Urteil vom Landgericht Rostock (4. Zivilkammer) - 4 O 273/07

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 12.980,02 €

Tatbestand

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Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen des Mangels eines gekauften Gebrauchtfahrzeugs.

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Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 01.04.2007 verkaufte der Beklagte, vertreten durch den Zeugen S., an den Kläger einen MAN-Autokran zum Preis von 29.500,00 netto/35.105,00 € brutto. Im Kaufvertrag wurden angegeben: Fahrgestell-Nummer, Hubraum, Leistung, Kfz-Brief-Nr., Datum der Erstzulassung, amtliches Kennzeichen. Das Verkaufsgespräch, das für den Beklagten die Zeugen S. und T. führten, fand mit dem Kläger am 01.04.2007 in G. auf dem Gelände der Voreigentümerin, der G. -GmbH, statt. Dem Kläger wurde ein Prüfprotokoll des Dipl.-Ing. P. vom 20.02.2007 (Bl. 36 d.A.) vorgelegt, nach dem einem Weiterbetrieb des Turmdrehkrans keine Bedenken entgegenstanden. Die Mitarbeiter des Beklagten erwähnten gegenüber dem Kläger auch, dass der Beklagte den MAN-Autokran erst kurz zuvor erworben hatte. Der Kläger ließ den Autokran durch seine Mitarbeiter probefahren.

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Der Autokran besteht aus einem Grund- und drei Ausschubelementen. Der Antrieb erfolgt hydraulisch. Ein auf der Motorwelle befestigtes Ritzel (kleines Zahnrad) treibt das Zahnrad der Windenwelle an. Nach Überführung des Fahrzeugs nach R…. nahm der Kläger den Autokran am 02.04.2007 in Betrieb. Beim Ausfahren fielen die Kranelemente ineinander, weil das zahnradseitige Lager der Windenwelle ein übermäßiges Spiel hatte, so dass es zu einer Kraftschlussunterbrechung an dem Windenantrieb kam und die Zähne der Zahnräder durchrutschten, so dass die Mastelemente sich ungebremst ineinander schoben und an den Endbegrenzungen aneinanderprallten. Nach dem (Partei-) Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. M. von der DEKRA Bergisch Gladbach war schadensursächlich eine verschleißbedingte Zerstörung des zahnradseitigen Kugellagers der Windenwelle. Auf das Sachverständigengutachten und die anliegenden Fotos wird verwiesen.

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Der Beklagte schickte dem Kläger eine Rechnung vom 02.04.2007, die einen Gewährleistungsausschluss enthält, dem der Kläger aber später widersprach.

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Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 04.04.2007 verlangte der Kläger Mangelbeseitigung. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 02.07.2007 verlangte der Kläger die Erstattung der Reparaturkosten, der Gutachterkosten sowie eine Auslagenpauschale in Gesamthöhe von 12.977,49 €. Der Beklagte lehnte dies am 11.07.2007 ab.

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Der Kläger verlangt nunmehr die Erstattung folgender Schadenspositionen:

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- Reparaturkosten lt. Gutachten

11.895,78 €

- Sachverständigenkosten

 1.059,24 €

- Auslagenpauschale

 25,00 €

 Insgesamt :

   12.980,02 €

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Der Kläger ist der Auffassung, der verkaufte MAN-Autokran sei mangelhaft, wobei der Beklagte durch Vorlage des Prüfprotokolls vom 20.02.2007 zugesichert habe, dass das Fahrzeug verkehrssicher betrieben werden könne.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 12.080,02 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 12.977,49 € seit dem 15.07.2007 bis 08.09.2007 und aus 12.980,02 € seitdem zzgl. Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe 703,80 € zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte behauptet, er habe den MAN-Autokran am 01.04.2007 von der G. -GmbH gekauft und dies sei dem Kläger auch mitgeteilt worden. Vor Ort sei vereinbart worden, dass der Kläger den MAN-Autokran wegen verschiedener Mängel in der Werkstatt reparieren lasse, ferner sei mündlich ein Gewährleistungsausschluss vereinbart worden (Zeugen S. und T. ). Während der Beklagte die Ursache des Defektes des Autokranes zunächst bestritten und eine Fehlbedienung durch den Kläger behauptet hat, hat er die Ursache (verschlissenes Zahnrad) später unstreitig gestellt.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten zu, denn der Beklagte hat einen etwaigen Mangel des verkauften MAN-Autokrans jedenfalls nicht zu vertreten.

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I. 1. Anspruchsgrundlage kann im vorliegenden Fall nur § 437 Nr. 3 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB sein, weil es sich um einen Mangelfolgeschaden handelt, der durch die Beseitigung des Mangels - Austausch des verschlissenen Zahnrades - nicht beseitigt werden kann (vgl. Lorenz, JuS 2008, 203 [204]).

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2. Zweifelhaft ist schon das Vorliegen eines Sachmangels bei Gefahrübergang (Übergabe), wobei diese Frage aber letztendlich offen bleiben kann.

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a) Dem verkauften MAN Autokran fehlt keine vereinbarte Beschaffenheit i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB. Alle im schriftlichen Kaufvertrag aufgeführten Beschaffenheitsmerkmale (Modell, Fahrgestell-Nr., Hubraum, Leistung, Kfz-Brief-Nr., Erstzulassung, Kennzeichen) sind tatsächlich vorhanden. Allein durch die Vorlage des Prüfberichtes vom 20.02.2007 haben die Parteien nicht konkludent vereinbart, dass der verkaufte MAN-Autokran auch verkehrssicher ist und insoweit den gutachterlichen Feststellungen entspricht - schon gar nicht hat der Beklagte eine derartige Beschaffenheit garantiert. Der Prüfbericht vom 20.02.2007 findet im schriftlichen Kaufvertrag keine Erwähnung, obwohl in dem Formularvertrag entsprechende Felder für zusätzliche Eintragungen vorhanden sind. Nach dem Kaufvertrag hat der Kläger den Autokran besichtigt und probegefahren. Das spricht gegen eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung und eher dafür, dass der Autokran so verkauft wird, wie er steht und liegt.

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b) Normaler Verschleiß stellt bei einem Gebrauchtwagen grundsätzlich keinen Mangel gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.05 - VIII ZR 43/05 = NJW 2006, 434). Für den normalen, gewöhnlichen Verschleiß hat der Verkäufer eines gebrauchten Fahrzeuges - sofern nicht eine gegenteilige Vereinbarung vorliegt - deshalb nicht einzustehen, gleichwohl, welche Auswirkungen der Defekt hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 08.01.07 - 1 U 180/06 = DAR 2007, 211). Aufgrund des vom Kläger eingereichten (Privat-) Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. M. von der DEKRA Bergisch Gladbach steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass schadensursächlich eine verschleißbedingte Zerstörung des zahnradseitigen Kugellagers der Windenwelle gemäß den Darstellungen auf den Fotos 31 bis 39 war. Nach dem vorhandenen Spurenbild habe sich die Zerstörung des schadhaften Lagers über einen längeren Zeitraum infolge Undichtigkeit der Lagerdichtelemente entwickelt. Ausgewaschenes Schmiermittel und erhebliche Korrosionsbildung an den Kugellaufbahnen des Lageraußen- und innenringes ließen die Ursachen der Schädigung infolge Feuchtigkeits- und Schmutzeinwirkung erkennen. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die vom Sachverständigen beschriebenen Verschleißerscheinungen über das hinausgehen, was bei einem Autokran mit ähnlichem Alter und ähnlicher Benutzungsdauer zu erwarten ist. Der verkaufte Autokran wurde im Juli 1995 erstzugelassen und absolvierte seit 1995 4.394 Betriebsstunden. Hier liegt es überaus nahe, dass normaler Verschleiß vorliegt.

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Obwohl der verkaufte Autokran somit der üblichen Beschaffenheit entspricht, kann sich ein Sachmangel gem. § 434 Satz 2 Nr. 2 BGB daraus ergeben, dass er sich zum Zeitpunkt des Gefahrüberganges (Übergabe) nicht für die gewöhnliche Verwendung eignete. Erst wenn der Verschleißzustand einen bestimmten Grad erreicht und sich als Störung der Funktionstauglichkeit und/oder Beeinträchtigung der Verkehrs- und Betriebssicherheit bereits konkret auswirkt oder auszuwirken unmittelbar droht, kann von einem Eignungsmangel gesprochen werden (vgl. Reinking/Eckert, Der Autokauf, 9. Aufl. Rn. 1234). Bis zum Erreichen dieser Stufe ist das Fahrzeug verwendungstauglich und unter diesem Blickwinkel sachmängelfrei. Da hier der verschleißbedingte Defekt des Autokrans bereits beim ersten Betriebsversuch des Klägers eintrat, lag Funktionsuntüchtigkeit quasi schon bei Übergabe vor. Da der Kläger den Autokran nur probegefahren ist, hat eine Funktionsprüfung offenbar nicht stattgefunden.

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3. Der Beklagte hat einen etwaigen Sachmangel des verkauften Autokrans jedenfalls nicht zu vertreten (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), was sich unabhängig von der dem Beklagten obliegenden Darlegungs- und Beweislast schon aus den unstreitigen Umständen des Falles ergibt.

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Den Kraftfahrzeughändler trifft im Gebrauchtwagengeschäft nach ständiger Rechtsprechung keine allgemeine Untersuchungspflicht (vgl. BGH, Urteil v. 03.11.82 - VIII ZR 282/081 = NJW 1983, 217). Der Gebrauchtwagenverkäufer kann dazu allenfalls aufgrund handgreiflicher Anhaltspunkte verpflichtet sein, die für ihn einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen (vgl. BGH, Urteil v. 21.01.81 - VIII ZR 10/80 = NJW 1981, 928). Hier lag dem Beklagten (bzw. seinen Vertretern) bei Kaufvertragsabschluss der Prüfbericht eines Sachverständigen vom 20.02.2007 vor, nach dem einem Weiterbetrieb des Autokrans keine Gründe entgegenstanden und der Autokran verkehrssicher war. Es bestanden für den Beklagten keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Befund nicht zutrifft. Darüber hinaus wäre die schadensursächliche verschleißbedingte Zerstörung des zahnradseitigen Kugellagers der Windenwelle für den Beklagten, der keine eigene Werkstatt unterhält, ohnehin nicht erkennbar gewesen, selbst wenn er den Autokran - etwa auf Unfallschäden - untersucht hätte. Aus dem Parteigutachten der DEKRA ist ersichtlich, dass die Schadensursache nicht leicht zu ermitteln war, sondern im Verborgenen lag und unter der Verkleidung erst bei aufwändigem Auseinanderbauen der Antriebsmechanik zum Vorschein gekommen wäre.

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Ein Vertretenmüssen des Beklagten könnte mangels Bestehens einer allgemeinen Untersuchungspflicht nur dann bejaht werden, wenn der Beklagte auf die nicht durchgeführte eigene Untersuchung hinweisen musste. Dies ist im konkreten Fall jedoch zu verneinen, denn aus den Umständen bei Abschluss des Kaufvertrages ergab sich auch für den Kläger offenkundig, dass der Beklagte den MAN-Autokran nicht untersucht hatte und dies wegen des erst kurz zuvor bzw. gleichzeitig erfolgten eigenen Einkaufs auch nicht konnte. Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Kaufvertrages kaufte der Beklagte den MAN-Autokran ebenfalls am 01.04.2007 von der G. -GmbH. Die Kaufvertragsverhandlungen mit dem Kläger fanden noch auf dem Gelände der Voreigentümerin statt, so dass auch für den Kläger offenkundig war, dass der Beklagte den Autokran unmittelbar weiterverkauft, ohne irgendwelche Untersuchungen vorzunehmen. Der Kläger hat nicht bestritten, dass auch die Verkaufsverhandlungen der Parteien unmittelbar in G. auf dem Gelände der G. -GmbH stattfanden.

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4. Auf den vom Beklagten behaupteten Gewährleistungsausschluss kommt es nach allem nicht mehr an, wobei allerdings die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des schriftlichen Kaufvertrages gegen einen daneben vereinbarten Gewährleistungsausschluss spricht.

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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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