Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 10 R 1361/18

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13.03.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Satzes in einem Schreiben vom 29.06.2017 und des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2017.
Die Klägerin führte zwei Verfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg gegen die Feststellung ihrer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als selbständige Dozentin und die Erhebung von Beiträgen und Säumniszuschlägen. Am 09.10.2015 schlossen die Beteiligten vor dem Landessozialgericht folgenden Vergleich:
„1.) die Klägerin übergibt der Beklagten die Lohnsteuerbescheide 2011 bis 2013 und legt noch Nachweise über ihre Versicherungspflicht bei der Alterskasse für Landwirte vor.
2.) Die Beklagte verpflichtet sich über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe einen neuen Bescheid zu erlassen.
3.) Des Weiteren werden die Verfahren L 13 R 4996/14 und L 13 R 4997/14 für erledigt erklärt.“
In beiden Verfahren wurde nachfolgend durch Beschluss entschieden, dass außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen nicht er erstatten seien.
In einem Schreiben vom 29.03.2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie im Hinblick auf deren Vorbringen in weiteren Rechtsstreiten (Verjährung der Beiträge, Neubescheidung für den gesamten Zeitraum seit Aufnahme der Dozententätigkeit) das weitere Vorgehen prüfe (Bl. 989 Verwaltungsakte - VA).
Mit Schreiben vom 29.06.2017 (Bl. 1035 VA) teilte die Beklagte der Klägerin u.a. Folgendes mit:
„Aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung Bund bedeutet dies [der Vergleich], dass sämtliche seit dem 24.04.2009 erteilten Bescheide durch den Vergleich vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg als aufgehoben gelten.
10 
Es muss daher aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung Bund in Ausführung des Vergleiches vom 09.10.2015
11 
[1. – 3....]
4. Alle Streitverfahren um Beitragsforderungen für die Zeit ab dem 01.01.2005 wären dann damit abgeschlossen. Die Kosten für die Verfahren, die vor dem Vergleich offen und durch diesen beendet sind, werden nicht übernommen.
[5....]“
12 
Betreffend die weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 1035 VA verwiesen.
13 
Dagegen erhob die Klägerin ohne nähere Begründung Widerspruch (Bl. 1039 VA), den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2017 (Bl. 1048 VA) als unzulässig zurückwies, da das Schreiben vom 29.06.2017 kein Verwaltungsakt sei, weil es keine Regelung enthalte. Es sei lediglich ein Aufklärungsschreiben.
14 
Dagegen hat die Klägerin am 06.10.2017 Klage zum SG Freiburg erhoben, mit der sie sich gegen Nr. 4 Satz 2 des Schreibens vom 29.06.2017 gewandt hat. Sie hat die Auffassung vertreten, es sei darin geregelt, dass Kosten für die bis zum Vergleich noch offenen Verfahren nicht übernommen würden. Es handele sich um einen feststellenden Bescheid. Ihr stehe Kostenerstattung zu. Die übrigen Regelungen in diesem Schreiben seien für das Verfahren nicht relevant.
15 
Mit Gerichtsbescheid vom 13.03.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei nicht zulässig, weil sie sich nicht gegen einen anfechtbaren Verwaltungsakt richte.
16 
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 15.03.2018 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am Montag, den 16.04.2018 eingelegte Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie vorträgt, die Beklagte habe durch das angefochtene Schreiben das Verwaltungsverfahren betreffend die Kosten wiedereröffnet.
17 
Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 17.04.2018),
18 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13.03.2018 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückzuverweisen,
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hilfsweise (sachdienlich gefasst),
20 
den Bescheid vom 29.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2017 aufzuheben und die Beklage zu verurteilen, Kosten zu erstatten.
21 
Die Beklagte beantragt,
22 
die Berufung zurückzuweisen.
23 
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
24 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Der Senat hat verhandelt und entschieden, obwohl weder die Klägerin noch deren Prozessbevollmächtigter und auch kein Vertreter der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Denn die Beteiligten sind mit Hinweis auf diese Möglichkeit geladen worden.
26 
Die gemäß § 151 Abs.1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.
27 
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unzulässig und die Berufung sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet und zurückzuweisen.
28 
Gegenstand des Rechtsstreits ist Nr. 4 zweiter Satz des Schreibens der Beklagten vom 29.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2017, deren Aufhebung die Klägerin begehrt. Das ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Vorbringens der Klägerin. Sie hat ausgeführt, dass Nr. 4 des Schreibens vom 29.06.2017 eine Regelung dergestalt enthalte, dass die Beklagte keine Kosten für die bis zum Vergleich offenen Verfahren gewähre. Die übrigen Regelungen aus dem Schreiben seien nicht relevant für den Rechtsstreit. Die Klägerin richtet damit ihre Klage und Berufung allein gegen die Äußerung der Beklagten in Nr. 4 Satz 2 des Schreibens („Kosten ... werden nicht übernommen“).
29 
Hierfür steht grundsätzlich die Anfechtungsklage zur Verfügung. Denn nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt werden. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach § 95 SGG der angefochtene Verwaltungsakt in Gestalt des Widerspruchsbescheids. Daraus ist zu folgern, dass erst der Widerspruchsbescheid einem etwaigen Verwaltungsakt die für die gerichtliche Kontrolle maßgebende Form gibt. Ein Verwaltungsakt, der die Anfechtungsklage eröffnet, liegt auch dann vor, wenn der ursprüngliche Akt zwar kein Verwaltungsakt war, der Widerspruchsbescheid aus einem schlichten Verwaltungshandeln einen Verwaltungsakt macht. Umgekehrt liegt ein Verwaltungsakt nicht vor, wenn die Behörde im Widerspruchsbescheid zu erkennen gibt, dass eine hoheitliche Regelung mit Bindungswirkung nicht getroffen werden sollte, indem sie den Widerspruch wegen fehlender Regelung im Ausgangsbescheid als unzulässig zurückweist (vgl. BSG, Urteil vom 18.09.1997, 11 RAr 85/96, in SozR 3-4100 § 34 Nr. 4). In diesem Fall - kein Ausgangsverwaltungsakt - ist die Anfechtungsklage als unzulässig abzuweisen (BSG, Urteil vom 29.01.1975, 5 RKnU 12/74, in SozR 2200 § 628 Nr. 1).
30 
Danach ist die Anfechtungsklage gegen das Schreiben vom 29.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2007 schon deshalb als unzulässig anzusehen, weil die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurückwies, dass dem Schreiben vom 29.06.2017 kein Regelungscharakter zukam, es mithin kein Verwaltungsakt sei und eine hoheitliche Regelung mit Bindungswirkung nicht getroffen werden sollte (vgl. BSG, Urteil vom 18.09.1997, a.a.O.).
31 
Die Klage ist aber schon deshalb - ohne Umgestaltungswirkung des Widerspruchsbescheides - unzulässig, weil die Beklagte den Widerspruch zutreffend als unzulässig zurückwies, denn das Schreiben vom 29.06.2107 hatte weder Verwaltungsaktcharakter noch erzeugte es den Rechtsschein eines Verwaltungsakts (vgl. BSG, Urteil vom 29.01.1975, a.a.O.).
32 
Ein Verwaltungsakt setzt nach des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme voraus, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Eine Regelung liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat. Dabei ist die Erklärung der Behörde unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 31 SGB X, Rdnr. 39).
33 
Bei der Auslegung von Verwaltungsakten, also Verfügungssätzen in diesem Sinne ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie Empfänger und ggf. Drittbetroffene bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen mussten und durften (BSG, Urteil vom 03.04.2014, B 2 U 25/12 R in SozR 4-2700 § 136 Nr. 6 m.w.N., Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R, jeweils auch zum Nachfolgenden). Maßgebend ist demnach der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (§ 133 BGB), wobei alle Zusammenhänge zu berücksichtigen sind, die die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezog. Das gilt auch für die Frage, ob die Äußerung einer Behörde einen Verwaltungsakt darstellt. Auch hier kommt es nicht auf das von der Behörde Gewollte, sondern auf das objektivierte Empfängerverständnis an (BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Ob die Erklärung einer Behörde als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, richtet sich danach, wie der Adressat diese Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles zu deuten hatte (BSG, Urteil vom 29.10.1992, 10 RKg 4/92 in SozR 3-1300 § 50 Nr. 13). Dabei ist auch die äußere Form zu berücksichtigen.
34 
Nach diesen Kriterien stellt sich das Schreiben vom 29.06.2017 in Nr. 4 Satz 2 nicht als Verwaltungsakt dar, denn es enthält keine Regelung. Das ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang dieses Schreibens. Der Wortlaut des Satzes 2 der Nr. 4 dieses Schreibens - isoliert betrachtet - spricht zwar zunächst für eine Regelung, denn die Beklagte stellte darin fest, dass Kosten für die bis zum Vergleich offenen Verfahren nicht übernommen werden, ohne, wie im ersten Satz dieser Nummer und teilweise auch den anderen Textpassagen den Konjunktiv zu verwenden. Im Einleitungssatz zu der Aufstellung (Nr. 1 bis 5) und im vorhergehenden Absatz wies die Beklagte jedoch ausdrücklich darauf hin, dass sie die Bedeutung des Vergleichs „aus [ihrer] Sicht“ darlege. Schon dies zeigt den Hinweis- und Informationscharakter der nachfolgenden Auflistung und steht der Annahme einer Regelung entgegen. In dem der Aufstellung folgenden Absatz stellte die Beklagte die Auswirkungen ihres Verständnisses vom Vergleich für die Klägerin in Bezug auf ggfs. fehlende rentenversicherungsrechtliche Zeiten dar und bat um weitere Äußerung der Klägerin zur Frage des Verzichts auf die Einrede der Verjährung und zum weiteren Vorgehen. Sie ging damit, für die Klägerin auf Grund der bereits vorher angestrengten Widerspruchs- und Klageverfahren und des Schreibens vom 29.03.2017 objektiv erkennbar, auf die in diesen Verfahren vorgebrachten Argumente (Verjährung, Neubescheidung für den gesamten Zeitraum seit Aufnahme der Dozententätigkeit) ein und schlug eine Lösung zur Umsetzung des Vergleichs vor. Das gesamte Schreiben stellte sich mithin als Hinweis der Beklagten an die Klägerin auf ihre Sicht und die Auswirkungen des bereits geschlossenen Vergleichs sowie Bitte um Stellungnahme dar, das den Charakter einer Information zum weiteren Prozedere hatte.
35 
Die von der Klägerin hilfsweise erhobene Leistungsklage auf Erstattung von Kosten ist ebenfalls unzulässig. Zwar können Ansprüche gegen Versicherungsträger mit der Leistungsklage verfolgt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass zunächst die Verwaltung mit der Sache befasst war und über das Begehren in den angefochtenen Bescheiden entschied (BSG, Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R; Urteil vom 31.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5; Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Andernfalls fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in Form eines derartigen Leistungsbegehrens (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt SGG, 12. Aufl., § 54 Rdnrn. 21, 39b). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat in dem Schreiben vom 29.06.2017 und dem Widerspruchsbescheid vom 06.09.2017 keine Regelung über eine Kostenerstattung in früheren Verfahren getroffen. Damit ist das Leistungsbegehren mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Die aus den o.g. Gründen in Bezug auf das Schreiben vom 29.06.2017 unzulässige Anfechtungsklage zieht gleichsam die Unzulässigkeit der Leistungsklage nach sich (BSG, Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R).
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
37 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).

Gründe

 
25 
Der Senat hat verhandelt und entschieden, obwohl weder die Klägerin noch deren Prozessbevollmächtigter und auch kein Vertreter der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Denn die Beteiligten sind mit Hinweis auf diese Möglichkeit geladen worden.
26 
Die gemäß § 151 Abs.1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.
27 
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unzulässig und die Berufung sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet und zurückzuweisen.
28 
Gegenstand des Rechtsstreits ist Nr. 4 zweiter Satz des Schreibens der Beklagten vom 29.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2017, deren Aufhebung die Klägerin begehrt. Das ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Vorbringens der Klägerin. Sie hat ausgeführt, dass Nr. 4 des Schreibens vom 29.06.2017 eine Regelung dergestalt enthalte, dass die Beklagte keine Kosten für die bis zum Vergleich offenen Verfahren gewähre. Die übrigen Regelungen aus dem Schreiben seien nicht relevant für den Rechtsstreit. Die Klägerin richtet damit ihre Klage und Berufung allein gegen die Äußerung der Beklagten in Nr. 4 Satz 2 des Schreibens („Kosten ... werden nicht übernommen“).
29 
Hierfür steht grundsätzlich die Anfechtungsklage zur Verfügung. Denn nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt werden. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach § 95 SGG der angefochtene Verwaltungsakt in Gestalt des Widerspruchsbescheids. Daraus ist zu folgern, dass erst der Widerspruchsbescheid einem etwaigen Verwaltungsakt die für die gerichtliche Kontrolle maßgebende Form gibt. Ein Verwaltungsakt, der die Anfechtungsklage eröffnet, liegt auch dann vor, wenn der ursprüngliche Akt zwar kein Verwaltungsakt war, der Widerspruchsbescheid aus einem schlichten Verwaltungshandeln einen Verwaltungsakt macht. Umgekehrt liegt ein Verwaltungsakt nicht vor, wenn die Behörde im Widerspruchsbescheid zu erkennen gibt, dass eine hoheitliche Regelung mit Bindungswirkung nicht getroffen werden sollte, indem sie den Widerspruch wegen fehlender Regelung im Ausgangsbescheid als unzulässig zurückweist (vgl. BSG, Urteil vom 18.09.1997, 11 RAr 85/96, in SozR 3-4100 § 34 Nr. 4). In diesem Fall - kein Ausgangsverwaltungsakt - ist die Anfechtungsklage als unzulässig abzuweisen (BSG, Urteil vom 29.01.1975, 5 RKnU 12/74, in SozR 2200 § 628 Nr. 1).
30 
Danach ist die Anfechtungsklage gegen das Schreiben vom 29.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2007 schon deshalb als unzulässig anzusehen, weil die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurückwies, dass dem Schreiben vom 29.06.2017 kein Regelungscharakter zukam, es mithin kein Verwaltungsakt sei und eine hoheitliche Regelung mit Bindungswirkung nicht getroffen werden sollte (vgl. BSG, Urteil vom 18.09.1997, a.a.O.).
31 
Die Klage ist aber schon deshalb - ohne Umgestaltungswirkung des Widerspruchsbescheides - unzulässig, weil die Beklagte den Widerspruch zutreffend als unzulässig zurückwies, denn das Schreiben vom 29.06.2107 hatte weder Verwaltungsaktcharakter noch erzeugte es den Rechtsschein eines Verwaltungsakts (vgl. BSG, Urteil vom 29.01.1975, a.a.O.).
32 
Ein Verwaltungsakt setzt nach des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme voraus, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Eine Regelung liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat. Dabei ist die Erklärung der Behörde unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 31 SGB X, Rdnr. 39).
33 
Bei der Auslegung von Verwaltungsakten, also Verfügungssätzen in diesem Sinne ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie Empfänger und ggf. Drittbetroffene bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen mussten und durften (BSG, Urteil vom 03.04.2014, B 2 U 25/12 R in SozR 4-2700 § 136 Nr. 6 m.w.N., Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R, jeweils auch zum Nachfolgenden). Maßgebend ist demnach der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (§ 133 BGB), wobei alle Zusammenhänge zu berücksichtigen sind, die die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezog. Das gilt auch für die Frage, ob die Äußerung einer Behörde einen Verwaltungsakt darstellt. Auch hier kommt es nicht auf das von der Behörde Gewollte, sondern auf das objektivierte Empfängerverständnis an (BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Ob die Erklärung einer Behörde als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, richtet sich danach, wie der Adressat diese Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles zu deuten hatte (BSG, Urteil vom 29.10.1992, 10 RKg 4/92 in SozR 3-1300 § 50 Nr. 13). Dabei ist auch die äußere Form zu berücksichtigen.
34 
Nach diesen Kriterien stellt sich das Schreiben vom 29.06.2017 in Nr. 4 Satz 2 nicht als Verwaltungsakt dar, denn es enthält keine Regelung. Das ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang dieses Schreibens. Der Wortlaut des Satzes 2 der Nr. 4 dieses Schreibens - isoliert betrachtet - spricht zwar zunächst für eine Regelung, denn die Beklagte stellte darin fest, dass Kosten für die bis zum Vergleich offenen Verfahren nicht übernommen werden, ohne, wie im ersten Satz dieser Nummer und teilweise auch den anderen Textpassagen den Konjunktiv zu verwenden. Im Einleitungssatz zu der Aufstellung (Nr. 1 bis 5) und im vorhergehenden Absatz wies die Beklagte jedoch ausdrücklich darauf hin, dass sie die Bedeutung des Vergleichs „aus [ihrer] Sicht“ darlege. Schon dies zeigt den Hinweis- und Informationscharakter der nachfolgenden Auflistung und steht der Annahme einer Regelung entgegen. In dem der Aufstellung folgenden Absatz stellte die Beklagte die Auswirkungen ihres Verständnisses vom Vergleich für die Klägerin in Bezug auf ggfs. fehlende rentenversicherungsrechtliche Zeiten dar und bat um weitere Äußerung der Klägerin zur Frage des Verzichts auf die Einrede der Verjährung und zum weiteren Vorgehen. Sie ging damit, für die Klägerin auf Grund der bereits vorher angestrengten Widerspruchs- und Klageverfahren und des Schreibens vom 29.03.2017 objektiv erkennbar, auf die in diesen Verfahren vorgebrachten Argumente (Verjährung, Neubescheidung für den gesamten Zeitraum seit Aufnahme der Dozententätigkeit) ein und schlug eine Lösung zur Umsetzung des Vergleichs vor. Das gesamte Schreiben stellte sich mithin als Hinweis der Beklagten an die Klägerin auf ihre Sicht und die Auswirkungen des bereits geschlossenen Vergleichs sowie Bitte um Stellungnahme dar, das den Charakter einer Information zum weiteren Prozedere hatte.
35 
Die von der Klägerin hilfsweise erhobene Leistungsklage auf Erstattung von Kosten ist ebenfalls unzulässig. Zwar können Ansprüche gegen Versicherungsträger mit der Leistungsklage verfolgt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass zunächst die Verwaltung mit der Sache befasst war und über das Begehren in den angefochtenen Bescheiden entschied (BSG, Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R; Urteil vom 31.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5; Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Andernfalls fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in Form eines derartigen Leistungsbegehrens (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt SGG, 12. Aufl., § 54 Rdnrn. 21, 39b). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat in dem Schreiben vom 29.06.2017 und dem Widerspruchsbescheid vom 06.09.2017 keine Regelung über eine Kostenerstattung in früheren Verfahren getroffen. Damit ist das Leistungsbegehren mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Die aus den o.g. Gründen in Bezug auf das Schreiben vom 29.06.2017 unzulässige Anfechtungsklage zieht gleichsam die Unzulässigkeit der Leistungsklage nach sich (BSG, Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).

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