Urteil vom Landgericht Verden (Aller) (1. Zivilkammer) - 1 S 19/16

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 26. August 2017 (richtigerweise: 26. August 2016) verkündete Urteil des Amtsgerichts Walsrode abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage des Beklagten werden die Klägerin und der Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten

1. 198,00 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.09.2014,

2. vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 83,54 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.10.2015 zu zahlen.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen die Klägerin 91% und die Klägerin gesamtschuldnerisch mit dem Drittwiderbeklagten weitere 9%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Drittwiderbeklagten tragen diese jeweils selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Gerichtskosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz wird auf 2.273 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Eigentümerin des Junghengstes "F." und Vereinsmitglied des beklagten Verbandes. Der Verband stellt den Vereinsmitgliedern unter anderem Grünflächen zur Aufzucht von Hengsten zur Verfügung. Dieses Angebot nutzte die Klägerin 2014 für ihren Hengst. In dem Weidepensionsvertrag von 9. Mai 2014, der als Vertragsparteien den Beklagten und das "Gestüt S." aufführt, regelten die Parteien unter anderem folgendes:

2

B)…….

3

3. Das Weidegeld für die Weideperiode 2014 beträgt 350 €.

4

C) ….

5

1. alle Hengste erhalten am Tag des Auftriebs ein fest anliegendes Gurthalsband, mit fortlaufender Nummer, zur besseren Identifizierung. Das Halsband wird vom zur Verfügung gestellt und ist am Tag des Abtriebes wieder abzugeben.

6

2. alle Beschicker erhalten am Tag des Auftriebs eine Liste aller aufgetriebenen Junghengste mit Beschreibung. Jeder ist verpflichtet, bei zufälligen Besuchen erkennbare Erkrankungen, Verletzungen oder Ähnliches dem aus der Liste zu ermittelnden Beschicker sowie dem für die Hengstweide zuständigen Weideaufseher … zu melden.

7

Unterzeichnet ist der Vertrag von dem Drittwiderbeklagten.

8

Die Hengste wurden im Mai 2014 auf die Weiden getrieben. Am 18. August 2014 stellte die Tierärztin Dr. T. bei dem Hengst der Klägerin eine Verletzung an der rechten Hintergliedmaße fest und informierte die Klägerin. Mit Schreiben vom 22. September 2014 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten, sie gehe davon aus, dass sich der Hengst durch einen auf der Weide liegenden Draht die Verletzung zugezogen habe.

9

Der Beklagte behauptet, am Abend des 17. August 2014 seien Hengste durch den Zaun gebrochen. Auch das Pferd der Klägerin sei auf der anderen Seite des Zaunes vorgefunden worden.

10

Die Klägerin wendet hierzu ein, dass die vorhandene Einzäunung mit Glattdraht pflichtwidrig sei.

11

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten Schadensersatz für die Aufwendungen, die sie wegen der Verletzung des Hengstes hatte. Im Wege der Widerklage verlangt der Beklagte von der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten die Zahlung des anteiligen ausstehenden Pensionsentgelts (180 €) sowie den Ersatz von Aufwendungen für eine Wurmkur (18 €).

12

Das Amtsgericht hat nach der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der ordnungsgemäßen Einzäunung sowie nach Zeugenvernehmungen mit seinem Urteil vom 26. August 2016 der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage der Beklagten abgewiesen.

13

Das Amtsgericht hat die umfassende Beweisaufnahme dahingehend gewertet, dass die Umstände, unter denen das Pferd verletzt wurde, nicht aufgeklärt werden konnten. Keiner der Zeugen, auch nicht die vernommenen Tierärzte, hätten die eigentliche Ursache der Verletzung benennen können. Die Ursache habe nicht ermittelt werden können. Seine auf diesem Ergebnis der Beweisaufnahme beruhende Entscheidung begründet das Amtsgericht damit, dass es insoweit die Beweislast beim Beklagten sieht, da es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag um einen Verwahrungsvertrag gemäß § 688 ff. BGB handele. Hieraus folge, dass der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin das Pferd unverletzt herauszugeben, andernfalls die entstandenen Aufwendungen zu tragen habe.

14

Der Beklagte trägt mit seiner Berufung im Wesentlichen vor, das Amtsgericht habe das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis rechtsfehlerhaft typisiert und hieraus folgend die Beweislastregeln fehlerhaft angewendet. Ferner habe das Amtsgericht rechtsfehlerhaft den in dem Vertrag bestehenden Haftungsausschluss für unwirksam gehalten.

15

Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte verteidigen das amtsgerichtliche Urteil.

16

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des vom Amtsgericht Walsrode verwiesen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder einen Anspruch auf Schadenersatz gemäß §§ 688 ff. BGB noch aus unerlaubter Handlung. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichtes haben die Parteien weder einen Verwahrungsvertrag geschlossen noch liegen aus anderen Gründen die Voraussetzungen für eine Umkehr der Beweislast vor.

18

Die Kammer hat bereits mit Verfügung vom 20. Februar 2017 darauf hingewiesen, dass ein Pferdepensionsvertrag nicht grundsätzlich als Verwahrungsvertrag zu charakterisieren ist. Vielmehr ist die Frage des anwendbaren Rechts anhand der konkreten Vereinbarungen der Parteien und durch Auslegung der beteiligten Interessen zu beantworten. Nur wenn diese Auslegung ergibt, dass der Schuldner über die regelmäßig vereinbarte Unterstellung des Pferdes hinaus es als eine Hauptpflicht übernimmt, gerade für die Sicherheit des Tieres zu sorgen, unterliegt der Vertrag regelmäßig dem Verwahrungsrecht (OLG Celle, Urteil vom 16.01.2015 zu 20 U 36/15). Da aufgrund der vom eigenen Tier ausgehenden Tiergefahr jedoch das Verletzungsrisiko der Unterstellung immanent ist, kommt für die Annahme einer Verwahrung nur ein enger Bereich in Betracht (vgl. OLG Celle, Urteil vom 19.12.2016 zu 20 U 49/15). Der Bundesgerichtshof hat zudem bereits die Einstellung durch Überlassung einer Pferdebox als bloßen Raummietvertrag charakterisiert (BGH NJW 1990, 1422 f.) und darüber hinaus den Vertragstypus am Schwerpunkt des Vertrages ausgerichtet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2017 zu III ZR 4/16 Rz9 ff.; zitiert nach juris). Insbesondere auch in der Literatur wird zunehmend von der Annahme des Verwahrungsvertrages abgerückt. So verlangt Reuter in Staudinger (Kommentar zum BGB, 2015, Vorbem. zu §§ 688 ff., Rdn. 29) beim Viehgräsungsvertrag aus § 689 BGB folgend für die Annahme eines Verwahrungsanteils beim gemischten Vertrag, dass die Pflicht zur Obhut für die Beteiligten so im Vordergrund stehen muss, dass sich ihretwegen die Größenordnung des vereinbarten Entgelts verändert. Angesichts des geringen Pensionspreises von 350 € für die gesamte Weidesaison liegen diese Voraussetzungen ersichtlich nicht vor.

19

Die Qualifizierung des hier zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages richtet sich zunächst nach dem Inhalt des von dem Drittwiderbeklagten für das Gestüt S. unter dem 9. Mai 2014 unterzeichneten Weidepensionsvertrages. Danach richtet sich das Angebot der Weidenutzung nur an die Mitglieder des . Das Weidegeld wurde für die Weideperiode auf 350 € vereinbart. Die Mitglieder des Beklagten, die das Angebot nutzen, verpflichten sich, soweit sie bei zufälligen Besuchen Erkrankungen oder Verletzungen bei anderen Pferden feststellen, u. a die jeweiligen Eigentümer zu unterrichten. Hierzu erhalten alle Beschicker eine Liste der weidenden Pferde und Eigentümer. Ferner sind die Beschicker verpflichtet, zu tierärztlichen Behandlungen zu erscheinen. Ein Halfter sollte mitgebracht werden. Schließlich regelt Ziffer 4.) des Vertrages nicht nur einen Haftungsausschluss. Die Beschicker verpflichten sich vielmehr auch zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung für die Hengste. Eine Verpflichtung, eine Tierärztin täglich mit der Kontrolle jedes einzelnen Tieres zu beauftragen, wurde vertraglich nicht vereinbart.

20

Aus den vorgenannten Vereinbarungen folgt nach Auffassung der Kammer zusammenfassend, dass die Mitglieder des beklagten Verbandes die Möglichkeit erhalten, zu sehr günstigen Konditionen ihren Junghengst in die Weidepension zu geben. Angesichts der gerichtsbekannt günstigen Konditionen ist - auch vor dem Hintergrund der Tätigkeit des Beklagten als eingetragener Verein - eine mit dem Ziel der Gewinnerzielung verbundene Interessenlage nicht erkennbar. Alle Beschicker und damit die Mitglieder des Beklagten werden ferner zur gemeinsamen Beobachtung der Tiere verpflichtet und damit in die Kontrolle zumindest einbezogen. Der Eigentümer der Hengste soll ausdrücklich die Entscheidungsfreiheit und den Zugriff im Falle einer tierärztlichen Behandlung nicht nur behalten, sondern er wird vielmehr zur Teilnahme verpflichtet. Schließlich werden die Beschicker zur Regelung von mit der Pension verbundenen Risiken zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichtet.

21

Mit diesen Vereinbarungen stellen die Vertragsparteien gerade klar, dass sie von regelmäßigen Besuchen und Kontrollen aus dem Kreis der Vereinsmitglieder heraus ausgehen, die Eigentümer gerade bei tierärztlichen Behandlungen die Entscheidung über die Behandlung nicht auf den Beklagten delegieren, sondern selbst ausüben sollen und für Risiken, die aus der Tiergefahr folgen, eine Tierhalterhaftpflicht durch den Beschicker als Vertragspflicht abzuschließen ist.

22

Vor diesem Hintergrund kann vorliegend die konkrete Typisierung des Vertrages sogar dahingestellt bleiben. Ein Verwahrungsvertrag, mit dem dem Schuldner - entgeltlich - umfangreiche Obhutspflichten und Risiken überbürdet werden, kann jedenfalls nicht angenommen werden.

23

Da der Besuch der Weide allen Vereinsmitgliedern und Beschickern offensichtlich freigestellt ist und die Beteiligten auch davon ausgehen, dass hiervon Gebrauch gemacht wird, liegen auch im Übrigen die Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr nicht vor. Der Nachweis, dass eine Pflichtverletzung (Fehler bei der Einzäunung) des Beklagten kausal für die Verletzung des Pferdes war, obliegt danach der Klägerin. Erstinstanzlich konnte die Klägerin aber mit den von ihr angebotenen Beweismitteln diesen Nachweis nicht führen, da offen blieb, ob der Hengst durch eine Schlinge oder durch eine anderweitige Verletzung, z.B. durch einen Tritt eines anderen Pferdes, verletzt worden ist. Die Verletzung des Pferdes durch den Zaun oder eine Litze konnte nicht nachgewiesen werden. Ein Rückschluss aus der Verletzung auf die Verursachung war nicht möglich. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist umfassend und in sich schlüssig.

24

Aus den vorgenannten Gründen kann die Klägerin auch nicht für sich in Anspruch nehmen, dass der Beklagte aus der von der Rechtsprechung zu den "Gefahren- und Verantwortungsbereichen" entwickelten Beweiserleichterungen dazu vortrags- und beweispflichtig ist, wie das Pferd sich verletzte. Die dargelegten Beweiserleichterungen entlasten die Klägerin im Übrigen bereits nicht grundsätzlich von ihrer Darlegungslast bezüglich der Verletzungshandlung. Es können ihr lediglich Beweiserleichterungen insoweit zu Gute kommen, wenn unter mehreren Möglichkeiten Alternativmöglichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. Ferner wurden diese Grundsätze für die Fälle entwickelt, in denen nur der Anspruchsgegner und nicht der Anspruchsteller Einblick in die konkreten Verhältnisse, unter denen es zu einer entsprechenden Verletzung gekommen ist, hat. Wie bereits oben dargelegt, stand nicht nur allen Vereinsmitgliedern der Zugang zu der Weide offen. Vielmehr wurde sogar vertraglich eine Verpflichtung der Vereinsmitglieder festgeschrieben, Feststellungen zu Verletzungen, die anhand der - offensichtlich von den Vereinsmitgliedern und dem Verein unterstellten häufigen Besuche - weiterzugeben. Damit gingen auch die Vertragsparteien gerade nicht davon aus, dass die Vereinsmitglieder keinen oder unzureichenden Einblick in die konkreten Verhältnisse haben. Ein Grund für eine Beweiserleichterung oder sogar für eine Beweislastumkehr ist unter diesen Umständen nicht ersichtlich.

25

Dass die Klägerin und der Drittwiderbeklagte die anteiligen, vertraglich vereinbarten Pensionsentgelte, wie mit der Widerklage gefordert (180 €), nicht entrichtet haben, ist unstreitig. Ebenso ist unstreitig, dass die Aufwendungen für die Wurmkur in Höhe von 18 € offen sind. Schließlich ist auch die Berechnung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten durch die Beklagte nicht zu beanstanden. Vor diesem Hintergrund waren die Klägerin und der Drittwiderbeklagte zur Zahlung zu verurteilen.

26

Soweit der Drittwiderbeklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2017 noch erklärte, er habe seine Unterschrift auf dem Formular nur im Auftrag seiner Frau geleistet, würde ihn selbst dieses Vorbringen von der Zahlungspflicht nicht befreien. Die behauptete Bevollmächtigung wurde der Beklagten nicht offen gelegt, so dass der vom Drittwiderbeklagten behauptete "Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln" gegenüber dem Beklagten keine Wirkung entfaltet (§ 164 Abs. 2 BGB).

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

28

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

 


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