Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 3 AS 677/21

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.01.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Leistungshöhe von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens streitig.
Der 1985 geborene Kläger ging im streitigen Zeitraum verschiedenen selbständigen Erwerbstätigkeiten nach. U.a. bot er Computerdienstleistungen an und war als Immobilienunternehmer tätig. Zudem bezog er laufend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Am 10.10.2016 beantragte er beim Beklagten die Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 01.12.2016. Seinem Antrag fügte er die Anlage zur vorläufigen „Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft“ (im Folgenden: EKS) bei. Hiernach schätzte er sein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in der Zeit vom 01.12.2016 bis zum 31.05.2017 vorläufig auf monatlich „0,00 Euro“.
Daraufhin bewilligte ihm der Beklagte mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 12.12.2016 für den Monat Dezember 2016 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 893,95 Euro. Für die Zeit vom 01.01.2017 bis zum 31.05.2017 bewilligte er ausgehend von einem um 5,00 Euro erhöhten Regelbedarf monatliche Leistungen in Höhe von 898,95 Euro. Einkommen aus selbständiger Tätigkeit berücksichtigte er nicht. Als Grund für die Vorläufigkeit der Bewilligung gab er „§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II“ an.
Am 24.04.2017 legte der Kläger die abschließende EKS bezüglich seiner selbständigen Tätigkeit als Computerdienstleister für die Zeit vom 01.12.2016 bis zum 31.05.2017 vor, derzufolge er aus dieser Tätigkeit in dem genannten Zeitraum keine Einnahmen erzielt hatte.
Auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 24.04.2017 bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 21.06.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18.08.2017 Grundsicherungsleistungen für Juni 2017 in Höhe von 898,95 Euro, für Juli 2017 in Höhe von 1.147,79 Euro und für die Zeit vom 01.08.2017 bis zum 30.11.2017 in Höhe von monatlich 918,95 Euro. Die Bewilligung erfolgte vorläufig ohne Berücksichtigung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit.
Am 27.06.2017 legte der Kläger die abschließende EKS bezüglich seines Immobilienunternehmens vor. Danach erzielte er hieraus in der Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 Betriebseinnahmen in Höhe von 700,00 Euro. Dem standen in dem genannten Zeitraum seinen Angaben zufolge Betriebsausgaben in Höhe von 385,07 Euro gegenüber. Den Gewinn bezifferte er mit 314,93 Euro (700,00 Euro – 385,07 Euro = 314,93 Euro).
Mit Bescheid vom 07.12.2017 setzte der Beklagte den Leistungsanspruch des Klägers für die Zeit vom 01.12.2016 bis zum 31.05.2017 endgültig fest. Die Leistungshöhe entsprach für die Monate Dezember 2016 und Januar 2017 der Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen, da der Beklagte in diesen Monaten kein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit auf den Leistungsanspruch anrechnete. Für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 setzte der Beklagte den Leistungsanspruch auf monatlich 838,94 Euro fest und berücksichtigte dabei ein monatliches Einkommen in Höhe von 175,01 Euro, nach Abzug des Freibetrags in Höhe von 60,01 Euro.
Mit weiterem Bescheid vom 07.12.2017 verlangte der Beklagte auf Grundlage des § 41a Abs. 6 SGB II die Erstattung der nach endgültiger Leistungsfestsetzung in der Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 überzahlten Leistungen in Höhe von 240,04 Euro (4 x 60,01 Euro = 240,04 Euro).
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Zur Begründung seines gegen den Bescheid vom 07.12.2017 unter Vorlage seines Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2016 erhobenen Widerspruchs führte der Kläger im Wesentlichen aus, aus dem Einkommenssteuerbescheid gehe hervor, dass seine Einnahmen im Jahr 2016 bei „0,00 Euro“ gelegen hätten. Für sein Immobilienunternehmen dürften ausschließlich die für das gesamte Jahr errechneten Beträge gerundet auf die Monate berücksichtigt werden. Diese überstiegen voraussichtlich nicht einen Betrag von 300,00 Euro.
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Mit Bescheid vom 19.01.2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger auf dessen Weiterbewilligungsantrag vom 18.10.2017 vorläufig Grundsicherungsleistungen für Dezember 2017 in Höhe von 918,95 Euro und für die Zeit vom 01.01.2018 bis zum 31.05.2018 in Höhe von monatlich 925,95 Euro.
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Im Hinblick auf den gegen den Bescheid vom 07.12.2017 erhobenen Widerspruch forderte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 22.03.2018 auf, zu jeder seiner fünf selbständigen Tätigkeiten für die Zeit vom 01.12.2016 bis zum 31.05.2017 eine EKS vorzulegen. Daraufhin teilte der Kläger mit Schreiben vom 04.04.2018 mit, er habe aus seinem Immobilienunternehmen im Jahr 2017 Einnahmen in Höhe von 900,00 EUR und Ausgaben in Höhe von 818,55 EUR gehabt. Der Gewinn von 81,45 EUR verbleibe im Unternehmen. Sein Computerdienstleistungsunternehmen habe keinen Umsatz und keine Ausgaben gehabt. Andere Unternehmen gäbe es derzeit nicht.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2018 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe keine der angeforderten Nachweise oder Stellungnahmen vorgelegt, insbesondere nicht für Dezember 2016. Die Erklärung des Klägers, es gebe derzeit keine anderen Unternehmen, sage nichts über den Zeitraum von Dezember 2016 bis Mai 2017 aus. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen sei eine Prüfung der Betriebseinnahmen und -ausgaben mangels Nachweisen über die Einnahmen und Ausgaben nicht möglich. Die materielle Beweislast für das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit falle demjenigen zu, der sich darauf berufe.
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Mit Bescheid vom 24.04.2018 setzte der Beklagte den Leistungsanspruch für die Zeit vom 01.06.2017 bis zum 30.11.2017 endgültig in Höhe der vorläufigen Bewilligung fest.
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Die gegen die Bescheide vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 vom Kläger am 09.05.2018 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene, unter dem Az. S 20 AS 2410/18 geführte Klage nahm der Kläger auf einen Hinweis des Vorsitzenden, demzufolge valide Nachweise der Einnahmen und Ausgaben fehlten, am 14.03.2019 zurück. Ausweislich des Protokolls über einen an diesem Tag durchgeführten Erörterungstermin wies ihn der Vorsitzende zudem auf die Möglichkeit eines Antrags nach § 44 SGB X hin.
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Mit Bescheid vom 27.07.2018 setzte der Beklagte den Leistungsanspruch des Klägers für die Zeit vom 01.12.2017 bis zum 31.05.2018 endgültig in Höhe der vorläufigen Bewilligung fest.
17 
Am 24.04.2019 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen „Überprüfungsantrag wegen fehlender Kontoauszüge – Zeitraum Dezember 2016 bis Dezember 2017“. Er legte dem Überprüfungsantrag verschiedene Kontoauszüge und verschiedene EKS-Anlagen bei.
18 
Mit Bescheid vom 09.05.2019 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Der Überprüfungsantrag sei ohne Sach- und Rechtsprüfung abzulehnen. Der Kläger habe nicht benannt, welche Bescheide überprüft werden sollten. Zudem liege der Antrag außerhalb der Jahresfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X.
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Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs führte der Kläger aus, es handele sich um den Bewilligungsbescheid vom 07.12.2017 für den Zeitraum Dezember 2016 bis Mai 2017, den Bewilligungsbescheid vom 24.04.2018 für den Zeitraum Juni 2017 bis November 2017 und den Bewilligungsbescheid vom 27.07.2018 für den Bewilligungszeitraum Dezember 2017 bis Mai 2018. Für die Monate Februar 2017 bis Mai 2017 seien 175,01 Euro und für die Monate Juni 2017 bis November 2017 75,75 Euro monatliche Einnahmen als Betrag verwendet worden. Eine Korrektur müsste unter 100,00 Euro monatliche Einnahmen über das Jahr 2017 verteilt ergeben.
20 
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Aufgrund des Überprüfungsantrags vom 24.04.2019 könnten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II lediglich für die Zeit ab dem 01.01.2018 überprüft und erbracht werden. Da der Überprüfungszeitraum vom 01.12.2016 bis zum 31.12.2017 außerhalb des möglichen Überprüfungszeitraumes ab dem 01.01.2018 liege, könnten Leistungen für diesen Zeitraum nicht mehr rückwirkend erbracht werden. Im Übrigen sei der Überprüfungsantrag nicht hinreichend bestimmt genug in Bezug auf die Frage, welche Bescheide überprüft werden sollten.
21 
Deswegen hat der Kläger am 26.11.2019 Klage zum SG erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Überprüfungszeitraum betrage vier Jahre. Dies sei bereits in dem Verfahren S 20 AS 2410/18 festgestellt worden. Die fehlenden Kontoauszüge habe er zwischenzeitlich nachgereicht. In der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2021 hat der Kläger sein Überprüfungsbegehren auf den Bescheid vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 und den Zeitraum vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 beschränkt.
22 
Mit Urteil vom 19.01.2021 hat das SG die Klage abgewiesen und hat die Berufung zugelassen. Der vom Kläger begehrten Rücknahmeentscheidung nach § 44 SGB X habe die Verfallfrist entgegengestanden, da ausschließlich Leistungen für Zeiten betroffen gewesen seien, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallfrist lägen. Die nicht mehr vorhandene Möglichkeit einer rückwirkenden Erbringung von Sozialleistungen habe auch einer isolierten Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides nach § 44 Abs. 1 SGB X entgegengestanden. Das Urteil ist dem Kläger am 28.01.2021 zugestellt worden.
23 
Hiergegen hat der Kläger am 23.02.2021 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, § 44 SGB X sei nicht in Verbindung mit § 40 SGB II anzuwenden. Es gelte die Vier-Jahresfrist.
24 
Der Kläger beantragt,
25 
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.01.2021 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2019 zu verpflichten, die Bescheide vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 abzuändern und ihm weitere Leistungen für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 in Höhe von monatlich 60,01 Euro zu bewilligen und die Erstattungsforderung in Höhe von 240,04 Euro aufzuheben.
26 
Der Beklagte beantragt,
27 
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
28 
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
29 
Die Nachfrage des Senats, ob ausgeschlossen sei, dass der Widerspruchsbescheid vom 23.10.2019 dem Kläger noch am selben Tag persönlich übergeben worden sei, hat der Beklagte bejaht.
30 
Der Senat hat die Verfahrensakte S 20 AS 2410/18 des SG beigezogen.
31 
In der mündlichen Verhandlung am 23.06.2021 vor dem erkennenden Senat hat der Kläger vorgetragen, ihm sei im ersten Verfahren vor dem SG vom Richter gesagt worden, dass § 44 SGB X in seinem Fall anwendbar sei und dass für seinen Antrag eine 4-Jahre-Frist gelte.

Entscheidungsgründe

 
32 
Die nach für den Senat gem. § 144 Abs. 3 SGG bindender Zulassung durch das SG statthafte sowie nach § 151 SGG form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
33 
Gegenstand des Verfahrens ist, nachdem der Kläger sein Überprüfungsbegehren im Rahmen der Antragstellung vor dem SG auf den Zeitraum vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 beschränkt hat, das Urteil des SG vom 19.01.2021 und der Bescheid des Beklagten vom 09.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2019 insoweit, als der Beklagte damit die Überprüfung des Bescheides vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 bezogen auf den Zeitraum vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 abgelehnt hat. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist der vorläufige Bewilligungsbescheid vom 12.12.2016, da sich dieser durch die endgültige Leistungsfestsetzung durch den Bescheid vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 nach § 39 Abs. 2 SGB X in sonstiger Weise erledigt hat (BSG, Urteil vom 22.08.2013 – B 14 AS 1/13 R, juris Rn. 13).
34 
1. Die Klage ist zulässig.
35 
a) Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2 i.V.m. § 56 SGG (vgl. zur Klageart bei ablehnenden Bescheiden nach § 44 SGB X: BSG, Urteil vom 05.08.2015 – B 4 AS 9/15 R, juris Rn. 13). Mit der Anfechtungsklage begehrt der Kläger die Aufhebung des – die Überprüfung ablehnenden – Verwaltungsaktes vom 09.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2019. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides durch den Beklagten gerichtet, mit dem dieser die begehrten Änderungen des Bescheides vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 vornehmen soll, nämlich die endgültige Festsetzung der Leistungen für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 in Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen und Aufhebung der Erstattungsforderung. Da der Kläger nur die endgültige Festsetzung in Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen, nicht aber darüber hinaus gehende Leistungen begehrt, bedarf es keiner Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG (BSG, Urteil vom 08.02.2017 – B 14 AS 22/16 R, juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 01.12.2016 – B 14 AS 34/15 R, juris Rn. 10).
36 
b) Der Kläger hat die Klage innerhalb der Monatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG erhoben. Hiernach ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids. Vorliegend lässt sich nicht feststellen, dass der Widerspruchsbescheid vom 23.10.2019 dem Kläger vor dem 26.10.2019 zugegangen ist. Denn ausweislich der schriftlichen Mitteilung des Beklagten vom 11.05.2021 ist eine persönliche Übergabe des Widerspruchsbescheides ausgeschlossen und wird von den Beteiligten auch nicht behauptet. Nachdem der Widerspruchsbescheid ausweislich der Angaben des Beklagten auch nicht vor dem 23.10.2019 zur Post gegeben worden ist, kann eine Bekanntgabe vor dem 26.10.2019 – selbst unter Berücksichtigung der mangels Absendevermerk auf dem Widerspruchsbescheid vorliegend nicht anwendbaren 3-Tagesfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 12/09 R, juris Rn. 10; BSG, Urteil vom 28.11.2006 – B 2 U 33/05 R, juris Rn. 15) als kürzest denkbare Postlaufzeit – nicht festgestellt werden. Die am 26.11.2019 erhobene Klage ist damit fristgerecht.
37 
2. Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid vom 09.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2019 ist rechtmäßig. Der Beklagte hat die Abänderung des abschließenden Bewilligungsbescheides vom 07.12.2016 und die Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 07.12.2016, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018, zu Recht abgelehnt.
38 
a) Der abschließende Bewilligungsbescheid vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 war auf den Überprüfungsantrag des Klägers nicht abzuändern.
39 
aa) Rechtsgrundlage des Überprüfungsbegehrens ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
40 
bb) Ob diese Voraussetzungen vorliegen, insbesondere ob der nach Klagerücknahme in dem Verfahren S 20 AS 2410/18 bestandskräftige Bescheid vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 rechtswidrig ist, kann vorliegend dahinstehen. Denn wie das SG zutreffend ausgeführt hat steht die Verfallfrist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II einer Abänderung des endgültigen Bewilligungsbescheides entgegen.
41 
(1) Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X werden, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bestimmt, dass § 44 SGB X mit der Maßgabe gilt, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
42 
Ist die Jahresfrist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II abgelaufen, steht die Unanwendbarkeit der „Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X“ einer isolierten Rücknahme entgegen. Denn die Rücknahme steht unter dem Vorbehalt, dass Sozialleistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X noch zu erbringen sind. Nach Ablauf der Verfallfrist hat der Leistungserbringer eine Rücknahmeentscheidung nicht mehr zu treffen (BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 37/15 R, juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 13.02.2014 – B 4 AS 19/13 R, juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 28.02.2013 – B 8 SO 4/12 R, juris Rn. 10). Dies gilt in gleicher Weise bei der Verkürzung der rückwirkenden Leistungserbringung auf einen Zeitraum bis zu einem Jahr nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, wenn der Antrag auf Rücknahme – wie vorliegend – nach dem 31.03.2011 gestellt worden ist (BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 37/15 R, juris Rn. 16).
43 
(2) Die Voraussetzungen der Verfallfrist liegen vor. Denn das Begehren des Klägers bezieht sich auf die Erbringung von Sozialleistungen für einen Zeitraum, der außerhalb der Jahresfrist liegt.
44 
(a) Der Anwendung der Verfallfrist des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass der Kläger aufgrund der vorläufigen Leistungsbewilligung bereits Grundsicherungsleistungen für den streitigen Zeitraum in der begehrten Höhe tatsächlich erhalten hat und nicht die tatsächliche Auszahlung weiterer Leistungen begehrt. Soweit teilweise vertreten wird (so 7. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.11.2018 – L 7 AS 1035/18, juris Rn. 37 ff.; zustimmend Baumeister, in: jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 44 Rn. 116.2 ), dass eine in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X begehrte Änderung von endgültig festgesetzten Leistungen i.S.v. § 41a Abs. 3 SGB II und die daraus resultierende Reduzierung einer Erstattungsforderung keine „Erbringung von Sozialleistungen“ im Sinne des § 44 Abs. 4 SGB X darstelle, weil dies ein „tatsächliches Leisten“ verlange und deshalb die Verfallfrist des § 44 Abs. 4 SGB X ebenso wie auf Erstattungsforderungen keine Anwendung finde, überzeugt dies weder in systematischer Hinsicht, noch im Hinblick auf den Gesetzeszweck und den mit der Verfallfrist verfolgten Willen des Gesetzgebers.
45 
Zwar ist es zutreffend, dass § 44 Abs. 4 SGB X auf Erstattungsforderungen des Leistungsträgers gegen den Leistungsbezieher keine Anwendung findet (BSG, Urteil vom 12.12.1996 – 11 RAr 31/96, juris Rn. 18). Die vorliegend streitige endgültige Leistungsfestsetzung ist aber keine Erstattungsforderung, sondern vielmehr eine Entscheidung über die Bewilligung von Sozialleistungen (19. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.06.2017 – L 19 AS 2181/16, juris Rn. 23). Eine auf die endgültige Leistungsfestsetzung aufbauende Erstattungsforderung ist systematisch eine der Leistungsfestsetzung nachgelagerte Entscheidung mit eigenem Regelungscharakter (vgl. 19. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.06.2017 – L 19 AS 2181/16, juris Rn. 18). Sie ist nicht in der Leistungsfestsetzungsentscheidung mitenthalten.
46 
Auch der Gesetzeszweck und der hierin zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille sprechen für eine Anwendung der Verfallfrist auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll in Fällen, die, wie vorliegend, die Leistungsbewilligung nach dem SGB II betreffen, eine kurze Verfallfrist gelten. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass gerade im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende dem Aktualitätsgrundsatz eine besondere Bedeutung zukommt, da es sich um eine steuerfinanzierte Leistung handelt, die in besonderem Maße der Deckung gegenwärtiger Bedarfe dienen soll (BT-Drucks. 17/3404, S. 114). Eine kürzere Frist von einem Jahr soll damit in der Abwägung von materieller Gerechtigkeit und Rechtsfrieden durch Bestandskraft für Zeiträume außerhalb der Verfallfrist dem Rechtsfrieden den Vorrang geben und damit auch der Entlastung von Verwaltung und Gerichten dienen (BT-Drucks. 17/3404, S. 114).
47 
Die Anwendung der Verfallfrist auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation wiederspricht nicht höchstrichterlicher Rechtsprechung. Zwar trifft es zu, dass in der Rechtsprechung des BSG „Erbringen“ i.S.d. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X als „tatsächliches Leisten“ umschrieben wurde (siehe hierzu BSG, Urteil vom 06.03.1991 – 9b RAr 7/90, juris Rn. 13). Allerdings kann die Frage, ob die „Erbringung von Sozialleistungen“ streitig ist, nicht unabhängig von der begehrten Sozialleistung allein danach beantwortet werden, ob der Leistungsempfänger „irgendeine Leistung“ erhalten hat. So ist für § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, dessen Tatbestand ebenfalls die „(Nicht-)Erbringung von Sozialleistungen“ voraussetzt, bereits höchstrichterlich entschieden, dass Maßstab dafür, ob in diesem Sinne Sozialleistungen nicht erbracht worden sind, ist, welche Sozialleistung (§ 11 Satz 1 SGB I) tatsächlich gewollt gewesen ist (BSG, Urteil vom 28.02.2013 – B 8 SO 4/12 R, juris Rn. 11). Anhaltspunkte dafür, dass im Rahmen des § 44 Abs. 4 SGB X insoweit ein anderer Maßstab anzulegen sein soll, bestehen nicht (hierauf zurecht hinweisend: Aubel, in: jurisPK-SGB II, 5. Aufl. 2020, § 40 Rn. 60 ).
48 
Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die vom Kläger begehrten Sozialleistungen noch nicht i.S.d. § 44 Abs. 4 SGB X erbracht worden sind. Denn das Begehren des Klägers richtet sich auf die endgültige Erbringung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 in Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen. Da die in dieser Höhe bereits erbrachten vorläufigen Leistungen gegenüber den begehrten endgültigen Leistungen ein Aliud darstellen (BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 31/14 R, juris Rn. 23), sind die tatsächlich gewollten Leistungen noch nicht erbracht worden (vgl. in diesem Sinne: BSG, Urteil vom 28.02.2013 – B 8 SO 4/12 R, juris Rn. 11, in welchem im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Erbringung von Sozialhilfe als Zuschuss und nicht – wie zuvor gewährt – als Darlehen streitig gewesen ist und der 8. Senat des BSG die „Erbringung von Sozialleistungen“ bejaht hat, da der begehrte Zuschuss gegenüber dem bereits erhaltenen Darlehen ein Aliud ist).
49 
(b) Der vom Kläger begehrte Überprüfungszeitraum, der die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 umfasst, liegt außerhalb des nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geltenden Jahreszeitraums. Zur Berechnung der Frist heißt es in § 44 Abs. 4 Sätze 2 und 3 SGB X: „Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.“ Nachdem der Kläger den Überprüfungsantrag am 24.04.2019 gestellt hat, hat der Jahreszeitraum gem. § 26 Abs. 1 i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB am letzten Tag des Vorjahres, d. h. am 31.12.2018 begonnen und hat gem. § 26 Abs. 1 i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB am 01.01.2018 geendet.
50 
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, er habe im Rahmen des Erörterungstermins in dem ersten Verfahren (S 20 AS 2410/18) von dem Richter die Auskunft erhalten, es gelte ein vierjähriger Überprüfungszeitraum, führt dies für das vorliegende Verfahren zu keiner anderen Bewertung. Für das Verwaltungsverfahren im Anwendungsbereich des SGB II enthält § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II eine Modifizierung des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X, indem der Überprüfungszeitraum von vier auf ein Jahr herabgesetzt wird. Hierbei handelt es sich um zwingend anwendbares Gesetzesrecht, dessen Vorgaben nicht durch einen möglicherweise inhaltlich unzutreffenden richterlichen Hinweis in einem anderen Verfahren unbeachtlich werden.
51 
(3) Gegen die durch § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bewirkte Beschränkung rückwirkender Leistungserbringung im Falle der Aufhebung eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 44 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 37/15 R, juris Rn. 17 zum inhaltsgleichen § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung).
52 
b) Ein Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme der in dem Bescheid vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 enthaltenen Erstattungsforderung nach § 44 Abs. 1 SGB X besteht nicht. Denn die Erstattungsforderung ist rechtlich nicht zu beanstanden, nachdem die bestandskräftige endgültige Leistungsfestsetzung der für den streitgegenständlichen Zeitraum zustehenden Leistungen aus den oben genannten Gründen auch nicht mehr über § 44 SGB X abänderbar ist. Diese Entscheidung entfaltet Tatbestandswirkung für den Erstattungsanspruch nach § 41a Abs. 6 SGB II (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.06.2017 – L 19 AS 2181/16, juris Rn. 27), mit der Folge, dass der Erstattungsbescheid bei seinem Erlass rechtmäßig gewesen ist und bleibt und nicht mehr nach § 44 Abs. 1 SGB X aufzuheben oder abzuändern ist (Aubel, in: jurisPK-SGB II, 5. Aufl. 2020, § 40 Rn. 60 ).
53 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
54 
4. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.

Gründe

 
32 
Die nach für den Senat gem. § 144 Abs. 3 SGG bindender Zulassung durch das SG statthafte sowie nach § 151 SGG form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
33 
Gegenstand des Verfahrens ist, nachdem der Kläger sein Überprüfungsbegehren im Rahmen der Antragstellung vor dem SG auf den Zeitraum vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 beschränkt hat, das Urteil des SG vom 19.01.2021 und der Bescheid des Beklagten vom 09.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2019 insoweit, als der Beklagte damit die Überprüfung des Bescheides vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 bezogen auf den Zeitraum vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 abgelehnt hat. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist der vorläufige Bewilligungsbescheid vom 12.12.2016, da sich dieser durch die endgültige Leistungsfestsetzung durch den Bescheid vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 nach § 39 Abs. 2 SGB X in sonstiger Weise erledigt hat (BSG, Urteil vom 22.08.2013 – B 14 AS 1/13 R, juris Rn. 13).
34 
1. Die Klage ist zulässig.
35 
a) Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2 i.V.m. § 56 SGG (vgl. zur Klageart bei ablehnenden Bescheiden nach § 44 SGB X: BSG, Urteil vom 05.08.2015 – B 4 AS 9/15 R, juris Rn. 13). Mit der Anfechtungsklage begehrt der Kläger die Aufhebung des – die Überprüfung ablehnenden – Verwaltungsaktes vom 09.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2019. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides durch den Beklagten gerichtet, mit dem dieser die begehrten Änderungen des Bescheides vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 vornehmen soll, nämlich die endgültige Festsetzung der Leistungen für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 in Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen und Aufhebung der Erstattungsforderung. Da der Kläger nur die endgültige Festsetzung in Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen, nicht aber darüber hinaus gehende Leistungen begehrt, bedarf es keiner Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG (BSG, Urteil vom 08.02.2017 – B 14 AS 22/16 R, juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 01.12.2016 – B 14 AS 34/15 R, juris Rn. 10).
36 
b) Der Kläger hat die Klage innerhalb der Monatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG erhoben. Hiernach ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids. Vorliegend lässt sich nicht feststellen, dass der Widerspruchsbescheid vom 23.10.2019 dem Kläger vor dem 26.10.2019 zugegangen ist. Denn ausweislich der schriftlichen Mitteilung des Beklagten vom 11.05.2021 ist eine persönliche Übergabe des Widerspruchsbescheides ausgeschlossen und wird von den Beteiligten auch nicht behauptet. Nachdem der Widerspruchsbescheid ausweislich der Angaben des Beklagten auch nicht vor dem 23.10.2019 zur Post gegeben worden ist, kann eine Bekanntgabe vor dem 26.10.2019 – selbst unter Berücksichtigung der mangels Absendevermerk auf dem Widerspruchsbescheid vorliegend nicht anwendbaren 3-Tagesfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 12/09 R, juris Rn. 10; BSG, Urteil vom 28.11.2006 – B 2 U 33/05 R, juris Rn. 15) als kürzest denkbare Postlaufzeit – nicht festgestellt werden. Die am 26.11.2019 erhobene Klage ist damit fristgerecht.
37 
2. Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid vom 09.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2019 ist rechtmäßig. Der Beklagte hat die Abänderung des abschließenden Bewilligungsbescheides vom 07.12.2016 und die Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 07.12.2016, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018, zu Recht abgelehnt.
38 
a) Der abschließende Bewilligungsbescheid vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 war auf den Überprüfungsantrag des Klägers nicht abzuändern.
39 
aa) Rechtsgrundlage des Überprüfungsbegehrens ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
40 
bb) Ob diese Voraussetzungen vorliegen, insbesondere ob der nach Klagerücknahme in dem Verfahren S 20 AS 2410/18 bestandskräftige Bescheid vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 rechtswidrig ist, kann vorliegend dahinstehen. Denn wie das SG zutreffend ausgeführt hat steht die Verfallfrist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II einer Abänderung des endgültigen Bewilligungsbescheides entgegen.
41 
(1) Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X werden, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bestimmt, dass § 44 SGB X mit der Maßgabe gilt, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
42 
Ist die Jahresfrist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II abgelaufen, steht die Unanwendbarkeit der „Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X“ einer isolierten Rücknahme entgegen. Denn die Rücknahme steht unter dem Vorbehalt, dass Sozialleistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X noch zu erbringen sind. Nach Ablauf der Verfallfrist hat der Leistungserbringer eine Rücknahmeentscheidung nicht mehr zu treffen (BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 37/15 R, juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 13.02.2014 – B 4 AS 19/13 R, juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 28.02.2013 – B 8 SO 4/12 R, juris Rn. 10). Dies gilt in gleicher Weise bei der Verkürzung der rückwirkenden Leistungserbringung auf einen Zeitraum bis zu einem Jahr nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, wenn der Antrag auf Rücknahme – wie vorliegend – nach dem 31.03.2011 gestellt worden ist (BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 37/15 R, juris Rn. 16).
43 
(2) Die Voraussetzungen der Verfallfrist liegen vor. Denn das Begehren des Klägers bezieht sich auf die Erbringung von Sozialleistungen für einen Zeitraum, der außerhalb der Jahresfrist liegt.
44 
(a) Der Anwendung der Verfallfrist des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass der Kläger aufgrund der vorläufigen Leistungsbewilligung bereits Grundsicherungsleistungen für den streitigen Zeitraum in der begehrten Höhe tatsächlich erhalten hat und nicht die tatsächliche Auszahlung weiterer Leistungen begehrt. Soweit teilweise vertreten wird (so 7. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.11.2018 – L 7 AS 1035/18, juris Rn. 37 ff.; zustimmend Baumeister, in: jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 44 Rn. 116.2 ), dass eine in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X begehrte Änderung von endgültig festgesetzten Leistungen i.S.v. § 41a Abs. 3 SGB II und die daraus resultierende Reduzierung einer Erstattungsforderung keine „Erbringung von Sozialleistungen“ im Sinne des § 44 Abs. 4 SGB X darstelle, weil dies ein „tatsächliches Leisten“ verlange und deshalb die Verfallfrist des § 44 Abs. 4 SGB X ebenso wie auf Erstattungsforderungen keine Anwendung finde, überzeugt dies weder in systematischer Hinsicht, noch im Hinblick auf den Gesetzeszweck und den mit der Verfallfrist verfolgten Willen des Gesetzgebers.
45 
Zwar ist es zutreffend, dass § 44 Abs. 4 SGB X auf Erstattungsforderungen des Leistungsträgers gegen den Leistungsbezieher keine Anwendung findet (BSG, Urteil vom 12.12.1996 – 11 RAr 31/96, juris Rn. 18). Die vorliegend streitige endgültige Leistungsfestsetzung ist aber keine Erstattungsforderung, sondern vielmehr eine Entscheidung über die Bewilligung von Sozialleistungen (19. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.06.2017 – L 19 AS 2181/16, juris Rn. 23). Eine auf die endgültige Leistungsfestsetzung aufbauende Erstattungsforderung ist systematisch eine der Leistungsfestsetzung nachgelagerte Entscheidung mit eigenem Regelungscharakter (vgl. 19. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.06.2017 – L 19 AS 2181/16, juris Rn. 18). Sie ist nicht in der Leistungsfestsetzungsentscheidung mitenthalten.
46 
Auch der Gesetzeszweck und der hierin zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille sprechen für eine Anwendung der Verfallfrist auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll in Fällen, die, wie vorliegend, die Leistungsbewilligung nach dem SGB II betreffen, eine kurze Verfallfrist gelten. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass gerade im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende dem Aktualitätsgrundsatz eine besondere Bedeutung zukommt, da es sich um eine steuerfinanzierte Leistung handelt, die in besonderem Maße der Deckung gegenwärtiger Bedarfe dienen soll (BT-Drucks. 17/3404, S. 114). Eine kürzere Frist von einem Jahr soll damit in der Abwägung von materieller Gerechtigkeit und Rechtsfrieden durch Bestandskraft für Zeiträume außerhalb der Verfallfrist dem Rechtsfrieden den Vorrang geben und damit auch der Entlastung von Verwaltung und Gerichten dienen (BT-Drucks. 17/3404, S. 114).
47 
Die Anwendung der Verfallfrist auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation wiederspricht nicht höchstrichterlicher Rechtsprechung. Zwar trifft es zu, dass in der Rechtsprechung des BSG „Erbringen“ i.S.d. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X als „tatsächliches Leisten“ umschrieben wurde (siehe hierzu BSG, Urteil vom 06.03.1991 – 9b RAr 7/90, juris Rn. 13). Allerdings kann die Frage, ob die „Erbringung von Sozialleistungen“ streitig ist, nicht unabhängig von der begehrten Sozialleistung allein danach beantwortet werden, ob der Leistungsempfänger „irgendeine Leistung“ erhalten hat. So ist für § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, dessen Tatbestand ebenfalls die „(Nicht-)Erbringung von Sozialleistungen“ voraussetzt, bereits höchstrichterlich entschieden, dass Maßstab dafür, ob in diesem Sinne Sozialleistungen nicht erbracht worden sind, ist, welche Sozialleistung (§ 11 Satz 1 SGB I) tatsächlich gewollt gewesen ist (BSG, Urteil vom 28.02.2013 – B 8 SO 4/12 R, juris Rn. 11). Anhaltspunkte dafür, dass im Rahmen des § 44 Abs. 4 SGB X insoweit ein anderer Maßstab anzulegen sein soll, bestehen nicht (hierauf zurecht hinweisend: Aubel, in: jurisPK-SGB II, 5. Aufl. 2020, § 40 Rn. 60 ).
48 
Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die vom Kläger begehrten Sozialleistungen noch nicht i.S.d. § 44 Abs. 4 SGB X erbracht worden sind. Denn das Begehren des Klägers richtet sich auf die endgültige Erbringung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 in Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen. Da die in dieser Höhe bereits erbrachten vorläufigen Leistungen gegenüber den begehrten endgültigen Leistungen ein Aliud darstellen (BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 31/14 R, juris Rn. 23), sind die tatsächlich gewollten Leistungen noch nicht erbracht worden (vgl. in diesem Sinne: BSG, Urteil vom 28.02.2013 – B 8 SO 4/12 R, juris Rn. 11, in welchem im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Erbringung von Sozialhilfe als Zuschuss und nicht – wie zuvor gewährt – als Darlehen streitig gewesen ist und der 8. Senat des BSG die „Erbringung von Sozialleistungen“ bejaht hat, da der begehrte Zuschuss gegenüber dem bereits erhaltenen Darlehen ein Aliud ist).
49 
(b) Der vom Kläger begehrte Überprüfungszeitraum, der die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 umfasst, liegt außerhalb des nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geltenden Jahreszeitraums. Zur Berechnung der Frist heißt es in § 44 Abs. 4 Sätze 2 und 3 SGB X: „Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.“ Nachdem der Kläger den Überprüfungsantrag am 24.04.2019 gestellt hat, hat der Jahreszeitraum gem. § 26 Abs. 1 i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB am letzten Tag des Vorjahres, d. h. am 31.12.2018 begonnen und hat gem. § 26 Abs. 1 i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB am 01.01.2018 geendet.
50 
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, er habe im Rahmen des Erörterungstermins in dem ersten Verfahren (S 20 AS 2410/18) von dem Richter die Auskunft erhalten, es gelte ein vierjähriger Überprüfungszeitraum, führt dies für das vorliegende Verfahren zu keiner anderen Bewertung. Für das Verwaltungsverfahren im Anwendungsbereich des SGB II enthält § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II eine Modifizierung des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X, indem der Überprüfungszeitraum von vier auf ein Jahr herabgesetzt wird. Hierbei handelt es sich um zwingend anwendbares Gesetzesrecht, dessen Vorgaben nicht durch einen möglicherweise inhaltlich unzutreffenden richterlichen Hinweis in einem anderen Verfahren unbeachtlich werden.
51 
(3) Gegen die durch § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bewirkte Beschränkung rückwirkender Leistungserbringung im Falle der Aufhebung eines rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 44 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 37/15 R, juris Rn. 17 zum inhaltsgleichen § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung).
52 
b) Ein Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme der in dem Bescheid vom 07.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2018 enthaltenen Erstattungsforderung nach § 44 Abs. 1 SGB X besteht nicht. Denn die Erstattungsforderung ist rechtlich nicht zu beanstanden, nachdem die bestandskräftige endgültige Leistungsfestsetzung der für den streitgegenständlichen Zeitraum zustehenden Leistungen aus den oben genannten Gründen auch nicht mehr über § 44 SGB X abänderbar ist. Diese Entscheidung entfaltet Tatbestandswirkung für den Erstattungsanspruch nach § 41a Abs. 6 SGB II (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.06.2017 – L 19 AS 2181/16, juris Rn. 27), mit der Folge, dass der Erstattungsbescheid bei seinem Erlass rechtmäßig gewesen ist und bleibt und nicht mehr nach § 44 Abs. 1 SGB X aufzuheben oder abzuändern ist (Aubel, in: jurisPK-SGB II, 5. Aufl. 2020, § 40 Rn. 60 ).
53 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
54 
4. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.

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