Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 11 KR 3798/16

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 07.09.2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.417,31 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Retaxierung von Zytostatika-Verordnungen in Höhe von insgesamt 11.459,12 EUR.
Die Klägerin ist Trägerin des Z. Klinikums mit Kliniken in A. und B. und als zugelassenes Krankenhaus in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen (§ 108 Nr 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V). Sie betreibt aufgrund einer ihr nach § 14 des Apothekengesetzes (ApoG) erteilten Erlaubnis eine Krankenhausapotheke.
Die Beklagte ist eine Ersatzkasse (§ 168 SGB V) und als Krankenkasse im Sinne des § 4 SGB V eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung.
Zwischen der Klägerin und den Ersatzkassen wurde am 22.10.2012 eine „Vereinbarung über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke an Versicherte nach § 129a SGB V“ (im Folgenden: Vereinbarung) geschlossen (Blatt 10 SG-Akte). Die Vereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:
§ 1 Gegenstand des Vertrags und Geltungsbereich Krankenhaus
(1) Gem. § 14 Abs. 7 ApoG darf die Krankenhausapotheke des Krankenhauses Arzneimittel zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses und an ermächtigte Krankenhausärzte abgeben. ...
(2) Gegenstand dieser Vereinbarung ist die Regelung der Verordnung und Abrechnung abgegebener Arzneimittel und Applikationshilfen an Versicherte der Krankenkassen in den in Abs. 1 genannten Fällen, also insbesondere im Rahmen
- einer Versorgung durch einen gem. § 116 SGB V ermächtigten Krankenhausarzt oder einer gem. § 116a SGB V ermächtigten Krankenhausambulanz,
...
soweit die Versorgung vom Krankenhaus angeboten wird und keine abweichende Vereinbarung abgeschlossen ist.
§ 2 Umfang der Versorgung
10 
(1) Arzneimittel und Applikationshilfen können zu Lasten der Krankenkassen nur unter den Voraussetzungen des § 31 SGB V abgegeben werden.
11 
(2) Das Krankenhaus verpflichtet sich zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten (§§ 12 und 70 SGB V), die durch die Krankenhausapotheke versorgt werden. Es sind die Packungsgrößen abzurechnen, die am wirtschaftlichsten sind. ...
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(3) Die Abgabe durch die Krankenhausapotheke umfasst sowohl Fertigarzneimittel als auch Zubereitungen entsprechend der in Anlage 4 (Preisvereinbarung) gelisteten Mittel. Es besteht grundsätzlich Abgabepflicht. Das Recht des Versicherten auf freie Apothekenwahl bleibt unberührt. ...
13 
§ 4 Verordnung
14 
(1) Die Arzneimittelabgabe erfolgt ausschließlich aufgrund eines ordnungsgemäß ausgestellten vertragsärztlichen Verordnungsblattes (derzeit Muster 16 der zwischen KBV und Spitzenverband Bund der Krankenkassen abgeschlossenen Vordruckvereinbarung) ...
15 
(2) Ordnungsgemäß ausgestellt ist eine vertragsärztliche Verordnung, wenn sie neben Arzneimitteln/Applikationshilfen die Angaben gemäß der Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V enthält. Nach derzeitigem Stand sind dies folgende Angaben:
16 
a) Kennzeichen nach § 4 der Vereinbarung nach § 300 SGB V (Pharmazentralnummer), auch bei Hilfsmitteln
b) Mengen-Faktor
c) Bruttopreis je verordnetem Mittel
...
g) Abgabedatum
...
i) Bezeichnung der Krankenkasse
...
k) Name, Vorname, Geburtsdatum und Anschrift des Versicherten
l) Versicherten-Nummer
...
o) Ausstellungsdatum
...
u) Unterschrift des verantwortlichen Arztes
v) Stempel oder entsprechender Aufdruck der verordnenden Stelle.“
17 
Die Klägerin belieferte über ihre Krankenhausapotheke im Zeitraum vom 12.11.2013 bis 27.03.2014, jeweils im Rahmen von ambulant durchgeführten Chemotherapien, verschiedene bei der Beklagten krankenversicherte Patienten mit verordneten Arzneimitteln (Zytostatika). Die Beklagte zahlte zunächst die ihr hierfür in Rechnung gestellten Beträge (abzüglich Zuzahlung und gesetzlicher Rabatte) in voller Höhe an die Klägerin.
18 
Mit Schreiben vom 28.04.2014, betreffend den Abrechnungsmonat Dezember 2013 (Blatt 35 SG-Akte), und mit Schreiben vom 13.08.2014, betreffend den Abrechnungsmonat April 2014 (Blatt 21 SG-Akte), beanstandete die Beklagte die eingereichten Verordnungen für die Monate Dezember 2013 und April 2014. Es seien Fehler festgestellt worden. Auf den Verordnungen fehle jeweils die erforderliche ärztliche Unterschrift, die nach § 4 der Vereinbarung über die Abgabe verordneter Arzneimittel zwingend erforderlich sei.
19 
Mit Schreiben vom 30.04.2014 und 20.08.2014 (Blatt 32, 38 SG-Akte) erbat die Klägerin eine kulante Regelung des Versehens, welches eingeräumt werde. Der mit der Chefarztvertretung mehr als ausgelastete Oberarzt habe im Eifer des Gefechts im Dezember 2013 auf einem Rezept seine Unterschrift vergessen. Man sei sich dieses Versäumnisses zwar bewusst, könne aber nicht auf die Vergütung der erbrachten Leistung verzichten. Auch im April 2014 sei es versäumt worden, die Rezepte vollständig zu unterschreiben. Der Fehler werde zwar zugegeben, eine Retaxation würde aber für das Klinikum einen Verlust iHv rund 11.000,-- EUR bedeuten, obwohl die Leistung an sich korrekt erbracht worden sei.
20 
Mit Schreiben vom 28.05.2014 wies die Beklagte auf § 2 Abs 1 Nr 10 der Arzneimittelverschreibungsverordnung hin. Diese Formvorschrift stelle sicher, dass die Verordnung echt, vollständig, zutreffend und von der befugten Person ausgestellt worden sei. Im Verkehr mit Arzneimitteln diene sie zusätzlich der Sicherheit der behandlungsbedürftigen Personen. Diese Abgabebestimmung sei zwingend einzuhalten. Ihre Verletzung führe zum Verlust des Vergütungsanspruchs. Nachträglich eingereichte Verordnungen könnten nicht anerkannt werden.
21 
Am 07.10.2014 verrechnete die Beklagte die ihr aus ihrer Sicht zustehenden Erstattungsforderungen gegen die Klägerin gegen laufende, ihr gegenüber bestehenden Vergütungsansprüche der Klägerin iHv 605,77 EUR (betreffend Dezember 2013) und am 29.04.2015 iHv 10.853,35 EUR (betreffend April 2014).
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Die Klägerin hat am 29.04.2016 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Die von der Beklagten vorgenommenen Retaxierungen seien rechtswidrig. Das Unterschriftserfordernis nach § 2 Abs 1 Nr 10 AMVV richte sich vorrangig an die freiberuflichen in eigener Apotheke tätigen Apotheker. Für Krankenhausapotheken würden Sondervorschriften gelten. Gemäß § 31 Abs 1 der Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) dürften Arzneimittel und andere apothekenpflichtige Medizinprodukte für Stationen oder andere Teileinheiten eines Krankenhauses nicht nur aufgrund einer Verschreibung im Einzelfall, sondern auch aufgrund einer „schriftlichen Anforderung“ abgegeben werden. Entsprechende Anforderungen hätten vorgelegen (Blatt 41 ff SG-Akte). Es entspreche der absolut üblichen Vorgehensweise in Krankenhäusern, dass die im Rahmen einer ambulanten Chemotherapie erfolgte Arzneimittelabgabe an die Versicherten auf der Basis der vorgelegten ärztlichen Anforderung erfolge. Das Formular Muster 16 diene im Rahmen der Zytostatika-Verordnung lediglich als Formblatt für die elektronische Abrechnung über ein Rechenzentrum und sei nicht Grundlage für die Herstellung der Zubereitungen und schon gar nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Abgabe der Arzneimittel. Die formalistische Argumentation der Beklagten sei unzutreffend. Neben den verrechneten Forderungen müsse die Beklagte auch die entstandenen vorgerichtlichen außergerichtlichen Kosten der Klägerin iHv 958,19 EUR begleichen.
23 
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Wegen Verletzung der Abgabebestimmungen sei ein Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte nicht entstanden, weshalb die ursprünglich vorgenommene Begleichung der Rechnungen ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Die Klägerin habe gegen die Regelung in § 4 Abs 1 und 2 der Vereinbarung verstoßen, wonach eine vertragsärztliche Verordnung nur dann ordnungsgemäß ausgestellt sei, wenn sie ua die Unterschrift des Vertragsarztes enthalte. Außerdem habe die Klägerin die Regelung in § 2 AMVV verletzt, wonach auf der Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel die eigenhändige Unterschrift der verschreibenden Person enthalten sein müsse. Schließlich habe die Klägerin gegen das Abgabeverbot des § 17 Abs 5 Satz 2 ApoBetrO verstoßen. Es sei für die Klägerin erkennbar gewesen, dass die Verordnungen nicht die erforderliche Unterschrift aufwiesen.
24 
Mit Urteil vom 07.09.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klagforderung sei unbegründet, da der Beklagten ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zustehe. Sie habe die ihr für die Abgabe von Zytostatika an ihre Versicherten in Rechnung gestellten Beträge ohne Rechtsgrund gezahlt, da der Klägerin insoweit kein Vergütungsanspruch zugestanden habe. Es habe an vertraglich vereinbarten notwendigen Voraussetzungen für die Abgabe von Zytostatika gefehlt. Die Verschreibungen hätten die Unterschrift des jeweils verordnenden Arztes auf der Verordnung enthalten müssen. Dies sei nicht der Fall. Die Klägerin habe das Fehlen der Arztunterschrift auf den Verordnungen eingeräumt. Die Verordnung sei nicht lediglich formale Grundlage für die Abrechenbarkeit der verordneten Arzneimittel, sondern die Grundlage dafür, dass überhaupt Arzneimittel an Versicherte der Beklagten abgegeben werden dürften. Eine Heilungsmöglichkeit, insbesondere nicht durch die Unterschrift des Krankenhausapothekers, bestehe nicht. Der Hinweis der Klägerin auf § 31 Abs 1 ApoBetrO gehe fehl, da diese Regelung nur für die Abgabe von Arzneimitteln im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlung gelte, jedoch nicht im Rahmen der hier vorliegenden ambulanten Behandlungen in den Kliniken der Klägerin. Die Beklagte habe auch zu Recht die verordneten Infusionssets „Powerloc“ retaxiert. Als Applikationshilfen unterfielen sie ebenfalls der hier maßgebenden Vereinbarung.
25 
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 13.09.2016 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 12.10.2016 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen vollumfänglich aufrechterhalten. Es solle zwar nicht bestritten werden, dass nach Auffassung des Bundessozialgerichts Vergütungsregelungen, die für eine routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungs- und Leistungsfällen vorgesehen seien, allgemein streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregelungen auszulegen seien. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass Vergütungsregelungen entgegen der routinemäßigen, einzig möglichen Abwicklung im Rahmen der Zubereitung von Zytostatika angewandt würden und damit ein in der Sache auch unter Abrechnungs-/Routinegesichtspunkten nicht gerechtfertigter und im Hinblick auf die dadurch begründete Notwendigkeit des Einsatzes von „Blankoverordnungen“ sogar gefährlicher Formalismus begründet werde. Daher könne der Rechtsauffassung des SG, wonach der angeführte Anforderungsschein eine ärztliche Verordnung allenfalls ergänzen, aber nicht ersetzen könne, nicht gefolgt werden. Das Formular Muster 16 sei gerade nicht Grundlage für die in § 4 Abs 1 der Vereinbarung angesprochene Arzneimittelabgabe, sondern diene lediglich als Formblatt für die elektronische Abrechnung über ein Rechenzentrum. Die Abgabe der Arzneimittel erfolge auf der Basis ärztlicher Anforderungen, die sämtlich eine eindeutige Arztunterschrift aufwiesen. Der Ablauf der Zytostatika-Herstellung bis hin zur Abrechnung sei wie folgt: Zunächst fülle der Arzt zusammen mit dem Fachpersonal das Anforderungsformular aus, unterschreibe es und faxe es zur Apotheke. Sodann würden die Anforderungen vom Apotheker und dem Fachpersonal in das EDV-System eingegeben. Wo keine festen Dosierungen vorgegeben seien, errechne das System die Dosierungen, die dann vom Apotheker eingegeben würden. Gleichzeitig erfolge eine Plausibilitätsprüfung der gesamten Anforderung. In Einzelfällen und bei bestimmten Substanzen erfolge die Dosisfestsetzung im Dialog mit dem Arzt. Bei einzelnen Substanzen (kurze Haltbarkeit und teuer) ändere die Apotheke nach Rücksprache mit dem Arzt die Verordnung ab, um teuren Verwurf zu vermeiden. Das System erstelle dann eine Herstellungsanweisung und ein Etikett für die fertige Infusion, und die Zubereitung werde dann unter aseptischen Bedingungen in Zytostatika-Labor der Klägerin hergestellt. Erst nach Abgabe an die Tagesklinik erfolge die dann auch erst mögliche Dokumentation im EDV-System. Hier würden dann die tatsächlich verwendeten Ausgangsstoffe mit Menge und Chargenbezeichnung dem jeweiligen Patienten zugeordnet. Erst im letzten Schritt erfolge die Taxation. Erst im Zuge dieses Vorganges könne das eigentliche Rezept erstellt werden, wenn man nicht aus reinem Formalismus mit begleitenden Blankoformularen arbeiten würde. Das Rezept stehe also am Ende der Kette, es werde nachträglich vom Arzt unterschrieben und diene im Fall der zubereiteten Zytostatika ausschließlich der Abrechnung.
26 
Die Klägerin beantragt,
27 
1.) das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 07.09.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 11.459,12 EUR mit Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.10.2015 zu zahlen,
28 
2.) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 958,19 EUR zu zahlen.
29 
Die Beklagte beantragt,
30 
die Berufung zurückzuweisen.
31 
Sie nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen und die Ausführungen des SG Bezug.
32 
Der Berichterstatter hat am 27.04.2017 in einem Erörterungstermin den Sachverhalt mit den Beteiligten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eingehend erörtert und Beweis erhoben durch die Vernehmung des Apothekers Dr. F. als Zeuge. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen (Blatt 52 ff Senatsakte).
33 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
34 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
35 
Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin nicht zu; hinsichtlich der Hauptforderung (Klagantrag Ziff 1) hat die Beklagte zu Recht in voller Höhe gegen andere (unstreitige) Forderungen der Klägerin aufgerechnet; damit ist auch die Nebenforderung (Klagantrag Ziff 2) nicht gegeben.
36 
Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).
37 
Der Klägerin steht kein Vergütungsanspruch für die Abgabe von Zytostatika in Höhe von 11.459,12 EUR zu. Zwar hatte die Beklagte ursprünglich den gesamten von der Klägerin geltend gemachten Betrag gezahlt, jedoch nachträglich den Vergütungsanspruch mit zwischen den Beteiligten nicht streitigen Vergütungsansprüchen der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen gegen die Beklagte verrechnet. Da die Beklagte sich ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Hauptforderung selbst außer Streit (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, aaO; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2).
38 
Es bestand eine zur Aufrechnung erforderliche Gegenforderung der Beklagten, mit der sie gegen die Hauptforderung der Klägerin wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufrechnen kann (zur Aufrechnung analog § 387 BGB siehe BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, aaO). Der Beklagten steht als Grundlage für ihre Gegenforderung der von ihr geltend gemachte öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch iHv 11.459,12 EUR zu (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten vgl BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R), denn die ursprüngliche Zahlung der Beklagten erfolgte ohne Rechtsgrund, da die Klägerin keinen entsprechenden Vergütungsanspruch gegen die Beklagte für die Abgabe von Zytostatika über ihre Krankenhausapotheke hatte.
39 
Ein Vergütungsanspruch der Klägerin besteht nicht, weil die Abgabe der Arzneimittel (Zytostatika) an Versicherte der Beklagten über ihre Krankenhausapotheke aufgrund von Verordnungen erfolgte, auf denen die Unterschrift des verschreibenden Arztes fehlt.
40 
Rechtsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 129a iVm der „Vereinbarung über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke an Versicherte nach § 129a SGB V“ vom 22.10.2012. Die Vereinbarung enthält entsprechend den Vorgaben in § 129a Satz 1 SGB V nähere Regelungen über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke an gesetzlich Krankenversicherte, insbesondere die Höhe des für den Versicherten maßgeblichen Abgabepreises. Die Abgabepreise der Krankenhausapotheken werden nicht durch die Arzneimittelpreisverordnung (AMpreisV) geregelt (§ 1 Abs 3 Nr 1 AMPreisV), sondern beruhen auf einer vertraglichen Vereinbarung nach § 129a Abs 1 Satz 1 (Arzneimittelliefervertrag). Das Vorliegen einer wirksamen Abgabe- und Preisvereinbarung ist Voraussetzung für den Anspruch des Krankenhauses auf gesonderte Vergütung von Arzneimitteln, die durch die Krankenhausapotheke abgegeben werden; dies folgt aus § 129a Satz 3 SGB V. Der auf der Grundlage von § 129a geschlossene Arzneimittelliefervertrag ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag iSd § 53 Abs 1 Satz 1 SGB X (LSG Baden-Württemberg 26.7.2016, L 11 KR 3861/14, BeckRS 2016, 72188 Rn 20). Nach § 1 der zwischen Klägerin und ua der Beklagten geschlossenen Vereinbarung darf die Krankenhausapotheke des Krankenhauses Arzneimittel zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses und an ermächtigte Krankenhausärzte abgeben. Nach § 3 Abs 3 der Vereinbarung umfasst die Abgabe durch die Krankenhausapotheke sowohl Fertigarzneimittel als auch Zubereitungen, zu denen die hier abgegebenen Zytostatika gehören.
41 
Für die Arzneimittelversorgung gelten im Krankenhaus grundsätzlich keine von der vertragsärztlichen Versorgung abweichenden Maßstäbe (BSG 13.12.2016, B 1 KR 1/16 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 28; Hauck, MedR 2010, 226, 229). Deshalb bedarf es auch bei der Abgabe des Arzneimittels durch das Krankenhaus im Rahmen einer ambulanten Behandlung einer ärztlichen Verordnung. Sie dokumentiert, dass das Medikament als Sachleistung der GKV (§ 2 Abs 2 SGB V) auf Kosten der Krankenkasse an den Versicherten abgegeben wird (BSG 17.12.2009, B 3 KR 13/08 R, BSGE 105, 157). Soweit die Arzneimittelabgabe durch ermächtigte Ärzte der Klägerin (§ 116 SGBV) erfolgte, nehmen diese im Umfang ihrer Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teil (§ 95 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGBV). Ferner gilt die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV). Danach muss die Verschreibung von der verschreibenden Person eigenhändig unterschrieben werden oder, bei Verschreibungen in elektronischer Form, eine qualifizierte elektronische Signatur enthalten (§ 2 Abs 1 Nr 10 AMVV). Schreibt außerdem - wie hier - ein Arzneimittelliefervertrag vor, dass der Arzt die Verordnung mit Unterschrift und Datum zu bestätigen hat, entsteht kein Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse, wenn das Arzneimittel ohne diese Bestätigung an den Versicherten abgegeben wird (vgl BSG 17.12.2009, B 3 KR 13/08 R, BSGE 105, 157, SozR 4-2500 § 129 Nr 5; LSG Niedersachsen-Bremen 20.03.2013, L 4 KR 77/12; Hessisches LSG 15.05.2014, L 1 KR 372/11).
42 
Nach § 4 Abs 1 der Vereinbarung erfolgt die Arzneimittelabgabe - abgesehen von Betäubungsmitteln bzw bei den Wirkstoffen Thalidomid oder Lenalidomid - ausschließlich aufgrund eines ordnungsgemäß ausgestellten vertragsärztlichen Verordnungsblattes (Muster 16 der zwischen KBV und Spitzenverband Bund der Krankenkassen abgeschlossenen Vordruckvereinbarung). Ordnungsgemäß ausgestellt ist nach § 4 Abs 2 Satz 2 Buchstabe u) der Vereinbarung eine vertragsärztliche Verordnung, wenn sie ua die Unterschrift des verantwortlichen Arztes enthält. Weder bei Herstellung noch bei Abgabe der Zytostatika an Versicherte der Beklagten hat vorliegend eine Unterschrift des verordnenden Arztes auf der Verordnung vorgelegen. Dies belegen die in der Beklagtenakte befindlichen Imageausdrucke der Verordnungen auf Muster 16 der Vordruckvereinbarung. Die Klägerin hat das Fehlen der Arztunterschrift auf den Verordnungen eingeräumt. Angesichts der eindeutigen vertraglichen Regelung kann das Fehlen der Arztunterschrift auch nicht durch die dort enthaltene Unterschrift des Krankenhausapothekers Dr. F. geheilt werden.
43 
Der Wortlaut des § 4 Abs 1 und 2 der Vereinbarung ist eindeutig. Vergütungsregelungen, die für eine routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungs-oder Leistungsfällen vorgesehen sind, werden idR streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregelungen ausgelegt (BSG 03.08.2006, B 3 KR 7/05 R, SozR 4-2500 § 129 Nr 1). Ausnahmen sind vorliegend weder ersichtlich noch geboten. Es handelt sich insbesondere entgegen der Auffassung der Klägerin hierbei nicht um einen „Formalismus“, sondern um die arzneimittelrechtlich gebotene Übernahme von Verantwortung (BSG 17.12.2009, B 3 KR 13/08 R, BSGE 105, 157, SozR 4-2500 § 129 Nr 5). Entsprechend spricht § 4 Abs 2 Buchst u) von der Unterschrift des „verantwortlichen“ Arztes. Wie aus dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 1 und 2 der Vereinbarung zu ersehen ist, muss die Verordnung auf Muster 16 der Vordruckvereinbarung erfolgen. Entgegen der Ansicht der Klägerin reicht es nicht aus, dass die Anforderungsscheine die Unterschrift eines Arztes tragen. Denn erst im Nachgang erfolgt, so der Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung, die auf den einzelnen Versicherten bezogene konkrete Berechnung der Dosierung mit anschließender Plausibilitätsprüfung und Erstellung einer Herstellungsanweisung für die Infusion und die Zubereitung. Für diese Konkretisierung ist die abschließende Übernahme ärztlicher Verantwortung mittels Unterschrift erforderlich.
44 
Die Bezugnahme der Klägerin auf § 31 Abs 1 ApoBetrO, wonach Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte an Stationen oder andere Teileinheiten des Krankenhauses auch aufgrund einer schriftlichen Anforderung abgegeben werden dürfen, geht ins Leere, da diese Vorschrift nur für die Abgabe von Arzneimitteln im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlungen gilt (Wesser in jurisPR-MedizinR 1/2012, Anm 4), nicht aber im Rahmen der vorliegenden ambulanten Behandlung in den Krankenhäusern der Klägerin.
45 
Zu Recht hat die Beklagte auch die verordneten Infusionssets „powerloc“ retaxiert. Als Applikationshilfe unterfallen sie nach § 3 Abs 1 ebenfalls der hier maßgebenden Vereinbarung.
46 
Gegen den vollständigen Ausschluss des Vergütungsanspruchs (sogenannte „Retaxation auf Null“) bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG 25.11.2015, B 3 KR 16/15 R, BSGE 120, 122, SozR 4-2500 § 129 Nr 11 mwN).
47 
Mangels Hauptanspruch erübrigen sich Ausführungen zum geltend gemachten Zinsanspruch und zu dem mit dem Klagantrag Ziff. 2 geltend gemachten Verzugsschaden.
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs 1 VwGO.
49 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 47 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 3, 53 Abs 2 Nr 4 des Gerichtskostengesetzes. Die vom Klageantrag umfassten vorgerichtlichen Kosten (Klageantrag Nr 2) werden als Hauptforderung und nicht als bloße Nebenforderung geltend gemacht und sind daher bei der Bemessung des Streitwerts ebenfalls zu berücksichtigen (vgl § 43 Abs 1 GKG).
50 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
34 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
35 
Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin nicht zu; hinsichtlich der Hauptforderung (Klagantrag Ziff 1) hat die Beklagte zu Recht in voller Höhe gegen andere (unstreitige) Forderungen der Klägerin aufgerechnet; damit ist auch die Nebenforderung (Klagantrag Ziff 2) nicht gegeben.
36 
Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).
37 
Der Klägerin steht kein Vergütungsanspruch für die Abgabe von Zytostatika in Höhe von 11.459,12 EUR zu. Zwar hatte die Beklagte ursprünglich den gesamten von der Klägerin geltend gemachten Betrag gezahlt, jedoch nachträglich den Vergütungsanspruch mit zwischen den Beteiligten nicht streitigen Vergütungsansprüchen der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen gegen die Beklagte verrechnet. Da die Beklagte sich ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Hauptforderung selbst außer Streit (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, aaO; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2).
38 
Es bestand eine zur Aufrechnung erforderliche Gegenforderung der Beklagten, mit der sie gegen die Hauptforderung der Klägerin wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufrechnen kann (zur Aufrechnung analog § 387 BGB siehe BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, aaO). Der Beklagten steht als Grundlage für ihre Gegenforderung der von ihr geltend gemachte öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch iHv 11.459,12 EUR zu (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten vgl BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R), denn die ursprüngliche Zahlung der Beklagten erfolgte ohne Rechtsgrund, da die Klägerin keinen entsprechenden Vergütungsanspruch gegen die Beklagte für die Abgabe von Zytostatika über ihre Krankenhausapotheke hatte.
39 
Ein Vergütungsanspruch der Klägerin besteht nicht, weil die Abgabe der Arzneimittel (Zytostatika) an Versicherte der Beklagten über ihre Krankenhausapotheke aufgrund von Verordnungen erfolgte, auf denen die Unterschrift des verschreibenden Arztes fehlt.
40 
Rechtsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 129a iVm der „Vereinbarung über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke an Versicherte nach § 129a SGB V“ vom 22.10.2012. Die Vereinbarung enthält entsprechend den Vorgaben in § 129a Satz 1 SGB V nähere Regelungen über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke an gesetzlich Krankenversicherte, insbesondere die Höhe des für den Versicherten maßgeblichen Abgabepreises. Die Abgabepreise der Krankenhausapotheken werden nicht durch die Arzneimittelpreisverordnung (AMpreisV) geregelt (§ 1 Abs 3 Nr 1 AMPreisV), sondern beruhen auf einer vertraglichen Vereinbarung nach § 129a Abs 1 Satz 1 (Arzneimittelliefervertrag). Das Vorliegen einer wirksamen Abgabe- und Preisvereinbarung ist Voraussetzung für den Anspruch des Krankenhauses auf gesonderte Vergütung von Arzneimitteln, die durch die Krankenhausapotheke abgegeben werden; dies folgt aus § 129a Satz 3 SGB V. Der auf der Grundlage von § 129a geschlossene Arzneimittelliefervertrag ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag iSd § 53 Abs 1 Satz 1 SGB X (LSG Baden-Württemberg 26.7.2016, L 11 KR 3861/14, BeckRS 2016, 72188 Rn 20). Nach § 1 der zwischen Klägerin und ua der Beklagten geschlossenen Vereinbarung darf die Krankenhausapotheke des Krankenhauses Arzneimittel zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses und an ermächtigte Krankenhausärzte abgeben. Nach § 3 Abs 3 der Vereinbarung umfasst die Abgabe durch die Krankenhausapotheke sowohl Fertigarzneimittel als auch Zubereitungen, zu denen die hier abgegebenen Zytostatika gehören.
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Für die Arzneimittelversorgung gelten im Krankenhaus grundsätzlich keine von der vertragsärztlichen Versorgung abweichenden Maßstäbe (BSG 13.12.2016, B 1 KR 1/16 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 28; Hauck, MedR 2010, 226, 229). Deshalb bedarf es auch bei der Abgabe des Arzneimittels durch das Krankenhaus im Rahmen einer ambulanten Behandlung einer ärztlichen Verordnung. Sie dokumentiert, dass das Medikament als Sachleistung der GKV (§ 2 Abs 2 SGB V) auf Kosten der Krankenkasse an den Versicherten abgegeben wird (BSG 17.12.2009, B 3 KR 13/08 R, BSGE 105, 157). Soweit die Arzneimittelabgabe durch ermächtigte Ärzte der Klägerin (§ 116 SGBV) erfolgte, nehmen diese im Umfang ihrer Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teil (§ 95 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGBV). Ferner gilt die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV). Danach muss die Verschreibung von der verschreibenden Person eigenhändig unterschrieben werden oder, bei Verschreibungen in elektronischer Form, eine qualifizierte elektronische Signatur enthalten (§ 2 Abs 1 Nr 10 AMVV). Schreibt außerdem - wie hier - ein Arzneimittelliefervertrag vor, dass der Arzt die Verordnung mit Unterschrift und Datum zu bestätigen hat, entsteht kein Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse, wenn das Arzneimittel ohne diese Bestätigung an den Versicherten abgegeben wird (vgl BSG 17.12.2009, B 3 KR 13/08 R, BSGE 105, 157, SozR 4-2500 § 129 Nr 5; LSG Niedersachsen-Bremen 20.03.2013, L 4 KR 77/12; Hessisches LSG 15.05.2014, L 1 KR 372/11).
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Nach § 4 Abs 1 der Vereinbarung erfolgt die Arzneimittelabgabe - abgesehen von Betäubungsmitteln bzw bei den Wirkstoffen Thalidomid oder Lenalidomid - ausschließlich aufgrund eines ordnungsgemäß ausgestellten vertragsärztlichen Verordnungsblattes (Muster 16 der zwischen KBV und Spitzenverband Bund der Krankenkassen abgeschlossenen Vordruckvereinbarung). Ordnungsgemäß ausgestellt ist nach § 4 Abs 2 Satz 2 Buchstabe u) der Vereinbarung eine vertragsärztliche Verordnung, wenn sie ua die Unterschrift des verantwortlichen Arztes enthält. Weder bei Herstellung noch bei Abgabe der Zytostatika an Versicherte der Beklagten hat vorliegend eine Unterschrift des verordnenden Arztes auf der Verordnung vorgelegen. Dies belegen die in der Beklagtenakte befindlichen Imageausdrucke der Verordnungen auf Muster 16 der Vordruckvereinbarung. Die Klägerin hat das Fehlen der Arztunterschrift auf den Verordnungen eingeräumt. Angesichts der eindeutigen vertraglichen Regelung kann das Fehlen der Arztunterschrift auch nicht durch die dort enthaltene Unterschrift des Krankenhausapothekers Dr. F. geheilt werden.
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Der Wortlaut des § 4 Abs 1 und 2 der Vereinbarung ist eindeutig. Vergütungsregelungen, die für eine routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungs-oder Leistungsfällen vorgesehen sind, werden idR streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregelungen ausgelegt (BSG 03.08.2006, B 3 KR 7/05 R, SozR 4-2500 § 129 Nr 1). Ausnahmen sind vorliegend weder ersichtlich noch geboten. Es handelt sich insbesondere entgegen der Auffassung der Klägerin hierbei nicht um einen „Formalismus“, sondern um die arzneimittelrechtlich gebotene Übernahme von Verantwortung (BSG 17.12.2009, B 3 KR 13/08 R, BSGE 105, 157, SozR 4-2500 § 129 Nr 5). Entsprechend spricht § 4 Abs 2 Buchst u) von der Unterschrift des „verantwortlichen“ Arztes. Wie aus dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 1 und 2 der Vereinbarung zu ersehen ist, muss die Verordnung auf Muster 16 der Vordruckvereinbarung erfolgen. Entgegen der Ansicht der Klägerin reicht es nicht aus, dass die Anforderungsscheine die Unterschrift eines Arztes tragen. Denn erst im Nachgang erfolgt, so der Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung, die auf den einzelnen Versicherten bezogene konkrete Berechnung der Dosierung mit anschließender Plausibilitätsprüfung und Erstellung einer Herstellungsanweisung für die Infusion und die Zubereitung. Für diese Konkretisierung ist die abschließende Übernahme ärztlicher Verantwortung mittels Unterschrift erforderlich.
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Die Bezugnahme der Klägerin auf § 31 Abs 1 ApoBetrO, wonach Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte an Stationen oder andere Teileinheiten des Krankenhauses auch aufgrund einer schriftlichen Anforderung abgegeben werden dürfen, geht ins Leere, da diese Vorschrift nur für die Abgabe von Arzneimitteln im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlungen gilt (Wesser in jurisPR-MedizinR 1/2012, Anm 4), nicht aber im Rahmen der vorliegenden ambulanten Behandlung in den Krankenhäusern der Klägerin.
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Zu Recht hat die Beklagte auch die verordneten Infusionssets „powerloc“ retaxiert. Als Applikationshilfe unterfallen sie nach § 3 Abs 1 ebenfalls der hier maßgebenden Vereinbarung.
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Gegen den vollständigen Ausschluss des Vergütungsanspruchs (sogenannte „Retaxation auf Null“) bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG 25.11.2015, B 3 KR 16/15 R, BSGE 120, 122, SozR 4-2500 § 129 Nr 11 mwN).
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Mangels Hauptanspruch erübrigen sich Ausführungen zum geltend gemachten Zinsanspruch und zu dem mit dem Klagantrag Ziff. 2 geltend gemachten Verzugsschaden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 47 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 3, 53 Abs 2 Nr 4 des Gerichtskostengesetzes. Die vom Klageantrag umfassten vorgerichtlichen Kosten (Klageantrag Nr 2) werden als Hauptforderung und nicht als bloße Nebenforderung geltend gemacht und sind daher bei der Bemessung des Streitwerts ebenfalls zu berücksichtigen (vgl § 43 Abs 1 GKG).
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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

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