Urteil vom Landgericht Stralsund (4. Zivilkammer) - 4 O 92/05

Tenor

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 1.663,45 Euro sowie weitere 123,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.01.2005 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/3, die Beklagten zu 1/3.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls.

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Der Unfall ereignete sich am Sonntag, den 02.01.2005, gegen 16.00 Uhr auf der ..., ... auf Höhe Straßenkilometer 107,8. Die Fahrbahn war winternass (Hagel).

3

Der Kläger befuhr mit seinem Fahrzeug die Autobahn in Richtung ... als er auf Höhe Straßenkilometer 107,8 sah, dass sich ca. 500 m voraus ein Unfall ereignete hatte. Als der Kläger versuchte, das von ihm geführte Fahrzeug hinter diesen Fahrzeugen abzubremsen, geriet der Pkw ins Schleudern und kollidierte mit der rechten Fahrzeugseite mit der in Fahrtrichtung linksseitig stehenden Mittelschutzplanke. Von dort wurde das Fahrzeug auf die rechte Fahrbahnspur zurückgeschleudert und befand sich zum Zeitpunkt der Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug schräg versetzt entgegen der Fahrtrichtung, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug bereits stand oder sich noch in Bewegung befand.

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Der Beklagte zu 2) befuhr mit dem bei der Beklagten zu 3) versicherten Fahrzeugs des Beklagten zu 1) die ... in gleicher Richtung und befand sich ca. 100 m hinter dem klägerischen Fahrzeug. Die Fahrzeuge fuhren in etwa mit gleicher Geschwindigkeit. Als der Beklagte zu 2) das Schleudern und die Kollision des klägerischen Fahrzeugs mit der Mittelleitplanke wahrnahm, versuchte er sein Fahrzeug durch eine Vollbremsung zum Stillstand zu bringen, um eine Kollision mit dem klägerischen Fahrzeug zu verhindern. Gleichwohl kam es zu einem Anstoß zwischen der linken Heckseite des klägerischen Fahrzeugs und der linken Frontseite des Beklagtenfahrzeugs. Das klägerische Fahrzeug war zum Unfallzeitpunkt mit Sommerreifen ausgestattet, das Beklagtenfahrzeug verfügte über Winterreifen.

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Die Beklagtenseite lehnte ihre Eintrittspflicht mit Schreiben vom 25.01.2005 ab.

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Der Kläger macht geltend, dass die Kollision des Beklagtenfahrzeugs mit seinem Fahrzeug weit überwiegend durch den Beklagten verursacht worden sei und begehrt unter Zugrundelegung einer Quote von 75 % die Begleichung der an seinem Fahrzeug aufgetretenen Unfallschäden, die ausweislich eines Sachverständigengutachtens 5.987,89 Euro betrügen. Hinsichtlich der Einholung des Sachverständigengutachtens seien ihm Kosten in Höhe von 585,92 Euro entstanden. Ausweislich des Sachverständigengutachtens bedürfte es für die Reparatur allein der aufgrund der Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug an seinem Fahrzeug aufgetretenen Schäden 11 Tage, weshalb eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 473,00 Euro geltend gemacht werde, sowie eine bezüglich der Höhe in des Ermessen des Gerichts gestellte Kostenpauschale von 25,00 Euro. Hiernach ergebe sich unter Zugrundelegung einer Verursachungsquote von 75 % zu Lasten der Beklagten ein Betrag von 5.303,86 Euro. Sein Fahrzeug sei nach der Kollision mit der Mittelleitplanke noch in fahrbereitem Zustand gewesen.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 5.303,86 Euro Hauptforderung sowie weitere 278,05 Euro Nebenforderung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus diesen Beträgen seit dem 25.01.2005 zu zahlen.

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Die Beklagten beantragen,

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die Klage abzuweisen.

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Sie bestreiten, dass die Kollision zwischen den streitgegenständlichen Fahrzeugen durch ein dem sich verkehrsordnungsgemäß verhaltenen Beklagten zu 2) zurechenbare Ursache herbeigeführt worden sei und dass der Unfall vielmehr allein aufgrund einer unangepassten Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs verursacht worden sei, weil letzteres aufgrund sich gebildet habenden Glatteises ins Schleudern gekommen sei. Dem Beklagten zu 2) sei es aufgrund der Schleuderbewegung des klägerischen Fahrzeugs nicht mehr möglich gewesen, diesem auszuweichen. Aufgrund des Umstandes, dass eine Reparatur des infolge der Kollision des klägerischen Fahrzeugs mit der Leitplanke eingetretenen Schadens bisher noch nicht durchgeführt worden sei und das klägerische Fahrzeug daher nicht fahrbereit sei, stehe dem Kläger jedenfalls ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung nicht zu.

12

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ..., ..., ... und .... Bezüglich des Inhalts der Aussagen wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 30.03.2006 (Bl. 68 - 74 d. A.) Bezug genommen. Das Gericht hat darüber hinaus Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen ... vom 30.08.2006 (Bl. 131 ff. d. A.), das der Sachverständige im Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.12.2006 mündlich erläutert hat. Diesbezüglich wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 07.12.2006 (Bl. 182 f. d. A.) Bezug genommen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der zur Akte gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

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Dem Kläger steht ein Schadenersatzanspruch nur in der zuerkannten Höhe aus §§ 7, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG i. V. m. § 3 PfVersG gegen die Beklagten zu 1) und 3) sowie aus §§ 7, 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 StVG und § 823 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten zu 2) zu. Im übrigen ist die Klage unbegründet.

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Durch das vom Beklagten geführte Fahrzeug ist infolge der Kollision mit dem klägerischen Fahrzeug dieses beschädigt worden, wodurch dem Kläger ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist. Die am klägerischen Fahrzeug eingetretenen Schäden sind durch die Beklagtenseite zumindest zum Teil zu vertreten.

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Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts zwar einerseits fest, dass der Unfall zwischen den beiden streitgegenständlichen Fahrzeugen weit überwiegend dadurch verursacht wurde, dass der Kläger mit für die Witterung unangepasster Geschwindigkeit fuhr und zudem das von ihm geführte Fahrzeug nur über für die zum Unfallzeitpunkt herrschenden Straßenverhältnisse unzureichend geeignete Reifen verfügte und somit ins Schleudern kam, andererseits stellte der Unfall für das Beklagtenfahrzeug keine höhere Gewalt im Sinne eines von außen einwirkenden, außergewöhnlichen und nicht abwendbaren Ereignisses dar.

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Gemäß §§ 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG gilt, dass, wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht, die Halter der am Unfall beteiligten Fahrzeuge untereinander in dem Maße zum Ersatz des Schadens verpflichtet sind, soweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach Aussage der Zeugen ..., ..., ... und ..., die sich zum Unfallzeitpunkt in den beiden Fahrzeugen befanden, hatten beide Fahrzeuge eine Geschwindigkeit von ca. 100 - 120 km/h. Ausweislich der Zeugenaussagen der Zeugen ... und ... befand sich das Fahrzeug der Beklagten zwischen 80 und 100 m hinter dem klägerischen Fahrzeug und befuhr die rechte Fahrspur mit etwa der gleichen Geschwindigkeit wie das klägerische Fahrzeug.

19

Dem Kläger ist hinsichtlich des Zustandekommens des streitgegenständlichen Unfalls der Vorwurf einer unangepassten Geschwindigkeit trotz Glätte und somit ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 S. 2 StVO zu machen, weil die Zeugen übereinstimmend ausgesagt haben, dass die Fahrbahn zum Zeitpunkt des Unfalls eine erhebliche Eisglätte aufwies. Hiernach hat das klägerische Fahrzeug die Hauptursache für das Zustandekommen des streitgegenständlichen Unfalls gesetzt, zumal – was sich wesentlich gefahrerhöhend auswirkt – das Fahrzeug ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen ... auf Seite 7 seines schriftlichen Gutachtens auch nicht mit für die zum Unfallzeitpunkt vorherrschenden Witterungsbedingungen geeigneten Reifen, sondern Sommerreifen ausgestattet war. Gemäß § 3 Abs.1 StVO darf der Fahrzeugführer nur so schnell fahren, dass er sein Fahrzeug ständig beherrscht. Er hat die Geschwindigkeit insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie seinen persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.

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Eine Haftung der Beklagtenseite entfällt gleichwohl nicht in vollem Umfang, sondern ist in Höhe der allgemeinen Betriebsgefahr von 25 % zu berücksichtigen, weil auch der Beklagtenseite der Vorwurf zu machen ist, mit nicht angepasster Geschwindigkeit bzw. nicht ausreichendem Sicherheitsabstand gefahren zu sein und der Unfall auch für die Beklagtenseite somit kein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs.3 StVG darstellte. Dass der Unfall bei den Witterungsbedingungen angepasster Geschwindigkeit und ausreichendem Sicherheitsabstand des Beklagtenfahrzeugs hinter dem klägerischen Fahrzeug nicht hätte vermieden werden können, ist nicht ersichtlich. Insoweit spricht schon allein der Umstand, dass es dem Beklagten trotz der Breite der Fahrbahnen und des Standstreifens der Autobahn nicht möglich war, dem klägerischen Fahrzeug auszuweichen, bzw. sein Fahrzeug vor diesem zum Stillstand zu bringen, dafür, dass er entweder nicht den ausreichenden Abstand zum klägerischen Fahrzeug eingehalten oder aber mit den Witterungsbedingungen nicht angemessener Geschwindigkeit gefahren ist. Gemäß § 4 Abs.1 StVO muß der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Hieran hat sich der Beklagte nicht gehalten, wobei dahingestellt bleiben kann, ob sich das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision noch bewegte oder bereits stand, weil sich ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen ... auf Seite 19 seines Gutachtens das klägerische Fahrzeug nach der Kollision mit der Leitplanke quer zur Bewegungsrichtung des sich von hinten annähernden Beklagtenfahrzeugs auf die rechte Fahrbahnhälfte zu bewegte. Zugunsten der Beklagtenseite ist indes zu berücksichtigen, dass die Bewegungen des klägerischen Fahrzeugs nach der Kollision mit der Leistplanke alles andere als vorhersehbar gewesen sind und somit ein rechtzeitiges und gezieltes Ausweichen für den nachfolgenden Verkehr deutlich erschwert wurde.

21

Eine die an der allgemeinen Betriebsgefahr ausgerichtete Quote von 25 % übersteigende Haftung der Beklagtenseite ist insbesondere deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Unfall in erster Linie und weit überwiegend darauf zurückzuführen ist, dass es dem Kläger aus den o.g. Gründen nicht möglich war, sein Fahrzeug ohne eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs aufgrund eines untypischen und unkontrollierten Ausbrechens desselben zum Stillstand zu bringen.

22

Soweit der Kläger auch die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung geltend macht, hat die Klage keinen Erfolg, weil aufgrund der nachvollziehbar dargelegten Feststellungen des Sachverständigen ... zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass das klägerische Fahrzeug bereits aufgrund der Kollision mit der Mittelleitplanke vor dem streitgegenständlichen Unfall so beschädigt war, dass es zwar noch roll- und fahrfähig, aber nicht mehr verkehrssicher war, d. h., dass ein Weiterbetrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nach der Leitplankenkollision aus Sicherheitsgründen nicht mehr möglich war. Da unstreitig eine Reparatur des durch die Kollision mit der Mittelleitplanke verursachten Schadens bisher noch nicht vorgenommen wurde, fehlt es bisher an einer Nutzungsmöglichkeit des Klägers, sodass ihm für den Nutzungsausfall keine Entschädigung zugestanden werden kann. Es fehlt bereits an der für die Zuerkennung eines Schadensersatzanspruchs erforderlichen hypothetischen Nutzungsmöglichkeit (vgl. ..., BGB Kommentar 66.Aufl., Vorb.v. § 249 Rn.22).

23

Die Höhe des Reparaturschadens hat die Klägerseite durch Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen ... (Anlage Bl. 91 ff. d. A.) hinreichend substantiiert vorgetragen. Hiernach ist nicht ersichtlich, dass – wie die Beklagtenseite einwendet – ein wirtschaftlicher Totalschaden vorgelegen haben könnte, weil ausweislich des durch die Klägerseite zur Akte gereichten Fahrzeugbewertungsgutachtens des Sachverständigenbüros ... vom 11.01.2005 (Bl. 105 d. A.) der Wiederbeschaffungswert unter Berücksichtigung des durch die Kollision an der Mittelleitplanke eingetretenen Altschadens an der rechten Fahrzeugseite 7.100,00 Euro betrug, dem hingegen betrugen die Reparaturkosten lediglich 6.945,95 Euro, sodass ein wirtschaftlicher Totalschaden nicht angenommen werden kann. Dass die durch die Klägerseite unter Vorlage und Inbezugnahme des vorgenannten Sachverständigengutachtens substantiiert vorgetragenen Ansätze unzutreffend sein könnten, hat die Beklagtenseite nicht substantiiert bestritten.

24

Nachdem der Sachverständige ... mit Schreiben vom 03.06.2005 die einen kausal auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführenden Erstattungsansprüche für das durch den v.g. Sachverständigen erstellte Schadensgutachten an den Kläger rückabgetreten hat, ist dieser auch insoweit aktivlegitimiert.

25

Hiernach ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Ersatz von 1/4 der Fahrzeugreparaturkosten in Höhe von insgesamt 5.987,89 Euro netto, d. h. 1.496,97 Euro, 1/4 der Sachverständigenkosten in Höhe von 146,48 Euro sowie eine Kostenpauschale in Höhe von 20,00 Euro, d. h. insgesamt ein Betrag von 1.663,45 Euro. Der sich aus § 286 BGB ergebende Anspruch auf Erstattung eines Teils der vorgerichtlich angefallenen Anwaltskosten beschränkt sich auf einen – unter Berücksichtigung eines Gegenstandswertes von 1.663,45 Euro und der gemäß Vorb.3 Abs.4 VV RVG vorzunehmenden Anrechnung ermittelten – Betrag von 123,48 Euro, weil diese Kosten lediglich insoweit, wie die Klage letztendlich Erfolg hat, die Kosten durch die Beklagtenseite verursacht worden sind.

26

Die Entscheidung bezüglich der Zinsen beruht auf §§ 286 Abs.1, Abs.2 Nr.3, 288 Abs.1 BGB.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

28

Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.

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