Urteil vom Landgericht Paderborn - 4 O 178/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Die Kläger nehmen die Beklagte nach erklärtem Widerruf eines Darlehensvertrages auf Feststellung der Beendigung und Freigabe der Sicherheiten Zug um Zug gegen Rückzahlung des nach ihrer Berechnung noch offenen Darlehenssaldos in Anspruch.
3Die Kläger schlossen mit der Beklagten am 25.06. bzw. 03.07. 2007 den Darlehensvertrag Nr. … über 45.500,00 Euro zu einem Zinssatz von 5,36 % (Anlage K1). Das Darlehen ist grundpfandrechtlich besichert mit zwei zu Gunsten der Beklagten im Grundbuch von T, Blatt … eingetragenen Briefgrundschulden über 82.317,99 Euro und 9.203,25 Euro.
4In den „Bes. Vereinbarungen“ (Bl. 13 d.A.) ist vermerkt, dass es sich um ein Forward-Darlehen handelt, welches die Kläger am 30.07.2008 abnehmen müssen. Desweiteren ist dort der Hinweis enthalten: „Ablösung der Darlehen Nr. …, Nr. … und Nr. … per 30.07.2008“.
5Das Darlehen Nr. … valutierte ursprünglich über 57.000,00 DM (29.143,64 Euro) und ist am 04.07.1988 abgeschlossen worden. Hierbei wurde ein Darlehenszins von 6,0 %, festgeschrieben bis zum 30.07.1993, und eine anfängliche Tilgung von 1 % vereinbart. Zum 01.08.1993 wurde ein Zinssatz von 7,0 %, festgeschrieben bis zum 30.07.1998, vereinbart. Zum 01.08.1998 wurde als neuer Zinssatz 5,74 % vereinbart und bis zum 30.07.2008 festgeschrieben. Am 03.07.2007 valutierte das Darlehen noch mit 19.227,69 Euro.
6Das Darlehen Nr. … valutierte ursprünglich über 30.000,00 DM (15.338,76 Euro) und ist am 11.07.1988 abgeschlossen worden. Hierbei wurde ein Darlehenszins von 6,0 %, festgeschrieben bis zum 30.07.1993, und eine anfängliche Tilgung von 1 % vereinbart. Zum 01.08.1993 wurde ein Zinssatz von 7,0 %, festgeschrieben bis zum 30.07.1998, vereinbart. Zum 01.08.1998 wurde als neuer Zinssatz 5,74 % vereinbart und bis zum 30.07.2008 festgeschrieben. Am 03.07.2007 valutierte das Darlehen noch mit 12.777,51 Euro.
7Das Darlehen Nr. … valutierte ursprünglich mit 25.000,00 DM (12.782,30 Euro) und ist am 11.07.1988 abgeschlossen worden. Hierbei wurde ein Darlehenszins von 5,75 %, festgeschrieben bis zum 30.07.1993, und eine anfängliche Tilgung von 1 % vereinbart. Zum 01.08.1993 wurde ein Zinssatz von 7,0 %, festgeschrieben bis zum 30.07.1998, vereinbart. Zum 01.08.1998 wurde als neuer Zinssatz 5,74 % vereinbart und bis zum 30.07.2008 festgeschrieben. Zugleich wurden 16.504,78 DM (8.438,76 Euro) neuer Kredit gewährt, sodass der Beklagten insgesamt Forderung in Höhe von 38.000,00 DM (19.429,09 Euro) zustand. Auch hier wurde eine anfängliche Tilgungsrate von 1 % vereinbart. Am 03.07.2007 valutierte das Darlehen noch mit 15.828,00 Euro.
8Ein Termin zur vollständigen Rückerstattung des Darlehens ist in keinem der Verträge vereinbart worden.
9Zum Stichtag 03.07.2007 bestanden aus den Altdarlehen zu Gunsten der Beklagten noch Forderungen in Höhe von insgesamt 47.833,20 Euro (vgl. Bl. 76a d.A.).
10Der streitgegenständliche Darlehensvertrag Nr. … enthielt eine Widerrufsbelehrung, in der u.a. darüber belehrt wurde, dass die Widerrufsfrist frühestens mit Erhalt der Widerrufsbelehrung beginne. Zudem waren im Vergleich zum Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 der BGB-InfoV in der im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2004 Teil I Nummer 64 vom 07.12.2004 veröffentlichen Fassung Änderungen vorgenommen worden.
11Mit Schreiben vom 05.12.2014 (Anlage K5) widerriefen die Kläger gegenüber der Beklagten den Darlehensvertrag.
12Die Kläger sind der Ansicht, dass ihnen ein Widerrufsrecht zustehe. Es handele sich bei dem streitgegenständlichem Darlehen nicht um eine schlichte Vertragsänderung der bisherigen drei Darlehen, sondern um den Abschluss eines neuen Vertragsverhältnisses, durch das die bisherigen Darlehen abgelöst worden seien. Selbst wenn man dies anders sehen würde, hätte die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Vorgaben entsprechen müssen.
13Die Kläger seien zum Widerruf des Darlehens berechtigt, weil sie nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden seien. Die Belehrung, dass die Frist „frühestens“ mit Erhalt der Belehrung beginne, sei verwirrend. Der Verbraucher könne dieser Belehrung nicht eindeutig entnehmen, wann die Frist für den Widerruf beginnt. Folglich könne er auch das Ende der Widerrufsfrist nicht berechnen, so dass die Belehrung hinsichtlich des Fristbeginns und des Fristendes nicht eindeutig sei. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen, weil an der verwendeten Widerrufsbelehrung im Vergleich zum gesetzlichen Muster inhaltliche Änderungen vorgenommen worden seien.
14Die Kläger beantragen,
151. festzustellen, dass der Darlehensvertrag … in Folge des Widerrufs der Kläger vom 05.12.2014 beendet ist,
162. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Zahlung von 12.013,68 Euro die Löschung der zu ihren Gunsten im Grundbuch von T, Blatt 1853 eingetragenen Briefgrundschulden über 82.317,99 Euro sowie 9.203,25 Euro zu bewilligen sowie die zugehörigen Grundschuldbriefe der Gruppe 2 mit den Nummern … und … an die Kläger herauszugeben,
173. festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Annahme der Zahlung von 12.013,68 Euro in Verzug befindet.
184. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 933,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (14.07.2015) zu zahlen.
19Hilfsweise beantragen sie,
201. festzustellen, dass der Darlehensvertrag … in Folge des Widerrufs der Kläger vom 05.12.2014 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde,
212. festzustellen, dass die Kläger zum 21.10.2015 aus dem Darlehensvertrag … nicht mehr als 12.013,68 Euro schulden.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Die Beklagte ist der Ansicht, dass den Klägern kein Widerrufsrecht zusteht. Bei dem Forward-Darlehen handele es sich um eine unechte Abschnittsfinanzierung. Hierbei sei kein neues Kapitalnutzungsrecht vereinbart worden. Es handele sich daher lediglich um eine Änderung der Darlehenskonditionen, für die kein Widerrufsrecht entstanden sei, sodass über dieses auch nicht habe belehrt werden müssen.
25Wegen des weitergehenden Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27Die zulässige Klage ist unbegründet.
28I. Der zwischen den Parteien bestehende Darlehensvertrag ist durch die Widerrufserklärung der Kläger vom 05.12.2014 nicht wirksam beendet worden.
29Den Kläger stand kein gesetzliches Widerrufsrecht zu; ein etwaiges vertragliches Widerrufsrecht ist jedenfalls nicht fristgerecht ausgeübt worden.
301. Nach § 495 Abs. 1, § 355 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. kann nur die auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages gerichtete Willenserklärung widerrufen werden. Kennzeichnend für einen Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 Abs. 1 BGB a.F. ist dabei, dass dem Verbraucher ein Kapitalnutzungsrecht eingeräumt wird. Dem entsprechend finden die Vorschriften der §§ 491, 495 BGB a.F. auf Änderungen eines Verbraucherdarlehensvertrages nur dann Anwendung, wenn dem Verbraucher infolge der Vertragsänderung zugleich ein neues, im ursprünglichen Darlehensvertrag weder geregeltes noch angelegtes Kapitalnutzungsrecht eingeräumt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 1994 - XI ZR 99/94; BGH, Urteil vom 7. Oktober 1997 - XI ZR 233/96).
31Vorliegend wurde den Klägern mit dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag kein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt. Stattdessen liegt ein Fall der sog. unechte Abschnittsfinanzierung vor.
32a. Nach der Rechtsprechung des BGH erhält der Verbraucher bei einer sog. unechten Abschnittsfinanzierung kein neues Kapitalnutzungsrecht. Eine solche unechte Abschnittsfinanzierung liegt vor, wenn dem Verbraucher von Anfang an ein langfristiges Recht zur Nutzung des überlassenen Kapitals eingeräumt, die Nutzungskonditionen aber nur für einen Teil dieses Zeitraums verbindlich vereinbart werden, so dass absehbar die Notwendigkeit besteht, vor Ablauf der Gesamtlaufzeit des Darlehens über diese Konditionen eine neue Vereinbarung zu treffen. Kennzeichnend für die bloße Prolongation ist damit, dass das Darlehen zum Ende des Finanzierungsabschnitts nicht ohne weiteres fällig wird, sondern nur dann, wenn der Darlehensnehmer der vorgeschlagenen Konditionenänderung widerspricht (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1997 - XI ZR 233/96; BGH Urteil vom 8. Juni 2004 - XI ZR 150/03).
33Anders als bei einer echten Abschnittsfinanzierung nach Ablauf der Gesamtlaufzeit des Darlehens wird dem Verbraucher mithin bei einer unechten Abschnittsfinanzierung kein neues Kapitalnutzungsrecht gewährt, wenn nach Ablauf der Zinsbindungsfrist lediglich neue Konditionen für die Zukunft vereinbart werden und die Konditionenvereinbarung entsprechend dem ursprünglichen Darlehensvertrag vollzogen wird (vgl. BGH, Urteil vom 28.05.2013, Az. XI ZR 6/12, juris-Rn. 22; BGH, Urteil vom 7. Oktober 1997 - XI ZR 233/96).
34b. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da die ursprünglichen Darlehen nach Ablauf der jeweiligen Zinsbindungsfrist nicht ohne weiteres fällig wurden, sondern nur dann, wenn vorher keine Vereinbarung über die neuen Konditionen zustande gekommen wäre.
35Nach Ziffer 1.5 der ursprünglichen Darlehensverträge (Bl. 77, 89, 92 d.A.) waren die Darlehen in gleichbleibenden Raten jeweils fällig am 15. eines Monats zurückzuzahlen. Unter Ziffer 1.1 war vereinbart, dass spätestens bis sechs Wochen vor Ablauf der Zinsbindungsfrist jede Partei eine Neuverhandlung der Darlehensbedingungen verlangen könne. Sollte bis zum Ablauf der Zinsbindungsfrist keine neuen Darlehensbedingungen vereinbart worden sein, war die Beklagte berechtigt, den Zinssatz dem dann aktuellen Zinsniveau am Geld- und Kapitalmarkt anzupassen. In den Ergänzungsverträgen von 1993 und 1998, in denen der Zinssatz jeweils neu festgeschrieben wurde, wurde auf Ziffer 1.1 verwiesen.
36Eine solche Regelung verpflichtet die Parteien dazu, vor Ablauf der Zinsbindungsfrist ernsthafte Verhandlungen über die zukünftigen Vertragskonditionen zu führen. Eine vorzeitige Fälligkeit des Restschuldbetrages kann mithin nur dann eintreten, wenn der Darlehensnehmer der im Rahmen dieser Verhandlungen vorgeschlagenen Änderung der Konditionen widerspricht (BGH Urt. v. 1. März 2011 - XI ZR 135/10; XI ZR 136/10, juris Rn. 18 und Urt. v. 7. Juni 2011 - XI ZR 212/10, juris Rn. 13).
37Die Darlehensverträge sind somit auf unbestimmte Zeit geschlossen worden, weil eine Zeit für die Rückerstattung nicht bestimmt worden ist, § 488 Abs. 3 Satz 1 BGB. Eine zeitliche Befristung ist nur hinsichtlich der Zinshöhe vereinbart worden. Mit Ablauf der Zinsfestschreibung war die Beklagte zu einer Zinsanpassung berechtigt, nicht aber zur Rückforderung des Darlehensbetrages. Die Fälligkeit des Rückerstattungsanspruchs hing vielmehr nach § 609 Abs. 1 BGB a.F. und seit dem 01. Januar 2003 nach § 488 Abs. 3 BGB n.F. davon ab, dass die Darlehensverträge gekündigt werden. Eine Kündigung ist von keiner der Vertragsparteien erfolgt. Folglich hatten die Kläger auch über den 30.07.2008 hinaus einen Rechtsanspruch zur Kapitalnutzung. Wie lange dieses Nutzungsrecht bestehen sollte, musste in der Vertragsurkunde nicht festgehalten werden, zumal dies im Wesentlichen davon abhängig war, wann das Darlehen vollständig zurückgeführt sein würde (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. März 2012 – I-6 U 35/11 –, juris Rn 20).
38c. Dies vorangestellt, handelte es sich bei den neuen Festlegungen des Zinssatzes für die Altdarlehen im Jahr 1993 und 1998 unzweifelhaft um unechte Abschnittfinanzierungen ohne neues Kapitalnutzungsrecht.
39Aber auch das streitgegenständliche Forward-Darlehen stellt eine unechte Abschnittsfinanzierung dar. Hierdurch sollten lediglich bereits im Juni/Juli 2007 neue Konditionen für das Auslaufen der Zinsbindungsfrist zum 30.08.2008 vereinbart werden.
40Dem steht nicht entgegen, dass die Valuten der drei Altdarlehen sowie die geringe Restvaluta eines Bauspardarlehens in den streitgegenständlichen Darlehensvertrag überführt und zusammengefasst wurden. Wie der Kläger auch selbst eingeräumt hat, diente dieses Vorgehen lediglich der Vereinfachung der zukünftigen Vertragsdurchführung; u.a. dadurch, dass fortan nur noch eine einheitliche Zins- und Tilgungsrate in Höhe von 400,00 Euro vom Girokonto des Klägers eingezogen werden konnte. Für eine faktische Verlängerung der bisherigen Darlehensverträge spricht auch, dass im streitgegenständlichen Darlehensvertrag nicht – wie ansonsten bei neuen Darlehensverträgen üblich – eine anfängliche Tilgungsleistung in Prozent festgelegt wurde. Stattdessen wurde lediglich eine Ratenhöhe festgelegt.
41Die Kläger hatten auch keine Möglichkeit das Kapital neu zu nutzen. Die Darlehensvaluta wurde zwar formell auf das Girokonto des Klägers ausgezahlt. Jedoch konnte die Beklagte durch ihre Buchungen sicherstellen, dass die Kläger keinen Zugriff auf den Betrag erhielten. Stattdessen wurde das ausgezahlte Kapital des streitgegenständlichen Darlehens – nach eigener Aussage des Klägers – vollständig dafür verwendet, die zuvor aufgenommenen Kreditverträge zu tilgen.
42Folglich wurde den Klägern kein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt, sondern lediglich die zukünftigen Konditionen für die Nutzung des bereits 1988 unbestimmte Zeit ausgezahlten Kapitals vereinbart. Dem steht auch nicht entgegen, dass das zunächst unbegrenzte Recht zur Sondertilgung nunmehr auf 3.000,00 Euro jährlich begrenzt worden ist.
432. Da den Klägern aufgrund des fehlenden neuen Kapitalnutzungsrechts kein Widerrufsrecht zu stand, hätten sie hierüber auch nicht belehrt werden müssen. Tatsächlich erhielten die Kläger aber eine Widerrufsbelehrung.
44Hieraus könnte sich unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutz und des Verbots des widersprüchlichen Verhaltens ein vertragliches Widerrufsrecht ergeben. Denn die Bank würde sich widersprüchlich verhalten, wenn sie einen innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsschluss erklärten Widerruf mit der Begründung zurückweisen würde, es habe keine gesetzliche Verpflichtung zur Einräumung eines Widerrufsrechts bestanden.
45Es kann vorliegend aber dahin stehen, ob den Klägern durch die Widerrufsbelehrung ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt wurde, da ein etwaiges Widerrufsrecht jedenfalls zu spät ausgeübt worden wäre.
46Für ein vertragliches Widerrufsrecht würden nicht die strengen Anforderungen der gesetzlichen Widerrufsbelehrung gelten. Diese geltend nur dann, wenn die Bank aufgrund des Verbraucherschutzes verpflichtet wäre, den Darlehensnehmern ein Widerrufsrecht einzuräumen. Die freiwillige – wenn auch möglicherweise ungewollte – Einräumung eines vertragliches Widerrufsrecht unterläge daher nur der AGB-Kontrolle gem. §§ 305 ff. BGB.
47Die vorliegend verwendete Fassung der Widerrufsbelehrung genügt in ständiger Rechtsprechung im Bezug auf das gesetzliche Widerrufsrecht nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F., weil die Kläger darin nicht ausreichend über den Beginn der Widerrufsfrist belehrt werden. Die in der Belehrung verwendete Formulierung „die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ informiert einen Verbraucher nicht richtig über den maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist und die zeitlichen Grenzen des Widerrufsrechts, weil sie nicht umfassend und zudem irreführend ist; die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen (BGH, Urteil vom 02.02.2011, VIII ZR 103/10, juris-Rn. 14).
48Im Rahmen einer AGB-Prüfung bedeutet dieses Auslegungsproblem aber nur, dass eine mehrdeutige Klausel vorliegt. Hierbei gehen gem. § 305c Abs. 2 BGB Zweifel an der Auslegung der AGB zu Lasten des Verwenders, also zu Lasten der Beklagten. Es ist daher die kundenfreundlichste Auslegung zu wählen. Jedoch führt auch eine solche Auslegung der Bestimmung zum Fristbeginn nicht zu dem Ergebnis, dass die Widerrufsfrist noch immer nicht zu laufen begonnen hat. Die weitest mögliche durch Auslegung zu erreichende Verschiebung des Fristbeginns wäre der Zeitpunkt der Darlehensauszahlung am 30.07.2008. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hat die Widerrufsfrist im Lichte des § 305c Abs. 2 BGB zu laufen begonnen, weil zu diesem Zeitpunkt die Beklagte ihre Hauptleistungspflicht erbracht hatte und die Kläger zur Tilgung und Zinszahlung verpflichtet waren. Die Widerrufsfrist wäre somit jedenfalls am 13.07.2008 abgelaufen, sodass die Widerrufserklärung vom 05.12.2014 verfristet wäre.
493. Die Kläger konnten folglich den Darlehensvertrag nicht mehr wirksam widerrufen. Aus diesem Grund waren sowohl die Klageanträge zu 1) bis 3) als auch die Hilfsanträge abzuweisen.
50Da den Klägern gegenüber der Beklagten kein Hauptanspruch zusteht, muss die Beklagte den Klägern auch nicht deren vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten ersetzen. Somit unterliegt auch der Klageantrag zu 4) der Abweisung.
51III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709 ZPO.
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Referenzen
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- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
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- BGB § 491 Verbraucherdarlehensvertrag 2x
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