungsvorgänge von den kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen der Beklagten betroffen sind.

1. Die maßgebliche Anspruchsgrundlage ist für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 die Vorschrift des § 33 S. 1 GWB in der Fassung vom 26.08.1998 und für den übrigen Zeitraum die Vorschrift des § 33 Abs. 3 GWB in der Fassung vom 07.07.2005. Denn für den Schadensersatzanspruch ist das zum Zeitpunkt der Vertragsschlüsse geltende Recht maßgeblich (BGH, Urteil vom 11.12.2018 - KZR 26/17, Rn. 44 - Schienenkartell). Somit ist auch die Vermutung des § 33a Abs. 2 GWB auf die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche nicht anwendbar (§ 186 Abs. 3 GWB).

2. Ein Kartellschadensersatz setzt voraus, dass die in Rede stehenden Beschaffungsvorgänge kartellbefangen waren, also ein Wettbewerb unter möglichen Lieferanten der von der Klagepartei jeweils benötigten Waren durch die vom Bundeskartellamt festgestellten Kartellverstöße ausgeschlossen oder eingeschränkt wurde. Die Darlegungs- und Beweislast für die konkrete Kartellbetroffenheit trägt die Klagepartei. Eine Feststellung der Kartellbetroffenheit ist nach Maßgabe des § 286 ZPO zu treffen (BGH, Urteil vom 11.12.2018 - KZR 26/17 -, Rn. 59 - Schienenkartell). Maßgeblich dafür ist, ob der Anspruchsteller beim Erwerb kartellbefangener Waren so mit dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Kartellanten in Berührung gekommen ist, dass nachteilige Folgen für ihn eintreten konnten.

3. Zwar kann eine tatsächliche Vermutung dafür bestehen, dass Aufträge, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich der Absprachen fallen, von diesen erfasst wurden und damit kartellbefangen waren (BGH, Urteil vom 11.12.2018 - KZR 26/17 -, Rn. 61 - Schienenkartell). Denn es entspricht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirtschaftlicher Erfahrung, dass die Gründung und Durchführung eines Kartells häufig zu einem Mehrerlös der daran beteiligten Unternehmen führt (BGH, a.a.O., Rn. 59 m.w.N.). Dies gilt nicht nur für die Absprache von Preisen, sondern auch für die gemeinsame Festlegung bestimmter Quoten oder für Absprachen über die Zuweisung bestimmter Kunden an die Kartellanten. Durch solche Absprachen sind die beteiligten Unternehmen in einem gewissen Umfang der Notwendigkeit enthoben, sich im Wettbewerb zur Erlangung von Aufträgen gegen konkurrierende Unternehmen durchzusetzen. Sie zielen mithin darauf, den Preiswettbewerb weitgehend außer Kraft zu setzen. Unternehmen, die sich aufgrund solcher Absprachen nicht dem Wettbewerb stellen müssen, werden im Regelfall keinen Anlass sehen, bestehende Preissenkungsspielräume zu nutzen. Nach ökonomischen Grundsätzen wird bei Kartellen vielfach eine Kartellrendite entstehen. Treffen Unternehmen trotz der damit einhergehenden erheblichen Risiken solche Absprachen, streitet danach eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die im Rahmen eines Kartells erzielten Preise im Schnitt über denen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache bildeten. Diese Vermutung gewinnt an Gewicht, je länger und nachhaltiger ein Kartell praktiziert wurde (BGH, a.a.O., Rn. 55).

4. Eine solche umfassende Wirkung ist jedoch nicht für den Fall des reinen Informationsaustausches anzunehmen, wie er in Bezug auf die Bruttolistenpreise im Rahmen der hier festgestellten Kartellrechtsverstöße vorlag.

a) Soweit die Klagepartei den Schadensersatzanspruch darauf stützt, dass die Adressaten des Bußgeldbescheids die Bruttopreislisten abgesprochen hätten, so ist festzustellen, dass - jedenfalls für den für die hiesige Klagepartei betroffenen deutschen Absatzmarkt - hinsichtlich der Bruttopreise keine verbindlichen Absprachen (Vereinbarungen) getroffen wurden, sondern lediglich ein - im Einzelnen unkonkreter und unverbindlicher - Informationsaustausch vorlag.

1) Nach § 33b GWB ist das Gericht an die Feststellung des Verstoßes gebunden, wie sie in der bestandskräftigen Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016 getroffen wurde. Für den Umfang der Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 Satz 1 und 2 GWB kommt es auf die im Kartellverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen an (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - KZR 25/14 -, BGHZ 211, 146-171, - Lottoblock II - Rn. 18). Maßgeblich ist hierbei, in welchem Umfang eine Zuwiderhandlung gegen Kartellrecht im Tenor oder in den tragenden Gründen der abschließenden Entscheidung festgestellt worden ist (BGH, a.a.O., Rn. 19).

2) Der Tenor der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016 lautet: „By colluding on pricing and gross price increases in the EEA for medium and heavy trucks; […] the following undertakings infringed Article 101 TFEU and Article 53 of the EEA Agreement during the periods indicated: […] (b) […] Renault Trucks SAS, from 17 January 1997 until 18 January 2011 (c) D2. AG from 17 January 1997 until 18 January 2011 […]“ (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Az.: AT.39824 - Trucks, S. 30). In deutscher Übersetzung heißt es: „Durch die Kollusion über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für mittelschwere und schwere Lkw […] haben die nachstehenden Unternehmen in den nachstehend angegebenen Zeiträumen gegen Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens verstoßen: […] (b) […] Renault Trucks SAS vom 17. Januar 1997 bis zum 18. Januar 2011 (c) D2. AG vom 17. Januar 1997 bis zum 18. Januar 2011 […]“. Ausschlaggebend ist hierbei lediglich der englische Text. Der Tenor stellt hierbei als Tathandlung lediglich „colluding“ fest, also ein geheimes Zusammenwirken. Aus dieser sehr allgemein gehaltenen Umschreibung der Tat der Beklagten können daher keine Rückschlüsse auf konkrete Verhaltensweisen der Beklagten gezogen werden. Insbesondere ergibt sich hieraus nicht, dass die Adressaten des Bußgeldbescheids konkrete kartellrechtswidrige Vereinbarungen getroffen haben.

3) In den tatsächlichen Feststellungen wird das Verhalten der Beklagten näher beschrieben.

(1) In der Einleitung (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Az.: AT.39824 - Trucks, Rn. 2) heißt es: „The infringement consisted of collusive arrangements on pricing and gross price increases“. In der dem Gericht vorgelegten Fassung wurde dies übersetzt als: „Die Zuwiderhandlung bestand in Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen […].“ Dies kann jedoch nicht so verstanden werden, dass hier konkrete Vereinbarungen darüber getroffen wurden, welche Preise gesetzt werden sollen und wann und in welchem Umfang Bruttolistenpreise erhöht werden sollten. Es handelt sich hierbei lediglich um eine allgemeine Aussage in der Einleitung, die aufgrund der nachfolgenden Ausführungen in den Feststellungen erst konkretisiert und hierbei insbesondere relativiert wird.

(2) Erst unter Ziffer 3 des Bußgeldbescheids (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 46 ff) wird das festgestellte Verhalten beschrieben („Discription of Conduct“). Hier wird zunächst unter der Überschrift „Further transparency between the Addressees“ („Zusätzlich erhöhte Transparenz zwischen den Adressatinnen“) Folgendes festgestellt:

„All of the Addressees exchanged gross price lists and information on gross prices and most of them (…) engaged in exchanging computerbased truck configurators.“ Auf Deutsch: „Sämtliche Adressaten tauschten Bruttolistenpreise und Information über Bruttopreise miteinander aus und die meisten (…) tauschten computerbasierte Lkw-Konfiguratoren aus.“ (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 46). Dieses festgestellte Verhalten stellt somit lediglich den Austausch von Informationen dar. Die bindenden Feststellungen bleiben hinsichtlich der Frage, welche konkreten Informationen zu welchen Zeitpunkten ausgetauscht wurden, unbestimmt. Der Umstand, dass die abstrakt dargestellten Informationen im Anschluss hieran als „wirtschaftlich sensibel“ dargestellt werden, verdeutlicht nicht den Inhalt des Informationsaustausches.

Im Folgenden wird festgestellt, dass die Adressaten des Bußgeldbescheides aus den so erhaltenen Informationen im Zusammenhang mit weiteren, im Wege der Marktforschung gewonnenen Daten, die ungefähren aktuellen Nettopreise ihrer Konkurrenten besser berechnen konnten. Dies sei jedoch in Abhängigkeit von der Qualität der ihnen vorliegenden Marktforschungsdaten (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 47). Nicht erläutert wird in diesem Zusammenhang, welche Adressaten Zugang zu Marktforschungsdaten einer Qualität hatten, die eine im Übrigen nur „ungefähre“ Berechnung aktueller Nettopreise der Konkurrenten erleichtert hätten. Aus den bindenden Feststellungen ergibt sich zudem, dass lediglich in den meisten Fällen die ausgetauschten und im Einzelnen nicht konkretisierten Informationen nicht öffentlich zugänglich waren. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die ausgetauschten Informationen jedenfalls in einem relevanten Umfang öffentlich zugänglich waren.

In Bezug auf den Austausch von Lkw-Konfiguratoren wird festgestellt, dass sämtliche Adressaten mit der Ausnahme von DAF Zugang zu dem Konfigurator mindestens einer weiteren Adressatin hatten. Einige Konfiguratoren gewährten jedoch nur Zugang zu technischen Daten und enthielten keine Preisinformationen (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 48). Es steht somit im Hinblick auf die Herstellerin des Lkw lediglich fest, dass diese Zugriff auf einen Konfigurator eines Wettbewerbers hatte, der technische Daten enthielt. Dass die Herstellerin auch Zugriff auf Preisinformationen in Rahmen des Konfigurators hatte, kann aus dem Bußgeldbescheid nicht geschlossen werden, da keine Feststellungen getroffen wurden, auf welchen Konfigurator die Herstellerin Zugriff hatte und ob dieser Preisinformationen enthielt.

Es ist hierbei zu beachten, dass diese Feststellungen unter der Überschrift „zusätzlich erhöhte Transparenz“ getroffen werden.

Auch die Überschrift deutet somit auf einen reinen Informationsaustausch und nicht auf eine Verabredung eines bestimmten Verhaltens hin.

(3) Im nächsten Abschnitt unter der Überschrift „Nature and scope of the infringement“ („Art und Umfang der Zuwiderhandlung“) wird nun Folgendes in Bezug auf Bruttolistenpreise festgestellt:

„These collusive arrangements included agreements and/or concerted practices on pricing and gross price increases in order to align gross prices in the EEA […].“

„Die Absprachen umfassten Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen mit dem Ziel, die Bruttopreise im EWR zu koordinieren […].“

(Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 50)

Es handelt sich hierbei wiederum lediglich um die Einführung für die in den folgenden Randnummern im Einzelnen dargestellten Zuwiderhandlungen in einer verallgemeinernden Weise. Dies ergibt sich aus der Systematik der Darstellung der festgestellten Verstöße und wird auch verdeutlicht durch die Verwendung des unbestimmten Begriffs „und/oder“. Dieses Begriffspaar lässt offen, ob beide genannten Alternativen (Vereinbarung und abgestimmte Verhaltensweisen) kumulativ vorgelegen haben oder ob nur vom alternativen Vorliegen entweder von Vereinbarungen oder von abgestimmten Verhaltensweisen über Preise und Bruttolistenpreise auszugehen ist. Die allgemeine Form der Darstellung in abstrakter Form ergibt sich hier auch daraus, dass sich nur ein Teil der Absprachen („collusive arrangements“) auf im Einzelnen nicht konkretisierte Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen bezieht. Es wird das Wort „included“ (“umfassten“) verwendet. Es wird damit zum Ausdruck gebracht, dass auch noch andere - an dieser Stelle allerdings nicht angesprochene - Absprachen getroffen wurden.

(4) Für den Zeitraum von 1997 bis zum Ende 2004 wird dargestellt, dass die beteiligten Unternehmen auf mehrmals im Jahr stattfindenden Treffen ihre Bruttopreiserhöhungen besprachen. Lediglich in einigen Fällen wurden die Bruttopreiserhöhungen auch vereinbart. Gelegentlich seien auch Gespräche über die Nettopreise für einige Länder geführt worden. In den Jahren 1997 und 1998 seien auch Informationen über die Harmonisierung der Bruttopreislisten für den EWR ausgetauscht worden. (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 51). Aus diesen Feststellungen kann für die Herstellerin nur festgestellt werden, dass sie mit den anderen beteiligten Unternehmen ihre Bruttopreiserhöhungen - sowie die anderer Unternehmen - besprochen hat. Ob die darüber hinausgehenden Feststellungen auch die Herstellerin der hier streitgegenständlichen Lkw betreffen und sich auf den für die Klagepartei relevanten deutschen Markt beziehen, ergibt sich aus dem Bußgeldbescheid nicht, da nicht festgestellt wurde, dass diese Verhaltensweisen immer und europaweit durchgeführt wurden, sondern nur „gelegentlich“ oder „in einigen Fällen“. Unabhängig davon bleibt auch der Inhalt der „Gespräche über die Nettopreise für einige Länder“ unklar.

Die sich hieran anschließenden exemplarischen Ausführungen (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 52) belegen hinsichtlich der Bruttopreislisten in bindender Weise nur, dass mit einem nicht konkretisierten Inhalt über zukünftige Änderungen der Bruttopreislisten gesprochen wurde. Damit ist an dieser Stelle schon nicht festgestellt, dass überhaupt über Preiserhöhungen gesprochen wurde. In Betracht kommt insoweit neben einer Änderung von Preisen auch eine Änderung der formalen Ausgestaltung der besprochenen Bruttopreislisten.

(5) Weiterhin wird geschildert, dass nach Einführung des Euros und bei Einführung der europaweiten Preislisten für fast alle Hersteller die Adressaten begannen, sich über ihre deutschen Tochterunternehmen systematisch über geplante Preiserhöhungen auszutauschen (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 54). Auf deutscher Ebene sei ein Austausch sowohl zu technischen Themen als auch zu Lieferfristen und Preisen (normalerweise Bruttopreisen) erfolgt (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 55). Auch insoweit bleibt der Inhalt der „normalerweise“ Bruttopreise betreffenden Gespräche unbestimmt. Ob und in welcher konkreten Weise ausnahmsweise über andere und über welche Preise, die hier genannt werden, gesprochen wurde, bleibt offen.

(6) In späteren Jahren seien auf deutscher Ebene nicht öffentlich zugängliche Informationen über Bruttopreiserhöhungen in einem Tabellenblatt zusammengetragen worden und mehrmals im Jahr ausgetauscht worden. Die ausgetauschten Informationen über zukünftige Bruttopreiserhöhungen haben sich entweder lediglich auf Lkw-Basismodelle oder auf Lkw und die zur Verfügung stehenden Konfigurationsoptionen bezogen. Nettopreise bzw. Nettopreiserhöhungen seien üblicherweise nicht ausgetauscht worden (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 56). Festgestellt sind hier lediglich Verhaltensweisen, die auf einen Informationsaustausch abstellen. Vereinbarungen darüber, wie auf die mitgeteilten Informationen reagiert werden soll, wurden nicht festgestellt.

(7) Im Folgenden wird zudem ausgeführt, dass die auf Ebene der deutschen Tochtergesellschaften ausgetauschten Informationen über zukünftig beabsichtigte Bruttopreiserhöhungen in „unterschiedlichem“ und damit im Einzelnen ungeklärten Maße an die jeweilige, für die Festlegung der Bruttolistenpreise verantwortlichen Hauptverwaltung weitergeleitet worden seien (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 56). Ob eine solche Informationsweitergabe an die für die Festsetzung des Bruttolistenpreises zuständige Hauptverwaltung (vgl. hierzu Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 27) bei der Herstellerin der hier streitgegenständlichen Lkw erfolgte, ist somit dem Bußgeldbescheid nicht zu entnehmen.

(8) Eine Feststellung in Bezug auf eine - im Einzelnen allerdings nicht dargestellte - Vereinbarung einer Preiserhöhung wurde lediglich im Hinblick auf Frankreich im Rahmen der Einführung des Euros festgestellt. Hierzu führt der Bußgeldbescheid aus, dass diskutiert worden sei, dass Frankreich die niedrigsten Preise hatte, und dass vereinbart worden sei, dass die Preise in Frankreich erhöht werden mussten (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 53). Hierbei handelt es sich jedoch um ein punktuelles Verhalten, das zeitlich (Euro-Einführung) und örtlich (Frankreich) begrenzt ist. Der hier gegenständliche Erwerb der streitgegenständlichen Lkw fällt nicht in diesen zeitlichen und örtlichen Rahmen.

(9) Im Bußgeldbescheid wird das Verhalten der Adressaten in zusammenfassender Weise als „Austausch über zukünftig geplante Bruttopreiserhöhungen“ (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 57) und an unterschiedlichen Stellen ausdrücklich als ein die geplanten Bruttopreiserhöhungen betreffender „Informationsaustausch“ (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 57 und Rn. 60) bezeichnet.

4) In der rechtlichen Begründung des Bußgeldbescheides wird ausgeführt, dass es für die Frage der Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 101 Absatz 1 AEUV und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen nicht darauf ankommt, ob eine Vereinbarung zwischen Unternehmen oder eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise vorliegt (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 65 ff). Es wird lediglich und ohne Festlegung einer der bezeichneten Tatbestandsalternativen festgestellt, dass das beschriebene Verhalten sämtliche Merkmale einer Vereinbarung und/oder einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 Absatz 1 EWR-Abkommen aufweist (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 69). Zudem wird ausgeführt, dass es ausreicht, dass die Vereinbarung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise eine Verhinderung, Beschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt bezweckt, so dass Auswirkungen des Kartells nicht dargestellt werden müssen, wenn die wettbewerbswidrige Zielsetzung des fraglichen Verhaltens nachgewiesen wurde (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 80). Es ist daher konsequent, dass die Europäische Kommission sich im Rahmen des Bußgeldbescheides nicht zu einer Feststellung dazu veranlasst sah, inwieweit das bewusste Verhalten eine Vereinbarung darstellte und eine tatsächliche Erhöhung der Nettopreise bewirkte. Allenfalls vage wird im Bußgeldbescheid angedeutet, dass das beanstandete Verhalten die Adressaten dazu in die Lage versetzten, die ausgetauschten Informationen bei ihren internen Planungsprozessen zu berücksichtigen (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 58). Ob und in welcher Weise sich der Informationsaustausch auf eine etwaige Erhöhung von Bruttolistenpreisen ausgewirkt hat, bleibt offen. Ungeachtet dessen, dass auch insoweit der Nettopreis nicht ausdrücklich angesprochen wird, wird hinsichtlich der Preispositionierung neuer Produkte lediglich die vage Möglichkeit festgestellt, die Informationen „könnten“ diese „möglicherweise“ beeinflusst haben (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 80). Welche konkrete Beeinflussung möglicherweise vorgelegen haben könnte, wird nicht thematisiert.

b) Es kann dahinstehen, ob eine tatsächliche Vermutung für eine Kartellbetroffenheit einzelner Beschaffungsvorgänge nicht nur bei Preis-, Quoten- und Kundenschutzkartellen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 - KZR 26/17 -, Rn. 61, juris), sondern auch im Falle eines Informationsaustausches in Betracht kommt. Jedenfalls muss die Annahme einer tatsächlichen Vermutung auf einer umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beruhen.

1) Soweit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine Bindungswirkung besteht, ergibt sich alleine aus dem Inhalt des vorliegenden Bußgeldbescheids keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die gegenständlichen, den Informationsaustausch betreffenden Kartellrechtsverstöße bei den einzelnen Aufträgen beachtet und umgesetzt wurden, sich diese mithin nachteilig auf die einzelnen Beschaffungsvorgänge ausgewirkt haben.

Der durch den vorliegenden Bußgeldbescheid festgestellte, die Bruttopreise betreffende Informationsaustausch begründet unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände keine tatsächliche Vermutung für eine Kartellbetroffenheit des hier streitgegenständlichen Beschaffungsvorgangs.

2) Eine solche tatsächliche Vermutung wird damit begründet, dass Preis-, Quoten- und Kundeschutzkartelle darauf setzen, den Preiswettbewerb weitgehend außer Kraft zu setzen, und somit nach ökonomischen Grundsätzen vielfach eine Kartellrendite entstehen wird (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 - KZR 26/17 -, Rn. 55, juris - Schienenkartell).

(1) Der hier vorliegende Informationsaustausch unterscheidet sich jedoch strukturell von solchen Preis-, Quoten- und Kundenschutzkartellen. Diese gehen mit Vereinbarungen über ein bestimmtes zukünftiges Verhalten einher. Ein solches Versprechen eines bestimmten Verhaltens wurde jedoch im Bußgeldbescheid für den deutschen Markt gerade nicht festgestellt. Zwar ist festzustellen, dass es auch das Ziel des Informationsaustausches ist, den Preiswettbewerb einzuschränken (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 81). Dies kommt jedoch nicht an ein weitgehendes Außerkraftsetzen heran. Den am Informationsaustausch Beteiligten stand es frei, aus den Informationen, die sie erhalten haben, in eigener Entscheidung ihre Preise zu setzen und um Kunden zu werben. Sie waren in dieser Entscheidung nicht eingeschränkt.

(2) Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass widerleglich vermutet wird, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin am Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen (EuGH, Urt. v. 4.6.2009 - Rs. C-8/08, Rn. 51-53 - T-Mobile Netherlands u. a.).

Es ist aber zu berücksichtigen, dass es sich bei den ausgetauschten Preisen um Bruttolistenpreise handelte. Die tatsächlich am Markt gezahlten Nettopreise wichen erheblich von diesen ab und wiesen erhebliche Rabatte auf die Bruttolistenpreise auf (so auch ausgeführt in der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 27). Welche Rabattspielräume auf den Bruttolistenpreis letztlich den einzelnen Niederlassungen der Beklagten gegeben wurde, war vom Informationsaustausch nach der Entscheidung der Kommission vom 19.07.2016 jedoch nicht umfasst. Soweit im Bußgeldbescheid ausgeführt ist, dass die Beteiligten im Zeitraum von 1997 bis Ende 2004 gelegentlich auch Gespräche über die Nettopreise für einige Länder führten (Rn. 51), wird hier keine Aussage dahingehend getroffen, dass es sich hierbei um die Nettopreise auf dem deutschen Markt handelte. Unabhängig davon bleibt auch insoweit offen, mit welchem konkreten Inhalt die Nettopreise bei den gelegentlichen Gesprächen thematisiert wurden.

Darüber hinaus wird aus dem Bußgeldbescheid deutlich, dass Informationen nur punktuell und nicht flächendeckend ausgetauscht wurden. So bestand der Zugang zu den Lkw-Konfiguratoren nur bei einem Mitbewerber und es steht nicht fest, dass hierbei auch Zugriff auf die in dem Konfigurator enthaltenen Bruttolistenpreise bestand. Die ausgetauschten Bruttolistenpreise konnten somit nicht jegliche denkbare Konfiguration abdecken. Auch würde eine widerlegliche Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin am Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen, nicht zwangsläufig bedeuten, dass hiermit negative und insbesondere nettopreisrelevante Auswirkungen auf den Wettbewerb verbunden wären. Unabhängig davon, wie sich das Verhältnis des Nettopreises zum Bruttolistenpreis darstellt, können die Unternehmen vielmehr eine (angekündigte) Bruttopreiserhöhung des Wettbewerbers auch zum Anlass nehmen, von zukünftigen (möglicherweise auch selbst als geplant kommunizierten) Bruttopreiserhöhungen abzusehen, um sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil durch Mengeneffekte zu verschaffen. Die Berücksichtigung der Information würde in diesem Fall den Wettbewerb fördern (vgl. LG Mannheim, Urteil v. 24.4.2019 - 14 O 117/18 Kart - LKW-Kartell). In diesem Zusammenhang bestand auch für die Informationsempfänger eine Unsicherheit, ob die Informationsgeber diese Erhöhungen wie geplant durchführen würden oder unter Umständen auf Grund der selbst erhaltenen Informationen ihr zukünftiges Verhalten in Bezug auf Preiserhöhungen abändern würden.

(3) Unter Umständen lässt es sich hiermit erklären, dass die Kommission in der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 20.12.2006 - innerhalb des Kartellzeitraums - im Fusionskontrollverfahren MAN/Scania einen starken Wettbewerb in Deutschland auf dem Markt der Lkw-Hersteller feststellte (Commission Decision of 20/12/2006 declaring a concentration to be compatible with the common market (Case No IV/M.4336 - MAN / SCANIA) according to Council Regulation (EEC) No 4064/89, Rn. 71 „Furthermore, the market investigation confirmed that competition in the German market is considered by market players to be strong, not only between the two market leaders DC and MAN, but also between all five leading suppliers.“).

(4) Im Übrigen bedeutet auch das festgestellte Ziel, die Bruttolistenpreise im EWR zu koordinieren, nicht, dass hierzu die Bruttolistenpreise in Deutschland erhöht werden mussten; vielmehr kann eine Koordinierung auch dahingehend erfolgen, dass die Bruttolistenpreise nur in einigen Ländern angehoben wurden und in anderen Ländern unverändert geblieben sind (vgl. OLG Düsseldorf (1. Kartellsenat), Urteil vom 06.03.2019 - U (Kart) 15/18, Rn. 36). Während z.B. laut Bußgeldbescheid in Frankreich Rabatte anlässlich der Einführung des Euros abgebaut werden sollten (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 53), d.h. die Preise erhöht werden sollten, stellt das klägerische Privatgutachten fest, dass das Preisniveau der Durchschnittspreise der im Datenpool erfassten LKW vor 2001 zunächst höher liegt als in den Jahren 2001 bis 2003 (Anlage K8, Rn. 209). Jedenfalls in diesem Zeitraum sind die Preise in Deutschland laut dem klägerischen Gutachten gesunken.

(5) Zwar ist festzustellen, dass das kartellrechtswidrige Verhalten über einen langen Zeitraum von 14 Jahren aufrechterhalten wurde. Eine lange Dauer kann die Vermutung begründen, dass das kartellrechtswidrige Verhalten in einer solchen Weise für die Beteiligten vorteilhaft war, dass sie das Verhalten aufrechterhalten haben.

In einer Gesamtabwägung der Umstände des hier festgestellten Verhaltens der Beteiligten ist jedoch alleine aus der langen Dauer des Verstoßes, die für eine Kartellrendite spricht, keine tatsächliche Vermutung aufzustellen, dass jeder Erwerb, der sachlich, zeitlich und räumlich von den Feststellungen des Bußgeldbescheides umfasst ist, auch tatsächlich in der Weise von einem Kartellrechtsverstoß betroffen ist, dass die konkrete Preisvereinbarung hierdurch nachteilig beeinflusst wurde. Aufgrund des oben im Einzelnen dargestellten und wenig konkreten Inhalts des Bußgeldbescheids ist es auch ernsthaft in Betracht zu ziehen, dass die im Bußgeldbescheid festgestellten Verhaltensweisen keine nachteiligen Auswirkungen auf sachlich, zeitlich und räumlich von den Feststellungen umfasste Beschaffungsvorgänge hatte oder dass etwaige nachteilige Auswirkungen sich danach unterschieden, ob und wann von welchem Adressaten Lastkraftwagen bezogen wurden (vgl. hierzu auch LG Magdeburg, Urteil vom 08.01.2020 - 7 O 302/18, BeckRS 2020, 68, beckonline).

Die Vermutung wird jedoch bereits durch das Ergebnis des Privatgutachtens der Klagepartei (Anlage K4) in Frage gestellt. Denn danach sind bei einigen Herstellern, so auch der Herstellerin der hier streitgegenständlichen Lkw, im Zeitraum 2009 bis Kartell-Ende keine Kartelleffekte zu erkennen (S. 30 des Privatgutachtens). Das führt zu dem Schluss, dass offenbar bei dem hier zu betrachtenden Lkw-Kartell die im Beschluss der EU-Kommission festgestellten Handlungen nicht zu jedem Zeitpunkt und nicht bei jedem Hersteller zu Preissteigerungen geführt haben, so dass der entsprechende Erfahrungssatz, dass ein Kartell zur Preissteigerung führt, für den konkret hier zu betrachtenden Fall widerlegt ist (so auch LG Magdeburg, Urteil vom 08.01.2020 - 7 O 302/18, BeckRS 2020, 68, beckonline).

(6) Die Annahme einer tatsächlichen Vermutung ist erst recht nicht gerechtfertigt, wenn das kartellierte Produkt nicht direkt von einem der an den sanktionierten Verhaltensweisen beteiligten Kartellanten bezogen worden ist, mithin die streitgegenständlichen Beschaffungsvorgänge allenfalls mittelbar kartellbetroffen sein können (vgl. auch LG Hannover, NZKart 2019, 611, Rn. 21). In einer solchen Sachverhaltskonstellation spricht angesichts der ökonomischen Komplexität der Preisbildung und des unterschiedlichen Wettbewerbsdrucks auf den jeweiligen nachgelagerten Märkten keine Vermutung dafür, dass eine im zeitlichen Zusammenhang mit dem Kartell auftretende Preiserhöhung auf den Anschlussmärkten ursächlich auf das Kartell zurückzuführen ist. Die Kausalität muss vielmehr im Einzelfall nachgewiesen werden (vgl. BGH, Urteil vom 28.6.2011 - KZR 75/10, juris Rn. 45 - ORWI).

5. Dem Bußgeldbescheid kann auch hinsichtlich der Absprachen bezogen auf Euronormen nicht entnommen werden, dass diese darauf abzielten, den Preiswettbewerb weitgehend außer Kraft zu setzen.

a) Der Bußgeldbescheid enthält nur wenige und zudem hinsichtlich preisrelevanter Einzelheiten unbestimmte Feststellungen über das Verhalten der Adressaten in Bezug auf die Euronormen.

1) In der Einleitung wird ausgeführt, dass es „Absprachen über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für mittelschwere und schwere Lkw nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6“ („collusive arrangements on […] the timing and the passing on of costs for the introduction of emission technologies for medium and heavy trucks required by EURO 3 to 6 standards“) gegeben habe (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 2). Hierbei handelt es sich, wie oben bereits aufgeführt, lediglich um eine grobe Zusammenfassung in der Einleitung und nicht um eine bindende Feststellung konkreter, für den Markt und die Preisgestaltung relevanter Tatsachen.

2) Für den Zeitraum 1997 bis 2004 wird in Ziffer 3.2 folgendes festgestellt:

„These collusive arrangements included agreements and/or concerted practices on […] the timing and the passing on of costs for the introduction of emission technologies required by EURO 3 to 6 standards.“

„Die Absprachen umfassten Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen über […] den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6.“

(Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 50)

Auch hierbei handelt es sich wieder um einen einleitenden Absatz, der die nachfolgend dargestellten Verhaltensweisen lediglich grob zusammenfasst.

3) Hinsichtlich EURO 3 wird festgestellt, dass die Beteiligten am 06.04.1998 vereinbart hätten, dass Lkw, die mit EURO 3 konform sind, erst dann angeboten werden sollten, wenn sie gesetzlich dazu gezwungen werden. Es sei außerdem eine Bandbreite für den Aufschlagpreis für EURO-3-konforme Lkw vereinbart worden (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 52).

4) In Bezug auf EURO 4 ist ohne weitere Konkretisierung festgestellt, dass Gespräche stattgefunden hätten, die die Preise und Modalitäten der Einführung der Abgasnorm EURO 4 betroffen hätten und die den bisherigen Gesprächen über die EURO-3-konformen Lkw ähnelten (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 54).

5) Weiterhin ist allgemein festgestellt, dass sich der Austausch über die neuen Emissionsstandardtechnologien über die Jahre fortsetzte (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 57), ohne dass weitere Inhalte dieses Austauschs bekannt gegeben werden. Es wird lediglich festgestellt, dass bei Treffen am 12.04.2006 und 12./13.03.2008 die Preiserhöhungen für die Abgasnormen EURO 4 und EURO 5 Gegenstand gewesen seien (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016, Rn. 59). Hieraus kann nicht auf einen Inhalt hinsichtlich dieser Gespräche geschlossen werden und erst recht nicht darauf, dass hinsichtlich EURO 5 Vereinbarungen geschlossen wurden.

6) Insgesamt ist daher lediglich in Bezug auf EURO 3 festgestellt, dass eine Vereinbarung über die Durchreichung von Entwicklungskosten getroffen wurde. Hierbei wurde jedoch lediglich eine Bandbreite („range“) vereinbart, deren konkreter und für die Preisgestaltung relevanter Inhalt im Bußgeldbescheid nicht mitgeteilt wird. Welche Vereinbarung über EURO 4 getroffen wurde, ergibt sich aus diesen Feststellungen nicht, da diese lediglich als „ähnlich“ bezeichnet werden ohne auszuführen, worin die Abweichung liegt.

b) Auch dieses festgestellte Verhalten ist nicht darauf angelegt, den Preiswettbewerb weitgehend außer Kraft zu setzen (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 - KZR 26/17 -, Rn. 55, juris - Schienenkartell). Durch die verpflichtende Einführung der neuen Abgasnormen sind bei den Lkw-Herstellern Entwicklungskosten sowie zusätzliche Herstellungskosten angefallen. Auch das von der Klagepartei vorgelegte Privatgutachten geht in der Sache davon aus, dass sogar im hypothetischen (kartellfreien) Markt die Einführung einer neuen Technologie mit höheren Preisen verbunden wäre (Anlage K4, Rn. 10: „Preissetzungsspielräume der neuen Technologie nach oben“). Da keine Feststellungen über den konkreten Inhalt der Vereinbarung über die Weitergabe der Kosten für EURO 3 getroffen wurden, ist unbekannt, welche Weiterwälzung vereinbart wurde. Bekannt ist lediglich, dass für die Weiterwälzung eine Bandbreite vereinbart wurde, so dass nicht feststeht, dass die Vereinbarung der Kostenweiterwälzung über das hinausgeht, was ohne Vereinbarung im hypothetischen Markt ohnehin geschehen wäre.

c) Gegen eine tatsächliche Vermutung von Euronorm-Effekten spricht im Übrigen auch die Tatsache, dass nach dem Privatgutachten der Kläger der geltend gemachte Schaden unabhängig von der jeweiligen Euro-Norm ist (Anlage K4, Rn. 210: Es wurde durch den Gutachter erwogen, die Euronorm-Effekte herstellerspezifisch aufzunehmen, jedoch anschließend verworfen, da diese Schätzvariante bei allen Herstellern außer Renault zu keinen signifikant verschiedenen Kartelleffekten führt und bei Renault ein nicht plausibles Ergebnis liefert).

6. In der Gesamtschau der Absprachen bzgl. Bruttopreisen und bzgl. der Euronormen ergibt sich auf Grund der vorstehenden Ausführungen keine Kartellbetroffenheit der Klägerin.

7. Die Klagepartei hat daher darzulegen, in welcher Weise der hier streitgegenständliche Erwerb von dem Verhalten der Beklagten betroffen ist. Hierzu trägt die Klagepartei nicht vor.

a) Soweit die Klagepartei Zeugnis der Frau ... dafür anbietet, dass die „Beschreibung der EU-Kommission … nicht als abschließend anzusehen (ist), wie es mehrfach durch Worte wie „beispielhaft“ und „exemplarisch“ hervorgehoben wurde“, ist dies kein geeignetes Beweisangebot für die Kartellbetroffenheit. Die bindenden Feststellungen der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016 enden an diesen Beispielen. Es wäre Sache der Klagepartei, diese Feststellungen durch einen Sachvortrag zu ergänzen, der eine Subsumtion unter den Rechtsbegriff der Kartellbetroffenheit erlaubt und einen entsprechenden Vortrag, falls dieser streitig geworden wäre, ggf. unter Beweis zu stellen.

b) Ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Absprachen und dem Netto-Preis bestanden hat (vgl. zu dieser Behauptung Seite 13 des Schriftsatzes der Klagepartei vom 12. November 2018, Bl. 63 d. A.), kann nicht durch das insoweit beantragte Sachverständigengutachten nachgewiesen werden. Unabhängig davon, dass eine „kartellierte Ausgangsgröße“ (vgl. hierzu den Klägervortrag auf Seite 13 des Schriftsatzes vom 12. November 2018, Bl., 63 d. A.) - wie ausgeführt - in der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016 nicht bindend festgestellt ist, kann ein Sachverständiger lediglich aus Erfahrungssätzen oder besonderen Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem feststehenden Sachverhalt ziehen und dem Gericht allgemeine Erfahrungssätze oder besondere Kenntnisse auf seinem jeweiligen Wissensgebiet vermitteln (vgl. hierzu BeckOK ZPO/Scheuch, 35. Ed. 1.1.2020, ZPO § 402 Rn. 1-2.1). Welcher Zusammenhang im vorliegenden Fall zwischen Bruttolistenpreisen und dem Netto-Preis besteht, ist nicht von Bedeutung, da auf der Grundlage des Bußgeldbescheids gerade nicht mit bindender Wirkung feststeht, dass Erhöhungen der Bruttolistenpreise vereinbart wurden. Er kann im Übrigen nicht sachverständig begutachtet werden, sondern allenfalls mittels eines nicht angetretenen Zeugen- und/oder Urkundenbeweises nachgewiesen werden.

c) Das Privatgutachten der Klägerin geht von einem Anscheinsbeweis und einer Kartellbetroffenheit aus (Anlage K4, Rn. 8). Insofern kann aus den so ermittelten „Schäden“ keine Kartellbetroffenheit abgeleitet werden.

d) Soweit die Klagepartei im Schriftsatz vom 13.02.2020 Anträge auf die Vorlage von Dokumenten gem. § 89b GWB, § 142 ZPO stellte, ist diesen nicht Rechnung zu tragen. Ungeachtet dessen, dass bereits fraglich ist, ob diese zulässig sind, da sie nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt wurden und bereits zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung die Kammer in Bezug auf die Frage der Kartellbetroffenheit einen Hinweis (vom 26.09.2019, Bl. 181 d.A.) erteilte, ist diesen Anträgen nicht nachzugehen.

1) § 142 ZPO dient nicht unmittelbar Beweiszwecken, sondern primär der materiellen Prozessleitung. Dabei darf das Gericht jedoch einer Urkunde nichts entnehmen, was von den Parteien im Prozess noch nicht vorgetragen worden ist, denn auch § 142 ZPO ermöglicht keine Amtsaufklärung. Das Gericht darf mit seiner Anordnung deshalb keinesfalls die Grenzen des Parteivortrages überschreiten. Die Bedeutung einer konkret zu bezeichnenden Urkunde für die begehrte Entscheidung muss sich vielmehr aus dem schlüssigen Parteivortrag ergeben. Die pauschale Aufforderung zur Vorlage ganzer Urkundensammlungen, Dokumentationen oder einer kompletten Korrespondenz ist deshalb auch nach § 142 ZPO unzulässig (BGH, Urteil vom 27. Mai 2014 - XI ZR 264/13 -, Rn. 28, juris m.w.N.). Die Vorschrift befreit die Partei, die sich auf eine Urkunde bezieht, nicht von ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast. Dementsprechend darf das Gericht die Urkundenvorlegung nicht zum bloßen Zweck der Informationsgewinnung, wie vorliegend von der Klägerin erstrebt, sondern nur beim Vorliegen eines schlüssigen, auf konkrete Tatsachen bezogenen Vortrags anordnen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. August 2014 - VI-2 U (Kart) 2/13 -, Rn. 35, juris).

Soweit die Auskunftsverlangen gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, die Anfragen nach Punkt 12 der Kronzeugen-Mitteilung sowie die in Rn. 34 des Bußgeldbescheids erwähnten Unterlagen vorgelegt werden sollen, handelt es sich bereits ausdrücklich um Urkundensammlungen. Darüber hinaus trägt die Klagepartei zur Begründung lediglich vor, dass „die Urkunden“ (und somit die Gesamtheit der vorzulegenden Urkunden) beweisen würden, dass die Wettbewerbsverstöße alle mittelschweren und schweren Lkw-Modelle sämtlicher Kartellanten im EWR im Kartellzeitraum beträfen. Hierdurch wird nicht dargelegt, in welcher Weise die Urkunden für die begehrte Entscheidung konkret von Bedeutung sind. Konkrete Tatsachen werden nicht genannt, sondern verallgemeinernde und zusammenfassende Begriffe verwendet.

2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Bezugnahme der Klägerin auf die mit der 9. GWB-Novelle in Kraft getretene verfahrensrechtliche Vorschrift des § 89b GWB. Die Anwendbarkeit der Vorschrift auf den hier streitgegenständlichen, vor In-Kraft-Treten der Vorschrift entstandenen Schadensersatzanspruch kann dahinstehen. Denn in jedem Fall soll hierdurch nicht ermöglicht werden, die Herausgabe von Beweismitteln oder die Erteilung von Auskünften zu verlangen, ohne dass sich zuvor aus einem schlüssigen Parteivortrag die Bedeutung einer konkret zu bezeichnenden Urkunde für die begehrte Entscheidung ergibt (LG Stuttgart, Urteil vom 12.12.2019, Az.: 30 O 27/17, BeckRS 2019, 32706, beckonline, Rn. 79). Wie oben bereits dargelegt, erfüllen die hier gestellten Anträge diese Voraussetzung nicht.

8. Es ist auch nicht aus Gründen des Effektivitätsgrundsatzes - über die Anwendung der vom Bundesgerichtshof entwickelten Möglichkeit einer tatsächlichen Vermutung hinausgehend (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11.12.2018 - KZR 26/17 -, Rn. 61 - Schienenkartell) - von der üblichen Verteilung der Darlegungslast abzuweichen. Der Effektivitätsgrundsatz besagt, dass die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden dürfe (EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006 - C-295/04 bis C-298/04 -, juris, Rn. 62). In der zitierten Entscheidung hat sich der EuGH jedoch auch mit der Frage der Zulässigkeit eines Strafschadensersatzes auseinandergesetzt. Hierbei hat er festgestellt, dass das Gemeinschaftsrecht die innerstaatlichen Gerichte nicht daran hindert, dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt (EuGH, a.a.O. Rn. 99). Das grundsätzliche Festhalten an der allgemeinen Verteilung der Darlegungslast im Zivilprozess in Fällen, in denen - wie hier - keine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Kartellbetroffenheit besteht, dient diesem Zweck. Der Effektivitätsgrundsatz kann sich nur im Rahmen gesetzlicher Regeln und relevanter Tatbestandsvoraussetzungen entfalten. Wegen der Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz kann der Effektivitätsgrundsatz nicht aus Zweckmäßigkeitserwägungen hinsichtlich einer erleichterten Durchsetzung von Ansprüchen, derer sich potentiell Geschädigte berühmen, hierfür vorausgesetzte Tatbestandsmerkmale und den Vortrag und Nachweis hierauf bezogener Tatsachen ersetzen.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91, § 101 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 709 ZPO zu entscheiden.

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