Beschluss vom Landgericht Rostock (3. Zivilkammer) - 3 T 210/10

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners vom 21.04.2010 gegen den Beschluss des Insolvenzrichters des Amtsgerichts Rostock vom 15.04.2010 wird auf Kosten des Antragsgegners als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller beantragte am 11.09.2009 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners. Zur Begründung verweist der Antragsteller auf Abgabenrückstände in Höhe von insgesamt 886.393,23 EUR sowie darauf, dass der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Antragsgegners nach Aktenlage - ungeachtet eines in England gestellten Insolvenzantrages - in Rostock liege. In dem Insolvenzeröffnungsantrag weist der Antragsteller außerdem darauf hin, dass die Europäische Insolvenzordnung - zum Schutz der unterschiedlichen Interessen - die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens parallel zum Hauptinsolvenzverfahren gestatte und ein Sekundärinsolvenzverfahren in dem Mitgliedstaat eröffnet werden könne, in dem der Schuldner seine Niederlassung habe. Der Insolvenzeröffnungsantrag wurde dem Antragsgegner am 26.11.2009 unter der Geschäftsadresse G.-H.-Str., R. zugestellt. Mit seiner Stellungnahme vom 03.12.2009 beantragte der Antragsgegner, den Insolvenzeröffnungsantrag als unzulässig, hilfsweise als unbegründet, zurückzuweisen. Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf das Erlöschen der Steuerforderungen aufgrund einer mit Wirkung zum 11.08.2009 erteilten Restschuldbefreiung durch den High Court of Justice in Bankruptcy in London. Der Antragsteller nahm hierzu mit Schreiben vom 12.01.2010 Stellung und verwies u.a. darauf, entgegen Art.40 EulnsVO nicht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in England unterrichtet worden zu sein. Recherchen zu diesem ausländischen Insolvenzverfahren im Internet sowie beim zuständigen Gericht in London seien erfolglos verlaufen.

2

Der Insolvenzrichter hat mit Beschluss vom 15.04.2010 (B1.198 ff. Bd.I d.A.) die Einholung eines Gutachtens des Rechtsanwalts B. aus R. zur Zulässigkeit des Insolvenzantrages, die davon abhänge, ob die Forderungen des Antragsstellers aus Abgabenrückständen von der durch den englischen Obersten Gerichtshof in London am 11.08.2009 erteilten Restschuldbefreiung erfasst würden, angeordnet. Dieses wiederum setze voraus, dass die Anerkennung nicht gegen die Ordre Public gemäß Art.26 EulnsVO verstoße. Weiter heißt es in dem Beschluss, dass der Sachverständige die Aufgabe habe, sämtliche Tatsachen zu ermitteln, die für die Beurteilung der Frage der Anerkennung der Restschuldbefreiung nach Art. 16 EulnsVO von Bedeutung sei.

3

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde vom 21.04.2010.

4

Der Insolvenzrichter hat dieser Beschwerde gemäß Beschluss vom 26.05.2010, B1.67 f. Bd.II d.A., aus der Erwägung, dass eine Beschwerdemöglichkeit gemäß §§ 4, 6 InsO, § 567 ZPO nicht gegeben sei, nicht abgeholfen.

II.

5

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zu verwerfen, da diese schon nicht statthaft ist. Gemäß § 6 InsO unterliegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die InsO die sofortige Beschwerde vorsieht. Sonstige gerichtliche Entscheidungen während des Eröffnungsverfahrens können im Grundsatz nicht mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden. Kein Rechtsmittel ist darüberhinaus gegen solche richterlichen Maßnahmen statthaft, mit denen lediglich die Entscheidung über den Eröffnungsantrag oder eine sonstige im Eröffnungsverfahren anfallende Entscheidung vorbereitet wird, ohne dass die Anordnungen unmittelbar in Rechte eines Beteiligten eingreifen oder eine verbindliche endgültige Regelung treffen. Dass ihnen bereits rechtliche Bewertungen zugrunde liegen, ist ohne Bedeutung. Solche Anordnungen sind keine Entscheidungen und schon deshalb unabhängig von § 6 Abs.l InsO nicht beschwerdefähig (Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, 2. A., § 34 Rz 27 ff.). Hierzu gehört auch die Beauftragung eines Sachverständigen mit der Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen, die für die Zulässigkeit eines Insolvenzeröffnungsverfahrens von Bedeutung sind. Ausnahmsweise können zwar auch bloß vorbereitende Maßnahmen des Insolvenzgerichts nach § 5 InsO rechtsmittelfähig sein, wenn sie von vornherein außerhalb der Befugnisse liegen, die dem Insolvenzgericht von Gesetzes wegen verliehen sind, und in Grundrechte des Betroffenen eingreifen (Münchener Kommentar, a.a.O., § 6 Rz 14). So darf beispielsweise das Insolvenzgericht einen Gutachter nicht ermächtigen, die Wohn- und Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Eine solche Ermächtigung an einen Sachverständigen beinhaltet einen unmittelbaren Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG), den die InsO nicht vorsieht (BGH Z 158, 212). Diese Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise auch vorbreitende Maßnahmen dem Rechtsmittel der Beschwerde unterliegen, sind vorliegend entgegen der Ansicht des Antragsgegners aber nicht gegeben.

6

Der angefochtene Beschluss ermächtigt den Sachverständigen nicht dazu, gegen den Willen des Antragsgegners dessen Geschäftsräume bzw. Wohnung zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Dieser Beschluss lässt keinen Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung des Antragsgegners aus Art. 13 GG durch den Sachverständigen zu. Soweit der Antragsgegner sich durch das befürchtete Auskundschaften von Umständen seines Lebensumfeldes durch einen Sachverständigen in seiner Privatsphäre und seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art.2 GG) verletzt sieht, rechtfertigt dies nicht die Zulassung einer außerordentlichen Beschwerdemöglichkeit. Dass durch Ermittlungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts gemäß § 5 Abs.1 InsO das Allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffen sein kann, liegt in der Natur der Sache und ist dem Gesetz nicht von vornherein fremd (BGH, Entscheidung vom 03.05.2007, Az IX ZB 9/06).

7

Soweit sich der Antragsgegner durch die Nichtbeachtung der gesetzlichen Bestimmungen zur Beweisaufnahme im Ausland in seinem Anspruch auf ein rechtsstaatliches faires Verfahren (Art.20 Abs.3 GG) verletzt sieht, vermag auch dies eine außerordentliche Beschwerdemöglichkeit nicht zu rechtfertigen. Zum einen ermächtigt der angefochtene Beschluss den Sachverständigen nicht zu einer förmlichen Beweisaufnahme und damit hoheitlichen Tätigkeit im Ausland. Die für die Problematik der Zulässigkeit des Insolvenzeröffnungsantrages relevanten Umstände lassen sich von der Bundesrepublik Deutschland durch schriftliche Anfragen bei den maßgeblichen Stellen in England in Erfahrung bringen. Zum anderen kann ein etwaiger Verstoß gegen Völkerrecht oder gegen deutsches Recht bei der Beschaffung von Beweismitteln allenfalls zu einem Verwertungsverbot im Rahmen der Entscheidung über die Zulässigkeit des Insolvenzeröffnungsantrages führen (vgl. Zöller, ZPO, 28.A., § 363 Rz 20), nicht aber zur Folge haben, dass dem Antragsgegner entgegen den gesetzlichen Vorgaben ein außerordentlicher Rechtsbehelf gegen Anordnungen schon im Vorfeld dieser Entscheidung zusteht.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

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