Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 4 R 3100/20

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. August 2020 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Abänderung des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2020 verurteilt, der Klägerin die Kosten des Widerspruchsverfahrens in vollem Umfang zu erstatten.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang die Beklagte Kosten für ein Widerspruchsverfahren zu erstatten hat.
Die 1966 geborene Klägerin beantragte am 28. Februar 2019 durch ihren Prozessbevollmächtigten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und legte hierzu nachfolgend das ausgefüllte Formular R0100 (Antrag auf Versichertenrente) vor. Mit Bescheid vom 28. Mai 2019 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin erfülle nicht die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Rente, da sie aufgrund ihrer Krankheiten oder Behinderungen zumindest noch sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Hiergegen erhob die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Widerspruch und führte zur Begründung aus, sie sei nicht mehr in der Lage, selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünftagewoche auszuüben. Im Vordergrund stünden erhebliche psychische Beeinträchtigungen; es liege nicht nur eine Dysthymie vor. Bereits hierdurch sei ihr eine regelmäßige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von sechs Stunden nicht mehr zuzumuten. Hinzu komme ein die Symptomatik verstärkendes chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren bzw. eine Fibromyalgie, wobei sie auch aufgrund dieser rheumatologischen Beeinträchtigungen keine Tätigkeit im Umfang von sechs Stunden ausüben könne. Darüber hinaus bestünden orthopädische Erkrankungen, die ebenfalls keine sechsstündige Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr zuließen. Sie sei daher „zu berenten“. Dem Widerspruch sei „vollumfänglich abzuhelfen“. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen und gutachtlicher Untersuchung bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 19. Dezember 2019 Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. September 2019 bis 31. Januar 2023.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2020 wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an die Beklagte, führte unter Bezugnahme auf den Rentenbescheid vom 19. Dezember 2019 aus, dass dem Widerspruch damit vollumfänglich abgeholfen worden sei, so dass die Beklagte der Klägerin die Kosten seiner Beauftragung zu erstatten habe, und bat um Begleichung der beigefügten Kostennote über 456,96 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2020 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch, soweit ihm nicht durch Bescheid vom 19. Dezember 2019 stattgegeben wurde, zurück und entschied, dass die Beklagte die durch das Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen der Klägerin zu dreiviertel trage und die Zuziehung des Bevollmächtigten notwendig gewesen sei. Zur Begründung führte sie aus, mit Bescheid vom 19. Dezember 2019 sei der Klägerin im Rahmen der Abhilfeprüfung Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. September 2019 bis 31. Januar 2023 zuerkannt worden. Renten wegen Erwerbsminderung seien grundsätzlich zu befristen. Die Zahlung einer Dauerrente könne nur ausnahmsweise erfolgen, wenn es aufgrund schwerwiegender medizinischer Grunde unwahrscheinlich sei, dass die Erwerbsminderung behoben werden könne. Seitens des Sozialmedizinischen Dienstes sei bei der Klägerin ab 26. Februar 2019 (Rentenantragstellung) zwar nur noch ein unter dreistündiges Leistungsvermögen festgestellt worden, jedoch sei unter konsequenter Therapie eine Besserung des Gesundheitszustandes zu erwarten, weshalb die Rente zu befristen gewesen sei. Insoweit sei der Widerspruch daher zurückzuweisen gewesen. Die durch das Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen würden in dem genannten Umfang erstattet, da der Widerspruch insoweit erfolgreich gewesen sei.
Am 6. April 2020 (Montag) erhob die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) mit dem Begehren Klage, die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des Widerspruchsverfahrens in vollem Umfang zu erstatten. Die Rechtsauffassung der Beklagten sei unzutreffend. Beantrage ein Versicherter nach einem vollständig abgelehnten Rentenantrag im Widerspruchsverfahren eine Rente wegen Erwerbsminderung und gewähre der Versicherungsträger daraufhin lediglich eine befristete Rente, habe der Widerspruchsführer regelmäßig Anspruch auf volle Kostenerstattung (Hinweis auf das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2014 – S 4 R 2046/12 –). Auch sie habe keinen konkreten Antrag auf eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gestellt und lediglich mitgeteilt, dass sie nicht mehr in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich eine Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten, weshalb sie zu berenten sei. Durch den Abhilfebescheid vom 19. Dezember 2019 sei ihrem Widerspruch daher vollumfänglich abgeholfen worden. Sie habe diesen Bescheid nicht beanstandet, so dass die außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens in voller Höhe zu erstatten seien.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte aus, sie gehe grundsätzlich davon aus, dass ein Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung das Begehren auf Dauer beinhalte. Der Versicherungsträger sei nach dem Günstigkeitsprinzip gehalten, stets davon auszugehen, dass die Versicherte die für sie günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen wolle. Sofern daher keine Einschränkung des Begehrens erfolge, gelte diese Annahme auch im Widerspruchsverfahren. Wenngleich die Zeitrente der gesetzliche Regelfall sei, sei der Antrag als Antrag auf Dauerrente auszulegen.
Mit Urteil vom 11. August 2020 wies das SG die Klage unter Hinweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 2. März 2020 ab und ließ die Berufung zu. Zur Begründung führte es ergänzend aus, die Auffassung des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 28. Oktober 2016 – L 14 R 1037/15 – und des Sozialgericht Stuttgart im Urteil vom 9. Oktober 2014 (a.a.O.), wonach ein Widerspruchsführer regelmäßig Anspruch auf volle Kostenerstattung habe, wenn ein Versicherter nach vollständig abgelehntem Rentenantrag im Widerspruchsverfahren eine „Rente wegen Erwerbsminderung nach den gesetzlichen Vorschriften“ begehre und der Versicherungsträger daraufhin eine befristete Rente gewähre, werde nicht geteilt. Hierbei werde übersehen, dass bei der Auslegung des Anliegens im Widerspruchsverfahren der Meistbegünstigungsgrundsatz gelte, soweit das Begehren des Widerspruchsführers konkretisierbar sei. Maßgebend für die Auslegung eines Antrags sei unter Berücksichtigung aller Umstände der erkennbare Wille des Antragstellers. Vor diesem Hintergrund sei nicht erkennbar, dass die Klägerin im Antrags- bzw. Widerspruchsverfahren ihr Anliegen auf eine befristete Erwerbsminderungsrente habe begrenzen wollen, obgleich gesetzlich die Möglichkeit einer unbefristeten Rente eingeräumt sei. Überdies habe die Beklagte Erwerbsminderungsrente auch über die Regelfrist von drei Jahren hinaus gewährt, nämlich für drei Jahre und fünf Monate. Für die von der Beklagten gewählte Kostenquotelung habe schließlich auch gesprochen, dass die letztendlich bewilligte Erwerbsminderungsrente nicht bereits im Monat der Antragstellung (Februar 2019) begonnen habe, sondern erst für die Zeit vom 1. September 2019 bis 31. Januar 2023 gewährt worden sei.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 4. September 2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1. Oktober 2020 beim LSG Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie hat ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und sich auf das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 2016 (a.a.O.) berufen. Ihr Begehren im Widerspruchsverfahren sei auszulegen, wobei neben dem Wortlaut der Erklärung insbesondere auch die Beweggründe, die Begleitumstände und die Interessenlage eine Rolle spielten. Eine Erklärung, wonach sie eine „unbefristete“ Erwerbsminderungsrente begehre, liege nicht vor. Entsprechendes sei auch dem gestellten Antrag nicht zu entnehmen. Mit ihrem Antrag vom 26. Februar 2019 habe sie eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt, jedoch keinen Antrag auf Bewilligung einer „unbefristeten“ Erwerbsminderungsrente gestellt. Eine entsprechende Wahlmöglichkeit bei Antragstellung sehe das Antragsformular der Beklagten auch nicht vor. § 102 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) schreibe als Regelfall für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente eine Befristung vor. Entsprechend handele es sich bei einer Rente auf Zeit im Vergleich zu einer Rente auf Dauer nicht um zwei eigenständige Ansprüche. Vielmehr sei die Befristung bzw. die Nichtbefristung eine Rechtsfolge, die lediglich an eine besondere inhaltliche Voraussetzung geknüpft sei. Seien relevante Umstände für die Auslegung nicht erkennbar, sei davon auszugehen, dass der Versicherte regelmäßig das begehre, was ihm rechtlich zustehe. Daher greife die gesetzliche Regelvermutung des § 102 Abs. 2 Satz 1 und Satz 5 SGB VI, wonach Erwerbsminderungsrenten in der Regel zu befristen seien. Somit greife ein Widerspruchsführer im Rahmen des Widerspruchs die Ablehnung als solche an und obsiege demnach ganz, wenn aufgrund des Widerspruchs eine Rente bewilligt werde. Auch ihr Antrag sei so auszulegen. Gestützt werde diese Auslegung durch die ausdrückliche Mitteilung im Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 13. Januar 2020, dass aus ihrer Sicht mit dem Abhilfebescheid vom 19. Dezember 2019 dem Widerspruch vollumfänglich abgeholfen worden sei. Andernfalls hätte ihr Prozessbevollmächtigter mitgeteilt, dass eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit nicht akzeptiert werde und der Widerspruch insoweit aufrechterhalten werde. Gemessen an ihrem Antrag habe sie im Sinne des § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) daher vollständig obsiegt. Zu Unrecht habe das SG sich darauf gestützt, dass bei der Auslegung des Anliegens des Versicherten im Widerspruchsverfahren der Meistbegünstigungsgrundsatz gelte und ihr Antrag deshalb dahingehend auszulegen sei, dass eine unbefristete volle Erwerbsminderungsrente begehrt werde. Zutreffend habe das LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 28. Oktober 2016 (a.a.O.) insoweit ausgeführt, dass der Meistbegünstigungsgrundsatz nicht Ausfluss der Dispositionsmaxime, sondern der Verpflichtung der Sozialleistungsträger zur umfassenden Amtsermittlung nach § 20 SGB X sei. Im Anwendungsbereich des § 63 SGB X würde das Meistbegünstigungsprinzip seine Funktion für den Versicherten gerade ins Gegenteil verkehren, da es nicht begünstigen, sondern belasten würde. Deshalb treffe den Versicherten im Widerspruchsverfahren auch nicht die Pflicht, seinen Antrag ausdrücklich auf eine befristete Erwerbsminderungsrente zu beschränken. Vor diesem Hintergrund könne es im Widerspruchsverfahren auch nicht darauf ankommen, ob konkret eine Rente auf Zeit oder auf Dauer beantragt werde, was ohnehin nicht möglich sei, da der Anspruch eines Versicherten vollumfänglich zu prüfen und alles zu gewähren sei, was ihm zustehe. Werde immer nur ein Teil der Kosten erstattet, wenn lediglich eine Rente auf Zeit bewilligt werde, könnten die Widerspruchsführer grundsätzlich nur eine Rente auf Zeit beantragen, um ein Kostenrisiko zu vermeiden. Ein Versicherter würde dann jedoch nicht die Leistungen erhalten, auf die er einen gesetzlichen Anspruch habe.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. August 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2020 zu verurteilen, die Kosten des Widerspruchsverfahrens in vollem Umfang zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und macht geltend, gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei § 92 Zivilprozessordnung (ZPO) analog anzuwenden. Danach seien die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen, wenn eine Partei teils obsiege, teils unterliege. Die Befristung einer Rentenleistung stelle meist eine nicht unerhebliche Beschränkung dar, da der Begünstigte nicht darauf vertrauen könne, diese nach Ablauf des Befristungszeitraums erneut zu erhalten. Es sei eine erneute Antragstellung erforderlich und der medizinische Sachverhalt werde in vollem Umfang neu geprüft. Mitunter sei auch die weitere Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes von Relevanz. Zudem ergäben sich Einschnitte beim Rentenbeginn, der stets erst mit dem siebten Kalendermonat nach Eintritt des Leistungsfalles beginne. Da § 102 Abs. 2 SGB VI auch die Gewährung einer unbefristeten Rentenleistung vorsehe, müsse unter konsequenter Anwendung von § 92 ZPO von einem nur teilweisen Obsiegen ausgegangen werden, es sei denn, der Begünstigte habe von vorneherein erklärt, auch mit einer befristeten Leistung einverstanden zu sein. Dies sei vorliegend nicht der Fall und in der Verwaltungspraxis auch nicht vorgesehen. Vielmehr werde zu Gunsten des Versicherten stets davon ausgegangen, dass diese die beantragte Leistung zum frühestmöglichen Zeitpunkt, in unbeschränkter Form mit dem höchstmöglichen Betrag und der längsten Laufzeit begehrten. Unter dieser Prämisse sei der Widerspruch nur teilweise begründet und die erfolgte Kostenquotelung angemessen.
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Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten des SG und des Senats sowie der Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe

 
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1. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig. Die Berufung ist aufgrund Zulassung im angefochtenen Urteil des SG insbesondere statthaft; an die Zulassung ist der Senat gebunden (§§ 143, 144 Abs. 3 SGG).
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2. Gegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren der Klägerin, ihr unter Änderung der Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 2. März 2020 die Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 28. Mai 2019 in vollem Umfang statt lediglich zu dreiviertel zu erstatten. Streitbefangen ist damit der Widerspruchsbescheid vom 2. März 2020 hinsichtlich der Kostenentscheidung. Insoweit enthält dieser für die Klägerin eine eigenständige Beschwer. Er kann daher isoliert mit der Klage angefochten werden. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zulässig.
17 
3. Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Das SG hätte die Klage nicht abweisen dürfen. Denn die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der vollen Kosten des Widerspruchsverfahrens. Auf ihren Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Mai 2019 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 19. Dezember 2019 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. September 2019 bis 31. Januar 2023. Mit dieser Abhilfeentscheidung war der Widerspruch der Klägerin in vollem Umfang erfolgreich.
18 
Rechtsgrundlage für die Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens ist § 63 Abs. 1 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist.
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Diese Vorschrift ordnet eine Kostenerstattung an, „soweit“ der Widerspruch erfolgreich war. Damit kommt im Falle eines Teilerfolges des Widerspruchs zwar eine anteilige Kostenerstattung in Betracht. Allerdings war die Klägerin mit ihrem Widerspruch gegen den die beantragte Erwerbsminderungsrente ablehnenden Bescheid vom 28. Mai 2019 nicht nur teilweise, sondern in vollem Umfang erfolgreich.
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Zur Beantwortung der Frage, ob ein Widerspruch erfolgreich war, ist grundsätzlich ein Vergleich zwischen dem Begehren im Widerspruchsverfahren und dem Erfolg des Begehrens anzustellen. Da es im Widerspruchsverfahren - anders als im gerichtlichen Verfahren - keine mündliche Verhandlung gibt, in der ein verbindlicher Antrag gestellt wird, muss das Begehren des Widerspruchsführers ggf. wertend ermittelt werden (Feddern, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand 7. Juni 2021, § 63 Rn. 39). Wenn das Verfahrensziel nach sachgerechter Bewertung der Anträge erreicht ist, kommt eine volle Kostenerstattung in Betracht (Feddern, a.a.O.).
21 
Vorliegend begründete die Klägerin ihren Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Mai 2019, mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ablehnte, ausführlich mit ihren Gesundheitsstörungen. Sie legte dabei umfassend ihre Erkrankungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen dar und führte aus, dass sie durch die hieraus resultierenden Leistungsbeeinträchtigungen selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr sechs Stunden täglich verrichten könne und daher „zu berenten“ sei. Ihrem Widerspruch sei „vollumfänglich abzuhelfen“. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin damit geltend, ihr stehe eine Rente wegen Erwerbsminderung zu. Ausführungen dazu, ob ihr Begehren auf die Gewährung eine Zeitrente oder auf eine Rente auf unbestimmte Zeit gerichtet ist, machte sie nicht. Auch stellte sie ihr Begehren nicht durch eine verbindliche Antragstellung klar. Zur Feststellung des Widerspruchsbegehrens der Klägerin ist unter Berücksichtigung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) daher der objektive Sinngehalt ihrer Erklärungen zu ermitteln, d.h. wie der Empfänger die Erklärungen bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen musste (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. November 2019 - B 2 U 29/17 R - juris, Rn. 10; Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 8/07 R - juris, Rn. 12; vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 33/07 R - juris, Rn. 15) bzw. das objektivierte Empfängerverständnis (BSG, Urteil vom 10. Juli 2012 - B 13 R 85/11 R - juris, Rn. 25).
22 
Ausgehend hiervon war das Widerspruchsbegehren der Klägerin auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit, nämlich den vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelfall einer Erwerbsminderungsrente, gerichtet. Der Senat vermag aus den Ausführungen der Klägerin im Rahmen der Widerspruchsbegründung ihres Prozessbevollmächtigten keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass die Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente auf unbestimmte Zeit erfüllt sah und sie ihren Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Mai 2019 daher gerade mit dem Ziel einlegte, die nur unter besonderen medizinischen Voraussetzungen in Betracht kommende Erwerbsminderungsrente auf Dauer zu erhalten.
23 
Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden u.a. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber den Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit seit Einführung des neuen Erwerbsminderungsrechts zum 1. Januar 2000 grundsätzlich nur noch auf Zeit geleistet werden und damit zu befristen sind (Kador, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, Stand 7. Mai 2021, § 102 Rn. 10). Dabei erfolgt die Befristung nach Satz 2 der Regelung für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Abweichend von diesem Grundsatz bestimmt Satz 5 der Regelung, dass Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet geleistet werden, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Damit können Versicherte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer nur dann beanspruchen, wenn der Rentenanspruch ausschließlich auf seinem Gesundheitszustand und nicht (auch) darauf beruht, dass der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist, und darüber hinaus unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann.
24 
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie u.a. voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Auf nicht absehbare Zeit besteht eine Einschränkung, wenn sie sich voraussichtlich über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erstreckt (BSG, Urteil vom 23. März 1977 – 4 RJ 49/76 – juris, Rn. 15).
25 
Ausgehend von diesen Regelungen kommt die Gewährung einer unbefristeten Rente wegen Erwerbsminderung, d.h. ohne zeitliche Befristung, nur dann in Betracht, wenn das Leistungsvermögen des Versicherten wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit so weit herabgesunken ist, dass er Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht zumindest drei Stunden täglich bzw. wenigstens sechs Stunden täglich auszuüben vermag und darüber hinaus unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. In dem zuerst genannten Fall liegt volle Erwerbsminderung auf Dauer vor, was einen Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente auf Dauer begründet. Bei der zuletzt genannten Konstellation liegt teilweise Erwerbsminderung auf Dauer vor, woraus ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer resultiert, wobei Versicherte nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes jedoch Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben, die im Hinblick auf § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI jedoch nur auf Zeit zu leisten ist.
26 
Die Klägerin trug im Rahmen ihrer Widerspruchsbegründung vor, sie könne Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes im Rahmen einer Fünftagewoche nicht mehr zumindest sechs Stunden täglich verrichten. Der Sache nach machte sie damit das Vorliegen einer teilweisen Erwerbsminderung (Leistungsvermögen zwischen drei und weniger als sechs Stunden täglich) geltend. Dass ihr Leistungsvermögen darüberhinausgehend gar so weit herabgesunken ist, dass selbst Tätigkeiten im Umfang von wenigstens drei Stunden täglich nicht mehr leidensgerecht seien, behauptete die Klägerin nicht. Darüber hinaus machte sie insbesondere auch nicht geltend, dass mit einer Besserung ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht zu rechnen sei und es daher unwahrscheinlich sei, dass die bereits eingetretene Erwerbsminderung behoben werden könne. Allein unter diesen Voraussetzungen käme die Gewährung einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente in Betracht.
27 
Bei verständiger Würdigung war das Vorbringen der Klägerin aus der Sicht eines objektiven Betrachters somit darauf gerichtet, eine zeitlich befristete Erwerbsminderungsrente zu erhalten, und zwar im Hinblick auf den für sie verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Eine solche Rente gewährte die Beklagte der Klägerin im Widerspruchsverfahren. Denn mit Bescheid vom 19. Dezember 2019 bewilligte sie der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. September 2019 bis 31. Januar 2023. Mithin war der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 28. Mai 2019 in vollem Umfang erfolgreich.
28 
Diese Auslegung des Widerspruchsbegehrens der Klägerin wird dadurch bestätigt, dass die Klägerin sich durch ihren Prozessbevollmächtigter unmittelbar nach Erteilung des Abhilfebescheides vom 19. Dezember 2019 mit Schreiben vom 13. Januar 2020 an die Beklagte wandte, unter Bezugnahme auf den ergangenen Rentenbescheid bestätigte, dass ihrem Widerspruch „damit vollumfänglich abgeholfen“ worden sei und im Hinblick auf die Kostenregelung des § 63 SGB X unter Übersendung einer entsprechenden Kostennote ihres Bevollmächtigten um Kostenerstattung bat. Nach alledem sieht der Senat keinen Grund für die Annahme, dass die Klägerin mit ihrem Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Mai 2019 nicht im vollem Umfang erfolgreich gewesen wäre.
29 
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, ein Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung beinhalte grundsätzlich das Begehren, dass die beantragte Rente auf Dauer gewährt werde, so mag durchaus zutreffend sein, dass Versicherte bei Rentenantragstellung grundsätzlich die für sie günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen möchten und daher in erster Linie eine Rente als Dauerleistung begehren. Im Zusammenhang mit ihrer Antragstellung äußern sich Versicherte insoweit im Regelfall allerdings nicht. Hierzu besteht für sie auch keine Veranlassung. Denn das von ihnen zu verwendende Antragsformular gibt als Auswahlmöglichkeiten für den jeweils beabsichtigten Antrag lediglich die verschiedenen Arten von Versichertenrenten vor und es sieht bei der in Rede stehenden „Rente wegen Erwerbsminderung“ nicht vor, dass eine nähere Konkretisierung von Art und Dauer der begehrten Erwerbsminderungsrente vorgenommen wird. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte im Hinblick auf Leistungsbegehren ihrer Versicherten nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung ohnehin nicht am Wortlaut ihrer Erklärung haften darf und nach § 2 Abs. 2 Halbsatz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) davon ausgehen muss, dass der Versicherte die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen will (vgl. zur Auslegung von Rentenanträgen BSG, Urteil vom 29. November 2007 – B 13 R 44/07 R – juris, Rn. 22).
30 
Vorliegend ist nicht relevant, mit welchem Begehren die Klägerin am 28. Februar 2019 ihren Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung stellte und welche Art der Leistungsgewährung für sie die günstigste ist. Denn im anhängigen Rechtsstreit steht der Umfang der Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens im Streit und damit allein die Frage, mit welchem Ziel die Klägerin gegen den ihren Antrag ablehnenden Bescheid vom 28. Mai 2019 Widerspruch erhob. Das Günstigkeitsprinzip ist vorliegend insoweit ohne Belang. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gilt dieser Grundsatz in erster Linie für Rentenanträge (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2021 – B 13 R 7/20 R –juris, Rn. 14 m.w.N.; Urteil vom 29. November 2007 – B 13 R 44/07 R – juris, Rn. 22 m.w.N.), nicht aber automatisch auch für das Widerspruchsverfahren. Mit Erhebung des Widerspruchs tritt eine Zäsur ein. Denn soweit der Rentenversicherungsträger den ursprünglichen Rentenantrag gemäß § 2 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB I im Lichte des Meistbegünstigungsprinzips auszulegen hatte, hat es allein der Antragsteller in der Hand, sowohl die Bestandskraft (§ 77 SGG) der (Ausgangs-)Entscheidung des Versicherungsträgers durch die Einlegung des Widerspruchs temporär hinauszuschieben, als auch den Umfang des Vorverfahrens (§ 62 SGB X i.V.m. § 83 SGG) hierdurch zu bestimmen. Insofern ist die einseitige, empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung des Widerspruchführers (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 83 Rn. 2a) unter Beachtung von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und des Gebots der Effektivität des Rechtsschutzes auslegen. Anhaltspunkt für die Auslegung ist hierbei das vernünftigerweise Gewollte (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, Vor § 60 Rn. 11a). Insofern erscheint es im vorliegenden Fall zweifelsohne zweckmäßig, dass die Klägerin ihr Widerspruchsbegehren auf die unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungen ernsthaft in Betracht zu ziehende (Regel-)Leistung (hier: Gewährung einer Erwerbsminderungsrente auf Zeit als normierter Regelfall) begrenzen wollte, um im Falle eines entsprechenden Erfolges den Anspruch auf volle Kostenerstattung gemäß § 63 SGB X zu wahren. Zu Recht hat die Klägerin gegen die Auffassung der Beklagten daher eingewandt, dass das von ihr zur Auslegung ihres Widerspruchsbegehrens herangezogene Günstigkeitsprinzip sie – entgegen seines eigentlichen Zwecks – nicht begünstigen, sondern belasten würde.
31 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
32 
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür nicht vorliegen. Im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist der Rechtssache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen, da eine individuelle Tatfrage zu beurteilen ist. Zur Beantwortung der Frage, ob die Klägerin mit ihrem Widerspruch in vollem Umfang erfolgreich war, ist zu prüfen, mit welchem Ziel die Klägerin Widerspruch gegen den die beantragte Erwerbsminderungsrente ablehnenden Bescheid einlegte. Hierbei handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls.

Gründe

 
15 
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig. Die Berufung ist aufgrund Zulassung im angefochtenen Urteil des SG insbesondere statthaft; an die Zulassung ist der Senat gebunden (§§ 143, 144 Abs. 3 SGG).
16 
2. Gegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren der Klägerin, ihr unter Änderung der Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 2. März 2020 die Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 28. Mai 2019 in vollem Umfang statt lediglich zu dreiviertel zu erstatten. Streitbefangen ist damit der Widerspruchsbescheid vom 2. März 2020 hinsichtlich der Kostenentscheidung. Insoweit enthält dieser für die Klägerin eine eigenständige Beschwer. Er kann daher isoliert mit der Klage angefochten werden. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zulässig.
17 
3. Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Das SG hätte die Klage nicht abweisen dürfen. Denn die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der vollen Kosten des Widerspruchsverfahrens. Auf ihren Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Mai 2019 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 19. Dezember 2019 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. September 2019 bis 31. Januar 2023. Mit dieser Abhilfeentscheidung war der Widerspruch der Klägerin in vollem Umfang erfolgreich.
18 
Rechtsgrundlage für die Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens ist § 63 Abs. 1 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist.
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Diese Vorschrift ordnet eine Kostenerstattung an, „soweit“ der Widerspruch erfolgreich war. Damit kommt im Falle eines Teilerfolges des Widerspruchs zwar eine anteilige Kostenerstattung in Betracht. Allerdings war die Klägerin mit ihrem Widerspruch gegen den die beantragte Erwerbsminderungsrente ablehnenden Bescheid vom 28. Mai 2019 nicht nur teilweise, sondern in vollem Umfang erfolgreich.
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Zur Beantwortung der Frage, ob ein Widerspruch erfolgreich war, ist grundsätzlich ein Vergleich zwischen dem Begehren im Widerspruchsverfahren und dem Erfolg des Begehrens anzustellen. Da es im Widerspruchsverfahren - anders als im gerichtlichen Verfahren - keine mündliche Verhandlung gibt, in der ein verbindlicher Antrag gestellt wird, muss das Begehren des Widerspruchsführers ggf. wertend ermittelt werden (Feddern, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand 7. Juni 2021, § 63 Rn. 39). Wenn das Verfahrensziel nach sachgerechter Bewertung der Anträge erreicht ist, kommt eine volle Kostenerstattung in Betracht (Feddern, a.a.O.).
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Vorliegend begründete die Klägerin ihren Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Mai 2019, mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ablehnte, ausführlich mit ihren Gesundheitsstörungen. Sie legte dabei umfassend ihre Erkrankungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen dar und führte aus, dass sie durch die hieraus resultierenden Leistungsbeeinträchtigungen selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr sechs Stunden täglich verrichten könne und daher „zu berenten“ sei. Ihrem Widerspruch sei „vollumfänglich abzuhelfen“. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin damit geltend, ihr stehe eine Rente wegen Erwerbsminderung zu. Ausführungen dazu, ob ihr Begehren auf die Gewährung eine Zeitrente oder auf eine Rente auf unbestimmte Zeit gerichtet ist, machte sie nicht. Auch stellte sie ihr Begehren nicht durch eine verbindliche Antragstellung klar. Zur Feststellung des Widerspruchsbegehrens der Klägerin ist unter Berücksichtigung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) daher der objektive Sinngehalt ihrer Erklärungen zu ermitteln, d.h. wie der Empfänger die Erklärungen bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen musste (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. November 2019 - B 2 U 29/17 R - juris, Rn. 10; Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 8/07 R - juris, Rn. 12; vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 33/07 R - juris, Rn. 15) bzw. das objektivierte Empfängerverständnis (BSG, Urteil vom 10. Juli 2012 - B 13 R 85/11 R - juris, Rn. 25).
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Ausgehend hiervon war das Widerspruchsbegehren der Klägerin auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit, nämlich den vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelfall einer Erwerbsminderungsrente, gerichtet. Der Senat vermag aus den Ausführungen der Klägerin im Rahmen der Widerspruchsbegründung ihres Prozessbevollmächtigten keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass die Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente auf unbestimmte Zeit erfüllt sah und sie ihren Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Mai 2019 daher gerade mit dem Ziel einlegte, die nur unter besonderen medizinischen Voraussetzungen in Betracht kommende Erwerbsminderungsrente auf Dauer zu erhalten.
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Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden u.a. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber den Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit seit Einführung des neuen Erwerbsminderungsrechts zum 1. Januar 2000 grundsätzlich nur noch auf Zeit geleistet werden und damit zu befristen sind (Kador, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, Stand 7. Mai 2021, § 102 Rn. 10). Dabei erfolgt die Befristung nach Satz 2 der Regelung für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Abweichend von diesem Grundsatz bestimmt Satz 5 der Regelung, dass Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet geleistet werden, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Damit können Versicherte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer nur dann beanspruchen, wenn der Rentenanspruch ausschließlich auf seinem Gesundheitszustand und nicht (auch) darauf beruht, dass der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist, und darüber hinaus unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann.
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Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie u.a. voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Auf nicht absehbare Zeit besteht eine Einschränkung, wenn sie sich voraussichtlich über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erstreckt (BSG, Urteil vom 23. März 1977 – 4 RJ 49/76 – juris, Rn. 15).
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Ausgehend von diesen Regelungen kommt die Gewährung einer unbefristeten Rente wegen Erwerbsminderung, d.h. ohne zeitliche Befristung, nur dann in Betracht, wenn das Leistungsvermögen des Versicherten wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit so weit herabgesunken ist, dass er Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht zumindest drei Stunden täglich bzw. wenigstens sechs Stunden täglich auszuüben vermag und darüber hinaus unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. In dem zuerst genannten Fall liegt volle Erwerbsminderung auf Dauer vor, was einen Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente auf Dauer begründet. Bei der zuletzt genannten Konstellation liegt teilweise Erwerbsminderung auf Dauer vor, woraus ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer resultiert, wobei Versicherte nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes jedoch Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben, die im Hinblick auf § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI jedoch nur auf Zeit zu leisten ist.
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Die Klägerin trug im Rahmen ihrer Widerspruchsbegründung vor, sie könne Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes im Rahmen einer Fünftagewoche nicht mehr zumindest sechs Stunden täglich verrichten. Der Sache nach machte sie damit das Vorliegen einer teilweisen Erwerbsminderung (Leistungsvermögen zwischen drei und weniger als sechs Stunden täglich) geltend. Dass ihr Leistungsvermögen darüberhinausgehend gar so weit herabgesunken ist, dass selbst Tätigkeiten im Umfang von wenigstens drei Stunden täglich nicht mehr leidensgerecht seien, behauptete die Klägerin nicht. Darüber hinaus machte sie insbesondere auch nicht geltend, dass mit einer Besserung ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht zu rechnen sei und es daher unwahrscheinlich sei, dass die bereits eingetretene Erwerbsminderung behoben werden könne. Allein unter diesen Voraussetzungen käme die Gewährung einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente in Betracht.
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Bei verständiger Würdigung war das Vorbringen der Klägerin aus der Sicht eines objektiven Betrachters somit darauf gerichtet, eine zeitlich befristete Erwerbsminderungsrente zu erhalten, und zwar im Hinblick auf den für sie verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Eine solche Rente gewährte die Beklagte der Klägerin im Widerspruchsverfahren. Denn mit Bescheid vom 19. Dezember 2019 bewilligte sie der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. September 2019 bis 31. Januar 2023. Mithin war der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 28. Mai 2019 in vollem Umfang erfolgreich.
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Diese Auslegung des Widerspruchsbegehrens der Klägerin wird dadurch bestätigt, dass die Klägerin sich durch ihren Prozessbevollmächtigter unmittelbar nach Erteilung des Abhilfebescheides vom 19. Dezember 2019 mit Schreiben vom 13. Januar 2020 an die Beklagte wandte, unter Bezugnahme auf den ergangenen Rentenbescheid bestätigte, dass ihrem Widerspruch „damit vollumfänglich abgeholfen“ worden sei und im Hinblick auf die Kostenregelung des § 63 SGB X unter Übersendung einer entsprechenden Kostennote ihres Bevollmächtigten um Kostenerstattung bat. Nach alledem sieht der Senat keinen Grund für die Annahme, dass die Klägerin mit ihrem Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Mai 2019 nicht im vollem Umfang erfolgreich gewesen wäre.
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Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, ein Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung beinhalte grundsätzlich das Begehren, dass die beantragte Rente auf Dauer gewährt werde, so mag durchaus zutreffend sein, dass Versicherte bei Rentenantragstellung grundsätzlich die für sie günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen möchten und daher in erster Linie eine Rente als Dauerleistung begehren. Im Zusammenhang mit ihrer Antragstellung äußern sich Versicherte insoweit im Regelfall allerdings nicht. Hierzu besteht für sie auch keine Veranlassung. Denn das von ihnen zu verwendende Antragsformular gibt als Auswahlmöglichkeiten für den jeweils beabsichtigten Antrag lediglich die verschiedenen Arten von Versichertenrenten vor und es sieht bei der in Rede stehenden „Rente wegen Erwerbsminderung“ nicht vor, dass eine nähere Konkretisierung von Art und Dauer der begehrten Erwerbsminderungsrente vorgenommen wird. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte im Hinblick auf Leistungsbegehren ihrer Versicherten nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung ohnehin nicht am Wortlaut ihrer Erklärung haften darf und nach § 2 Abs. 2 Halbsatz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) davon ausgehen muss, dass der Versicherte die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen will (vgl. zur Auslegung von Rentenanträgen BSG, Urteil vom 29. November 2007 – B 13 R 44/07 R – juris, Rn. 22).
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Vorliegend ist nicht relevant, mit welchem Begehren die Klägerin am 28. Februar 2019 ihren Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung stellte und welche Art der Leistungsgewährung für sie die günstigste ist. Denn im anhängigen Rechtsstreit steht der Umfang der Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens im Streit und damit allein die Frage, mit welchem Ziel die Klägerin gegen den ihren Antrag ablehnenden Bescheid vom 28. Mai 2019 Widerspruch erhob. Das Günstigkeitsprinzip ist vorliegend insoweit ohne Belang. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gilt dieser Grundsatz in erster Linie für Rentenanträge (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2021 – B 13 R 7/20 R –juris, Rn. 14 m.w.N.; Urteil vom 29. November 2007 – B 13 R 44/07 R – juris, Rn. 22 m.w.N.), nicht aber automatisch auch für das Widerspruchsverfahren. Mit Erhebung des Widerspruchs tritt eine Zäsur ein. Denn soweit der Rentenversicherungsträger den ursprünglichen Rentenantrag gemäß § 2 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB I im Lichte des Meistbegünstigungsprinzips auszulegen hatte, hat es allein der Antragsteller in der Hand, sowohl die Bestandskraft (§ 77 SGG) der (Ausgangs-)Entscheidung des Versicherungsträgers durch die Einlegung des Widerspruchs temporär hinauszuschieben, als auch den Umfang des Vorverfahrens (§ 62 SGB X i.V.m. § 83 SGG) hierdurch zu bestimmen. Insofern ist die einseitige, empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung des Widerspruchführers (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 83 Rn. 2a) unter Beachtung von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und des Gebots der Effektivität des Rechtsschutzes auslegen. Anhaltspunkt für die Auslegung ist hierbei das vernünftigerweise Gewollte (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, Vor § 60 Rn. 11a). Insofern erscheint es im vorliegenden Fall zweifelsohne zweckmäßig, dass die Klägerin ihr Widerspruchsbegehren auf die unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungen ernsthaft in Betracht zu ziehende (Regel-)Leistung (hier: Gewährung einer Erwerbsminderungsrente auf Zeit als normierter Regelfall) begrenzen wollte, um im Falle eines entsprechenden Erfolges den Anspruch auf volle Kostenerstattung gemäß § 63 SGB X zu wahren. Zu Recht hat die Klägerin gegen die Auffassung der Beklagten daher eingewandt, dass das von ihr zur Auslegung ihres Widerspruchsbegehrens herangezogene Günstigkeitsprinzip sie – entgegen seines eigentlichen Zwecks – nicht begünstigen, sondern belasten würde.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
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5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür nicht vorliegen. Im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist der Rechtssache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen, da eine individuelle Tatfrage zu beurteilen ist. Zur Beantwortung der Frage, ob die Klägerin mit ihrem Widerspruch in vollem Umfang erfolgreich war, ist zu prüfen, mit welchem Ziel die Klägerin Widerspruch gegen den die beantragte Erwerbsminderungsrente ablehnenden Bescheid einlegte. Hierbei handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls.

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