Beschluss vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (14. Senat) - L 14 AS 300/20 B PKH

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schwerin vom 13. April 2017, mit dem dem Kläger erst ab dem 25. Juli 2016 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und seine Prozessbevollmächtigte beigeordnet worden ist, wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

Streitig ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe rückwirkend auf den Zeitpunkt des Prozesskostenhilfeantrages für ein mittlerweile abgeschlossenes Hauptsacheverfahren.

2

Am 4. März 2016 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen den Aufhebungsbescheid vom 16.Oktober 2015 Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2016 Klage erhoben und zeitgleich die Bewilligung von ratenfreier Prozesskostenhilfe beantragt. Mit der Klage wurde ein monatlicher Anspruch nach dem SGB II in Höhe von ca. 177 Euro für die Zeit von September bis Oktober 2015 begehrt.

3

Mit Schreiben vom 5. Juli 2016 wies das SG die Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass die Angaben im PKH-Antrag zum Wohngeld nicht dem tatsächlich bewilligten Wohngeld entsprächen. Es wurde ferner um Übersendung der aktuellen Rentenanpassungsmitteilung gebeten, da die Rente sich zum 1. Juli 2016 erhöht haben dürfte. Ferner wurde der Kläger gebeten sich die Mühe zu machen, seine Ausgaben für das Wohnen selbst zu addieren und dem Gericht mitzuteilen. Dies sei nicht Aufgabe des Gerichts. Daher erhalte die Prozessbevollmächtigte die Erklärung des Klägers zur Prozesskostenhilfe vollständig zurück, mit der Bitte, diese entsprechend zu korrigieren bzw. binnen eines Monats zu ergänzen.

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Am 25. Juli 2016 wurde von der Prozessbevollmächtigten des Klägers ein korrigierter PKH-Antrag übersandt und entsprechende Anlagen beigereicht.

5

In der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2017 bewilligte das SG dem Kläger durch Beschluss Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten ab 25. Juli 2016. Eine Begründung erfolgte nicht.

6

Mit Bescheid vom 16. August 2017 bewilligte der Beklagten dem Kläger einen monatlichen Gesamtbedarf für September bis Oktober 2015 in Höhe von 200,53 Euro. Daraufhin erklärte die Prozessbevollmächtigte des Klägers das Verfahren aufgrund des Bescheides vom 16. August 2017 in der Hauptsache erledigt.

7

Am 21. Januar 2019 erfolgte die Vergütungsfestsetzung. Eine Festsetzung der in Höhe der Mittelgebühr (300 Euro netto) beantragten Verfahrensgebühr sei nicht angemessen. Im vorliegenden Fall sei die Prozessbevollmächtigte des Klägers erst ab dem 25. Juli 2016 beigeordnet worden. Die aufgezählten zu vergütenden Tätigkeiten seien vor dem Zeitpunkt der Bewilligung und Beiordnung vorgenommen worden. Folglich stehe eine Vergütung aus der Staatskasse nur für Tätigkeiten zu, die zeitlich nach dem Wirksamwerden der Beiordnung lägen. Deshalb sei hier die Verfahrensgebühr nur in Höhe von 216,97 Euro netto angefallen (Mittelgebühr abzgl. 1/3 der Differenz zwischen Mittel- und Mindestgebühr). Zudem wurde die zur Festsetzung beantragte Erledigungsgebühr als nicht entstanden abgesetzt. Insgesamt setzte die Kostenbeamtin statt der beantragten 1.094,68 Euro 638,52 Euro fest.

8

Hiergegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 22. Februar 2019 Erinnerung erhoben, der die Urkundsbeamtin des SG nicht abgeholfen hat.

9

Die Bezirksrevisorin des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern hat mit Schreiben vom 27. Juli 2020 Stellung genommen und unter anderem ausgeführt, gemäß § 48 Abs. 4 RVG erstrecke sich die Beiordnung in Angelegenheiten, in denen nach § 3 Abs. 1 RVG Betragsrahmengebühren entstünden, auf Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Beantragung des Prozesskostenhilfe, wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt werde. Im vorliegenden Fall sei die Prozessbevollmächtigte mit Beschluss vom 13. April 2017 erst ab 25.Juli 2016 in dem seit 4. März 2016 anhängigen Verfahren beigeordnet worden. Zu Recht habe die Kostenbeamtin daher nur die Tätigkeit seit der Beiordnung bei der Bemessung der Gebühren berücksichtigt. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei daher als unterdurchschnittlich einzuschätzen.

10

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat daraufhin die Erinnerung ausdrücklich aufrechterhalten und hinsichtlich des PKH-Beschlusses vom 13. April 2017 einen Berichtigungsantrag gestellt. Bei der Benennung des 25. Juli 2016 als Zeitpunkt für die PKH-Bewilligung werde von einem ganz offensichtlichen Versehen ausgegangen. Die PKH-Bewilligung sei zeitgleich mit der Klageerhebung am 4. März 2016 beantragt worden. Bei der Benennung des Datums des 25. Juli 2016, das mit keinerlei Ereignis in Zusammenhang zu bringen sei, könne es sich folglich nur um ein Versehen handeln.

11

Der Vorsitzende der zuständigen Kammer des SG hat daraufhin mit Schreiben vom 31. August 2020 darauf hingewiesen, dass der Nachweis der Bedürftigkeit im Sinne von § 114 ZPO erst mit Schreiben (einschließlich Anlagen) vom 21. Juli 2016 (eingegangen bei Gericht am 25. Juli 2016) geführt worden sei. Ab diesem Zeitpunkt sei der Antrag entscheidungsreif gewesen. Für eine Berichtigung bestehe daher kein Raum.

12

Am 16. September 2020 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers Beschwerde gegen den Beschluss vom 13. April 2017 erhoben und zur Begründung unter anderem vorgebracht, das Gesetz sehe keine Möglichkeit vor, die Bewilligung zeitlich zu variieren, abhängig davon, wann noch angeforderte Unterlagen nachgereicht worden seien. Der Antrag sei mit der Klageerhebung gestellt worden. Die auch bereits zu diesem Zeitpunkt vorliegende Bedürftigkeit sei mit den eingereichten Unterlagen nachgewiesen worden. Es sei gängige Praxis, dass selbst in den Terminen zur mündlichen Verhandlung noch PKH-Unterlagen beigebracht und berücksichtigt würden. Die Beschwerde sei nicht verfristet, da eine inhaltliche Begründung der Entscheidung nunmehr erst mit Schreiben vom 31. August 2020 bekannt gegeben worden sei. Zudem sei auch keine Rechtsmittelbelehrung zum PKH-Beschluss erfolgt.

13

Das SG hat das Erinnerungsverfahren durch Beschluss vom 18. September 2020 gemäß § 114 Abs. 2 SGG ausgesetzt, weil der Ausgang des Erinnerungsverfahren vom Ausgang des vorliegenden Beschwerdeverfahrens abhänge.

II.

14

Die Beschwerde ist zwar nicht bereits gemäß § 173 SGG verfristet, da in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 13. April 2017 nur der Tenor der PKH-Entscheidung bekannt gegeben wurde, der allein die Frist nicht in Lauf setzt. Die Beteiligten haben das Recht darauf, die Gründe zu erfahren, bevor sie Rechtsmittel einlegen (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig /Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. § 173 Rn. 5a). Diese Begründung erfolgte erst im Erinnerungsverfahren mit Schriftsatz des SG vom 31. August 2020.

15

Die Beschwerde ist dennoch unzulässig und zu verwerfen.

16

Gemäß § 172 Abs. 1 SGG ist gegen die Entscheidungen des Sozialgerichts mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statthaft, soweit nicht im SGG anderes bestimmt ist. Nach § 172 Abs. 3 Nr. 2a SGG ist die Beschwerde ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Dies ist hier der Fall. Der Beschwerdeausschluss erfasst auch Beschlüsse, mit denen PKH erst ab einem späterem Zeitpunkt bewilligt wird, weil das Gericht zuvor die wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint oder nicht prüfen kann (LSG NRW 15.2.2019 – L 13 VG 5/19 B). Ebenso (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller /Leitherer/ Schmidt SGG, 12. Aufl., § 172 Rn. 6g; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 10. August 2017 - L 8 AS 250/14).

17

Darüber hinaus dürfte die Beschwerde auch nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG ausgeschlossen sein, da in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Von Klägerseite wurden in erster Instanz für die Monate September und Oktober jeweils 177 Euro Leistungen begehrt und von Beklagtenseite mit Bescheid vom 16. August 2017 Leistungen jeweils für die Monate September und Oktober 2015 in Höhe von 200,53 Euro bewilligt. Die Mindestbeschwer in Höhe von mehr als 750 Euro ist damit eindeutig nicht erreicht.

18

Es ist zudem auch nicht zu beanstanden, die Prozesskostenhilfe erst mit Bewilligungsreife einsetzen zu lassen, welche hier am 25. Juli 2016 eingetreten ist. Eine derartige Beschränkung ist jedoch im sozialgerichtlichen Regelfall, in dem Betragsrahmengebühren (wie hier) anfallen, regelmäßig für die Höhe der Vergütung ohne wirtschaftliche Auswirkung und daher zumeist entbehrlich. Für die Höhe der über den gesamten Zeitraum des Verfahrens quasi täglich neu und in gleicher Höhe entstehenden Verfahrensgebühr gilt dies stets. Dieser Hinweis erscheint im Hinblick auf das ausgesetzte Vergütungsfestsetzungsverfahren und die vorliegende Stellungnahme der Bezirksrevisorin angebracht. Die Unerheblichkeit der zeitlichen Beschränkung folgt bereits aus § 48 Abs. 4 Satz 2 RVG, wonach sich die Beiordnung auf die gesamte Tätigkeit im Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit erstreckt, mithin insbesondere auch auf die Anfertigung der für die Prüfung der Erfolgsaussichten unverzichtbaren Klagebegründung. Auch der Zweck der Prozesskostenhilfe, den Rechtssuchenden von Gebührenforderungen seines Prozessbevollmächtigten zu entlasten, erlaubt keine andere, zu unterschiedlichen Höhen der identischen Gebühr führende Auslegung. Es sei insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Kostensenates des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern sowie auf die Gesetzesbegründung zum 2. KostRModG, BT-Drs. 17/11471, S. 270, verwiesen.

19

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

20

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.

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